Hatun-Sürücü-Preis 2021: Grüne Fraktion zeichnet Engagement für Mädchen und Frauen aus
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus zeichnet am heutigen Freitagabend ab 18 Uhr zum neunten Mal drei Berliner Projekte und Initiativen mit dem Hatun-Sürücü-Preis aus (zum Livestream zur digitalen Preisverleihung im BKA-Theater gehts hier.) Mit dem grünen Frauenpreis für die Förderung der Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen rücken wir die Menschen in den Vordergrund, die sich oft im Stillen, aber mit Tatkraft und viel Herz für Mädchen und junge Frauen engagieren. Ihnen gilt unser Dank. Wir freuen uns sehr, dass wir für die Moderation der Preisverleihung die Kabarettistin und Schauspielerin Idil Baydar gewinnen konnten. Bettina Jarasch wird zudem das Grußwort halten.
Gleichzeitig erinnern wir mit dem Preis an Hatun Sürücü, die am 7. Februar 2005 von einem ihrer Brüder ermordet wurde, weil sie ihr Leben selbstbestimmt und frei führen wollte.
Die drei diesjährigen Preisträger*innen zeigen, wie vielfältig das Engagement für Mädchen und Frauen aussehen kann:
1. Preis: Bitch MATERial, Saralisa Volm & Britta Adler
Stärkung von Frauen im Kunst- und Kulturbereich (1500 Euro)
Bitch MATERial kuratiert Kunstausstellungen, die sich mit der Infragestellung patriarchaler Machtstruktur und dem Neudenken konventioneller Rollenbilder beschäftigt. Durch die Ausstellungen und begleitende Veranstaltungen sollen Frauen* empowered und Diskurse zu diesem Thema angestoßen werden. Die Ausstellungsreihe bitch MATERial, die 2016 ins Leben gerufen wurde, sucht die künstlerische Auseinandersetzung mit Themen, denen aufgrund patriarchaler Strukturen in der Kunstwelt bisher kein oder wenig Platz eingeräumt wurde. Es geht um die Neukonzeption des Mutterschaftsbegriffes, die Repräsentation beziehungsweise Unterrepräsentation weiblicher Künstlerinnen in der Kunstwelt, die Normalisierung des weiblichen Körpers und seiner Nacktheit und vieles mehr. Die Gruppe hat schon mehrere Ausstellungen kuratiert, u.a. auch bOObs – Wir zeigen Brust!, die der Zensur und Tabuisierung der weiblichen Brust im Diskurs sowie in der bildlichen Darstellung den Kampf ansagt. Mit Frau.Macht.Geld plant bitch MATERial eine Ausstellung zu den weiblichen Künstlerinnen, die durch ihren finanziellen Erfolg in der Kunstgeschichte eine Ausnahme darstellen und heute oft übersehen oder ignoriert werden. MENOmia soll die weibliche Sexualität jenseits der Wechseljahre erkunden und Blood and Tears wird das tabuisierte Thema der Menstruation aufgreifen. Die künstlerische Konzeption, kuratorische Arbeit, Planung und Recherche von bitch MATERial ist bisher unentgeltlich erfolgt. Mehr Infos hier.
