Foto: Nada/Unsplash Positionspapier Neutralitätsgesetz abschaffen
Das Berliner Neutralitätsgesetz (Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27. Januar 2005) verbietet den Beamt*innen und Angestellten in den Bereichen Rechtspflege, Justizvollzug und Polizei sowie den Lehrer*innen und anderen Beschäftigten mit pädagogischem Auftrag an öffentlichen Schulen das sichtbare Tragen von religiösen oder weltanschaulichen Symbolen oder Kleidungsstücken während des Dienstes.
Allein das Tragen eines Kopftuches, unabhängig vom Verhalten der Lehrerin oder der konkreten Situation an der Schule, verletzt weder die sogenannte negative Glaubensfreiheit der Schüler*innen, die vor religiöser Beeinflussung schützt, noch die Religionsfreiheit der Kolleg*innen im Lehrerzimmer. Die staatliche Neutralität in weltanschaulichen und religiösen Fragen ist auf anderen Wegen zu gewährleisten. Dennoch hält das Land Berlin bisher – entgegen der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – am Neutralitätsgesetz fest. Das kann aus unserer Sicht nicht so bleiben.
Foto: Alisa Raudszus/Grüne Fraktion Berlin Foto: Joshua Fuller/Unsplash_CC0 Ohne Wasser kein Leben: Strategien für eine nachhaltige Wasserversorgung in Berlin
Wasser ist von grundlegender Bedeutung für das Leben auf der Erde. Als essentielle Ressource für Menschen, Tiere und Pflanzen spielt es eine zentrale Rolle in nahezu allen Bereichen unseres Lebens. Urbane Kleingewässer spielen beispielsweise eine herausragende Rolle für die Naherholung, wirken sich durch Kühleffekte positiv auf das Stadtklima aus und sind unerlässlicher Bestandteil des Wasserhaushalts.
Foto: Vincent Villwock/Grüne Fraktion Berlin Berlin verdient eine starke Opposition
Mit der Wiederholungswahl 2023 sind für uns Bündnisgrüne sechseinhalb Jahre erfolgreiches Regieren zu einem vorläufigen Ende gekommen. Aber auch in der neuen Rolle als stärkste Oppositionsfraktion tragen wir große Verantwortung – für unsere Demokratie und für Berlin. Wir werden aus der Opposition dafür streiten, dass Politik für die ganze Stadt gemacht und umgesetzt wird.
Denn die Erwartungen an uns sind zurecht groß: Berlin braucht eine starke bündnisgrüne Opposition, damit die neue Regierung nicht nur eine Ankündigungspolitik für die lautstärksten Gruppen in unserer Stadt macht. Und damit aus schönen Worten konkrete soziale Maßnahmen erwachsen. Für eine Politik, die die Schwächsten und das Klima schützt. Wir werden alles tun, damit der Fortschritt der letzten Jahre nicht zum schwarz-roten Rückschritt wird.
Foto: Pixabay_Wild0ne_CC0 In Zukunft handeln
Nicht zuletzt aufgrund der Corona-Krise steht der Einzelhandel in Berlin vor gewaltigen Herausforderungen. Rund zwei Drittel der Geschäftsinhaber*innen sehen sich in ihrer Existenz bedroht und die Pandemie beschleunigt vielerorts einen sich lang abzeichnenden Strukturwandel.
In einem Positionspapier zur Zukunft des Einzelhandels skizziert unsere Fraktion, wie wir mit mutigen Ideen und klare Visionen die bestehenden großen Säulen des Einzelhandels stützen, gleichzeitig aber auch den lokalen Handel und seine Wertschöpfung in der Struktur modernisieren und weiterentwickeln wollen.
Inhalt:
Positionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 22.09.2021
In Zukunft handeln
Nach dem Krisenjahr 2020 steht der Einzelhandel vor gewaltigen Herausforderungen. Umsatzverluste in Milliardenhöhe, bedingt durch Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und ein aufwändiger Neustart mit „Click&Meet“ oder „Test&Meet“, verschärfen die Lage vieler Händler*innen essentiell. Laut Handelsverband sehen sich rund zwei Drittel der Geschäftsinhaber*innen in ihrer Existenz bedroht. Staatliche Hilfen konnten diese Dynamik nur punktuell abschwächen. Während in der Industrie die Kurzarbeit zurückgeht, ist diese im Einzelhandel wieder sprunghaft angestiegen; laut Ifo-Institut im Dezember um 55 Prozent im Vergleich zum Vormonat.
Die Pandemie beschleunigt vielerorts jedoch nur einen sich lang abzeichnenden Strukturwandel. Die Ankündigung von Galeria Karstadt, Kaufhof sechs der elf großen Berliner Warenhäuser schließen zu wollen, markierte einen deutlichen Tiefpunkt in der jüngsten Geschichte des stationären Einzelhandels in Berlins.
Mutige Ideen und klare Visionen sind gefordert, um einerseits die bestehenden großen Säulen des Einzelhandels zu stützen, gleichzeitig aber auch den lokalen Handel und seine Wertschöpfung in der Struktur zu modernisieren und weiterzuentwickeln. Die Trennung zwischen Online und Offline gehört endgültig der Vergangenheit an. Wir Grüne entwickeln konkrete Ideen, um den Handel der Zukunft in seiner Vielfalt zu stärken und hin zu einer nachhaltigen Ausrichtung zu transformieren.
Die Ausgangslage
Acht Jahre in Folge hat die Berliner Handelsbranche ein Umsatzplus erwirtschaftet – dank der zweistelligen Wachstumsraten im Online-Handel. Deutschlandweit war es im Krisenjahr 2020 sogar ein Zuwachs von 4,1 Prozent. Innerhalb der Branche wächst jedoch die Kluft. Während Online-Marktplätze wie Zalando, About You oder Amazon überdurchschnittlich wuchsen, hat der Einzelhandel in Deutschland laut HDE zwischen 2010 und 2019 insgesamt fast 39.000 Geschäfte verloren, die Einkaufsfrequenz im stationären Handel sank 2018 gegenüber 2014 um 12 Prozent.
Steigende Berliner Immobilienpreise im Gewerbe verschärfen diese Dynamik weiter. Mit ausbleibenden Besucher*innen und einem Rückzug großer Kaufhäuser besteht die Gefahr einer verschwindenden Magnetwirkung der Zentren. Nicht nur die wirtschaftlichen Folgen sind fatal. Die sinkende Attraktivität, sich in den Zentren aufzuhalten, werden neben dem Handel auch andere Dienstleister*innen wie Gastronomie und Kultur spüren. So wird es unweigerlich zu einer Veränderung in unseren Kiezen und Einkaufsstraßen kommen. Doch wo Flächen leer stehen, bietet sich auch die Möglichkeit, die Chance der Veränderungen zu nutzen: für eine nachhaltige Stadtentwicklung mit gemeinwohlorientierten Diensten, genossenschaftlichen Plattformen und Mischkonzepten, zum Beispiel mit Kunst und Kultur.
Denn auch mit dem Abklingen der Pandemie bleibt der stationäre Einzelhandel in der Krise. Zu lange und bereits vor der Pandemie hat dieser den Strukturwandel zu wenig adressiert und er verpasst es, mit den kunden- und serviceorientierten Neuerungen des Onlinehandels Schritt zu halten. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung im Einzelhandel die Chance zu mehr Nachhaltigkeit: Lokale, regionale Produktion rückt mit Technologien der additiven Fertigung weiter in den Vordergrund und erlaubt in Zukunft eine noch stärkere bedarfsorientierte Produktion. Auf diese Weise wird auch nur das gefertigt, was bestellt wurde. So können stationärer Einzelhandel und Onlinegeschäft Hand in Hand gehen. Wir Grüne wollen mit den folgenden Maßnahmen den Strukturwandel im stationären Einzelhandel begleiten und diesen mit einer nachhaltigen Stadtentwicklung in den Kiezen verbinden.
Unser Programm für den Berliner Einzelhandel
Infrastruktur für einen kraftvollen Neustart sicherstellen
2020 wird das erste Jahr seit langem, in dem große Teile des Berliner Einzelhandels mit einer negativen Umsatzbilanz abschließen werden. Die Herausforderungen und auch die Chancen sind in der Digitalisierung verankert und die Krise hat einmal mehr verdeutlicht, in der Kombination, nicht in der Trennung beider “Welten”, liegt der Schlüssel zu einer nachhaltigeren Handelsstruktur. Vielmehr gilt es die Vorzüge beider Prinzipien zu kombinieren, zum Beispiel Plattform-Ökonomie gemeinschaftlich und solidarisch zu nutzen. Viele Händler*innen bauen sich im Internet ein zweites Standbein auf oder haben bereits eine Online-Präsenz. Dank des Werkzeugs der Digitalisierung kann auch der stationäre Handel neue, serviceorientierte Dienste entwickeln, die die neuen Ansprüche der Konsument*innen befriedigen. Wir wollen dafür sorgen, dass die dafür notwendige Infrastruktur bereit gestellt wird: sei es ein Raum für lokale Liefer-Hubs oder ein verlässliches flächendeckendes W-Lan.
Wissenstransfer ermöglicht neue, innovative Services
Analog zur Innenstadt geht es auch im Onlinehandel um Lage und Wahrnehmung – das ist eine weitere Herausforderung zusätzlich zum harten Preiskampf, um im Wettbewerb mit großen Anbietern wahrgenommen zu werden. Hier benötigt es konkrete Unterstützung und passgenaue Hilfsangebote. Dem Forschungsinstitut ibi research zufolge verfügen mehr als drei Viertel aller Handelsunternehmen über kein gesondertes Budget für Digitalisierungsmaßnahmen. Mehr als die Hälfte verfolgt derzeit auch keinerlei Projekte in diese Richtung. Hier muss immer noch grundlegende Aufklärungsarbeit geleistet werden. Dazu wollen wir mit unserer Digitalagentur Services ausbauen, die den Wissenstransfer in Richtung des Handels verstärken. Sogenannte „Digitalisierungs-Coaches“, wie sie schon in anderen Bundesländern eingesetzt werden, sollen hier unterstützen. Diese könnten auch die Beratung von Handels-Startups in den Berliner Gründungszentren ergänzen.
Die Plattform-Ökonomie und Netzwerkeffekte wollen wir sozial verträglich nutzen, insbesondere durch die Förderung genossenschaftlicher Modelle (Supercoop) und gemeinschaftlicher Kiezprojekte. Wir wollen die Infrastruktur zur Verfügung stellen, um einen digitalen „Berlin-Shop“ mit regionaler, nachhaltiger Produktpalette und regionaler CO2-neutraler Auslieferung zu ermöglichen.
Gemeinsam für den Klimaschutz
Bei dem Weg aus der Corona-Krise möchte unsere Grüne Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus den Einzelhandel unbedingt unterstützen, die verabredeten Klimaziele zu erreichen. Wir begrüßen die Klimaschutz-Offensive des Berliner Handels und werden diese weiter eng begleiten. Die Solidarität der Berliner*innen, die sich im Rahmen der Pandemie gegenüber dem lokalen Handel und regionaler Manufakturen gezeigt hat, kann die Bemühungen um neue Wertschöpfungs- und Lieferketten unterstützen. Ganz nebenbei hat dies auch einen positiven Einfluss auf den ökologischen und sozialen Fußabdruck. Projekte, die die regionale Produktion fördern, wollen wir gezielt unterstützen. Auch der Weg von und zum Geschäft, die Lieferung zu den Konsument*innen ist relevant. Daher wollen wir diejenigen belohnen, die CO2-neutrale Services im Umfeld des Handels aufbauen, wie zum Beispiel kieznahe Logistik-Hubs.
Langfristig muss sich die Berliner Wirtschaft auf Kreislaufprinzipien umstellen. Hierzu gehört beispielsweise die freiwillige Rücknahme von Produkten nur bei umweltverträglicher Verwertung oder Beseitigung. Weitere Anreize setzen wir mit der Weiterentwicklung des Green Buddy Award für den Einzelhandel zu einem berlinweiten Preis. Gemeinsam mit dem Einzelhandel wollen wir außerdem ein Programm für verantwortungsvollen, nachhaltigen Konsum entwickeln und dazu in jedem Bezirk langfristig ein Repair-Café ermöglichen.
Händler*innen im Übergang zur Normalität mit flexiblen Regelungen unterstützen
Gemeinsam mit dem Berliner Einzelhandel wollen wir in einem offenen Dialog identifizieren, welche zeitlich befristeten ordnungspolitischen Rahmenbedingungen flexibel gestaltet werden müssen, um zum Beispiel Aktionswochen mit Mitternachts-Shopping und Ähnliches zu ermöglichen.
Stadtentwicklung in Handelszentren neu ausrichten
Bei manchen Produktbereichen verschwimmen die Grenzen zwischen Produktion und Handel. Mischkonzepte und gläserne Manufakturen können alte Einkaufswelten zu neuen, nachhaltig orientierten Erlebniswelten aufwerten, in denen es nicht nur ums „klassische Shopping“ geht. Auch aus Gründen der besseren Raumausnutzung muss die Stadtentwicklung in Einkaufsstraßen und -centern künftig stärker als bisher auf Mischkonzepte drängen, in denen auch kommunale Services, Repair-Cafés, öffentlich zugängliche Bewegungsangebote und kreative Räume ausreichend berücksichtigt werden.
Für uns Grüne in Berlin ist auch die Stärkung, Beratung und Förderung von neuen Business Improvement Disctricts (BID) ein wirksames Instrument zur attraktiven Neugestaltung unserer Kieze, welche die Verbindung von Online und Offline sowie das Klima mitdenken. Das bestehende Landesgesetz wollen wir evaluieren und nach Möglichkeit vereinfachen. Mit einem „Startgeld“ wollen wir bestehenden Einzelhandels-Initiativen die Erarbeitung des Konzepts für ein BID leichter machen. Wir unterstützen aber auch Maßnahmen zum Erhalt klassischer Kaufhausstandorte, auch als neue Experimentierfelder.
Mit Mischkonzepten (Co-Working, Events, Gastronomie, Sport) sollen diese ehemaligen Publikumsmagneten wiederbelebt bzw. Erhalten werden. Außerdem wollen wir das von der Umweltverwaltung initiierte Projekt „Re-Use Berlin“ forcieren, um langfristig drei bis vier solcher Standorte in Berlin zu etablieren.
Den Bund in die Pflicht nehmen
Auf Bundesebene machen wir uns für perspektivisch für ein Ende der kostenlosen Retouren stark. Explizite Aufführung der genauen Versandkosten sind ein erster Schritt; langfristig müssen kostenlose Retouren abgeschafft werden. Auch das Spenden retournierter Waren muss der Bund endlich erleichtern.
Wir wollen auch mit Immobilien-Eigentümer*innen und -Entwickler*innen reden, um sie mit in die Verantwortung zu nehmen. Die Entwicklung eines Mietkonzepts, welches die Besucherfrequenz berücksichtigt, kann ein Instrument sein. Von der Einführung einer Gewerbemietpreisbremse erhoffen wir uns eine große Wirkung und werden daher für diese auf Bundesebene kämpfen.
Foto: Yomex Owo/Unsplash Lebensqualität für alle Berliner*innen - inklusive Mobilität verwirklichen
In Berlin leben ca. 631.000 Menschen mit anerkannter Behinderung. Das ist fast jede*r fünfte Berliner*in. Hohe Bordsteinkanten, Baustellen im Kreuzungsbereich oder erhöhte Zugänge zum öffentlichen Nahverkehr sind für viele eine Unannehmlichkeit, für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen stellen sie eine Barriere zur gesellschaftlichen Teilhabe dar. Wir wollen für Menschen mit Behinderungen Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit in allen Lebenssituationen sichern.
Inhalt:
Positionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin
Lebensqualität für alle Berliner*innen – Inklusive Mobilität verwirklichen
I. Einleitung
In unserer globalisierten Welt ist das schnelle Vorankommen von A nach B für die meisten von uns eine Selbstverständlichkeit, die in der Realität des Berliner Alltag oft nicht eingelöst werden kann. Sei es der sichere Schulweg für unsere Kinder, der morgendliche Gang mit dem Kinderwagen zum Kindergarten, der Transport von Lebensmitteln oder anderen Gütern mit dem Lastenrad, der Weg mit dem Fahrrad zur Arbeit oder der Besuch einer Hellersdorfer Senior*innengruppe im Abgeordnetenhaus – alle Menschen sind auf eine barrierefreie und gut abgestimmte Mobilität angewiesen. Und doch ist sie nicht immer verwirklicht.
In Berlin leben ca. 631.000 Menschen mit anerkannter Behinderung. Das ist fast jede*r fünfte Berliner*in. Hohe Bordsteinkanten, Baustellen im Kreuzungsbereich oder erhöhte Zugänge zum öffentlichen Nahverkehr sind für viele eine Unannehmlichkeit, für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen stellen sie eine Barriere zur gesellschaftlichen Teilhabe dar. Wir wollen für Menschen mit Behinderungen Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit in allen Lebenssituationen sichern.
Inklusive Mobilität umfasst für Bündnis 90/Die Grünen ein zentrales Moment der gesellschaftlich garantierten Teilhabe. Sie bildet eine Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderungen. Diese Menschen können ihre verbrieften Menschenrechte nur dann wahrnehmen, wenn Wohnung, Bildungseinrichtung, Arbeitsplatz, Freund*innen, Cafés und medizinische Einrichtungen für alle Menschen selbstbestimmt und ungehindert erreichbar sind.
Inklusive Mobilität – ein Menschenrecht
Mobilität muss nach der UN-Behindertenrechtskonventionen (UN-BRK) ohne fremde Hilfe möglich sein und gilt nur dann als barrierefrei und selbstbestimmt. Die UN-BRK beinhaltet mehrere Regelungen, die das Recht von Menschen mit Behinderungen auf selbstbestimmte Mobilität absichern: Von der Sicherstellung persönlicher Mobilität über den Zugang zu Mobilitätshilfen und unterstützenden Technologien bis hin zu Schulungen in Mobilitätsfertigkeiten (Art. 20 UN-BRK). Deutschland hat sich als Vertragsstaat der UN-BRK zur Schaffung einer allseits zugänglichen Mobilitätsinfrastruktur verpflichtet (Art. 9 UN-BRK).
Als rot-rot-grüne Koalition in Berlin haben wir diese Verpflichtungen zeitnah umzusetzen und ein Gesamtkonzept zur Mobilitätssicherung für alle Menschen bis zum Ende dieser Legislatur zu erarbeiten. Dabei konnten wir in den letzten Jahren bereits Erfolge verbuchen. Mit dem Mobilitätsgesetz und dem beschleunigten Umbau des öffentlichen Nahverkehrs (inklusive des Modellprojekts BerlKönig), haben wir bereits Verbesserungen erreicht. Dennoch brauchen wir hier mehr Verzahnung der Angebote und eine Analyse der bestehenden Lücken und Probleme. Eine Reform des Sonderfahrdienstes, die geringe Anzahl an barrierefreien Taxis, der stockende Umbau der Licht-Signal-Anlagen (Ampeln) und die mangelhafte Digitalisierung der Angebote seien hier beispielhaft genannt.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin möchte mit diesem Positionspapier Lösungsvorschläge in die notwendige Debatte zur inklusiven Mobilität einbringen und eine umfassende Durchsetzung der international verbrieften Rechte behinderter Menschen voranbringen.
II. Inklusive Mobilität geht alle an
Das Gesamtkonzept inklusive Mobilität
Für die Durchsetzung der Inklusionsrechte brauchen wir ein Gesamtkonzept, das als Brücke zwischen den bestehenden Angeboten fungiert. Dafür müssen die bestehenden Angebote kontinuierlich analysiert, intelligent miteinander verzahnt und vorhandene Lücken geschlossen werden. Langfristige Lösungen brauchen Zeit zur Umsetzung. Ein Gesamtkonzept muss daher Raum für kreative Übergangslösungen bieten, denn oftmals sind es auch die „kleinen“ Lösungen, die zu praktikablen Ergebnissen führen. Die Corona-Pandemie hat uns die Unwägbarkeiten und Herausforderungen unserer Zeit erneut vor Augen geführt. Wir brauchen auch in der Mobilität ein atmendes Konzept, das sich an aktuelle Entwicklungen anpassen kann und gewappnet ist für den Krisenfall.
Eine Mobilitätsgarantie für alle
Mobilität darf nicht abhängen vom Geldbeutel, den technischen Fertigkeiten oder körperlichen Beeinträchtigungen. Wir wollen daher ungebrochene und selbstbestimmte Mobilitätsketten über alle Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) hinweg. Damit erreichen wir eine Barrierefreiheit im Sinne der UN-BRK und kommen den staatlichen Schutzpflichten im vollen Umfang nach. Mit dem Gesamtkonzept „inklusive Mobilität“ wollen wir nicht weniger erreichen als eine Mobilitätsgarantie innerhalb des ÖPNV für alle Menschen. Gegen den Ausfall von Aufzügen nutzt die beste App nichts, wenn der persönliche Kontakt fehlt, um gemeinsam die Barrieren zu überwinden. Besser vernetzte und flexible Angebote sind darüber hinaus krisenfester und können ihr Angebot schneller an zukünftige Pandemien oder andere Krisen anpassen.
Partizipation als Fahrkarte zum Erfolg
Im Sinne der Selbstbestimmtheit der Betroffenen setzen wir uns für eine vollumfängliche Wahlfreiheit und Flexibilisierung der Angebote ein. Für uns ist klar – Inklusion fängt schon in der Planung an. Die Beteiligung der Betroffenenverbände im Rahmen des „Disability Mainstreamings“ als Expert*innen ist für uns Grundvoraussetzung. Nur gemeinsam können wir die international verbrieften Rechte behinderter Menschen unter Einbeziehung der staatlichen wie zivilgesellschaftlichen Akteur*innen umsetzen.
