Grüne Europawochen: Die Slowakei – ein liberaler Leuchtturm in Osteuropa?
Der Brexit macht in diesen Tagen wieder deutlich, wie uns Nationalismus und Europafeindlichkeit in eine große Unsicherheit stürzen. Wir Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus verstehen uns als Gegenpol dazu. Aus diesem Grund rufen wir im April und Mai unsere grünen Europawochen ins Leben. Unter dem Motto “Wir für Europa” zeigen wir Landespolitiker*innen Flagge für eine klar proeuropäische Haltung. Unser Blick auf Osteuropa ist durch die EU-skeptischen Visegrad-Staaten geprägt. Inwiefern die Slowakei dabei heraussticht und woran noch zu arbeiten ist, berichtet unsere Fraktionsvorsitzende Silke Gebel.
15 Jahre ist die EU-Osterweiterung nun her. 15 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wuchs hierdurch 2004 die Europäische Union zusammen und holte das nach, was Europa schon 1989 beschert war.
Heutzutage denken viele von uns bei EU-Mitgliedern aus Osteuropa zuerst an die Visegrad-Staaten, ihren harten Kurs der Abschottung gegenüber Geflüchteten und ihre kritische Haltung gegenüber der Europäischen Union. Deshalb lohnt es sich, einen Blick auf einzelne EU-Mitgliedsländer aus Osteuropa, wie z.B. die Slowakei zu werfen.
81 Prozent der Slowak*innen sagen, die Slowakei habe von Europa profitiert. Dem Fall des Eisernen Vorhangs folgte eine lange Phase der Deindustrialisierung, die jedoch umgekehrt werden konnte. Heute sind ein Drittel der Slowak*innen in der Industrie beschäftigt, insbesondere im Automobilbau. Die Slowakei ist die Automobilfabrik Europas. Dabei hat das Land stark von EU-Fördermitteln profitiert, durch deren Einsatz zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. So liegt die Arbeitslosigkeit in der Slowakei auch hierdurch bei nur noch 5,5%.
Dennoch sehen nicht wenige Slowak*innen ihre berufliche Zukunft im EU-Ausland aufgrund des niedrigen Lohnniveaus in der Slowakei. Die Verringerung des erheblichen Lohngefälles zwischen den EU-Ländern bleibt daher eine zentrale Aufgabe auch für die nächste EU-Kommission. In Berlin leben 1600 Slowak*innen und bereichern die kulturelle und sprachliche Vielfalt unserer Stadt.
Die weiter bestehende Skepsis der Slowak*innen gegen die Europäische Union ist eine Skepsis gegen die Politik im Allgemeinen: Der feige Mord am Journalisten Jan Juciak, der eine Reportage über mögliche Verbindungen italienischer Mafia-Clans zu slowakischen Regierungsmitarbeitern anfertigte, war der letzte Tropfen, der das besagte Fass zum Überlaufen gebracht hat und viele im Land aufgerüttelt und auf die Straße gebracht hat. Denn vor allem junge Menschen gingen in den letzten Jahren wiederholt gegen die verbreitete Korruption im Land auf die Straße. Auch die hohe soziale Ungleichheit im Land wird von 85 Prozent der Slowak*innen kritisiert.
Die Wahl der liberalen Umweltaktivistin Zuzana Čaputová zur neuen Präsidentin der Slowakei bietet nun die Chance, ein neues Kapitel aufzuschlagen und die pro-europäischen Kräfte im Land zu unterstützen. Diese Position macht Mut für einen Kurs, der Europa als beste Idee, die Europa je hatte, stärkt.
Denn wie es mit der Europäischen Union weitergeht, darüber ist die Slowakei gespalten: Während 51 Prozent der Slowak*innen mit der EU zufrieden sind, sagen 48 Prozent die EU entwickle sich in die falsche Richtung. Es liegt an uns allen, die Mehrheit der Slowak*innen in ihren pro-europäischen Kurs zu unterstützen und auch auf die EU-Skeptiker*innen zuzugehen, um sie von der europäischen Idee zu überzeugen.