2. Preis: Eritreisches Frauencafé, Grit Langbehn & Sally Pegesa
Hilft zur Selbsthilfe und Stärkung der Community der Eritreischen Frauen (900 Euro)
Zwei Mitarbeiterinnen der Freiwilligenagentur Friedrichshain-Kreuzberg, die durch die Organisation von Patenschaften zwischen Freiwilligen und Geflüchteten Kontakt zu vielen Eritreerinnen hatten, haben dieses Projekt 2018 initiiert. Sie nahmen wahr, wie groß der Bedarf an Unterstützung in der Community der Eritreerinnen ist und wie wenig anschlussfähige Strukturen und Angebote für diese Community bisher in Berlin vorhanden sind. Durch das überwiegend ehrenamtliche Engagement der beiden Frauen entstand das Eritreische Frauencafé. Jeden Mittwoch treffen sich die Frauen, tauschen sich aus, lernen Deutsch und sprechen über die Themen und Anliegen, die sie bewegen und über die sie mehr erfahren möchten. Von der Struktur unseres Bildungssystems und Erziehungsfragen, über die Wohnungssuche und Gesundheitsversorgung bis zu Stadtausflügen und Museumsbesuchen erschließt sich die Gruppe gemeinsam neue Kenntnisse und Zugänge zu unserer Gesellschaft. Die Probleme der teilnehmenden Frauen sind vielfältig: Die Trennung aus Gewaltbeziehungen, traumatische Erfahrungen rund um weibliche Genitalverstümmelung und Sexualität, Alltagsrassismus, die Alltagsbewältigung als alleinerziehende Mütter, der Kampf um Familiennachzug. Schrittweise erwerben die Eritreerinnen mehr Selbstbewusstsein und eine größere Handlungsfähigkeit auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Mehr Infos hier.
3. Preis: SISTERQUEENS, Alma Wellner Bou & Lisa Schwalb
Feministische Rap-Workshops für Mädchen (600 Euro)
„Sisterhood, das sind wir!” heißt es in einem der neuen Rap-Songs der Mädchen aus dem Wedding, die als SISTERQUEENS bereits seit mehreren Jahren ihre eigenen Texte schreiben und ihre Belange lautstark durch Rap artikulieren. Ihre neuen Songs handeln von Zusammenhalt, der Hood, Freundinnenschaft und vom Recht von Mädchen und Frauen auf Rap, eine immer noch männlich dominierte Musik-Branche. SISTERQUEENS wurde 2018 als Plattform für Rap von Mädchen aus Berlin von ongoing project ins Leben gerufen und basiert auf einer engen Kooperation mit dem interkulturellen Zentrum für Mädchen und junge Frauen “MÄDEA/Stiftung SPI”. Fokus ist, Mädchen in ihrem Selbstbewusstsein und Gerechtigkeits- bzw. Ungerechtigkeitsempfinden zu stärken, mit ihnen Rap als künstlerische Ausdrucksform zu erproben und ihre Positionen und Stimmen auf die Bühne zu bringen. Rappen wird für sie zur empowernden Praxis, in der persönliche Geschichten selbstbewusst performt werden. Die Mädchen* werden in kuratorische und konzeptionelle Prozesse einbezogen, schreiben eigene Lyrics und gehen eine Kollaboration mit professionellen Rapperinnen* wie Sister Fa oder Ebow ein. Mehr Infos und Videos hier.
Wir danken unseren diesjährigen Jurorinnen: der Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Dr. Gisela Notz, der Schriftstellerin, Aktivistin und Künstlerin Katharina Oguntoye und der Projektkoordinatorin der neugeschaffenen Koordinierungsstelle gegen weibliche Genitalverstümmelung/Beschneidung Idah Nabateregga. Ebenfalls ein großes Dankeschön an die drei Stifterinnen der Preisgelder: dem Verband deutscher Unternehmerinnen e. V. Landesverband Berlin/Brandenburg, Ayşe Demir (Vorstandssprecherin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg) sowie Iman Andrea Reimann (Vorstandsvorsitzende des Deutschsprachigen Muslimkreises (DMK) Berlin und Leiterin der Frauengruppe in der deutschsprachigen muslimischen Gemeinde). Danke eines*r zusätzlichen anonymen Spenders*in haben sich in diesem Jahr die Preisgelder verdreifacht.
Anja Kofbinger, Sprecherin für Frauen und Gleichstellung, und Susanna Kahlefeld, Sprecherin für Partizipation und Beteiligung: „Viele Frauen sind in der heutigen Zeit immer noch benachteiligt. Wir Grüne kämpfen für mehr Selbstbestimmung und haben deshalb 2013 den Hatun-Sürücü-Preis initiiert. Der grüne Frauenpreis macht das Engagement für Mädchen und junge Frauen in Berlin sichtbar und würdigt damit diese oft im Stillen verrichtete Arbeit.“