Schon heute erleben wir, wie Lösungen schneller durch die Zivilgesellschaft als durch die Verwaltung gefunden werden. Die mehrfach ausgezeichnete „Wheelmap“ der Sozialhelden e.V. steht dabei Pate für das kreative Potential aus der Mitte unserer Gesellschaft.
UN-BRK- Monitoring Stelle nutzen – Tasks Force „Inklusive Mobilität“ einrichten
Ein Gesamtkonzept braucht einen klaren Fahrplan. Unter wissenschaftlicher Begleitung des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) und der dort bereits angesiedelten UN-BRK-Monitoring Stelle sollten Zwischenschritte definiert und die Einrichtung einer „Task Force“ „Inklusive Mobilität“ etabliert werden. Wichtige Schnittstellen zur Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS), zur Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenSW) und zur Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (SenWEB) können so analysiert und ein Gesamtkonzept entwickelt werden.
Für die Umsetzung, Weiterentwicklung und Überwachung sollte eine Task Force bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) in Zusammenarbeit mit der SenIAS und mit den Interessenverbänden und Betroffenenorganisationen die Aussteuerung übernehmen. Die Verantwortung dafür liegt bei der SenUVK. Auch die Neufassung des Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) kann hier ein hilfreicher Ansatz sein.
III. Das Berliner Mobilitätsgesetz: für mehr Lebensqualität und Mobilität im öffentlichen Raum
Die inklusive Verkehrswende, die alle Verkehrsteilnehmer*innen mitdenkt – sie ist da. Manches läuft noch nicht perfekt und muss in den nächsten Jahren weiterhin an die realen Erfordernisse angepasst werden. Ein Zurück aber zur Stadt des Autos wird es mit uns nicht geben. Wir wollen, dass sich alle Menschen sicher und geschützt in der Stadt fortbewegen können. Die verletzlichen und schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen brauchen daher unsere besondere Aufmerksamkeit. Berlin hat mit dem im Juli 2018 in Kraft getretenen Mobilitätsgesetz verkehrspolitisches, aber auch gesamtgesellschaftliches Neuland betreten. Bundesweit erstmalig haben wir dem Umweltverbund aus Bus, Bahn, Fahrrad- und Fußverkehr Vorrang vor dem Autoverkehr eingeräumt. Außerdem haben wir die Gewährleistung von Mobilität für alle Menschen gesetzlich festgeschrieben.
Die Erweiterung des Mobilitätsgesetzes um den Fußverkehrsteil stärkt und konkretisiert Maßnahmen und Vorgaben für den Fußverkehr. Damit gewinnen Barrierefreiheit und inklusive Mobilität an Bedeutung und Wertschätzung für den Berliner Stadtverkehr. Im laufendem Doppelhaushalt ist für den Fußverkehr und die Barrierefreiheit in 2021 eine Summe von 14,85 Mio. Euro eingestellt. Nimmt man noch die 6 Mio. Euro dazu, die den Bezirken aus dem ehemaligen Sonderprogramm Straßensanierung für die Gehwegsanierung zur Verfügung stehen, können pro Berliner*in 5,63 Euro für den Fußverkehr ausgegeben werden. Damit haben wir die vom Fuß e.V. geforderte Summe fast verdoppelt. Diese Mittel müssen auch in den kommenden Haushalten verstetigt werden. Auch muss weiteres Personal muss zur Verfügung stehen, denn die nachträgliche barrierefreie Ertüchtigung der Fußverkehrsinfrastruktur ist sehr komplex und kleinteilig. Sie ist eine kontinuierliche Aufgabe aller Bezirke und wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen.
Sicherheit für alle: Barrierefreiheit fängt bei den Füßen an
Die meisten Wege der Berliner*innen werden zu Fuß zurückgelegt, mehr als mit dem Auto oder sonst einem anderen Verkehrsmittel. Ob jung, alt oder eingeschränkt mobil: die Einrichtung von Mittelinseln und einsehbaren Kreuzungen, sowie Markierungen von Fußgänger*innenüberwegen wie sie durch das Zebrastreifenprogramm durchgeführt werden, kommen allen Verkehrsteilnehmer*innen zu Gute. Für Menschen mit Behinderungen darf das Queren von Straßen oder Kreuzungen nicht gefährlich oder gar unmöglich sein. Auch für sie ist die Nutzung auf übliche Weise, ohne besondere Erschwernis, ohne Gefährdungen und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zu gewährleisten. Erst dann ist Barrierefreiheit im Fußverkehr umgesetzt. Von den 2100 Ampeln haben inzwischen 1400 akustische und / oder taktile Signalgeber bzw. Elemente.
Blinde und sehbehinderte Menschen brauchen diese Signale um sicher ihren Weg zurücklegen zu können. In Berlin wird inzwischen, abweichend vom technischen Regelwerk, eine geringere Gehgeschwindigkeit bei der Bemessung der Grünphasen für Fußgänger*innen zugrunde gelegt. Im Fußverkehrsteil des Mobilitätsgesetzes ist festgelegt, dass bis 2030 alle Ampeln mindestens mit Blindenakustik und Vibrationstastern ausgerüstet werden. Künftig soll im Regelfall das Queren der Fahrbahn an Kreuzungen komfortabel in einem Zuge möglich sein, auch bei Vorhandensein einer Mittelinsel. Bei der Neuanlage von Straßenquerungen werden sogenannte Doppelquerungen als Borde eingesetzt um den spezifischen Bedürfnissen einerseits von Rollstuhlfahrer*innen (Absenkung ohne Kante) und andererseits blinden und sehbehinderten Menschen (Absenkung mit kleiner/tastbarer Kante) gerecht zu werden. Hiermit kommen wir ein ganzes Stück weiter hin zu einer Stadt, die ihren Fußgänger*innen „keine Steine in den Weg“ legt.
Lebensraum Stadt für alle
Ob Lastenrad, Kinderwagen, Rollstuhl oder Fahrrad: Wir wollen, dass sich alle Menschen in der Stadt im öffentlichen Raum als ihrem Lebensraum wohl fühlen können und ohne Barrieren von A nach B kommen. Den öffentlichen Raum in seiner Aufenthaltsqualität aufzuwerten u.a. durch (nichtkommerzielle) Sitzgelegenheiten ist daher ebenfalls im Fußverkehrsteil des Mobilitätsgesetzes verankert.
Für viele Menschen ist es zur Bewältigung ihrer Wege ebenso wichtig, dass ausreichend öffentliche Toiletten zur Verfügung stehen. Dies hat die SenUVK mit dem neuen Toilettenkonzept umgesetzt. Das Angebot an öffentlichen Toiletten baut sie noch weiter aus.
Eine barrierefreie Mobilitätsgarantie im ÖPNV
Der aktuelle Nahverkehrsplan definiert Rahmenvorgaben für die Barrierefreiheit des Berliner ÖPNV-Angebotes. Dabei geht es um die baulichen Anlagen, Fahrzeuge, Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen im ÖPNV. Bei der Konzipierung und Beschaffung von neuen Fahrzeugen werden die entsprechenden Verbände regelmäßig einbezogen um die Barrierefreiheit der Fahrzeuge zu optimieren.
Von derzeit 173 U-Bahnhöfen sind bereits 133 barrierefrei, davon sind 125 über Aufzüge und 8 über Rampen erreichbar. Auch von den 136 Berliner Bahnhöfen der S-Bahn sind 128 barrierefrei erschlossen. Das ist ein Meilenstein der Teilhabe für Menschen mit Behinderungen. Für den barrierefreien Umbau der Bahnhöfe und Straßenbahnhaltestellen werden im aktuellen Doppelhaushalt 2020/21 gut 70 Mio. Euro bereitgestellt. Angestrebt wird eine vollständige barrierefreie Zugänglichkeit der Bahnhöfe bis 2022. Dieses Ziel wird allerdings nicht überall erreichbar sein. Besonderer Anstrengungen bedarf es bei den Straßenbahn- und vor allem Bushaltestellen. Hinzu kommt, dass Aufzüge (oder Fahrtreppen) auch einmal defekt sind und der barrierefreie Zugang dann nicht mehr gegeben ist.
Das Projekt „Wheelmap“1 zeigt, wie es trotzdem gehen kann: Übersichtskarten per App, die schnell darstellen, ob der Reiseweg z.B. rollstuhlfähig ist, sind technisch kein Problem. Sie leben allerdings von der Mitwirkung der Stadtgesellschaft. Das Mobilitätsgesetz schreibt eine Mobilitätsgarantie im ÖPNV für den Fall vor, dass die Barrierefreiheit noch nicht erfüllt ist bzw. für den Havariefall. Deshalb wird die BVG ab diesem Jahr mit dem Aufbau einer „Alternativen Barrierefreien Beförderung“ (ABB) für diese Fälle beginnen. Hier könnte auch das Berliner Taxigewerbe mit den „Inklusionstaxis“ partizipieren. Allerdings reichen die vorhandenen Inklusionstaxis zur Zeit noch nicht aus. Das seit 2018 bestehende Förderprogramm zum Umbau zu Inklusionstaxis soll hier Abhilfe schaffen.
On-Demand Service
Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ist die wohnortnahe Beförderung besonders wichtig. Neue On-Demand-Verkehrsangebote, wie der durch die SenUVK und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) geplante „Rufbus 2.0“, können neue Chancen für die barrierefreie Mobilität bieten. Das novellierte Personenbeförderungsgesetz gibt den Kommunen unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, Vorgaben zur Barrierefreiheit bei Mietwagen und gebündeltem Bedarfsverkehr vorzugeben. Berlin wird davon selbstverständlich Gebrauch machen.
Derzeit ist durch die SenUVK und die BVG die Erprobung eines modernen Rufbusssystems, in vom ÖPNV unterversorgten Gebieten, als Teil und Ergänzung des ÖPNV-Angebots vorgesehen. Auch hier wird auf die Barrierefreiheit ein großes Augenmerk gelegt. Darüber hinaus besteht für bestimmte Gruppen von Mobilitätseingeschränkten ein weiterer Bedarf, denn sie benötigen Unterstützung bereits in bzw. aus ihrer Wohnung heraus und können den ÖPNV deshalb nicht nutzen. Der Sonderfahrdienst ist hier die richtige Antwort: Allerdings bedarf die jetzige Form des Sonderfahrdienstes ein überarbeitetes Konzept, damit die Nutzer*innen deutlich spontaner und flexibler als heute mobil sein können. Hier liegt die Federführung bei der SenIAS. Die bereits erwähnte Arbeitsgruppe „Barrierefrei“ kann hier ein wichtiger Transmissionsriemen sein, um für die Betroffenen zeitnah gute Lösungen zu finden.
Das Pilotprojekt „Fahrgastinformation,“ das alle eintreffen Omnibusse und Straßenbahnen beim Öffnen der ersten Eingangstür mit akustischen Signalen ohne Zutun der Fahrgäste ausstattet, wollen wir für alle Berliner Busse und Straßenbahnen ausweiten. Für Berlin ist der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) zentral. Schon jetzt hat der VBB den Bus & Bahn-Begleitservice für geh- oder seheingeschränkte Fahrgäste, der aus dem Haushalt der SenUVK zum Teil bereits finanziert wird.
Der Erledigungsservice des VBB sei hier exemplarisch genannt, der in Zeiten der Pandemie für eine gelungene Krisenbewältigung steht. Mitarbeiter*innen des Begleitservices des VBB kümmern sich nun auch um kleinere Erledigungen und sorgen so für einen größeren Schutz vulnerabler Gruppen. Allerdings buchen aktuell ältere Menschen diesen Service meistens per Telefon. Wichtig ist es also passgenaue Lösungen für alle Menschen zu finden, barrierefrei mithilfe verschiedener Technologien.
IV. Digitalisierung als Chance: Digital ist besser? Den Faktor Mensch nicht vergessen
Berlin muss digitaler werden! Die Corona-Pandemie hat uns diese Notwendigkeit mit aller Härte vor Augen geführt. Allerdings darf die Frage des Zugangs zu digitalen Angeboten nicht entscheidend dafür sein, ob Mobilität in Anspruch genommen werden kann oder nicht. Wir wissen zum Beispiel aus den Befragungen des VBB, dass der Begleitservice zu fast 99 Prozent per Telefon gebucht wird. Wir brauchen daher auch weiterhin analoge Zugänge zu den Angeboten. Einen digital divide, also eine digitale Spaltung der Gesellschaft, dürfen wir auch in Fragen der Mobilität nicht zulassen. Barrierefreiheit zeigt sich bereits in der Buchung der Angebote.
Die Erfahrungen des Begleitservices haben darüber hinaus klar aufgezeigt, wie wichtig der menschliche Kontakt bei Fragen von Mobilität ist. Persönliche Ansprachen müssen daher auch in Zukunft möglich sein. Den Faktor Mensch wollen wir auch bei den öffentlichen Mobilitätsanbieter*innen fördern. Mit sogenannten Awareness Trainings sollen Mitarbeitende in den Berliner Bussen und Bahnen mit den Bedürfnissen von mobilitätseingeschränkten Menschen vertraut gemacht werden.
Für die inklusive Mobilität liegen in der Digitalisierung vielfältige Chancen. Smarte, also technologiegestützte Angebote ermöglichen es, Mobilität an unsere inklusiven Anforderungen in ihren unterschiedlichen Facetten anzupassen. Daten zu Mobilitätsangeboten, verknüpft mit Echtzeitdaten zum jeweiligen Status von Aufzügen und Rolltreppen ermöglichen beispielsweise eine gezielte und passgenaue Inanspruchnahme verschiedener Verkehrsmittel in zeitlicher Abfolge. Wichtig ist, dass die Entwicklung der SmartCity Inklusion von Beginn an mitdenkt.
Unnötige Wege vermeiden
Digitalisierung kann auch dazu beitragen, heutige Mobilitätsbedarfe zu reduzieren. Digitale Möglichkeiten und Angebote machen eine physische Anwesenheit vor Ort nicht mehr in jedem Fall erforderlich, ermöglichen aber die selbstverständliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Je mehr Dienstleistungen des Landes Berlin online barrierefrei abzuwickeln sind, desto mehr unnötige Wege lassen sich vermeiden.
Öffentliche Daten in den richtigen Formaten bereitstellen
Die Berliner Verwaltung stellt schon heute viele Daten beispielsweise über das Datenportal bereit – und es werden immer mehr. Dafür sorgt die neue Open-Data-Rechtsverordnung aber auch das kommende Transparenzgesetz. Für eine Nutzung für inklusive Mobilität ist darauf zu achten, dass Standards eingehalten werden oder, wo diese fehlen, welche geschaffen werden. Auch bei der Nutzung von Open-Source- Lizenzen soll darauf geachtet werden, dass diese breit nutzbar werden. Eine Nutzung in Open Streetmap ist dabei nur ein Beispiel, das mitgedacht werden muss.
Datenschutz sicherstellen – die BVG zur Vorreiterin machen
Die Chancen der Digitalisierung für inklusive Mobilität erfordern ein Vertrauen in den Einsatz von Daten. Hier ist die öffentliche Hand, aber auch das Berliner Landesunternehmen BVG besonders in der Verantwortung vorbildlich zu handeln. Hier muss deutlich werden, welchen Vorteil ein öffentliches Mobilitätsunternehmen, wie die BVG, im Vergleich zu Google und Uber hat. Nur wenn das Vertrauen in digitale Hilfsmittel besteht, wird es gelingen, dass möglichst viele Menschen davon profitieren.
Mobile Serviceanwendung barrierefrei entwickeln
Durch die steigende Anzahl der Smartphone-Nutzer*innen, aber auch durch die anwachsende Anzahl von älteren Menschen in Deutschland, wird eine barrierefreie Gestaltung von Apps immer wichtiger. Für künftige mobile Anwendungen sollte die öffentliche Verwaltung bei Ausschreibungen die Einhaltung entsprechender Standards wie BITV und WCAG zur Voraussetzung machen.
Die Berliner Servicehotline 115 zur Inklusionshotline entwickeln
Mit der Berliner Servicehotline hat Berlin eine tolle Voraussetzung telefonischen Service anzubieten, und damit einem Teil des inklusiven Anspruchs gerecht werden. Die Mitarbeiter*innen und Serviceangebote wollen wir unter dem Gesichtspunkt der Inklusion fortbilden bzw. weiterentwickeln.
V. Barrierefrei Planen – Bauen – Wohnen in ganz Berlin
Eines der größten Hindernisse für Inklusion sind bauliche Barrieren.Ohne den praktischen Zugang zu Kulturinstitutionen, ohne die freie Auswahl des Wohnorts und die freie Bewegung im öffentlichen Raum ist Teilhabe nicht möglich. Das Ziel muss also Barrierefreiheit im Neubau und im Bestand sein. Für den Neubau gibt die Berliner Bauordnung bisher das Ziel von 50 Prozent barrierefreien Wohnungen an. In der nächsten Stufe wollen wir diese Quote ab 2025 auf zwei Drittel, und langfristig auf 100 Prozent anheben. Das Ergebnis muss dann nicht nur einzelne Gruppen bedienen oder speziell auf eine Gruppe optimiert sein. Stattdessen braucht es ein Design-for-all und damit Verbesserungen der Lebensumstände für alle. Damit steigern wir auch die Akzeptanz von Barrierefreiheit.
Die Herausforderungen im Neubau liegen vor allem im Verfahren. Der Planungsprozess muss verändert und Abwägungen müssen getroffen werden. Den Planenden muss beispielsweise immer bewusst sein, dass Höhenunterschiede nicht mehr mit Stufen überwunden werden können. Barrierefreiheit bedeutet außerdem einen zusätzlichen Flächenbedarf in Wohnungen, so dass die Mietkosten steigen können, ohne Mehrkomfort für Menschen ohne entsprechende Bedürfnisse zu bieten. Barrierefreie Bäder stehen u.U. im Widerspruch zu dem für Familien wichtigen Wannenbad.
Ein weiteres Problem in der Umsetzung liegt außerdem darin, dass die Anforderungen in verschiedenen Berliner Bezirken unterschiedlich ausgelegt werden. Obwohl die Vorschriften eigentlich allen Beteiligten klar sein müssten, werden sie teilweise nicht oder nicht professionell umgesetzt. Deshalb sind Sachverständige für Barrierefreiheit nötig, die die Umsetzung prüfen und auch beratend tätig sein können. Barrierefreiheit ist immer noch nicht Standard im Bau. Es wird von den Architekt*innen nicht nur Überzeugungsarbeit bei den Bauherr*innen erwartet, sondern auch die Kreativität, individuelle Lösungen für einzelne Gebäude zu entwickeln.
Barrierefreiheit im Bestand
Herausforderungen im Altbau sind die Umbauten, die Zeit und Geld kosten und teilweise schwer umzusetzen sind. Ein Beispiel ist der Einbau eines Aufzugs, der häufig nicht außen an das Treppenhaus angebaut werden kann. Denn nach außen gelegen ist der Zwischenabsatz der Treppe, so dass kein Zugang zur Wohnung gewährleistet ist. Auch hier ist von den Beteiligten Kreativität gefragt, die mit architektonischen Lösungen Barrierefreiheit schafft.
Im Bestand sind bauliche Lösungen wegen der größeren Umbauten also oft nicht schnell herzustellen. Ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren, ist es sinnvoll, Zwischenlösungen zu finden, die eine Verbesserung des Ist-Zustands erreichen bis durch die Baumaßnahmen dann eine endgültige Lösung gefunden werden kann. „Barrierefreiheit light“ als Zwischenschritt ist besser als eine lange Blockade bis zum Erreichen des Optimums.
Ein Inklusionsausweis für öffentliche Gebäudeinformationen
Nach dem Vorbild des Energieausweises wollen wir einen digitalen Standard etablieren, in dem öffentliche Einrichtungen aber auch städtische Wohnungsbaugesellschaften die baulichen Gegebenheiten bzgl. Inklusion bereitstellen können. Beispelsweise wird es Wohnungsinteressent*innen damit möglich, vorher zu bewerten, ob eine Wohnung den eigenen Bedürfnissen gerecht wird. Die Einschätzung, wie barrierefrei ein Gebäude ist, soll damit objektiviert werden. Hier ist die SenSW gefordert entsprechende Rechtsvorgaben zu schaffen.
Barrierefreiheit im Denkmalschutz
Herausforderungen bei Gehwegen und Straßen sind Kopfsteinpflaster und sehr hohe Bordsteinkanten, die traditionell das Straßenbild Berlins bestimmen. Als Zwischenlösung ist es sinnvoll, digitale Instrumente zu nutzen, beispielsweise durch eine Kooperation mit Kartenanbieter*innen für Wegekennzeichnung in Apps. Bei anstehenden Baumaßnahmen muss die bauliche Situation dann angepasst werden. Die Planenden müssen aber auch darauf achten, dass die Situation nicht noch verschlechtert wird. So werden immer wieder Rampen bei Gehwegsanierungen rückgebaut.
