Auf einen Kaffee mit… Anja Schillhaneck
Anja Schillhaneck, u.a. Sprecherin für Haushalt, über Online-Spiele, ihren Bezirk Tempelhof-Schöneberg und die Europawahl 2014
Du bist verheiratet, hast eine Tochter, bist Vize-Präsidentin des Abgeordnetenhauses, bist Sprecherin für Wissenschaft, Forschung und Technologie, sowie für Europa- und Bundesangelegenheiten. Und das ist erst der Anfang einer langen Liste. Wie kriegst du das alles unter einen Hut?
Gute Frage! Das frage ich mich auch regelmäßig. Das geht nur deswegen, weil ich mit verdammt guten Leuten zusammen arbeite. Ohne die Fachreferentinnen der Fraktion würde ich an vielen Stellen konzeptionell und fachlich ganz schön blank da stehen. Ich habe mir außerdem über die vielen Jahre, in denen ich meinen Beruf ausübe, eine gewisse Routine angeeignet, wodurch mich bestimmte Dinge nicht mehr so sehr überraschen wie vielleicht andere.
Was regt dich trotzdem im politischen Alltag auf?
Was mich wahnsinnig aufregt ist, dass sich das Parlament hier in Berlin oft scheinbar selbst nicht so richtig ernst nimmt. Da erscheint es Abgeordneten immer mal wieder als eine Zumutung, länger als zwei Stunden in einem Ausschuss zu tagen oder eine Anhörung auszuwerten. Die Koalitionsfraktionen sollten zudem den Senat stärker in seinem Handeln hinterfragen und kontrollieren und nicht alles brav abnicken. Die Regierung selbst stellt sich aus unerfindlichen Gründen darüber hinaus kaum der Debatte im Plenum. Das gibt es in anderen Landesparlamenten nicht.
Welche Rolle spielen für dich Soziale Medien? Du bist ja beispielsweise eine leidenschaftliche Twitterin.
Stimmt, ich bevorzuge Twitter. Twitter ist ein sehr schneller Kommunikationsweg, um Infos und Aussagen pointiert weiterzugeben. Ich twittere z.B. gerne bei Anhörungen, für die kein Stream zu Verfügung steht, und kommentiere Beiträge persönlich. Schön sind auch die vielen Rückmeldungen, die ich bekomme. Es kommt aber auch vor, dass ich mir bevor ich auf „Senden“ drücke nochmal denke „Nee, das machste jetzt nicht“. Aber im Prinzip sage ich mir: „Ich denke das, ich sage das, also kann ich es auch twittern“. Wer so twittert, muss sich aber darüber bewusst sein, dass Reaktionen aus dem öffentlichen Raum kommen.
Stimmt es, dass du auch ein großer Fan von Online-Spielen bist?
Ja das stimmt, obwohl ich aus Zeitgründen nur noch Gelegenheitsspielerin bin. Wenn ich spiele, dann vor allem World of Warcraft, da man hier auch mal nur einen Abend statt 20 Stunden in der Woche spielen kann. Spannend finde ich, dass bei solchen Spielen durch das gemeinsame bewältigen von Herausforderungen dauerhaft Beziehungen zu anderen Spielern und Spielerinnen entstehen – selbst wenn man sich möglicherweise noch nie in Person gesehen hat. Ansonsten im Moment so Sachen wie Civilisation, Skyrim und Starcraft 2 – also keine typischen Online-Spiele. Ich muss aber zugeben, dass ich nicht besonders gut bin.
Dein Kreisverband liegt in Tempelhof-Schöneberg. Was ist das Besondere an diesem Bezirk?
Das Besondere ist, das Tempelhof von der Mitte bis weit nach Außen reicht. Damit einher geht eine große Diversität. Das ist ein spannender Zuschnitt. Ich wohne in Marienfelde und bin damit Stadtrandbewohnerin. Ich finde auch hier herrscht eine unglaubliche Dynamik und man ist mit der S2 schnell in der Innenstadt. Der Bezirk hat alles: vom Nollendorfkiez, Friedenau, Breslauer Platz, Dominicusstraße über Tempelhof-Gartenstadt mit dem Tempelhofer Feld bis runter nach Marienfelde mit der ältesten Kirche ganz Berlins.
Was sagst du als europapolitische Sprecherin (Anm. d. Red.: bis 2016): Mit welchen Punkten können und sollen die Grünen in den Europawahlkampf 2014 gehen?
Für uns Grüne sind natürlich die Bereiche Umwelt- und Verbraucherschutz besonders wichtig. Über den Einfluss im Europaparlament und der Kommission entscheidet sich, welche Grenzwerte für Pestizide in unseren Nahrungsmitteln gelten, oder ob mehr kleine Biobauernhöfe gefördert werden. Wichtig ist auch das Thema Verkehr und hier insbesondere Güterverkehr. Auch die immer noch Handelspolitik der EU muss thematisiert werden. In der Fraktion arbeiten wir zurzeit an einem Positionspapier zur Freizügigkeit. Mich regt sehr auf, wie die Freizügigkeit als eine der größten Errungenschaften Europas gerade aus Bayern und so populistisch mit Unterstellungen torpediert wird, die nicht haltbar sind. Gerade Berlin hat durch die innereuropäische Freizügigkeit enorm profitiert und wäre nicht dieselbe internationale Stadt, die sie heute ist. Und ich finde Berlin liebenswert. Ich finde, das darf man auch mal ganz laut sagen!
Das Interview führte Marc Siepe.