In denkmalgeschützten Gebäuden benötigen Maßnahmen zur Barrierefreiheit häufig große Umbauten und Umstrukturierungen des Gebäudes, die dem ungestörten Erhalt des Gebäudes widersprechen. Als Lösung ist auch hier ein Umdenken erforderlich. Barrierefreiheit und Denkmalschutz dürfen nicht mehr als widerstreitende Interessen gesehen werde, sondern als unabhängige, nebeneinanderstehende und gleichwertige öffentliche Ziele und Interessen. In den Berliner Verwaltungen ist diese Zielsetzung angekommen und wird bearbeitet. Beispiele von Barrierefreiheit und Denkmalschutz auf Augenhöhe finden wir in Berlin in einigen öffentlichen Gebäuden wie z.B. in der Staatsoper „Unter den Linden“.
Das Bekenntnis zur Inklusion bedingt ein Verlassen der ausgetretenen Pfade in der Architektur, im Bau und in den Verwaltungen. In vielen Fällen ist im Neubau Barrierefreiheit nicht deutlich teurer, wenn sie von vornherein geplant wird. Im Bestand mag das Erreichen der Ziele schwieriger sein, aber nicht unmöglich.
Danksagung: Dieses Papier wurde in einem partizipativen Prozess mit einem abschließenden digitalen Fachtag zur inklusiven Mobilität erarbeitet. Wir danken daher allen am Prozess beteiligten Akteur*innen, Vereinen und Betroffenenverbänden. Die breite Beteiligung der Betroffenenverbände als Expert*innen ist für uns unabdingbar für einen gelingenden Prozess hin zu einer umfassenden inklusiven Mobilität.
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Foto: TechLine/Pixabay_CC0 Foto: Juliane Liebermann/Unsplash_CC0 Familienpolitische Herausforderungen zum Ende der Pandemie
Viele Familien befinden sich an ihrer Belastungsgrenze. Das betrifft alle Familienmitglieder gleichermaßen: Eltern, die die Betreuung und Beschulung ihrer Kinder bei gleichzeitiger beruflicher Tätigkeit übernehmen mussten. Kinder und Jugendliche, die nicht ihrer Peer-Group begegnen konnten und denen das regelmäßige Treffen mit Gleichaltrigen fehlte. Gewohnte Strukturen waren vom ersten Tag an durchbrochen und änderten sich zum Teil wöchentlich. Häufig fehlten plötzlich Bezugspersonen und der Austausch brach ab. Das ständige zu Hause verweilen wurde dem Bewegungsbedürfnis von Kindern und Jugendlichen nicht gerecht. Kinder und Jugendliche verbrachten viele Stunden vor digitalen Endgeräten, um der Langeweile der Lockdowns zu entgehen, damit Eltern ihrer Erwerbsarbeit im Home-Office nachgehen konnten.
Inhalt:
Positionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 01.06.2021
Familienpolitische Herausforderungen zum Ende der Pandemie
Was brauchen Familien nach der Pandemie?
Viele Familien befinden sich an ihrer Belastungsgrenze. Das betrifft alle Familienmitglieder gleichermaßen: Eltern, die die Betreuung und Beschulung ihrer Kinder bei gleichzeitiger beruflicher Tätigkeit übernehmen mussten. Kinder und Jugendliche, die nicht ihrer Peer-Group begegnen konnten und denen das regelmäßige Treffen mit Gleichaltrigen fehlte. Gewohnte Strukturen waren vom ersten Tag an durchbrochen und änderten sich zum Teil wöchentlich. Häufig fehlten plötzlich Bezugspersonen und der Austausch brach ab. Das ständige zu Hause verweilen wurde dem Bewegungsbedürfnis von Kindern und Jugendlichen nicht gerecht. Kinder und Jugendliche verbrachten viele Stunden vor digitalen Endgeräten, um der Langeweile der Lockdowns zu entgehen, damit Eltern ihrer Erwerbsarbeit im Home-Office nachgehen konnten.
Der Bildungshintergrund entschied mehr denn je über den schulischen Erfolg. Denn Kinder und Jugendliche sind in der Pandemie noch stärker abhängig von ihren Eltern und (erwachsenen) Vertrauenspersonen und deren Möglichkeiten und Fähigkeiten Bildungsinhalte zu vermitteln. Dazu kommt außerdem deren Fähigkeit Beziehungen aufrecht zu erhalten, Krisensituationen auszuhalten und Kinder und Jugendliche darin stabilisierend zu begleiten. Nach über einem Jahr mit wechselnden Regelungen und Anforderungen sind Eltern, Kinder und Jugendliche erschöpft und vielerorts rat- und perspektivlos. Die Ressourcen sind aufgebraucht. Was ihnen vor allem fehlt, sind soziale Interaktion sowie Orte und gemeinsame Erlebnisse, die nicht von Leistungsdruck und Erwartungen geprägt sind.
Familienerholung ermöglichen und Familienzentren stärken – Familienfördergesetz in Berlin umsetzen
Was Familien benötigen ist Zeit miteinander. Hier wäre ein niedrigschwelliger und unkomplizierter Zugang zu Familienreisen im Rahmen des §16 SGB VIII hilfreich, die im besten Fall kostenfrei oder mindestens einkommensabhängig bezahlbar sind. Für den Erholungseffekt wären längere Reisen von mindestens einer Woche sinnvoll. Aber auch (thematische) Wochenendangebote mit Übernachtung für unterschiedliche Konstellationen (Väter mit Kindern, Mütter mit Kindern, nur Kinder, nur Jugendliche) an einem anderen Ort sind Möglichkeiten, um Familien aus der Schwere der Pandemie herauszuholen. Zur Unterstützung sollte auch das System der Mutter-Kind-Kuren genutzt und erweitert werden. Vor allem müsste hier der Zugang stark vereinfacht werden.
Niedrigschwellige und auch bekannte Orte in den Bezirken sind die Familienzentren, die bereits vielerorts offene Angebote für Familien in den unterschiedlichen Stadien machen. Hier können sich Familien häufig unkompliziert Hilfe auf alltägliche Fragen holen. Familienzentren können nach der Pandemie wesentlich dazu beitragen, die Nachbarschaft und Familien wieder füreinander zu öffnen. Neben Orten, an denen sich Familien Hilfe holen können, können sie mehr denn je ein Ort der Begegnung sein – für Nachbarschafts- und Familientreffs, Feste, lange Tafeln und Beisammensein. Dafür müssen Schulhöfe und Familienzentren geöffnet werden, um so ergänzt um öffentliche Räume (z.B. Straßen) der Anwohnerschaft als Begegnungs- und Nachbarschaftszone zur Verfügung zu stehen. Bewährt hat sich hier im letzten Jahr das Konzept der temporären Spielstraße.
Kinder und Jugendliche im Sozialraum stärken und fördern – Mittel des Bundes in Berlin nutzen
Vor der Pandemie gab es für alle Familienmitglieder eigene Orte: Jugendfreizeiteinrichtungen, Sportvereine, Sportstätten, außerschulische Angebote, Workshops, Ausflüge. Ziel muss es sein, Orte außerhalb der eigenen Familie, für die eigene Peer-Group und die eigenen Interessen möglichst bald zu reaktivieren, und sie den Familien vorrangig zugängig zu machen. Der Zugang zu Orten der außerschulischen Kinder und Jugendarbeit (Jugendzentren) sowie zu Sportstätten, Schwimmhallen, Freibädern, Workshops etc. könnte durch eine Ausweitung der Öffnungszeiten oder einen kostenfreien Zugang erleichtert werden.
Als sichtbares Zeichen für das Wiedererwachen des sozialen und kulturellen Miteinanders könnte schon kurzfristig eine lebendige Draußen-Kultur auf Spielplätzen, in Parks und Grünflächen, aber auch auf Stadtplätzen, Straßen und Parkplatzumwidmungen eine wichtige Ergänzung sein. Denn gerade soziales Lernen, soziale Bindungen aber auch kulturelle und sportbetonte Erfahrungen konnten in der Pandemie nicht ausgelebt werden. All dies sind aber notwendige Bausteine für die Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen.
Für die vielen Familien, die durch die lange Phase der Pandemie ausgelaugt sind und Kraft tanken wollen, sollen auch Kinder- und Jugendfreizeiten verstärkt angeboten werden, um Erholungs-, Begegnungs- und Bewegungsangebote zu machen. Hierzu zählen Kinder- und Jugenderholung ebenso wie auch kulturelle und politische Jugendbildung.
Es ist überdies geboten, bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt für Kinder, Jugendliche und Familien zu stärken. Mit vielfältigen Akteuren soll im Sozialraum ein Netz für Kinder und Jugendliche und deren Familien geschaffen werden, um Angebote zur Stärkung und Förderung wahrnehmen zu können. Dazu gehören Begleiter*innen, die zuhören, beraten, unterstützen und einfach erreichbar sind wie z.B. Großelterndienste, Pat*innen, Mentor*innen.
Gesundheit checken – psychische Erkrankungen ernst nehmen
Für die Überprüfung der körperlichen und psychischen Gesundheit sollte es beim Kinderarzt die Möglichkeit einer extra U-Untersuchung (Corona-Untersuchung) geben, um so einen Überblick über die körperliche Verfassung der Berliner Kinder und Jugendlichen zu erhalten. Wir werden in Gesprächen mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen eine solche zusätzliche Untersuchung prüfen. Dabei würden auch psychische Probleme erkannt werden. Der in Berlin neu gegründete Heilpädagogische Fachdienst kann hier genutzt und damit bekannter gemacht werden.
Aufmerksamkeit sollte dabei auch auf das relativ neue Gebiet der Videospiel- und Mediennutzungssucht gelegt werden. Das Thema des (un-)angemessenen Medienkonsums beschäftigt Familien nicht erst seit Corona, wird durch die pandemiebedingte Verschiebung so vieler Formate und Bildungsangebote in den digitalen Raum aber intensiviert. Gerade jetzt brauchen viele Jugendliche hier Hilfe und die Erziehungsberechtigten Rat und Unterstützung. Und gerade jetzt bietet sich die Möglichkeit, viel über diese Phänomene zu lernen.
Jede Familie soll daher die Möglichkeit haben, einen einfachen Zugang zu umfassenden Hilfs- und Beratungsangeboten zu bekommen. Präventive Angebote sollen Familien unkompliziert zur Verfügung stehen, um schnell Hilfe zu leisten. So kann mit einfachen Mitteln Schlimmeres verhindert werden. Dafür müssen Beratungs- und Hilfsangebote für Eltern gestärkt und bekannt gemacht werden.
Eine wichtige Rolle könnte auch die Stärkung des Jugendgesundheitsdienstes übernehmen. Das gleiche gilt für den Ausbau der Schulpsychologie. In den Schulen können Kinder und Jugendliche unmittelbar beraten und unterstützt werden, um niedrigschwellige Lösungen für aufkommende Problemlagen zu entwickeln. Die Möglichkeiten einen Therapieplatz zu bekommen, waren vor der Krise schon oft schwer. Die Bedarfe sind durch die Folgen der Pandemie deutlich gestiegen, so dass die Suche nach einem Therapieplatz der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen gleicht. Hier werden dringend mehr Kapazitäten benötigt. Politik, Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung sind aufgerufen, deutlich mehr Kapazitäten für Kinder und Jugendliche zur Verfügung zu stellen. Denn Kinder und Jugendliche leiden unter den Folgen der Pandemie und brauchen mehr professionelle Unterstützung denn je.
Impfmöglichkeiten nutzen –Regelbetrieb ermöglichen
Es ist noch nicht absehbar, wann allen Kindern und Jugendlichen ein sicheres und ausreichendes Impfangebot zur Verfügung stehen wird. Deshalb sollte nun zügig das komplette Personal in den Einrichtungen wie geplant auch ein Impfangebot erhalten. Geimpfte Familien bieten einen hohen Schutz. Alleinerziehende tragen eine große Last und Verantwortung. Daher sollten vorrangig Eltern über den Sommer hinweg ein Impfangebot erhalten, um Infektionsketten im privaten Raum der Familie zu brechen und somit eine Verlagerung der Infektion in Kitas und Schulen zu verhindern.
Jugendliche ab 16 Jahren sollten bis zum Ende des Sommers ein Impfangebot erhalten, so dass die Oberstufen und Beruflichen Schulen ab August einen Regelbetreib sicherstellen können. Dafür ist eine gute Vorbereitung der Kommunikation und Logistik zentral. Wenn ein sicherer Impfstoff für unter 16-Jährige zur Verfügung steht, muss eine schnelle Impfung für alle Kinder und Jugendlichen sichergestellt sein. Dabei sind die Empfehlungen der StiKo zu beachten. Um ein ausreichendes Impfangebot zur Verfügung zu stellen, können mobile Impfteams eine Schlüsselposition einnehmen.
Für Eltern, die sich hinsichtlich einer Impfung ihrer Kinder unsicher sind, spielt das Thema Impfberatung eine große Rolle. Hier sind insbesondere die Kinderärzte und die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste der Gesundheitsämter gefragt, ein entsprechendes Angebot sicher zu stellen, um eine umfassende Beratung für Familien zu ermöglichen. Über die Schulen können digitale Veranstaltungen zur Impfaufklärung angeboten werden.
Die Impfquote bei Schülerinnen und Schülern darf nicht an die Aufnahme des Präsenzunterrichtes gekoppelt werden. Die Impfung des schulischen Personals und der Familien sowie der vulnerablen Gruppen rechtfertigt keine massiven Einschränkungen beim Schulbetrieb. Auch zeigen unterschiedliche Studien, dass weder Familien noch Bildungseinrichtungen zu den Treibern der Pandemie zählen. Deshalb ist bei einer niedrigen Inzidenz und steigender Impfquote beim Personal und den Eltern eine unverzügliche Öffnung der Schulen unumgänglich.
Lernlücken aufholen – Schüler*innen stärken und unterstützen – Mittel des Bundes in Berlin nutzen
Schüler*innen leiden besonders unter der Pandemie. Monatelang fand kein regulärer Unterricht statt. Sie mussten von zu Hause lernen, besuchten die Schule nur an wenigen Tagen in der Woche oder nur wenige Stunden jeden Tag. Schüler*innen kamen mit dieser Herausforderung sehr unterschiedlich zurecht. Insbesondere dort, wo die Eltern nicht über die notwendige Zeit, Ruhe und Geduld verfügten, um Lernen zu begleiten und schulische Defizite auszugleichen, führte dies unweigerlich zu Lernrückständen und Wissenslücken. Hierzu initiiert der Bund unterschiedliche Programme, die es nun in den Berliner Schulen umzusetzen gilt.
Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche
Abbau von Lernrückständen mit einer Fokussierung auf die Kernfächer und Kernkompetenzen: Hier spielen Feriencamps und Lernwerkstätten eine große Rolle, um Kinder individuell zu fördern. Zum Beginn des neuen Schuljahres sollen unterrichtsbegleitende Maßnahmen in den Kernfächern erfolgen, um passgenau Lernlücken zu schließen.
Dies soll mit zusätzlichen Lehrkräften aber auch mit freien Trägern der Jugendhilfe oder Bildungsinitiativen erfolgen. Ein direkter Austausch mit der Schule ist ebenso wichtig, wie eine Vernetzung im Sozialrum.
Kinder und Jugendliche im Schulalltag stärker begleiten und unterstützen: Viele Kinder und Jugendliche haben durch die Pandemie ihre gewohnten Abläufe und Bindungen verloren. Insbesondere Kinder und Jugendliche in schwieriger Lage benötigen vielfältige Unterstützung, um Bindungen wiederaufzubauen und soziale Kompetenzen weiter zu stärken.Dies soll durch Mentor*innen-Programme umgesetzt werden, aber auch durch die Stärkung der Freiwilligen Dienste an Schulen sowie eine Ausweitung der Sozialarbeit an Schulen.
Jugendliche stärker in den Blick nehmen und Übergänge begleiten2021 ist das zweite Jahr, in dem Jugendliche ihre Schulzeit leise beenden – ohne Abschlussfahrten, Feiern und Beisammensein. Diese Möglichkeiten bekommen sie nicht zurück. Nicht nur die konkreten Ereignisse fehlen hier, sondern auch die sozialen Interaktionen, Entwicklungsmöglichkeiten, der Austausch, die gemeinsamen Erlebnisse, Pläne für Ausbildungen, Auslandsaufenthalte aller Art.
Der Bedarf nach Begleitung von jungen Menschen insbesondere in der Phase des Übergangs von der Schule ins Berufsleben ist größer denn je. Hier werden dringend Patenschaftsprogramme benötigt, um den einzelnen Jugendlichen Zukunftsperspektiven aufzuzeigen und für Fragen und Rat zur Seite zu stehen. Es wurden viele digitale Beratungsformate entwickelt. Sie reichen aber an dieser Stelle nicht aus. Bei solch grundlegenden Lebensentscheidungen bedarf es realer Kontakte und deshalb aufsuchender, begleitender Gespräche und Angebote. Nicht immer ist das längere Verbleiben in der Allgemeinbildung die beste Lösung.
Deshalb müssen dringend auch die Jugendberufsagenturen wieder zügig ihre wertvolle Arbeit aufnehmen und gemeinsam mit den Berater*innen der Arbeitsagenturen in Verbindung mit Hygienekonzepten zurück in die Schulen gehen, um Jugendliche aktiv anzusprechen und zu unterstützen. Ein weiterer Baustein sollte in Ferienschulen bestehen, die gemeinsam mit lokalen Arbeitgeber*innen durchgeführt werden, um Kontakte zu knüpfen, Orientierung bei der Berufswahl zu geben und so einen Weg in die Ausbildung oder Studium zu ebnen.
Geflüchtete Kinder, Jugendliche und Familien besonders in den Blick nehmen
All das oben Genannte gilt in besonderer Weise für die Kinder, Jugendlichen und Familien, die neu zugewandert sind und vielfach noch in Erstankunftseinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Sie wurden von der Pandemie am härtesten getroffen, da ihnen am wenigsten materielle und gesundheitliche Ressourcen zur Verfügung standen, um die Belastungen der Krise zu bewältigen.
Besonders offensichtlich wurde dies bei der Frage der digitalen Anbindung und Endgeräte. Zwar erhielten einige Kinder und Jugendliche Tablets aus dem Digitalpaktprogramm des Bundes. Angesichts fehlender Internetanbindung sowie inhaltlicher Einweisung und Betreuung reichte dies aber bei weitem nicht aus.
Deshalb müssen alle Anstrengungen, die Auswirkungen der Pandemie nachhaltig zu bewältigen, diese Zielgruppe stets ausdrücklich mitdenken und mit einbeziehen. Die Integrationsmittel des Masterplans Integration gerade jetzt zurück fahren zu wollen, ist daher verfehlt und muss dringend korrigiert werden. Vielmehr braucht es eine konkrete Bestandsaufnahme und Ausfinanzierung der realen Bedarfe vor Ort.
Foto: ulleo/Unsplash_CC0 Kein Zurück ins „alte Normal“: Corona als Chance für die sozial-ökologische Transformation der Berliner Wirtschaft
Klar ist: wir müssen die durch die Pandemie betroffenen Unternehmen unterstützen und stabilisieren. Aber es braucht mehr als das: wir wollen die Krise auch als Chance begreifen und in einem Pakt für die Zukunft mit der Wirtschaft die notwendige Transformation gestalten. Die Proteste der Kinder und Jugendlichen, der Wissenschaftler*innen in den vergangenen Jahren geben uns Rückendeckung. Die Gestaltenden von morgen wollen neue Antworten auf die Frage “Wie wollen wir in Zukunft leben und wirtschaften?”. Abwrackprämien für umweltverschmutzende Autos gehören sicher nicht dazu, genauso wenig wie ungerechte Prämien für kleine Teile der systemrelevanten Berufe. Hingegen heißt es jetzt die zentralen Herausforderungen unserer Zeit proaktiv anzugehen: konsequenter Klimaschutz, Digitalisierung, regionale Wertschöpfung.
Inhalt:
Positionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin
Kein Zurück ins „alte Normal“: Corona als Chance für die sozial-ökologische Transformation der Berliner Wirtschaft
“Die Erfahrungen aus verschiedenen Sektoren und mit verschiedenen Instrumenten zeigen, dass grüne Komponenten sehr gut drei Grundanforderungen an Konjunkturprogramme erfüllen können. Sie sind erstens zielgerichtet; damit steigt die wirtschaftliche Wirkung beim Einsatz öffentlicher Mittel. Sie können zweitens zeitnah umgesetzt werden, da auf Vorarbeiten der letzten Jahre aufgebaut werden kann und die öffentliche Förderung ist drittens vorübergehend, da sie darauf abzielt eine Transformation anzustoßen.”
(DIW aktuell Nr. 39 “Green New Deal nach Corona: Was wir aus der Finanzkrise lernen können”, Berlin 2020)
Die Ausgangslage
Die Pandemie zeigt uns die Grenzen unseres Wirtschaftssystems auf. Immer mehr und immer billiger funktioniert nicht, wenn globale Lieferketten zusammenbrechen, Menschen ihre Wohnung nicht verlassen können, das öffentliche Leben stillsteht. Billigkleidung aus Fernost kommt nicht mehr an, wenn Grenzen geschlossen werden. Und das Lieblingsrestaurant wird ohne staatliche Hilfe schon nach kurzer Zeit aufgeben müssen, weil es nur begrenzt Rücklagen bilden konnte in diesem Land mit den geringsten Ausgaben für Lebensmittel europaweit.
So viele Probleme der Lockdown in fast allen Bereichen der Wirtschaft und bei den Menschen auch hervorgerufen hat, so hat er uns gezeigt, wie flexibel und schnell die Gesellschaft auf die harten Einschränkungen reagiert hat. Viele stiegen um auf das Fahrrad, weil sie sich im ÖPNV nicht sicher fühlten. Lokale Produzenten haben binnen weniger Wochen globale Lieferketten ersetzt und gemeinsam mit Handel und Dienstleistung neue Online-Services ins Leben gerufen. Unsere tägliche Arbeit verlagerte sich in kürzester Zeit ins Netz. Corona hat kurzfristig mehr für den Klimaschutz und die regionale Wertschöpfung getan, als so manche Bundesregierung.
Und so lässt sich in vielen Branchen eines feststellen: Wer schon in der Vergangenheit auf Qualität und Langlebigkeit gesetzt hat, lokale Produktion bevorzugt, sich die Digitalisierung zunutze gemacht und klimafreundliche Mobilität gefördert hat, ist auch während der Krise weniger stark betroffen oder konnte schneller auf die neuen Herausforderungen reagieren. Klimaschutz macht krisenfest, nur eine von vielen Erkenntnissen der vergangenen Monate.
Klar ist: wir müssen die durch die Pandemie betroffenen Unternehmen unterstützen und stabilisieren. Aber es braucht mehr als das: wir wollen die Krise auch als Chance begreifen und in einem Pakt für die Zukunft mit der Wirtschaft die notwendige Transformation gestalten. Die Proteste der Kinder und Jugendlichen, der Wissenschaftler*innen in den vergangenen Jahren geben uns Rückendeckung. Die Gestaltenden von morgen wollen neue Antworten auf die Frage “Wie wollen wir in Zukunft leben und wirtschaften?”. Abwrackprämien für umweltverschmutzende Autos gehören sicher nicht dazu, genauso wenig wie ungerechte Prämien für kleine Teile der systemrelevanten Berufe. Hingegen heißt es jetzt die zentralen Herausforderungen unserer Zeit proaktiv anzugehen: konsequenter Klimaschutz, Digitalisierung, regionale Wertschöpfung.
Die aktuelle Situation verlangt nach einem wirkungsvollen Konjunkturprogramm, um der Wirtschaft über die Krise zu helfen. Aber sie gibt uns zugleich die Chance, Konjunktur- und Klimapolitik klug zu kombinieren!
Die Forderung nach einem Klima-Konjunkturprogramm kommt dabei nicht nur aus klassisch Grünen Think Tanks, sondern wird auch von einer breiten Gruppe von Industrieunternehmen formuliert. Darüber hinaus wird sie von Ökonom*innen unterstützt, die argumentieren, dass ein solches Konjunkturpaket wirtschaftliche Erholung UND eine ökologische und digitale Transformation der Wirtschaft verbinden kann. Mit uns wird es keine Aufweichung der langfristigen Klimaziele geben. Im Gegenteil, wir werden uns für deren Stärkung und Verschärfung einsetzen. Jetzt, wo der Staat viel Geld bereitstellt, muss dieses auch gezielt genutzt werden, um Nachhaltigkeit ins Zentrum unseres Handelns zu stellen.
Die Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg ist bisher vergleichsweise mild durch die Krise gekommen, nur ein Bundesland kann bessere Konjunkturdaten während der Pandemie vorweisen. Allerdings müssen wir uns klar werden darüber, dass manche Branchen nicht nur vorübergehend eingebrochen sind, sondern sich ein echter Strukturwandel vollzieht. Expert*innen weltweit sind sich einig: das Kongressgeschäft beispielsweise wird es auch nach Corona nicht mehr so geben, wie wir es kennen. Auch wir als Land Berlin müssen uns fragen, wie wir ein Landesunternehmen wie die Messe Berlin künftig aufstellen. Dessen Existenz war bisher in erster Linie durch eine hohe Stadtrendite begründet – die vor allem vom internationalen Kongress-/Messebesucher erzeugt wurde und nicht vom lokalen Grüne-Woche-Besucher. Nur ein Beispiel, wie eine ganze Branche sich neu erfinden muss. Ob mit hybriden Formaten oder stärkerer Dezentralisierung: für innovative Unternehmer*innen eröffnen sich auch hier neue Zukunftschancen aus der Krise.
Aber von solchen mittel- und langfristigen Umstrukturierungen werden sehr viele Arbeitnehmer*innen und Selbstständige betroffen sein. Schon heute müssen wir überlegen, wie wir den Menschen bei der Neuorientierung helfen können. Wenn wie vom Handelsverband Deutschland befürchtet 1/3 aller Unternehmen im Einzelhandel (Lebensmittel ausgenommen) in Existenzgefahr ist, dann stecken dahinter tausende Arbeitsplätze. An anderer Stelle wird Personal dringend benötigt: in der Pflege, in den Verwaltungen und der Bildung. Umschulung und Weiterbildung muss schnell Priorität erhalten. Bei der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof hat der Senat beispielsweise schnell mittels einer Transfergesellschaft gehandelt, um die Beschäftigten aufzufangen. An anderer Stelle wurde der Bezirk aktiv, und hat von der Schließung betroffene Beschäftigte für die Verwaltungsarbeit umgeschult. Selbständigen und kleinen Unternehmen unterstützt Berlin mit der Digitalprämie, sich neu zu positionieren. Diese Maßnahmen wollen wir weiter ausbauen.
Unsere finanz- und wirtschaftspolitischen Leitlinien
Programme aus dem Landeshaushalt, die der Erreichung der Berliner Klimaziele dienen, werden nicht gekürzt. Im Gegenteil wollen wir diese Programme, so es die Nachfrage hergibt, ausbauen, wie es zum Beispiel beim Programm für wirtschaftsnahe Elektromobilität der Fall ist. Es gilt auch, bestehende Programme auf ihre Zielgenauigkeit zu überprüfen. Das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm enthält sehr viele wichtige Maßnahmen, die Mittel fließen aber aus vielfältigen Gründen schlecht ab. Angesichts der Klimakrise können und wollen wir es uns nicht leisten, Gelder für die Energiewende und den Klimaschutz liegen zu lassen.
Auch die Förderpolitik muss unter die Lupe genommen werden. Unternehmen, die langfristig nachhaltig arbeiten, die einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen, ohne dabei die natürlichen Ressourcen des Planeten auszubeuten, sollen bevorzugt Fördermittel erhalten. Für besonders betroffene Branchen, wie Gastronomie, Tourismus, Einzelhandel und Kreativwirtschaft wollen wir im Anschluss an die Soforthilfen passgenaue Konjunkturhilfen entwickeln, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Im Fokus bleibt die in Berlin bereits sehr gut aufgestellte Gesundheitswirtschaft ebenso wie die Startup-Szene, denn hier eröffnen sich besonders viele Perspektiven, gerade mit Blick auf regionale Wertschöpfung und ökologische Nachhaltigkeit.
Die Krise zeigt uns auch, dass mehr für die Digitalisierung von Verwaltung, Infrastruktur und Wirtschaft unternommen werden muss. Nicht nur Schulen, die die Fachkräfte von morgen ausbilden, auch die Betriebe selber haben ihren Arbeitsalltag umstellen müssen. Wir sehen, welche Chancen die Digitalisierung eröffnet. Für neue Geschäftsmodelle ebenso wie für den Klimaschutz. Home-Office und digitale Konferenzen werden fester Bestandteil der Arbeitswelt der Zukunft – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Umwelt durch u.a. weniger Verkehre und Auswirkungen auf den Immobilienmarkt mit einem verminderten Bedarf an Büroflächen. Mit aller Anstrengung wollen wir daher auch die Verwaltung endlich ins digitale Zeitalter überführen. Schnelle und einheitliche Verfahren, so wie bereits beim Einheitlichen Ansprechpartner möglich, müssen Standard werden. Damit Berlin auch international attraktiv bleibt und Menschen gern hierher kommen, muss die Anmeldung beim Bürgeramt, die Ausstattung der Schulen, aber auch die Verfügbarkeit von schnellem Internet selbstverständlich werden.
Wir sehen auch die Chance, die regionale Wertschöpfung zu steigern. Wenn die digitale Infrastruktur und klare Erwartungen in Sachen Klimaschutz Unternehmen Verlässlichkeit politischer Entscheidungen signalisieren, erhöhen wir die Attraktivität der Stadt für die Betriebe, die hier vor Ort zu fairen und ökologischen Bedingungen produzieren. Neben dem hohen Wachstum des Onlinehandels hat sich auch die Nachfrage der Verbraucher*innen nach regionalen Produkten mit der Corona-Krise verstärkt. Dieses Momentum der Solidarität müssen wir jetzt nutzen!
Prämisse bei all unseren vorgeschlagenen Maßnahmen ist das Ziel, einen Aufschwung der Berliner Wirtschaft zu erreichen und dennoch die Ziele des Pariser Klima-Abkommens zu erreichen. Beim Klimaschutz gibt es mit uns Grünen keine Kompromisse. Wir erkennen die Chance der Krise, um die sozial-ökologische Transformation endlich konsequent zu forcieren. Die Fokussierung von Konjunkturprogrammen auf die oben genannten Maxime – Klimaschutz und Digitalisierung – halten wir für den richtigen Schritt zur dauerhaften Stabilisierung unserer Wirtschaft. Konjunkturprogramme nach Gießkannenmentalität, die die Neuverschuldung nicht begrenzen und nachfolgende Generationen unverhältnismäßig belasten, lehnen wir ab.
Investitionsoffensive für einen nachhaltigen Aufschwung
In einer Umfrage von UnternehmensGrün gaben 84 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie auf Grund ihres nachhaltigen Geschäftsmodells zuversichtlich sind, die Herausforderungen der Krise zu meistern. 68 Deutsche Großunternehmen von Bayer über Schneider Electric, Allianz und Henkel haben sich in der Stiftung 2° zusammengeschlossen und fordern, mit einem Klima- und Konjunkturprogramm die Wirtschaft krisenfester zu machen. Die Umfrage der DIHK hingegen malt ein düsteres Bild in ihren Corona-Blitzumfragen: Hier schauen nur knapp ein Drittel der befragten Unternehmen positiv ins nächste Jahr. Damit die Berliner Wirtschaft langfristig Arbeitsplätze sichert und auch kommende Krisen überstehen kann, sind wir gefragt, die Weichen zur Transformation zu stellen.
Dem von der Bundesregierung am 3. Juni 2020 vorgelegten Konjunkturpaket fehlt zwar eine klare politische Weichenstellung, dennoch müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, die vorgeschlagenen Maßnahmen bestmöglich für Berlin und unsere Ziele zu nutzen. Daher heißt es nun, die Anstrengungen auf Landesebene anzupassen und auf ihre Wirkung für mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu überprüfen. Hierzu wollen wir, wie vom Umweltbundesamt vorgeschlagen, die „Prüfung aller Maßnahmen auf Konsistenz mit EU Klimataxonomie und den Zielen des European Green Deal” sowie den Berliner Klimazielen.
Wir werden alle für Berlin im Rahmen des „Green Deals“ zur Verfügung stehenden Mittel in die Überlegungen einbeziehen und bereits jetzt Projekte dafür konzipieren, um diese spätestens im Jahr 2022 zu starten.
In den letzten Monaten haben wir schon vieles auf den Weg gebracht:
In der akuten Not der ersten Monate der Pandemie haben wir mit verschiedenen Soforthilfeprogrammen die Existenz von 270.000 Berliner Unternehmer*innen und Selbständiger gesichert. Und wir blicken auch nach vorne: mit der Digitalprämie für kleine und mittlere Unternehmen fördern wir die notwendige Digitalisierung der Mittelschicht mit einem Zuschussprogramm. Mit zinslosen Darlehen verschaffen wir Berliner Modelabels die nötige Liquidität, um trotz Corona ihre Kollektionen herstellen zu können. Und unsere Zuschussprogramme für Gründächer und Solarstromspeicher zahlen ohne Umwege direkt auf den Klimaschutz ein und schaffen ganz nebenbei lukrative Aufträge für das Berliner Handwerk.
Wir wollen, dass Berlin auch in Zukunft Konjunkturhilfen passgenau einsetzt und gleichzeitig eine möglichst breite Wirkung erzielen für Klimaschutz, Digitalisierung und eine stabile Berliner Wirtschaft.
Jetzt gezielt investieren: 500 Mio. Euro für Klimaschutz, Digitalisierung und eine nachhaltig stabile Berliner Wirtschaft
Berlin Invest: Beteiligungskapital und Kreditprogramm zur Finanzierung von Innovation und Wachstum produzierender Unternehmen. Investiert wird in Unternehmen, deren Zweck an ökologisch, sozial und/oder ökonomisch nachhaltigen Leitlinien gebunden ist oder die vorhaben, ihr Unternehmen entsprechend umzustrukturieren.
Berlin Klima: Zuschussprogramm für klimafreundlichen Bau und energetische Sanierung privater und öffentlicher Gebäude. Das bereits vorhandene Förderprogramm des Landes Berlin soll erheblich aufgestockt werden. Die Höhe der Zuschüsse richtet sich dabei nach der energetischen Zielsetzung des Sanierungsvorhabens sowie der Verwendung nachhaltiger Materialien.
Berlin Digital: Die bereits im November gestartete Digitalprämie wird weiter ausgebaut. Gefördert wird die Digitalisierung von Unternehmensprozessen, die Verbesserung der IT-Sicherheit und Beratungsleistungen. Der Zuschuss kann um 50 Prozent erhöht werden, wenn die Maßnahme gezielt regionale Produktion steigert und/oder den Klimaschutz verbessert.
Foto: varunkul01/Pixabay_CC0 Sport in Zeiten der Corona-Pandemie
Vereine, Verbände und kommerzielle Sportanbieter*innen haben seit Beginn der Pandemie in beeindruckender Geschwindigkeit sowohl Hygienekonzepte erstellt und umgesetzt als auch in sonstiger Weise als relevante gesellschaftliche Stütze in Krisenzeiten agiert. Voraussetzungen für einen geordneten und zugleich sicheren Trainings- und Wettkampfbetrieb wurden für die Berliner*innen geschaffen. Diesem außergewöhnlichen, meist ehrenamtlichen Engagement gebührt unser aller Respekt. Dennoch: Aufgrund rasant steigender Infektionszahlen musste letztlich auch der organisierte Sport seinen Betrieb seit November weitestgehend einstellen: Hallen bleiben zu, Fitness- und Gesundheitsstudios sowie Schwimmhallen sind seitdem geschlossen. Auch der Sport im Freien musste aufgrund der sich verschärfenden Lage bis auf Individualsport komplett eingestellt werden. Dieser so einschneidende Schritt war notwendig und richtig, um die Corona-Pandemie wirksam zu bekämpfen. Auch trotz sich langsam verbessernder Lage sind weitere Beschränkungen auch im Sportbetrieb notwendig, um bisherige Erfolge nicht zunichte zu machen.
Inhalt:
Sport in Zeiten der Corona-Pandemie
Positionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 09.03.2021
Vereine, Verbände und kommerzielle Sportanbieter*innen haben seit Beginn der Pandemie in beeindruckender Geschwindigkeit sowohl Hygienekonzepte erstellt und umgesetzt als auch in sonstiger Weise als relevante gesellschaftliche Stütze in Krisenzeiten agiert. Voraussetzungen für einen geordneten und zugleich sicheren Trainings- und Wettkampfbetrieb wurden für die Berliner*innen geschaffen. Diesem außergewöhnlichen, meist ehrenamtlichen Engagement gebührt unser aller Respekt.
Dennoch: Aufgrund rasant steigender Infektionszahlen musste letztlich auch der organisierte Sport seinen Betrieb seit November weitestgehend einstellen: Hallen bleiben zu, Fitness- und Gesundheitsstudios sowie Schwimmhallen sind seitdem geschlossen. Auch der Sport im Freien musste aufgrund der sich verschärfenden Lage bis auf Individualsport komplett eingestellt werden.
Dieser so einschneidende Schritt war notwendig und richtig, um die Corona-Pandemie wirksam zu bekämpfen. Auch trotz sich langsam verbessernder Lage sind weitere Beschränkungen auch im Sportbetrieb notwendig, um bisherige Erfolge nicht zunichte zu machen.
Sport ist wichtiger Gesundheitsfaktor…
Auf der anderen Seite wird mit fortlaufender Pandemie immer mehr Menschen deutlich, wie sich die mangelnde Bewegung, der fehlende Sport in der Gruppe und das fehlende soziale Miteinander auf Körper und Geist auswirken. Kinder und Jugendliche, aber auch Senior*innen trifft dies oft besonders hart und viele sind besorgt, welche Langzeitfolgen dieser andauernde Zustand haben wird.
Daher sind wir auch in der Pflicht, alle Folgen der Pandemiebekämpfung auszuwerten und ggf. nachzusteuern. Sportliche Betätigung stärkt das Immunsystem und kann nachweislich psychische und physische Erkrankungen minimieren.1 Die WHO definiert Gesundheit als „Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“.2 Damit kann drei elementaren Krankheitsfaktoren entgegengewirkt werden: Bewegungsmangel, Stress und sozialer Isolation. Die sportliche Betätigung nimmt dabei eine wesentliche Rolle ein. Infektionsschutz darf nicht gegen das Gesundheitsrisiko ausgespielt werden, welches durch mangelnde Bewegung entsteht. Menschen, die Sport zur Gesundheitsvorsorge betreiben, entlasten nicht zuletzt auch unser Gesundheitssystem.
… und stärkt die Gesellschaft
Sport und Bewegung sind für viele Menschen unverzichtbar und weit mehr als reine Freizeitbeschäftigung. Auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt leistet der Sport wertvolle Dienste, in der Jugendarbeit etwa und in vielen sozialen und integrativen Projekten. Deshalb muss Sport zukünftig politisch aufgewertet werden. Die Repräsentation aller Sportler*innen muss noch sichtbarer werden. Die Förderung des Leistungs- und Spitzensports ist hierbei genauso wichtig wie die Förderung des Breitensportes. Ebenso gehört zur Wertschätzung auch die Wahrnehmung und Förderung des Ehrenamtes dazu.
Perspektive schaffen
Die Berliner*innen tragen bisher die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit. Dennoch wird spürbar, dass immer mehr Menschen eine Perspektive vermissen. Diese konnte nun im Rahmen der letzten Bund-Länder-Konferenz vom 3. März 2021 auch für den Sportbereich geschaffen werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass der Senat die bundesweiten Absprachen umsetzt und auf Grundlage dessen den Sport schrittweise wieder ermöglicht. Wesentliche Faktoren bei der Wiederaufnahme des organisierten Sports sind dabei die 7-Tage-Inzidenz, realisierbare Hygienekonzepte, der Impfstatus sowie die Verfügbarkeit von Selbst- und Schnelltests. Es ist dabei auf die unterschiedlichen Gegebenheiten der Sportarten zu achten.
Eine besondere Behandlung muss dem Kinder- und Jugendsport, dem Senior*innen-Sport, Reha-Angeboten sowie dem Leistungssport zukommen. Senior*innen schädigt fehlende Bewegung dauerhaft, Kinder und Jugendliche benötigen Bewegung für ihre weitere Entwicklung in besonderem Maße und Berufs- und Leistungs-Sportler*innen muss ermöglicht werden, ihr Niveau zu halten, um im internationalen und bundesweiten Vergleich anschlussfähig zu bleiben.
Kinder brauchen den Sport
Dem Kinder- und Jugendsport ist höchste Priorität einzuräumen.
Der jüngst erschienene „Vierte Deutsche Kinder- und Jugendsportbericht“ der Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung3 macht deutlich, dass man den Sport in Kleingruppen für Kinder und Jugendliche möglichst schnell wieder ermöglichen sollte. Wir begrüßen daher ausdrücklich den Vorschlag des DOSB und der Deutschen Sportjugend4 samt ihrer Mitgliedsorganisationen, dass möglichst einheitliche Regelungen im Bundesgebiet gefunden werden, um Sportangebote für Kinder und Jugendliche differenziert zu ermöglichen. Die diesbezüglichen Stufenbeschlüsse der MPK vom 3. März 2021 begrüßen wir und erwarten deren konsequente Umsetzung. Hier muss Berlin analog zu allen anderen Bundesländern handeln und organisierten Sport in Kleingruppen auf ungedeckten Sportanlagen für Kinder bis 14 Jahre ermöglichen. Wir fordern ferner auch eine schnelle Perspektive für die Jugendlichen bis 18 Jahren. Auch diese benötigen die körperliche Auslastung und den Kontakt zu Gleichaltrigen.
Neben dem klassischen Kita- und Schulsport, der nun mit der schrittweisen Öffnung der Kitas und Schulen wieder beginnen kann, sind auch Lösungen zu erarbeiten, wie ausreichend Schwimmflächen für das Schulschwimmen bereitgestellt werden können. Vorrangiges Ziel ist es, dass sowohl der Drittklassenjahrgang von 2019/2020 als auch die aktuellen Drittklässler*innen Berlins Schwimmunterricht erhalten. Hierfür sollen den Bäderbetrieben bei Bedarf Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden.
Berliner Sport auch wirtschaftlich absichern
Angesichts der starken Einschränkungen, die mit der Corona-Pandemie einhergehen, zeichnet sich immer stärker ab, dass die wirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen für die Berliner Sportvereine- und verbände nicht ausreichen. Vereine verzeichnen schon jetzt erhebliche Mitgliederverluste – Neuanmeldungen sind kaum vorhanden.
Die üblichen Soforthilfen erreichen lediglich Klubs mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb. Aus diesem Grund haben wir den „Berliner Rettungsschirm für den Sport“ unterstützt. Dieser muss nun weiter ausgebaut werden und an die sich verändernden Bedarfe im Rahmen der Pandemie angepasst werden, zum Beispiel für Mehrausgaben aufgrund der Hygienevorgaben, für Selbst-Schnelltests oder zur Schaffung weiterer digitaler Sportangebote.
Beim Wiederaufbau verloren gegangener ehrenamtlicher Strukturen muss den Vereinen ebenso unter die Arme gegriffen werden wie bei der Mitglieder-Gewinnung. Auch Sportanbieter*innen, die nicht dem Sportfördergesetz unterliegen, sollen künftig besser berücksichtigt werden.
Wir fordern für den Sport jetzt:
- Kinder und Jugendliche benötigen in der Pandemie eine wirksame Entlastung durch den Sport, um physischen und psychischen Schäden vorzubeugen. Daher erhalten Schulsport und Schulschwimmen ebenso Priorität wie der Freizeitsport für Kinder und Jugendliche. Sport für Kinder bis 14 Jahre muss entsprechend des MPK-Beschlusses vom 3. März 2021 umgehend ermöglicht werden.
- Senior*innensport muss unter Betrachtung der Test-, Impf- und Antikörperstrategie auch in Innenräumen ermöglicht werden.
- Der Senat soll zügig eine Selbst- und Schnellteststrategie zur Pandemiebekämpfung für den Sport entwickeln und Vereine wie private Anbieter*innen bei der Umsetzung finanziell unterstützen.
- Das Training für Berlins Bundes- und Landeskader-Athlet*innen ist weiterhin sicherzustellen.
- Berlin setzt sich auf allen Ebenen dafür ein, dass für überregionale Ligen endlich bundesweit einheitliche Trainings- und Wettkampfbedingungen verabredet werden.
- In Zusammenarbeit mit dem Landessportbund wird der Senat den Berliner Sport aktiv dabei unterstützen, gestärkt aus der Krise hervorzugehen und langfristig mehr Menschen für Sport und Bewegung zu begeistern. Sport ist aktive Gesundheitsvorsorge!
1https://www.rki.de/DE/Content/Service/Sozialberatung/BGBL_Krprl_Akt_psych_Gesund.pdf
2https://www.bisp-sportinfrastruktur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sportentwicklung/who_empfehlung.pdf
3 https://www.krupp-stiftung.de/vierterkinderundjugendsportbericht/?preview=true
4 https://www.dsj.de/news/artikel/vier-stufen-plan-fuer-den-kinder-und-jugendsport-waehrend-der-corona-pandemie/
Foto: Celia Ortega/Unsplash_CC0 Krisenfest handeln - in Szenarien denken
Das laufende Schuljahr 2020/21 ist alles andere als ein normales Schuljahr. Auch, weil bis auf die Erstklässler*innen alle Klassenstufen bereits das Corona-Frühjahr zu bewältigen hatten und zu befürchten steht, dass die Schüler*innen gewisse Lernrückstände bereits in dieses Schuljahr mitgebracht haben. Die Ungewissheit, wie es mit der Pandemie weiter geht, darf nicht länger dazu führen, dass wir bei allen Entscheidungen auf Sicht fahren. Das gegenteilige Prinzip muss unser weiteres Handeln bestimmen: In dieser Notlage müssen wir alles tun und alles bereithalten, was notwendig ist, um jede Variante, die eintreten kann, gut bewältigen zu können. Das bedeutet, dass wir einen Corona-Modus für die Schulen finden müssen, der länger aufrechterhalten werden kann unter Wahrung des Infektionsschutz und dem Recht auf Bildung.
Diskussionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin. Das Papier gibt den Diskussionsstand von Mitte Januar 2021 wieder, der sich wegen der sehr dynamischen Lage immer wieder ändern kann.
Inhalt:
Diskussionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin. Das Papier gibt den Diskussionsstand von Mitte Januar 2021 wieder, der sich wegen der sehr dynamischen Lage immer wieder ändern kann.
Krisenfest handeln – in Szenarien denken
Kein normales Schuljahr
Das laufende Schuljahr 2020/21 ist alles andere als ein normales Schuljahr. Auch, weil bis auf die Erstklässler*innen alle Klassenstufen bereits das Corona-Frühjahr zu bewältigen hatten und zu befürchten steht, dass die Schüler*innen gewisse Lernrückstände bereits in dieses Schuljahr mitgebracht haben. Zu Schuljahresbeginn war man dann zwar offiziell wieder im Regelbetrieb. Der Stufenplan machte im Herbst aber deutlich: So ganz wie immer lief es nicht. Dank der schulindividuellen Betrachtung konnte bis Weihnachten aber dennoch von einer weitgehenden Regelbeschulung die Rede sein, auch wenn immer wieder Schulen, Schulklassen oder einzelne Erkrankte in Quarantäne mussten.
Der 16. Dezember war dann der vorerst letzte reguläre Schultag. Je länger der Lockdown noch anhält bzw. die Inzidenzzahlen so hoch sind, sodass kein Präsenzunterricht stattfinden kann, desto mehr wächst die Sorge. Und zwar nicht nur um die Abschlüsse.
Die Ungewissheit, wie es mit der Pandemie weiter geht, darf nicht länger dazu führen, dass wir bei allen Entscheidungen auf Sicht fahren. Das gegenteilige Prinzip muss unser weiteres Handeln bestimmen: In dieser Notlage müssen wir alles tun und alles bereithalten, was notwendig ist, um jede Variante, die eintreten kann, gut bewältigen zu können. Das bedeutet, dass wir einen Corona-Modus für die Schulen finden müssen, der länger aufrechterhalten werden kann unter Wahrung des Infektionsschutz und dem Recht auf Bildung.
Kinderschutz – Betreuung – Bildung und Erziehung
Diese Schulprobleme im engeren Sinne stehen im Zentrum dieses Papiers. Auch wenn uns klar ist: Schule hat viele Funktionen. Bei den Diskussionen um die pandemiebedingten Problemlagen hat “Schule” auch deshalb eine prominente Stellung eingenommen, weil realisiert wurde, dass Schulen mehrere Funktionen erfüllen. Sie können Schutzort sein, sie dienen, insbesondere auch im Ganztag, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und sie sind selbstverständlich der zentrale Ort formalen Lernens – um nur drei Funktionen grob zu benennen. Wir halten es für sinnvoll, diese drei Ebenen in den Diskussionen zumindest weitgehend voneinander getrennt zu betrachten, um zu den bestmöglichen Lösungen zu kommen.Klar ist: Ein Schulbesuch in Notbetreuung ist kein Ersatz für das Kinderschutz-System. Gerade weil mit dem Lockdown neben dem schulischen Ganztag auch weite Teile der Jugendhilfe, Jugendfreizeiteinrichtungen, Sportvereine und sonstige Freizeitangeboten geschlossen sind, müssen die Jugendämter und der Regionale Soziale Dienst weiter erreichbar sein und müssen Erziehungs- und Familienberatungsstellen und andere Beratungsmöglichkeiten ihre Angebote wieder digital zur Verfügung stehen; dringend aufrecht erhalten werden muss die Funktionsfähigkeit der Familiengerichte, stationären Unterbringungsmöglichkeiten, der Kinder- und Jugendlichen-Psychiatrien und Psychologischen Hilfsangebote. Bei allen, die dazu beitragen, bedanken wir uns sehr herzlich!
Die Themenbereiche haben Überschneidungspunkte, und dennoch ist das Problem der Betreuung nicht mit dem Thema Kinderschutz gleich zu setzen.
Homeoffice und Distanzlernen/Fernunterricht sind und bleiben für alle Betroffenen eine enorme Belastung. Die zeitlichen, emotionalen und materiellen Ressourcen der Familien sind unterschiedlich, und bei sehr vielen sind diese Ressourcen mittlerweile weitestgehend erschöpft. Existenzängste und Überforderungsgefühle erzeugen enormen Druck, auch auf das Eltern-Kind-Verhältnis.
Hinzu kommt, dass Wechselmodelle und Distanzunterricht zwar besser funktionieren als im vergangenen März, dennoch sind die Unterschiede von Schule zu Schule und von Lehrkraft zu Lehrkraft groß. Insgesamt können sich viele Familien deshalb nicht mehr vorstellen, dass ihre Kinder dieses Schuljahr bewältigen können und die Benotungen gerecht sein werden. Hier ist es die Aufgabe der Politik, Druck aus dem System zu nehmen.
Zur Wahrheit gehört: Wir können nicht alle Probleme kurzfristig lösen. Die soziale Schere wird in dieser Pandemie weiter auseinander gehen und wir werden noch Jahre damit zu tun haben, die Folgen dieser großen Krise zu bewältigen.
Mögliche Szenarien für den Schulbetrieb
Derzeit ist nicht davon auszugehen, dass vor den am 24. Juni 2021 beginnenden Sommerferien ausreichend viele Menschen geimpft sein werden, um die Pandemie unter Kontrolle bekommen zu haben. Zwar sollte die Impfstrategie, zuerst die Ältesten und die Risikogruppen zu impfen, hoffentlich zu einer Entlastung der Krankenhäuser führen. Dennoch muss eine Priorität auch weiterhin auf dem Absenken der Inzidenzwerte liegen. Die Diskussion um ein Vorziehen von Bildungspersonal in den Impfgruppen hängt von der Stiko-Entscheidung im Bund ab und von einer ausreichenden Menge an Impfstoff. Sollte dieser vorhanden sein, ist es aber eine Frage, die in Erwägung gezogen werden muss. Bis dahin sollten Mitarbeiter*innen der Bildungseinrichtungen die Möglichkeit haben in den Impfzentren spontan nicht verimpften Impfstoff zu erhalten.Es ist unrealistisch, davon auszugehen, dass die Inzidenzwerte bereits Ende Januar unter 50 liegen werden. Man muss sogar davon ausgehen, dass ein Mittelwert 50 für ganz Berlin vermutlich auch im Februar und März nicht erreichbar ist – vor allem wenn die Virusvariante aus Großbritannien negative Auswirkungen für Berlin hat. Gleichzeitig ist politisch noch völlig unklar, ab wann und für welche Jahrgangsstufen es oberhalb dieses mindestens angezielten Inzidenzwertes eine Wiedereröffnung der Schulen, zumindest im hybriden Wechselmodell, geben kann bzw. auch sollte.
Dazu ist die bundesweite Entwicklung der Zahlen, der Studien und der Diskussion abzuwarten. Denn in der Pandemie ist eine breit getragene Lösung wichtig. Genauso wichtig ist, dass es eine perspektivische Planbarkeit an den Schulen gibt. Eine schulindividuelle Betrachtung mittels Stufenplan würde wohl angesichts des breit verteilten und hohen Inzidenzwerte zu einem unsteten Schulalltag führen. Aus diesem Grund braucht es neue Ansätze.
Wichtig ist hierbei zu beachten: anders als im Bereich der Jahrgangsstufe 7-13 benutzen Grundschüler erheblich seltener für den Schulweg öffentliche Nahverkehrsmittel. Ihr Weg zur Schule stellt keine gefährdende Mobilität dar, die Unterrichtssituation selbst kann in halben Gruppen vertretbar gestaltet werden. Zudem zeigen die Infektionszahlen bei Kindern im und unterhalb des Grundschulalters deutlich geringere Ausschläge. Regionalisierte Inzidenzwerte sind daher für Grundschulen sinnvoll und könnten eine schnellere Rückkehr zum Schulbesuch ermöglichen.
Plan A:
Nach den Winterferien – nach vier Wochen Lockdown – zu Unterricht im Wechselmodell (je Schule in dem von ihr entwickelten Alternativmodell) zurückkehren zu können wäre aus schulischer, pädagogischer und gesellschaftspolitischer Sicht ausgesprochen wünschenswert. Die oberste Priorität sollte dabei auf den Jahrgangsstufen 1-6 liegen. Sollte dies möglich sein, wäre das Schuljahr noch zu retten, selbst wenn der Wechselunterricht bis zur Sommerpause andauern würde. Dabei wären Wechselmodelle mit tageweisen Anwesenheiten innerhalb einer Woche bzw. Vormittag-Nachmittag-Wechselmodelle zu bevorzugen gegenüber wochenweisen Wechselmodellen. Die Berliner Schulen haben solche Modelle vorbereitet, die nun schulgenau umgesetzt werden können.
Plan B:
Mit zu bedenken ist aber durchaus auch ein Szenario, bei dem die Schulen bis zu den Osterferien am 29. März geschlossen bleiben, und damit weitere sieben Wochen lang Unterricht nur in Form von komplettem Distanzunterricht möglich wäre. Dies hätte insbesondere für die Grundschulen so gravierende Auswirkungen, dass kaum mehr von einem regulären Schuljahr gesprochen werden könnte. Wir sollten als Land alles tun, um das zu vermeiden.
Aber klar ist auch: das wäre nicht nur eine Entscheidung der Politik. Sondern es sollen auch die Schüler*innen und ihre Familien für sich entscheiden können: Will ich dieses Schuljahr wiederholen? Diese Möglichkeit sollte ohne Nachteile für die Schüler*innen eröffnet werden; die Wiederholung soll nicht auf die Zahl der möglichen Wiederholungen angerechnet werden. Zur Möglichkeit des Wiederholens soll eine begleitende Bildungs(laufbahn)beratung stattfinden, damit nur die tatsächlich wiederholen, für die es sinnvoll und notwendig ist.
Wir müssen alles daran setzen, spätestens ab 12. April die verbleibenden 10,5 Wochen des Schuljahres bis zu den regulären Sommerferien Unterricht im Präsenzmodus stattfinden zu lassen.
Starken Infektionsschutz an den Schulen implementieren
Da die Pandemie noch bei weitem nicht besiegt ist, können nur ganz klare Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Schüler*innen und ihrer Familien sowie zum Schutz der Beschäftigten eine Teil-Wiedereröffnung der Schulen überhaupt wieder denkbar machen.Es darf deshalb kein Tag mehr verschwendet werden, alles für den Gesundheitsschutz aller Beteiligten zu tun, um ihnen einen Schulbesuch verantwortungsvoll zu ermöglichen. Nach den Winterferien muss eine Schnelltest-Strategie für das Schulpersonal und Schüler*innen in Umsetzung sein; allen schulischen Akteuren müssen FFP2-Masken zur Verfügung stehen und für die Klassenzimmer sollten möglichst flächendeckend Luftfilter zur Verfügung stehen – ob selbst gekauft, vom THW eingebaut oder vom Land bzw. den Bezirken regulär beschafft. Die aktuellen Beschaffungsverfahren müssen deutlich entbürokratisiert und beschleunigt werden. Mitarbeiter*innen von Schulen, Kitas und Jugendhilfeeinrichtungen sollten so schnell wie möglich geimpft werden.
Dies alles ist gerade dann unerlässlich, wenn man sich eine Rückkehr zu mehr als nur Wechselunterricht überhaupt erhoffen will.
Unerlässliche Sofort-Maßnahmen
Gleichzeitig muss alles getan werden, um das Entstehen von größeren Lernrückständen schon im Ansatz zu verhindern.
Um sicherzustellen, dass auch in Schulen, in denen ein relativ hoher Anteil von Kindern vor Ort betreut werden muss, wirklich in kleinen Gruppen mit ausreichend Abstand agiert werden kann, sollen bei Bedarf auch Räumlichkeiten von Jugendfreizeiteinrichtungen und Kulturorten, deren Wiedereröffnung nicht so bald zu erwarten steht und die kurz- und mittelfristig auch nicht für alternative künstlerische Zwecke genutzt werden können, sowie anderen geeigneten Orten genutzt werden. Gerade in Co-Working-Spaces, Läden und Cafés oder Ähnlichem sind zumindest die digitalen Anschlüsse besser als an den meisten Schulen. Unter anderem die dort beschäftigten Sozialarbeiter*innen können bei der Beschulung unterstützen. Aber auch viele weitere Berufsgruppen, die derzeit unterbeschäftigt oder ganz zur Untätigkeit gezwungen sind, können und sollen jetzt mit herangezogen werden, um die Kitas und Schulen bei der zusätzlichen Nutzung dritter Orte für Betreuung und Bildung zu unterstützen. All dies hat das Abgeordnetenhaus bereits im letzten Sommer beschlossen und beim Senat in Auftrag gegeben!
Das Lernbrücken-Programm hat sich in der ersten Pandemie-Phase bewährt. Es ist nötig jetzt die Entscheidung zu treffen, es fest zu institutionalisieren. Umso mehr muss es jetzt, wo wir uns wieder in einem längeren Lockdown befinden, umgehend wieder aufgelegt werden.
Gleichzeitig müssen wir davon ausgehen, dass nur flächendeckende zusätzliche freiwillige Lern-Angebote in den Ferien verhindern können, dass sehr viele Kinder und Jugendliche große Lernrückstände in ihre weitere Schullaufbahn hindurch mitschleppen. Diese Angebote müssen jetzt! auf den Weg gebracht und für alle Klassenstufen angeboten werden. Sie sollten, insbesondere in den Sommerferien, auf dem Rahmenlehrplan aufbauen, gleichzeitig aber über reine Schulstunden weit hinaus gehen und auch berufsorientierende Angebote umfassen. Aber wir sollten nicht bis zum Sommer warten: schon jetzt stehen zahlreiche mögliche außerschulische Kooperationspartner bereit, und soweit es irgendwie machbar ist, könnten Programme schon in den Winterferien starten, auf jeden Fall aber ab den Osterferien.
Außerdem sollte auch der rbb endlich ein Schulfernseh- und -rundfunkprogramm auflegen.
Glasfaser und strukturierte Verkabelung der Gebäude – darauf müssen wir leider!! Noch länger warten. Aber manch andere Maßnahme könnten kurzfristig einsetzbare und nützliche Unterstützungen für das digitale Lernen sein. Deshalb ist dringend zu klären, ob die versprochenen 50 000 Tablets für bedürftige Schüler*innen nicht nur angeschafft, sondern auch bei den Kindern angekommen sind. Es ist festzustellen, ob damit alle Schüler*innen mit Endgeräten versorgt sind. Wenn nicht, muss Berlin zusätzliche Geräte aus Landesmitteln zur Verfügung stellen. Außerdem muss umgehend von den Mitteln für zusätzliche IT-Administrator*innen aus dem neuen Bundesprogramm Gebrauch gemacht werden. Der Bund verlangt, zusätzliche eigene Aktivitäten in diesem Bereich nachzuweisen. Unser Vorschlag ist, einen Topf aufzulegen, aus dem Schulen sich Ed Tech Coaches „einkaufen“ können, um Unterstützung zu erhalten bei der konkreten Umsetzung guten hybriden Lernens. Außerdem könnte die Unterstützung des Kaufs von SIM-Karten für Schüler*innen (Stichwort: Bildungsflatrates) ein Baustein sein, der die fehlende Breitband-Anbindung temporär überbrückt. Es soll geprüft werden, ob dies aus dem Digitalpakt finanzierbar ist; andernfalls soll den Schulen ermöglicht werden, dies für die Zeit der Pandemie aus den Lehr- und Lernmitteln zu bezahlen.
Für Entlastung sorgen
Die Pandemie ist eine enorme psychische wie physische Belastung für uns alle. Deshalb geht es auch beim Thema Entlastung nicht nur um die Abschlussjahrgänge bzw. die Prüfungsanforderungen für die Schulabschlüsse, sondern auch um die Pädagog*innen. Notwendig ist hier ein Quick Check, welche praktischen Erleichterungen auf den Weg gebracht werden können. Denkbare Maßnahmen, gerade für die Grundschulen etwa wären:Die Zahl der geforderten Klassenarbeiten – sie sind aufwändiger als man denkt! – in den Hauptfächern von zwei auf eine zu reduzieren, indem Ersatzleistungen wie Präsentationen oder Recherchen, die zuhause erledigt wurden, geltend gemacht werden können.
Den Aufwand bei der Zeugniserstellung zu verringern, etwa indem den Schulen freigestellt wird, dass nur eine Deutschnote eingetragen werden muss (und nicht auch die fünf Unter-Kompetenzbereiche)
Den Aufwand der VERA Arbeiten zu reduzieren, indem allen Grundschulen angeboten wird, die Korrektur der Arbeiten durch externe Kräfte des ISQ stattfinden zu lassen
Sicher würde eine Kurzabfrage bei Schul-Praktiker*innen schnell viele weitere praktikable Vorschläge erbringen.
Als Ceterum censeo sei vermerkt: Für die Entlastung von Lehrkräften und Schulleitungen wäre es wichtig, dass so schnell wie möglich auch leistungsfähige IT-Technik für die Schulverwaltungsprozesse, Schülerstatistik usw. zur Verfügung steht. Fragen der Schuldigitalisierung im Bereich der Schulverwaltung und der Schnittstellen zwischen Schulaufsicht und Schulamt zur Entlastung aller Beteiligten müssen mehr Aufmerksamkeit bekommen – Stichwort medienbruchfreie Geschäftsprozesse…
Wissen, was passiert
Darüber, wie dramatisch das ist, was gerade mit den Schulen passiert, lässt sich trefflich streiten. Allein die Kontroverse dazu, wie gut hybride Modelle von Wechselunterricht sein können, ist groß – hierzu brauchen wir dringend empirische Begleitforschung. Übereinstimmung herrscht grundsätzlich bei der Befürchtung, dass die soziale (Lern-)Schere durch die Pandemie noch weiter auseinandergetrieben wird. Große Einigkeit wiederum sollte darin bestehen, dass sich Berlin nicht leisten kann, noch mehr Kinder zu verlieren: also noch mehr Schüler*innen zu haben, die die Mindeststandards verfehlen und damit später oft auch die Schulabschlüsse.Deshalb müssen wir als Land Berlin genau hinschauen und versuchen, möglichst genau zu verfolgen, welche Effekte der wochenlange Verzicht auf Präsenzunterricht hat. Deshalb sollte auch nicht, wie im letzten Jahr verfügt, der einzelnen Schule überlassen bleiben, die Lernrückstände ihrer Schüler*innen zu diagnostizieren, mit selbstgewählten Diagnoseinstrumenten. Auch dürfen die VERA 3-Arbeiten nicht erneut ersatzlos ausgesetzt werden.
Vielmehr ist jetzt der Zeitpunkt, VERA 3- zu VERA-4-Arbeiten zu machen und in diesem Zusammenhang auch deren Akzeptanz zu steigern. VERA 3 ist ein bundesweit abgestimmtes diagnostisches Instrument. Bei VERA geht es nicht darum, aktuell erworbenes Wissen zu testen, sondern Kompetenzen zu erfassen, die sukzessive aufgebaut werden (auch im außerschulischen Kontext) und weniger abhängig sind von ganz spezifischen Unterrichtsinhalten. Die Aufgaben prüfen aber die Kompetenzstände ab, die Schüler*innen am Ende der vierten Klasse haben sollten; sind also für Drittklässler*innen eindeutig nicht passend! VERA in der vierten Klasse zu schreiben, könnte Einiges geraderücken: Wenn Vera 3 wie vorgesehen am 29. April (Mathe) und am 4. und 6. Mai (Deutsch) im Jahrgang 4 geschrieben würde, würde man angemessene Aufgaben mit großer diagnostischer Relevanz einsetzen.
Aus der Perspektive der Bildungsverantwortlichen wiederum würde die Aussagekraft der Ergebnisse für eine Klasse oder den Jahrgang der Schule gerade in diesem anormalen Jahr steigen. Denn festgestellt würde dann, wo die Schüler*innen im Jahrgang vier im Schuljahr 2020/21 stehen, und nicht, wie weit die Drittklässler*innen, die im 2. Schuljahr bereits den ersten Lockdown hatten nach ihrem 2. Lockdown im Schuljahr 2020/21 noch von diesem Stand entfernt sind.
Ein zweites wichtiges Thema der Diagnose und Steuerung ist die Frage, welche Wirkungen solch weitreichende Entscheidungen haben wie etwa die, die Prüfungsanforderungen für den MSA durch den Verzicht auf schriftliche Prüfungsarbeiten zu senken. Die schriftlichen Prüfungen beim MSA wegfallen zu lassen ist richtig. Entscheidungen wie diese müssen aber begleitet werden: Wir müssen nachverfolgen, welche Folgewirkungen sich ergeben.
So muss etwa im Auge behalten werden, wie sich schon beim letzten Jahrgang 2019/20
die Notendurchschnitte der MSA-Absolvent*innen
die Zahl der Übergänge in die gymnasiale Oberstufe
die Zahl der Abbrüche in der gymnasialen Oberstufe
die Zahl der Übergänge in die berufliche Ausbildung
die Zahl der erfolgreichen/nicht erfolgreichen Abitur-Absolvent*innen
entwickeln. Dies ist notwendig, um gegebenenfalls notwendige Maßnahmen bereits jetzt gezielt vorbereiten und ergreifen zu können, und nicht erst, wenn diese Folgen für alle spürbar sind. Das gilt insbesondere für verstärkte Berufsorientierungsangebote sowie Berufs- und Übergangsberatung auch während der Zeit in der gymnasialen Oberstufe bzw. für Abbrecher*innen.All diese Anstrengungen sollten auch dazu dienen, dass das Abitur in diesem Jahr – in Präsenz – durchgeführt werden kann. Bei der Zeitplanung sollte der maximale Spielraum genutzt werden, ohne die Sommerferien in Anspruch nehmen zu müssen. Die bereits beschlossenen Maßnahmen zur Entlastung und bestmöglichen Prüfungsvorbereitung begrüßen wir. Ausdrücklich befürworten wir einen „Freischuss“, also die Möglichkeit, einen zusätzlichen Prüfungstermin in Anspruch nehmen zu können.
Um jedoch für alle Szenarien vorbereitet zu sein, muss jedoch zusätzlich ein Szenario gedacht werden, das die Sommerferien für Prüfungen nicht aussparen kann. Dies wäre zwar für die Schüler*innen, die Familien und natürlich gerade auch die Pädagog*innen ein sehr belastendes Szenario. Umso mehr sollten aus unserer Sicht Gespräche sowohl auf KMK-Ebene und mit dem Land Brandenburg als auch mit den Personalräten und Gewerkschaften aufgenommen werden, um Modalitäten zu besprechen, wie dies durchgeführt werden könnte – sofern es die KMK nicht vorzieht, ein „Not-Abi“ ohne echte Abiturprüfungen zu vereinbaren.
Ausblick
Alle Grundschüler*innen der jetzigen Jahrgangsstufe 6 werden ab 9. August 2021 in einen Jahrgang 7 wechseln, in dem sie in hoher Wahrscheinlichkeit wieder vollen Präsenzunterricht erhalten, jedoch mit zum Teil erheblichen Lernrückständen aus der 5. und 6. Klasse. Es wäre daher sinnvoll, wenn die Schulen die Aufgabe erhalten, in den neun Unterrichtswochen bis zum Beginn der Herbstferien am 9. Oktober verstärkt die diagnostizierten Lernrückstände im Bereich der Fächer Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache zu bearbeiten. Hierzu sollte die Schulverwaltung entsprechende Freiräume zur Veränderung der Stundentafel geben, damit das Unterrichtsangebot in diesen Fächern durch die Schulen verstärkt werden kann. In gleicher Weise sollte dieser Zeitraum auch in der Jahrgangsstufe 11 (Eingangsphase) an ISS und Gemeinschaftsschule genutzt werden durch ein gezieltes Förderangebot mit modifizierter Stundentafel.Die Corona-Pandemie wird uns alle noch Jahre beschäftigen. In diesem Sinn sind diese Erörterungen auch nicht abschließend, aber hoffentlich doch ein wenig mehr als nur Ein-Tages-Politik.
Foto: Annkatrin Esser / Grüne Fraktion Berlin Ein Klima-Bürger*innenrat für Berlin
Als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus streiten wir seit vielen Jahren für ambitionierten und beschleunigten Klimaschutz und eine Anpassung der Stadt an den bereits stattfindenden Klimawandel. Wir haben mit der rot-rot-grünen Koalition seit 2016 schon eine Menge angestoßen: Das deutschlandweit erste Mobilitätsgesetz, der erste gesetzlich verankerte Kohleausstieg, die Anerkennung der Klimanotlage oder das Umsetzungskonzept zum Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) sind wichtige Meilensteine. Und wir sind noch lange nicht fertig, wollen und dürfen uns auf den Erfolgen nicht ausruhen.
Inhalt:
Beschluss der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 08.12.2020
Ein Klima-Bürger*innenrat für Berlin
Als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus streiten wir seit vielen Jahren für ambitionierten und beschleunigten Klimaschutz und eine Anpassung der Stadt an den bereits stattfindenden Klimawandel. Wir haben mit der rot-rot-grünen Koalition seit 2016 schon eine Menge angestoßen: Das deutschlandweit erste Mobilitätsgesetz, der erste gesetzlich verankerte Kohleausstieg, die Anerkennung der Klimanotlage oder das Umsetzungskonzept zum Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) sind wichtige Meilensteine. Und wir sind noch lange nicht fertig, wollen und dürfen uns auf den Erfolgen nicht ausruhen.
Klimaschutz in Berlin muss schneller, tiefgreifender und radikaler erfolgen, damit wir auf den 1,5 Grad-Pfad kommen. Denn das ist die bittere Wahrheit: So hart errungen viele der bereits beschlossenen Maßnahmen auch sind, sie reichen für die Bewältigung der Klimakrise nicht aus, die sich kontinuierlich verschärft. Für mehr Maßnahmen und für eine beschleunigte Umsetzung müssen außerdem Strukturen und Prozesse verbessert werden.
Wenn wir schneller werden wollen – und das müssen wir – dann brauchen wir nicht nur mehr Ideen, wir brauchen auch gemeinsame Aushandlungsprozesse angesichts von vielfältigen Zielkonflikten, die unsere Stadtgesellschaft sehr unmittelbar betreffen. Klimaschutz kann nicht einfach von oben verordnet werden, er braucht eine breite gesellschaftliche Verankerung und eine breite Akzeptanz für die nächsten Schritte. Dafür braucht es eine aktive Beteiligung der Berliner*innen an der Erarbeitung von Maßnahmen, am Diskurs über die Abwägung von sozialen und gesellschaftlichen Folgen und beim Ringen um kluge Kompromisse sowie um eine ambitionierte Umsetzung. Die Herausforderung, die vor uns liegt, ist gewaltig. Um sie zu bewältigen, wollen wir einen Klima-Bürger*innenrat für Berlin.
Wir beglückwünschen die Initiative „Klimaneustart Berlin“ zu – trotz Corona – über 32.000 gesammelten Unterschriften für einen solchen Klima-Bürger*innenrat. Das verschafft uns Rückenwind für die Realisierung dieses Vorhabens, für das wir Bündnisgrünen uns auch in unserem Grundsatzprogramm ausgesprochen haben.
Wir unterstützen den schnellen Aufbau eines Berliner Klima-Bürger*innenrats ausdrücklich. Und wir sind überzeugt: Ein solcher Rat wird wichtige Impulse setzen, die parlamentarische Demokratie ergänzen und die Klimapolitik bereichern. Er gibt Raum für Debatten und Lösungen jenseits eines Populismus, der die klimapolitischen Debatten immer stärker prägt und weder den Erkenntnissen der Wissenschaft noch der Komplexität der realen Zielkonflikte Rechnung trägt. Die Welt, Europa, Deutschland und auch Berlin bleiben hinter dem zurück, was möglich und was geboten ist.
Klimapolitik kostet, kein Klimaschutz kostet mehr. Ein Klima-Bürger*innenrat gibt Raum, Verteilungsfragen anders, klüger, langfristiger zu diskutieren, als das in einer nur auf den nächsten Wahltermin fokussierten Parteiendemokratie möglich ist. Wir sind überzeugt: Die Berliner*innen wissen, was gut ist für sie, für ihre Kinder, ihre Enkel*innen und ihre Stadt. Sie werden diskutieren, ringen, abwägen und dabei Neues erdenken, Innovationen anschieben, Kluges entstehen lassen. Vor allem können sie dabei Akzeptanz erzeugen, die in einem ritualisierten Klimadiskurs und zwischen erstarrenden Fronten immer mehr schwindet.
Genau diese Akzeptanz ist notwendig, um Berlin mit einer sozial-ökologischen Transformation auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Repräsentativ geloste Bürger*innen können in einem gut moderierten Verfahren, mit Unterstützung von Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, Vorlagen für notwendige politische Entscheidungen erarbeiten.
Ein Klima-Bürger*innenrat muss mit dem nötigen Ernst und mit einem starken Mandat aus der Politik ausgestattet werden, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Dazu gehört auch, die Arbeit des Rats mit der nötigen Infrastruktur angemessen zu untersetzen. Das können die Bürger*innen zu Recht erwarten, die sich ehrenamtlich einbringen werden. Wir werden uns zeitnah mit unseren Koalitionspartner*innen und der Initiative zusammen setzen, um den Klima-Bürger*innenrat möglichst noch in dieser Legislatur umzusetzen und noch offene Fragen zu klären.
Für uns ist dabei wichtig, dass
sich sowohl Senat als auch Parlament für einen solchen Rat aussprechen, daher streben wir eine Einberufung durch das Abgeordnetenhaus und den Senat an.
die finanziellen Mittel für die Arbeit, die Moderation und wissenschaftliche Begleitung bereit gestellt werden.
die Repräsentativität durch ein professionelles Verfahren gesichert ist. Dabei sollen alle Menschen ab 16 mit Wohnsitz in Berlin mit einbezogen werden, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Es ist dabei sicher zu stellen, dass der Klima-Bürger*innenrat einen Querschnitt der gesamten Stadtgesellschaft darstellt. Mögliche Sprachbarrieren sind mit geeigneten Mitteln zu überwinden. Zudem ist die Repräsentativität in Bezug auf Geschlecht, Alter, Bildungsstatus, Einkommensstatus und lokale Verankerung sicherzustellen.
der Klima-Bürger*innenrat konkrete Politikempfehlungen erarbeitet, die geeignet sind, die „Politiklücke“ zu schließen, die zwischen den bereits erreichten bzw. beschlossenen Maßnahmen und dem, was die Wissenschaft an zusätzlichen Schritten für nötig hält, um auf den 1,5 Grad Pfad zu kommen, besteht.
die Teilnehmer*innen eine wissenschaftliche Begleitung durch unabhängige Expert*innen bekommen.
die Sitzungen und insbesondere die Debatten in hohem Maße transparent sind. Wir streben eine stadtweite Debatte über radikal nötige Klimaschutzmaßnahmen und die Lösung vorhandener Zielkonflikte an.
Ergebnisse des Klima-Bürger*innenrats rechtzeitig zur Weiterentwicklung des Berliner Energie und Klimaschutzprogramms (BEK) im Jahr 2022 vorliegen. Wir Bündnisgrünen setzen uns dafür ein, dass die Vorschläge des Klima-Bürger*innenrats so umfassend wie möglich in die weitere Ausgestaltung des BEK einfließen und ggf. auch darüber hinaus Grundlage wichtiger Weichenstellungen in Senat und Abgeordnetenhaus werden.Unsplash_Ani-Kolleshi_CC0 Pflege neu denken – Pflege stark machen: Für eine gute pflegerische Versorgung und attraktive Arbeitsbedingungen
Pflege wird zunehmend mehr zu einer der zentralen sozialen und gesellschaftlichen Fragen in Deutschland und auch Berlin. Es vergeht nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie kaum ein Tag, an dem nicht von Pflegenotstand, Fachkräftemangel und der Not pflegender Angehöriger berichtet wird. Die aktuelle Krise zeigt uns den Handlungsbedarf in einer Deutlichkeit wie nie zuvor. Die (Bundes-)Regierungen der letzten Jahrzehnte haben die anstehenden Aufgaben und Probleme in der Pflege nicht angepackt. Diese Untätigkeit muss ein Ende haben!
Inhalt:
Positionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 03.11.2020
PFLEGE NEU DENKEN – PFLEGE STARK MACHEN:
Für eine gute pflegerische versorgung und attraktive arbeitsbedingungen in der berliner pflege
Unsere Forderungen in Kürze:
Die Weiterentwicklung von Pflegestützpunkten für gute Pflege im Kiez
Aufbau von Planungsrechten für die Bezirke, um Pflegeberatung, -planung und -vernetzung an Bedarfen im Kiez auzusrichten
Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle Pflege zur Vermittlung von ambulanten Pflegediensten an Pflegebedürftige
Novellierung des Wohnteilhabegesetzes (WTG)
Förderung von E-Mobilität in der ambulanten Pflege
Förderung von Pflegegenossenschaften und Pflegekollektiven
Landesförderprogramm zur Stärkung der Ausbildung und Ausbilder*innen in der Pflege
Teilzeitausbildung für Quereinsteiger*innen und Stärkung von Qualifizierungsprogrammen für ausländische Pflegekräfte im Anerkennungsverfahre
Teilnahme an Erasmus-Austauschprogrammen für Auszubildende erleichtern
Landesförderprogramm zur Stärkung der Pflegewissenschaft und Akademisierung von Pflegekräften
Leuchtturmstationen mit akademisierten Pflegekräften und Fachpflegekräften in landeseigenen Krankenhäusern
Strategie zur Attraktivitätssteigerung der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte in landeseigenen Krankenhäusern
Verbindliche Personalbemessungsinstrumente in der ambulanten und stationären Langzeitpflege
Etablierung einer Berliner Pflegekammer
Pflege wird zunehmend mehr zu einer der zentralen sozialen und gesellschaftlichen Fragen in Deutschland und auch Berlin. Es vergeht nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie kaum ein Tag, an dem nicht von Pflegenotstand, Fachkräftemangel und der Not pflegender Angehöriger berichtet wird. Die aktuelle Krise zeigt uns den Handlungsbedarf in einer Deutlichkeit wie nie zuvor. Die (Bundes-)Regierungen der letzten Jahrzehnte haben die anstehenden Aufgaben und Probleme in der Pflege nicht angepackt. Diese Untätigkeit muss ein Ende haben!In Folge des demographischen und sozialen Wandels wird Pflege für uns alle, sei es als Pflegebedürftige, professionell Pflegende oder Angehörige, auch nach der aktuellen Pandemie als eine große Aufgabe erhalten bleiben.
Die Zahl der Pflegebedürftigen wird deutlich ansteigen, der Pflege- und Unterstützungsbedarf wird komplexer aufgrund der höheren Lebenserwartung, und der ohnehin bestehende Mangel an Fachkräften wird nicht so schnell aufzulösen sein. Die zentrale Frage ist, wie wir eine menschenwürdige Versorgung von Pflegebedürftigen als Gesellschaft gewährleisten können.
Es wird sich in den kommenden Jahren viel ändern. Eine neue Generation der Alten, die ihr Leben in weiten Teilen selbstbestimmt führen konnte, wird uns deutlich machen, wie sie sich ihr Leben im Alter aber auch im Pflegebedarf vorstellt. Die gegenwärtigen Entwürfe von Pflegeheimen oder ambulante Pflegediensten werden diesen Vorstellungen nicht mehr gerecht. Präferiert werden andere Wohnformen, wie Wohn- und Hausgemeinschaften oder Genossenschaften. Diese neue Generation wird sich selbstbestimmt gesellschaftlich einbringen und auch weiterhin aktiv am gesellschaftlichen Leben in ihren Kiezen teilhaben und mitbestimmen.
In Hinblick auf diese sich abzeichnenden Veränderungen sind wir nicht gut aufgestellt. Die bevorstehenden Aufgaben werden dazu mit Pflegepolitik allein nicht nachhaltig gelöst werden. Wir wollen deshalb Pflege neu denken und fordern eine Pflege-Offensive für alle Pflegebereiche mit einer Gesamtstrategie für Berlin unter Einbindung aller Ressorts. Es obliegt der Politik und der Gesellschaft für Pflegebedürftige die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Teilhabe an einem selbstbestimmten Leben vor Ort in den Quartieren zu schaffen.
Grüne Pflegepolitik: vor Ort, menschlich und selbstbestimmt
Wir Grüne stehen für eine am Menschen orientierte Pflegepolitik. Wir wollen, dass alle Menschen selbstbestimmt und in Würde ihr eigenes Leben gestalten können. Dafür setzen wir uns für eine Pflege ein, die die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen sowie von Pflegekräften gleichermaßen in den Mittelpunkt stellt und kämpfen hierfür im Schulterschluss mit den Pflegebedürftigen, Pflegefachkräften und pflegenden Angehörigen. Menschenwürdige Pflege muss als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge gesichert werden und darf kein Spekulationsobjekt sein, denn menschenwürdige Pflege ist zuallererst eine gemeinnützige und gesellschaftliche Aufgabe
Die bestmögliche Pflegepolitik ist die, die Pflegebedürftigkeit erst gar nicht entstehen lässt bzw. diese hinauszögert. Für uns Grüne ist daher die Verhinderung und Verzögerung von Pflegebedürftigkeit zentral, um Menschen ein Leben mit einem Höchstmaß an Selbstbestimmung und Teilhabe zu ermöglichen. Gleichzeitig ist klar: Pflegebedürftigkeit ist mit dem Erhalt der Selbstbestimmung vereinbar. Wir Grüne setzen uns für eine starke Pflege im Kiez ein. Denn hier, wo Menschen verwurzelt sind, können sie trotz Pflegebedürftigkeit ihre Selbstbestimmung und Teilhabe am besten wahren und ausleben. Die Unterstützung von pflegenden Angehörigen durch Beratungs- und Entlastungsangebote, aber auch die Sicherstellung der ambulanten Pflege und die Vernetzung der Akteur*innen im Kiez, sind daher zentrale Anliegen grüner Pflegepolitik.
Wir wollen die Lebensbedingungen Älterer in Berlin so gestalten, dass sie so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden leben und am gesellschaftlichen Leben im Kiez teilhaben können. Durch den Ausbau von intergenerativen Angeboten in Stadtteilzentren, Senior*innen-Einrichtungen und einer stärkeren Förderung des Ehrenamts in Bezirken beugen wir der Vereinsamung älterer Menschen vor und sorgen dafür, dass die Berliner*innen auch fit im Alter bleiben. Auch wollen wir innovative Projekte unter Einbeziehung der Betroffenen fördern, die Pflegebedürftigkeit vermeiden bzw. verzögern, indem sie ältere Menschen so lange wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben lassen. Hierfür setzen wir an den physischen und psychischen Ressourcen älterer Menschen an. Die Stimme der pflegebedürftigen Bürger*innen als Vertretung in eigener Sache fehlt. Darum wollen wir die Etablierung einer Selbstvertretung Pflegebedürftiger unterstützen.
Mit zunehmendem Alter wird der Wirkungskreis von Menschen kleiner, umso mehr kommt es in diesem Lebensabschnitt auf die wohnortnahe, gut erreichbare und passgenaue Infrastruktur, solidarische Nachbarschaften und verlässliche, interkulturell und inklusiv ausgerichtete Unterstützungs- und Hilfestrukturen an, damit wir weitgehend selbständig und selbstbestimmt im vertrauten Umfeld wohnen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die Sicherstellung der Versorgung und Unterstützung hilfebedürftiger Menschen, denn der Anteil der über 65- und über 80-Jährigen an der Bevölkerung nimmt infolge der besseren medizinischen Versorgung und einer insgesamt längeren Lebenserwartung zu, und damit auch die der Pflegebedürftigen, insbesondere der demenziell Erkrankten.
Pflege ist inklusiv
Die vielfältige Gesellschaft bildet sich in den Strukturen des Hilfesystems nicht ab, trifft noch zu wenig auf passgenaue Angebote. Betroffene finden Zugänge nicht und können somit an den vorhandenen Möglichkeiten nicht partizipieren. Das wollen wir ändern! Ziel muss es sein, dass sich die Angebotsstrukturen an den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen orientieren und weiterentwickeln.
In Berlin sind rund 120.000 Menschen pflegebedürftig. Prognosen gehen von bis zu 170.000 Pflegebedürftigen bis 2030 aus. Pflege betrifft immer mehr die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe der älteren Migrant*innen, aber auch Kinder und Jugendliche beispielsweise mit chronischen Erkrankungen, Illegalisierte, Obdachlose und Geflüchtete. Wir erwarten, dass das Pflegesystem und die Angebote inklusiver werden und sich für diese Gruppen öffnen. Die Unterstützungsstrukturen für Familien mit chronisch erkrankten und pflegebedürftigen Kindern müssen verbessert werden, um diese ohnehin belasteten Familien zu entlasten.
In Berlin werden rund ein Viertel der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen versorgt. Die Pflege in der eigenen Wohnung ist der Wunsch der meisten Menschen, denn so leben 76 % der Pflegebedürftigen auch zu Hause und werden von ambulanten Pflegediensten und/oder Angehörigen gepflegt.
Die öffentliche Debatte beschäftigt sich fast ausschließlich mit den Problemen der stationären Einrichtungen. Dabei hat bei vielen europäischen Nachbar*innen längst ein Wandel stattgefunden. Heime werden aufgegeben und es wird auf Versorgungsformen im Kiez gesetzt. Wir fordern auch in Berlin, dass dem sozialen Wandel Rechnung getragen wird, um die Angebote und Infrastruktur den Bedürfnissen der vielfältigen Pflegebedürftigen anzupassen, alternative Wohn- und Pflegeformen auszubauen und die Versorgung im Gemeinwesen unter Beteiligung aller im Sozialraum voranzutreiben.
Novellierung des Wohnteilhabegesetzes (WTG), um Qualität zu sichern und Bewohner*innen Mitbestimmungsrechte zu sichern
Wir fordern für Menschen mit demenziellen Erkrankungen die Förderung von Wohngemeinschaften und die Schaffung zusätzlichen Wohnraums. Denn für ein gutes und langes Leben im Kiez, sind Pflege-WGs für viele Menschen mit Pflegebedarf eine gute Möglichkeit selbstbestimmt zu leben und Pflege zu erhalten. Um Qualitätsstandards zu sichern und die Mitbestimmungsrechte von Bewohner*innen der Pflege-WGs zu stärken, fordern wir eine zeitnahe Novellierung des Wohnteilhabegesetzes (WTG).
Zentrale Aspekte für uns Grüne sind die sozialräumliche Anbindung im Quartier, Anforderungen an Qualitätskonzepte und -management, Beschwerdemanagement und Schutz vor Gewalt, Beratungsleistungen vor der Eröffnung einer Pflege-WG sowie die Stärkung von Bewohner*innen-Beiräten und die Berücksichtigung von Bewohner*innen-Befragungen bei der Gestaltung und Weiterentwicklung von Pflege-WGs. Darüber hinaus müssen die Anforderungen an Anzeige- und Dokumentationspflichten, die baulichen Vorgaben und Wohnraumausstattung sowie die personelle Ausstattung aktualisiert werden. Denn Berlin ist die Hauptstadt der Pflege-Wohngemeinschaften. Jedoch kann die Nachfrage für neue WGs nicht mehr gedeckt werden, weil es an ausreichendem Wohnraum fehlt. Daher sollen auch beim Wohnungsneubau landeseigene als auch private Wohnungsunternehmen – sei es durch Vorgaben in städtebaulichen Verträgen oder in der Kooperationsvereinbarung – dazu verpflichtet werden, geeigneten Wohnraum für Wohngemeinschaften zu schaffen.
Pflege braucht Raum
Der Mietenwahnsinn auf dem Berliner Wohnungs- und Büromarkt fegt pflegebedürftige Menschen aus unserer Stadt: Die Verdrängung von Pflegeeinrichtungen, um aus diesen rentable Büro- bzw. Gewerbegebäude zu machen, wird leider kein Einzelfall bleiben, sondern ist erst der Anfang. Gleiches gilt für Pflegebedürftige, die in nicht barrierefreien Wohnanlagen faktisch gefangen sind, da Vermieter*innen auf ihren Auszug spekulieren. Und für Senior*innen, die verzweifelt WG-geeignete und bezahlbare Wohnungen suchen. Dies alles sind Vorboten einer Entwicklung in Berlin, durch die sich die Frage stellt, welchen Platz Pflegebedürftige in dieser Stadt zukünftig haben werden.
Wir wollen, dass Berlin auch den Pflegebedürftigen gehört! Dafür wollen wir die Verdrängung von Pflegebedürftigen und Pflegeeinrichtungen verhindern, neue Wohnformen, wie z.B. interkulturelle und intergenerative Wohnmodelle und Genossenschaften fördern und damit eine wohnortnahe Infrastruktur für Pflegebedürftige gewährleisten. Pflege-WGs oder andere Wohnformen sind oft mietrechtlich nicht geschützt, weil es sich um Gewerbemietverträge handelt. Wir wollen daher schon lange den Kündigungsschutz für Gewerbe verbessern und einen Mietendeckel sowie den Milieuschutz auch für das Gewerbe einführen. Zudem brauchen wir die Etablierung innovativer Wohnformen für Pflege-, Wohn- und Betreuungskonzepte sowie einheitliche Qualitätsstandards für eine gute Pflege. Wir setzen uns für den Erhalt, die Sicherung und den Ausbau der Pflege Infrastruktur in der Stadt ein, der bspw. durch die Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht an die Freie Wohlfahrt und der Zweckbindung in der Nutzung erfolgen soll genauso wenn möglich die Festschreibung eines Anteils dafür in Bebauungsplänen. Um hier aber auch einen Überblick über den Bedarf und die gesamtstädtische Steuerung vornehmen zu können, soll ein STEP-Pflege erstellt und in neuen Quartieren in Berlin endlich Berücksichtigung finden.
Mehr Mitsprache- und Planungsrechte für die Bezirke, um Pflegeberatung, -planung und -vernetzung an den Bedarfen im Kiez auszurichten
Prävention von Pflegebedürftigkeit, ein langes und gutes Leben in den eigenen vier Wänden, Freizeitangebote für Senior*innen, aber auch die Sicherstellung der ambulanten pflegerischen Versorgung sind Themen, die im Kiez angegangen werden müssen. Daher wollen wir den Landespflegeplan von 2016 weiterentwickeln und darin mehr Planungsrechte für unsere Bezirke verankern, um Pflegeberatung, -planung und -vernetzung besser an den Bedarfen im Kiez auszurichten. Die Probleme, Bedürfnisse und Angebotsstrukturen sind unter den Bezirken ähnlich, aber ebenso verschieden. Was die Menschen vor Ort brauchen und welche Angebote ausgebaut oder neu geschaffen werden müssen, soll im Kiez entschieden werden. Dazu soll es im Vorfeld eine wissenschaftliche Analyse geben, wie die Bezirke soziodemografisch aufgestellt sind um die Angebote bedarfsgerecht und zielgerichteter zu etablieren. Dies würde auch den Ausbau und die Weiterentwicklung der ambulanten Pflegestrukturen sowie palliativen Versorgung stärken.
Wir wollen die Bezirksämter für diese Aufgaben mit dem Einsatz von Community Health Nurses (ehemalige Gemeindeschwestern) ausrüsten. Dazu soll im Rahmen einer Zielvereinbarung Pflege zwischen Senat und Bezirken modellhaft erprobt werden, inwiefern den Bezirken Budgets zugeteilt werden können, um eigenverantwortlich die Planung und Steuerung von Versorgungsstrukturen umzusetzen.
Mit Blick auf die seit Jahrzehnten verschleppten Lösungen ist klar, dass wir neue Wege gehen müssen, da es keine schnellen Lösungen geben wird. Dazu zählt insbesondere die Erprobung neuer Ansätze wie Pflegenossenschaften und Pflegekollektive. Hierzu ist die Förderung dieser Modelle durch das Land notwendig.
Pflegestützpunkte für gute Pflege im Kiez weiterentwickeln
Tritt einmal die Pflegebedürftigkeit ein, sind viele Betroffene vom „Pflegedschungel“ überfordert und fühlen sich allein gelassen. Pflegebedürftige und pflegende Angehörige brauchen Unterstützung, Beratung und Begleitung für die Orientierung und Antragsstellung etc. Hierfür wollen wir die Pflegestützpunkte zu lebendigen, kultursensiblen und kieznahen Zentren der Beratung und Begleitung für pflegende Angehörige und ehrenamtlich Tätige ausbauen und ausstatten.
In Berlin stellen die Pflegestützpunkte eine wichtige und bereits etablierte Versorgungsstruktur dar, die pflegenden Angehörigen und Pflegebedürftigen Informationen und Beratung rund um das Thema Pflege anbieten. Dennoch profitieren noch zu wenig Betroffene von diesem Angebot. Wir Grüne wollen die Pflegestützpunkte als zentrale Schnittstelle für alles rund um die Pflege weiterentwickeln und personell im Rahmen der Zielvereinbarung Pflege bedarfsgerecht ausstatten. Pflegeinformationen und Pflegeberatung müssen in leichter Sprache für alle Berliner*innen angeboten werden.
Dieses gilt auch für die LGBTIQ- sensible Beratung. Hierzu sollen in einem PSP modellhaft die notwendigen Materialien und Beratungsansätze erarbeitet und auf alle PSP übertragen werden. Broschüren auf Deutsch, aber auch auf Türkisch, Arabisch, Russisch, Vietnamesisch, Englisch oder Französisch, müssen die fachlichen Informationen einfach aufbereitet wiedergeben. Für Menschen mit Migrationsgeschichte braucht es Brückenbauer*innen in den Pflegestützpunkten, die den sprachlichen und kulturellen Bedürfnissen der Menschen entsprechen und das Pflegesystem in Deutschland erläutern können. Dazu wollen wir analog zu den Stadtteilmüttern aufbauend auf dem Modellprojekt Brückenbauer*innen ein landesweites Programm Brückenbauer*innen Plus+ mit eigenem Berufsbild in allen Kiezen Berlins angesiedelt in den Pflegestützpunkten etablieren. Beratung muss grundsätzlich beim Einzelfall ansetzen.
Wir setzen uns dafür ein, dass in den Pflegestützpunkten das Fallmanagement/Case-Management zum Alltagsgeschäft wird. Betroffene sollen durch das System gelotst werden und nicht länger alleine den Weg zwischen Ämtern, Behörden und Anträgen finden müssen. Auch verlässliche digitale Angebote der Pflegeberatung müssen geschaffen werden. Pflegerelevante Informationen und Beratungsangebote sollen auf einer Webseite und in Form einer App bereitgestellt werden. Pflegeberatung darf nicht länger in den Komm-Strukturen verweilen, die für viele Menschen große Hürden bedeuten. Die Pflegestützpunkte müssen auf Betroffene zugehen und Unterstützung anbieten. Dies spielt gerade auch bei pflegenden Angehörigen und Pflegebedürftigen mit Migrationsgeschichte eine wichtige Rolle, um ihnen den Zugang zu Informationen und Beratung zu erleichtern.
Ebenso müssen Informations- und Beratungsangebote für pflegende Kinder und Jugendliche ausgebaut werden und eine Sensibilisierung für die Probleme und Bedürfnisse von pflegenden Kindern und Jugendlichen vorangetrieben werden. Beratungsangebote und Schulen müssen hierzu Hand in Hand arbeiten und Schüler*innen wie Lehrkräfte über die Thematik aufklären.
Um Pflegeberatung ganzheitlich aufzustellen, wollen wir die Vernetzung unter den Hilfestrukturen und deren Zusammenarbeit fördern. Neben den Pflegestützpunkten und weiteren Informations- und Beratungsangeboten sollen die Bedürfnisse pflegender Angehörige in die Angebotsstruktur einfließen und Bezirks- sowie Bürgerämter, Arbeitsagenturen, Betreuungsgerichte etc. auf die Bedürfnisse pflegender Angehöriger und Pflegebedürftiger besser eingehen können.
Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle Pflege, um die Vermittlung von ambulanten Pflegediensten an Pflegebedürftige zu erleichtern
Pflege findet in den eigenen vier Wänden statt, denn Pflegebedürftige leben zu Hause und werden von 636 ambulanten Pflegediensten, abhängigen Beschäftigten und/oder Angehörigen gepflegt. Pflegende Angehörige übernehmen einen großen Teil der Pflegearbeit. Dennoch geraten pflegende Angehörige auch an ihre Grenzen: Sei es aus zeitlichen Gründen, aufgrund der hohen körperlichen und psychischen Belastung, der Unvereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf, oder schlichtweg, weil es einer professionellen Pflegeversorgung bedarf. Ambulante Pflege stellt die Versorgung in den eigenen vier Wänden sicher und kann dazu beitragen, Angehörige zu entlasten.
Der Fachkräftemangel in der Pflege trifft die ambulante Pflege umso mehr, da hier die Pflegekräfte in der Regel schlechter entlohnt werden und die ambulanten Pflegedienste keine Pflegekräfte mehr finden, die gewillt sind unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Wir brauchen Sofortmaßnahmen, da sonst eine gute Versorgung von Pflegebedürftigen nicht mehr gewährleistet ist. Für die Pflegebedürftigen geht mit der Nicht-Versorgung die Verschlechterung ihres Gesundheitszustands einher. Die Folgen daraus sind längere Liegedauern in Kliniken, die mit Kostensteigerungen einhergehen und zu einer zusätzlichen Belastung der Krankenhäuser führen.
Einen Pflegedienst zu finden, wird für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen aber zunehmend schwieriger. Gerade in den Außenbezirken treten die Versorgungsprobleme immer wieder auf, da bei den großen Entfernungen viele Anbieter den Weg scheuen. Wir setzen uns deshalb für ein zentrales Meldesystem in Form einer Koordinierungsstelle Pflege ein, das landesweit freie Kapazitäten der Pflegeanbieter und Bedarfe Suchender auf der anderen Seite zusammenführt und matcht. Auch verlässliche digitale Angebote der Pflegeberatung müssen geschaffen werden. Pflegerelevante Informationen und Beratungsangebote sollen auf einer Webseite und in Form einer App bereitgestellt werden. Pflegedienste sollen hier ihre Echtzeit-Kapazitäten freiwillig einpflegen können, so wie es vergleichsweise auch bei Krankenhäusern mittels IVENA möglich ist. Dies soll eine schnellere und koordinierte Vermittlung von Pflegediensten ermöglichen. Auch für die Arbeit des Krankenhaus-Entlassungsmanagements könnte diese Stelle für die Sicherstellung der Anschlussversorgung hilfreich sein. Dies muss ebenso für die Versorgung von schwerkranken Kindern und Jugendlichen gelten. Die Schnittstelle zwischen stationärer palliativer Versorgung, beispielsweise in einem Hospiz und gegebenfalls einer im Anschluss stattfindenden ambulanten palliativen Versorgung muss gewährleistet sein. Auch hier kann eine zentrale Koordinierungsstelle Pflege Abhilfe leisten.
Förderung von E-Mobilität in der ambulanten Pflege
Die ambulante Pflege lebt von ihrer Mobilität, über kleinere und weitere Strecken. Wir wollen den Einsatz von E-Autos und E-(Lasten-)Fahrrädern in der ambulanten Pflege fördern. Insbesondere E-Fahrräder ermöglichen eine schnelle Fortbewegung und ersparen die Parkplatzsuche. Das Programm „Wirtschaftsnahe Elektromobilität“ des Senats soll daher auch unter den Pflegediensten bekannter gemacht werden.
Pflegende Angehörige besser unterstützen
In Berlin betreuen und versorgen rund 200.000 Berliner*innen ihre pflegebedürftigen Angehörigen. Informell Pflegende sind auch in Berlin der größte „Pflegedienst“, der einen gesellschaftlich beachtlichen Beitrag zur Pflege leistet, die öffentlichen Kassen finanziell erheblich entlastet und damit vor allem aber auch den rasch wachsenden Fachkräftemangel abfedert.
Sie leisten eine großartige Arbeit und dürfen mit der Pflege von Angehörigen nicht alleine gelassen werden! Denn darunter leidet nicht nur die Qualität der Pflege, sondern auch die pflegenden Angehörigen selbst. Psychische und physische Probleme sind oft Folgen einer jahrelangen (im Schnitt zehn Jahre) Dauerbelastung. Arbeitslosigkeit und Altersarmut sind keine seltenen Folgen – insbesondere für Frauen, die die Pflegetätigkeit zu 76% übernehmen.
Pflege ist weiblich. Pflegende Angehörige sind mit 70 % Ehefrauen, Lebensgefährtinnen, Mütter, Töchter und Schwiegertöchter. Die Nicht-Vereinbarkeit von Pflege, Beruf und Familienarbeit führt zu Doppel- oder Mehrfachbelastung. Viele werden vom „Pflegefall“ in ihren Familien überrascht und müssen von heute auf morgen die Pflege von Angehörigen übernehmen. Zu Beginn versuchen Angehörige ihre Erwerbstätigkeit noch mit einer reduzierten Arbeitszeit aufrechtzuerhalten, da nicht abzusehen ist, von welcher Dauer die Pflege sein wird. Die Reduktion der Arbeitszeit zu Beginn und die komplette Aufgabe des Jobs in den nachfolgenden Jahren – und damit eine Pflegearbeit in Vollzeit – haben erhebliche Einkommensausfälle bzw. (Alters-) Armut zur Folge. Die Pflegedauer ist nicht planbar und geht oft auch mit gesundheitlichen Folgen einher, weil sie körperlich erheblich belastend ist und pflegende Angehörige für die Pflege in der Regel nicht qualifiziert wurden und somit zum Beispiel Techniken für die eigene Entlastung nicht kennen. Hinzukommen psychische Belastungen infolge der Überforderung (familiärer und gesellschaftlicher Druck) und Einsamkeit, da sie oftmals absorbiert durch die Rund-um-die-Uhr-Pflege kaum mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben und auch den eigenen Bedürfnissen nachgehen können. Wir fordern eine geschlechtergerechte Aufteilung der Pflege und Sorgearbeit!
Die Vereinbarkeit von Pflege, Beruf und Privatleben muss gestärkt werden. Wir wollen die hessische Initiative „Beruf und Pflege vereinbaren“ auf Berlin übertragen. (http://www.berufundpflege.hessen.de/)
Gerade am Anfang brauchen pflegende Angehörige niedrigschwellige, wohnortnahe, kultursensible und aufsuchende Beratungs- und Unterstützungsangebote im Sozialraum, die sie Schritt für Schritt durch den Prozess lotsen. Gerade mit Blick auf die vielfältige Stadt sehen wir die Beteiligung von Migrant*innenorganisationen als dringend erforderlich an. Vorhandene Netzwerke und Zugänge zu Selbsthilfegruppen, aber auch Entlastungsangebote etc. sind für viele Migrant*innen nicht einfach auffindbar. Das ist auch eine Frage der Teilhabegerechtigkeit und muss besser werden.
Zu pflegenden Angehörigen zählen auch Kinder und Jugendliche, die sich zu Hause der Pflege ihrer Eltern, Geschwister oder Großeltern widmen. Das macht circa sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen aus. Es ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel, da Pflege immer eine erhebliche Belastung bedeutet, der Kinder und Jugendliche nicht gewachsen sind.
Aus Scham oder Loyalität ihren Familien gegenüber sprechen viele nicht darüber. Das dürfen wir als Gesellschaft nicht hinnehmen! Wir setzen uns dafür ein, dass Lehrkräfte, Pflegedienste und Ärzte vor Ort in den Schulen gezielt durch externe Projekte sensibilisiert und weitergebildet werden für die „besonderen“ Lebensbedingungen dieser Kinder und Jugendlichen. Ein besonderes Augenmerk gilt hier auch jenen, die ihre psychisch erkrankten oder suchtkranken Eltern pflegen, ihre Geschwister versorgen und die Aufgaben der Erwachsenen schultern.
Es ist unsere Aufgabe diese Kinder und Jugendlichen zu unterstützen und zu stärken. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Berlin hier mit den Familiengesundheitspfleger*innen neue Wege geht. In ihrer Funktion als Pflegende sind sie nicht nur in der Lage die Unterstützungs- und Pflegebedarfe des pflegebedürftigen Menschen zu erkennen, sondern haben alle an der Versorgung des Betroffenen Beteiligten im Blick und können entsprechende Unterstützungsangebote gezielt platzieren.
Traumjob Pflege? – Ja, klar!
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist bereits Realität und wird auch in den kommenden Jahren eine Herausforderung bleiben. Die zentrale Frage ist, wie kann es uns in den nächsten Jahren gelingen, den Fachkräftemangel spürbar abzubauen, um die pflegerische Versorgung von Pflegebedürftigen in der eigenen Wohnung oder in stationären Einrichtungen zu gewährleisten und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu schaffen.
Denn der Bedarf an Pflegekräften für Berlin geht bis 2030 von einem Mehrbedarf an 21.400 Pflegekräften für den stationären und ambulanten Bereich und rund 2.000 zusätzlichen Pflegefachkräften für die Altenpflege aus.
Der Fokus muss hierfür darauf gelegt werden, die Pflegeausbildung wieder attraktiver zu machen, Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten systematisch zu fördern und die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass Pflegekräfte wieder gerne und motiviert in ihrem Beruf arbeiten.
Pflegekräfte nehmen rund um die Uhr die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen und Patient*innen wahr und bieten Unterstützung bei körperlichen Einschränkungen und seelischen Problemen. An professionell Pflegende werden zahlreiche Anforderungen in ihrem beruflichen Alltag gestellt, d.h. sie müssen behandeln, entscheiden, zuhören und beraten, aber oftmals auch den Alltag der zu Pflegenden koordinieren. Eine anspruchsvolle Arbeit, die pflegerisch-medizinisches Expert*innenwissen und sozial-kommunikative Kompetenzen erfordert. Pflege ist mehr als „satt und sauber“ oder eine Wunde mit einem Pflaster zu versorgen. Die Begleitung von Pflegebedürftigen bei ihrer Auseinandersetzung mit akuten oder chronischen Erkrankungen, als auch die Betreuung und Beratung von Angehörigen, sind unverzichtbare Aufgaben, die von Pflegekräften geleistet werden und zur Genesung oder Linderung beitragen. Die Pflege eines Menschen ist einer der am meisten sinnstiftenden Berufe. 94 % der Pflegekräfte empfinden, dass sie einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag durch ihre Tätigkeit leisten.
Jedoch hat sich die Arbeitssituation für Pflegekräfte in den letzten Jahren zugespitzt. Zunehmender Personalmangel führt zu einer stetig anwachsenden und hohen Arbeitsverdichtung und -belastung unter der Pflegekräfte und Pflegebedürftige gleichermaßen leiden. Eine am Menschen und ihren/seinen Bedürfnissen orientierte Pflege ist so nur noch in seltenen Fällen möglich. Gepaart mit schlechter Bezahlung, mangelnden Aufstiegschancen sowie begrenzten eigenverantwortlichen Handlungskompetenzen entscheiden sich immer weniger Menschen für den Pflegeberuf. Wir Grüne wollen, dass Pflegekräfte wieder so pflegen können, wie es den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen entspricht, ihre Arbeit gut bezahlt wird und Pflegekräfte mehr Mitspracherechte und Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, um ihre Arbeit attraktiver zu machen. Politik, Arbeitgeber*innen und Pflegekräfte müssen gemeinsam Lösungen entwickeln und zügig umsetzen, sodass der Pflegeberuf ein Traumjob bleibt und nicht als Albtraumjob endet.
Landesaktionsprogramm zur Stärkung der Ausbildung und Ausbilder*innen in der Pflege
Der Grundstein für gute und professionelle Pflege wird mit der Ausbildung gelegt. Die erfolgreiche und zügige Umsetzung des Pflegeberufereformgesetzes und die Einführung der Generalistik, als auch die Steigerung von Ausbildungskapazitäten, werden alleine nicht genügen, um die Pflegeausbildung attraktiver zu gestalten. Wir fordern ein Landesaktionsprogramm zur Stärkung von Auszubildenden und Ausbildenden in der Pflege. Die Umlagefinanzierung, wie im Pflegeberufereformgesetz vorgeschrieben, ist dazu ein wichtiger Schritt. Das Land Berlin muss sicherstellen, dass die realen Ausbildungskosten gedeckt sind. Die Finanzierung der Pflegeschulen muss den wachsenden Herausforderungen Rechnung tragen. Eine Anschubfinanzierung für die Umstrukturierung der Pflegeschulen sowie die reale Kostendeckung durch die mit dem Pflegeberufereformgesetz eingeführte Pauschalfinanzierung sind hier sicherzustellen.
Berlin braucht mehr Praxisanleiter*innen, um Auszubildenden Pflegekompetenzen zu vermitteln. Mit steigenden Ausbildungskapazitäten – dabei ist insbesondere auch die einjährige Pflegehelfer*innenausbildung zu berücksichtigen – muss auch die Anzahl der Praxisanleiter*innen in den Betrieben steigen. Der Senat soll gemeinsam mit den Ausbildungsbetrieben darauf hinwirken, dass parallel zu den steigenden Ausbildungskapazitäten auch die Anzahl von Praxisanleiter*innen in den Ausbildungsbetrieben sichergestellt ist, um eine qualitativ hochwertige Ausbildung sicherzustellen. Mit der Stärkung und Erweiterung der Verbundausbildung sollen in Berlin alle kleineren Betriebe endlich selbst ihren Nachwuchs ausbilden und sich gegenseitig in der praktischen Ausbildung ergänzen können.
Teilzeitausbildung für Quereinsteiger*innen und Qualifizierungsprogramme für ausländische Pflegekräfte im Anerkennungsverfahren
Um Quereinsteiger*innen, Pflegehelfer*innen oder Absolvent*innen eines Pflegebasiskurses, die sich weiterqualifizieren möchten, den Einstieg und das erfolgreiche Abschließen der Ausbildung zu erleichtern, soll die Erprobung einer Teilzeitausbildung zur Pflegefachkraft mit den städtischen Krankenhäusern erprobt werden. Auch wollen wir hier die privaten Krankenhäuser einbinden. Dieses Ausbildungsformat soll vor allem ein Angebot an diejenigen sein, die in einem Ausbildungsverhältnis starke finanzielle Einbußen machen würden und deshalb von einer Pflegeausbildung absehen.
Die Wartezeiten für die Anerkennung von Abschlüssen, insbesondere bei Pflegeberufen, sind viel zu lang. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSO) muss ein Konzept vorlegen, wie die Prozesse bei der Anerkennung pflegerischer Berufe beschleunigt werden können. Es darf nicht mehr vorkommen, dass zugewanderte Krankenpfleger*innen eine neue Ausbildung beginnen, weil die Wartezeiten für eine Anerkennung bzw. für eine entsprechende Anpassungsqualifizierung mehr als ein Jahr betragen.
Für Pflegekräfte mit ausländischen Abschlüssen oder Vorkenntnissen in der Pflege muss – insofern sie diese benötigen – ein leichter Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen geschaffen werden, aber auch attraktive Einstiegsmöglichkeiten in den Pflegeberuf geschaffen werden. Dazu soll der Senat gemeinsam mit dem LAGeSO als zuständige Anerkennungsbehörde, den Pflegeschulen, den Berliner Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und -diensten, den spezialisierten Beratungsstellen zum Einstieg in den Beruf für geflüchtete Menschen und dem IQ-Netzwerk, die bestehenden Strukturen weiterentwickeln und ausbauen sowie Kooperationen schließen. Ziel muss es sein, dass unter Wahrung der erforderlichen Qualitätsstandards, Menschen mit ausländischen Abschlüssen in Pflegeberufen schnellstmöglich im Berliner Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Die zielgerichtete Vermittlung in Sprachkurse, Ausbildung und Qualifizierungsmaßnahmen, Praktika sowie Ausbildungs- und Anstellungsverhältnisse muss dazu gewährleistet sein.
Gestuftes Landesprogramm Interkulturelle Pflege
Das Gesundheitssystem kann von Einwanderung besonders profitieren: Einerseits kann geflüchtetes und zugewandertes Fachpersonal dazu beitragen, den drohenden Pflegenotstand abzuwenden. Andererseits sind Gesundheitsversorgung und Pflege eng an die sprachlichen und kulturellen Bedürfnisse der Patient*innen und Pflegebedürftigen gebunden. Interkulturelle medizinische Teams können zu einer besseren gesundheitlichen Versorgung beitragen – gerade auch für all diejenigen Menschen, die vor langer Zeit zugewandert und hier alt geworden sind. Klar ist: die Qualitätsstandards wollen wir hochhalten, das gebietet schon allein die Patient*innensicherheit. Es braucht aber ein durchlässiges Ausbildungssystem, das mehr Zugänge in den Beruf bietet.
Für Pflegeberufe schlagen wir ein gestuftes Landesprogramm interkulturelle Pflege vor, das Geflüchtete, Migrant*innen, im Ausland angeworbene Fachkräfte und andere Interessierte in ihrer jeweiligen Lebenssituation abholt, ihre vorhandenen Kompetenzen berücksichtigt, ihnen die Begleitung und zusätzliche sprachliche und ggf. schulische Förderung bietet, die sie jeweils brauchen und ihnen ermöglicht, auf verschiedenen Stufen entweder in den Beruf einzusteigen oder eine weitere Fachausbildung anzuschließen bzw. Schulabschlüsse nachzuholen. Gute Erfahrungen mit solchen gestuften Angeboten macht bereits die Berufsfachschule „Paulo Freire“. Für ein solches durchlässiges Bildungssystem müssen mindestens die Stufen Pflegebasiskurs, Sozialassistenz, Pflegehelfer*innen- und Pflegeausbildung angeboten werden. Eine individuelle Begleitung während der Ausbildung und beim Berufseinstieg hilft Ausbildungsabbrüche zu verhindern und sichert den Ausbildungserfolg. Entsprechende Vereinbarungen mit der Ausländerbehörde, der BA und dem BAMF sollen künftig gewährleisten, dass Ausbildungsverträge bzw. Ausbildungsvorbereitung dort zuverlässig den Aufenthalt sichern.
Pflege goes Europe: Erasmus-Austauschprogramme für Auszubildende erleichtern
Was an der Universität oder Fachhochschule möglich ist, muss auch in der Ausbildung möglich gemacht werden: Lern- und Lehrerfahrungen im Ausland müssen auch in der Pflegeausbildung gefördert werden. Der Berliner Senat, die Pflegeschulen und Ausbildungsträger sowie Auszubildendenvertretung sollen gemeinsam Konzepte und Strukturen schaffen, die Pflege-Schüler*innen in der Teilnahme an Erasmus-Austauschprogrammen bestärken und sie in der Organisation des Auslandsaufenthaltes unterstützen. Dies würde auch die interkulturelle Öffnung in der Pflege zusätzlich fördern. Pflegekräfte aus dem Ausland könnten ebenfalls Einblicke in das deutsche Pflegesystem erhalten.
Landesförderprogramm zur Stärkung der Pflegewissenschaft und Akademisierung von Pflegekräften
Die Akademisierung der Pflege ist für die Attraktivität des Berufes zentral. Notwendig ist ein Landesprogramm zur Stärkung der Pflegewissenschaft und Akademisierung von Pflegekräften in Berlin. An den staatlichen Universitäten und Hochschulen müssen die Studienkapazitäten ausgebaut werden, insbesondere für Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft. Ein Masterstudiengang Pflegewissenschaften muss in Berlin als Wissenschaftsstandort eingerichtet werden. Pflegekräfte, die sich akademisch weiterbilden möchten, brauchen mehr Unterstützung. Finanzielle Hürden dürfen die Akademisierung der Pflege nicht länger erschweren. Deshalb fordern wir Grüne ein Pflege-Stipendienprogramm des Landes Berlin, das Pflegekräften unabhängig vom Alter im Studium und bei der Weiterqualifizierung zur Pflegefachkraft in Vollzeit finanzielle Unterstützung bietet, um Studiengebühren oder Lebenshaltungskosten besser abdecken zu können und damit auch den Erfolg zu sichern.
Leuchtturmstationen mit akademisierten Pflegekräften und Fachpflegekräften in landeseigenen Krankenhäusern aufbauen
Für Pflegekräfte soll der akademische Abschluss nicht länger nur der Ausstieg aus der Patient*innenpflege sein. Wir wollen die Anzahl der Pflegekräfte mit akademischen Abschluss in der Patient*innenversorgung steigern. In den landeseigenen Krankenhäusern sollen dazu Leuchtturmstationen eingeführt werden, die eine hohe Anzahl an Pflegekräften mit akademischen Abschlüssen als auch Pflegekräfte mit Fachweiterbildung aufweisen. Pflegekräfte mit akademischem Abschluss sollen während ihrer Arbeitszeit auch für wissenschaftliche Arbeit, Teilnahme und Mitarbeit an Studien sowie des Wissenstransfers an Kolleg*innen freigestellt werden. Ziel soll es sein, neue Tätigkeitsfelder und Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Hierzu gehört auch die Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten auf Pflegekräfte im Sinne der Richtlinie nach § 63 Absatz 3c SGB V – Gemeinsamer Bundesausschuss.
Gemeinsam mit landeseigenen Krankenhäusern Strategien für attraktive Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte entwickeln
Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen sich jedoch grundlegend neu ausrichten, um das Interesse an dem Beruf zu stärken, aber auch damit Pflegekräfte gute Pflege leisten können und lange ausüben möchten. Die Personaluntergrenzen in pflegeintensiven Bereichen können nur ein erster Schritt sein. Die Einführung verbindlicher Personalbemessungsinstrumente in der Krankenhauspflege, der stationären Pflege und der ambulanten Langzeitpflege muss auf Bundesebene endlich erfolgen. Zusätzlich braucht es eine Strategie für gute Pflegearbeit – stationär und ambulant. Hier stehen vor allem die Arbeitgeber in der Pflicht, attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Der Senat soll gemeinsam mit den Arbeitgebern ein Berliner Pflegepersonalkonzept erarbeiten, mit dem Ziel feste Anstellungsverhältnisse auf Stationen und in Teams wieder attraktiver zu machen und Leasingarbeit in der Pflege damit einzudämmen. Wir unterstützen eine höhere tarifliche Bezahlung von Pflegekräften sowie einen Flächentarifvertrag für die ambulante Pflege. Hohe Mitbestimmungs- und Gestaltungsrechte bei der Pflegedienstplanung sowie moderne und flexiblere Arbeitszeitmodelle, als auch die Sicherstellung der Kinderbetreuung im Schichtdienst, können die beruflichen und privaten Interessen berücksichtigen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Der Aufbau von Personalpools in und zwischen Krankenhäusern kann eine bessere Balance zwischen Arbeitnehmer*innen- und Arbeitgeberinteressen ermöglichen. Betriebliche Förderprogramme sollen Pflegekräfte in ihrer Karriereplanung und beruflichen Weiterentwicklung stärken.
Berliner Pflegekammer etablieren
Wir setzen uns deshalb für eine Politik ein, die Lösungsansätze für die gesamte Pflege (ambulant, stationär und Krankenhäuser) erarbeitet und verlässlich für alle Beteiligten ist. Der Gesundheitsbereich nimmt eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung Berlins ein, wobei die größte Gruppe der Beschäftigten im Pflegesektor tätig ist. Durch die Selbstverwaltung der Pflege kann sich der Beruf aktuellen Entwicklungen und Innovationen im Gesundheitsbereich am Forschungsstandort Berlin anpassen. Deshalb unterstützen wir die Etablierung einer Berliner Pflegekammer. Sie würde die professionelle und sachgerechte Pflege und deren Weiterentwicklung fördern und zur Professionalisierung des Berufsstandes beitragen. Die Pflegeberufe würden im öffentlichen und politischen Raum stärker wahrgenommen werden und können ihre Expertise in gesetzgeberische Prozesse sowie die Gestaltung und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens in Berlin stärker als heute einbringen.
Berlin als weltoffene, wachsende und anziehende Stadt kann mit der Pflegekammer den Grundstein dafür legen, dass die pflegerische Versorgung in Zukunft gesichert ist und der Standort für beruflich Pflegende attraktiv bleibt. Durch die Definition von Ausbildungs- und Qualitätsstandards sowie durch eindeutige Regelungen zur Anerkennung von anderen Abschlüssen wird die Ausnutzung ausländischer Pflegekräfte verhindert und deren Integration ins Berufsleben unterstützt.
Durch die Kooperation aller Landespflegekammern (wie es bereits zwischen den Bundesländern Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein erfolgt), werden föderale Barrieren der beruflichen Freizügigkeit abgebaut. Wir unterstützen die Selbstverwaltung der Pflegekräfte. Damit sollen auch Mitspracherechte für Pflege- und Gesundheitsberufe in den Gremien der Selbstverwaltung verbessert werden. Ebenso unterstützen wir einen allgemeingültigen Tarifvertrag für gute Arbeit in der Pflege.
Foto: john-towner/Unsplash_CC0 Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz: Den Berliner Hitzschlag vermeiden
„36 Grad und es wird noch heißer…“ gilt es von nun an wohl in jedem Berliner Sommer. Angesichts brauner Baumkronen schon im August, vertrockneter Balkone und glühendem Asphalt vergeht einem da schnell die Sommerlaune. Städte sind Hitzeinseln, die bis zu 8 Grad heißer sind als das Umland. Besonders hart trifft es Menschen, die sich – nicht nur in Coronazeiten – keine Sommerurlaube leisten können, die keine Datscha am Stadtrand und keine Freunde mit Pool haben. Dass sich der Anstieg der globalen Temperatur negativ auf die Gesundheit auswirkt, ist mittlerweile eindeutig belegt. Hitze kann nicht nur Hitzestress und Erschöpfung auslösen oder zum Hitzschlag führen, sondern auch Vorerkrankungen verschlimmern. Vor allem kleine Kinder, ältere Menschen und Pflegebedürftige sowie alle, die im Freien arbeiten, müssen besonders geschützt werden. Im Hitzejahr 2018 sind allein in Berlin laut Robert Koch-Institut fast 500 Menschen mehr hitzebedingt verstorben als in durchschnittlichen Vergleichsjahren. Besonders betroffen sind ältere Menschen; die Mortalitätsrate stieg dort bis zu 50 Prozent an. Die Klimakrise und zunehmende Versiegelung verschärfen dieses Problem. Deshalb haben wir Grüne die Anpassung an den Klimawandel zu einer Priorität gemacht.
Inhalt:
Positionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 25.08.2020
Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz:
Den Berliner Hitzschlag vermeiden„36 Grad und es wird noch heißer…“ gilt es von nun an wohl in jedem Berliner Sommer. Angesichts brauner Baumkronen schon im August, vertrockneter Balkone und glühendem Asphalt vergeht einem da schnell die Sommerlaune. Städte sind Hitzeinseln, die bis zu 8 Grad heißer sind als das Umland. Besonders hart trifft es Menschen, die sich – nicht nur in Coronazeiten – keine Sommerurlaube leisten können, die keine Datscha am Stadtrand und keine Freunde mit Pool haben. Dass sich der Anstieg der globalen Temperatur negativ auf die Gesundheit auswirkt, ist mittlerweile eindeutig belegt. Hitze kann nicht nur Hitzestress und Erschöpfung auslösen oder zum Hitzschlag führen, sondern auch Vorerkrankungen verschlimmern. Vor allem kleine Kinder, ältere Menschen und Pflegebedürftige sowie alle, die im Freien arbeiten, müssen besonders geschützt werden.
Im Hitzejahr 2018 sind allein in Berlin laut Robert Koch-Institut fast 500 Menschen mehr hitzebedingt verstorben als in durchschnittlichen Vergleichsjahren. Besonders betroffen sind ältere Menschen; die Mortalitätsrate stieg dort bis zu 50 Prozent an.
Die Klimakrise und zunehmende Versiegelung verschärfen dieses Problem. Deshalb haben wir Grüne die Anpassung an den Klimawandel zu einer Priorität gemacht. Im Berliner Klima- und Energieprogramm BEK 2030 haben wir ein komplettes Kapitel dazu eingefügt und beschlossen. Es sieht Maßnahmen wie den Ausbau von Frühwarnsystemen, die Thematisierung der Klimaanpassung in der Kranken- und Altenpflege und Anpassungsmaßnahmen im Bereich des ÖPNV vor. Mit der Gründung einer Regenwasseragentur und dem 1.000 Grüne Dächer-Programm haben wir den Weg in Richtung Schwammstadt eingeschlagen, welche Starkregenereignisse besser wegsteckt und dabei das Wasser besser speichert für Zeiten wie diese.
Die zunehmende Bautätigkeit und Hitze steigern den Druck auf unsere über 430.000 Straßenbäume. Deren Pflege und Wässerung liegt bei den Bezirken, weshalb wir im vergangenen Haushalt die Finanzmittel, welche ein Bezirk pro Baum und Jahr zugewiesen bekommt, fast verdoppelt haben. Dennoch kommt der Großteil des Wassers für unser Stadtgrün nicht aus dem Wasserhahn, sondern je nach Standort vom Grundwasser und von oben. Und da der Regen immer unregelmäßiger – und manchmal lange einfach gar nicht – kommt, brauchen wir neue Lösungen für die anstehende Zukunft mit all ihren von uns verursachten Klimakatastrophen und Extremwetterereignissen.
Diesen Sommer muss bei der Prävention hitzebedingter Gesundheitsschäden gleichzeitig dem Infektionsrisiko durch SARS-CoV-2 Rechnung getragen werden. Zum einen, weil sich die Risikogruppen für hitzebedingte Gesundheitsauswirkungen und für schwere Verläufe von COVID-19 überschneiden und damit deren Schutz besonders gefordert ist. Zum anderen, weil die Schutzmaßnahmen unter den Regeln des Infektionsschutzes ausgeführt werden müssen, und das Gesundheitssystem maßgeblich mit COVID-19-Maßnahmen beschäftigt ist. Eine doppelte Welle von COVID-19 und von Hitze-Patient*innen könnte Personal und Einrichtungen des Gesundheitswesens zusätzlich belasten. Vor allem aber wollen wir durch viele ineinandergreifende Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass negative gesundheitliche Auswirkungen möglichst gar nicht entstehen oder zumindest abgemildert werden.
Um Menschen, Tiere und unser Stadtgrün besser vor der Hitze zu schützen, ist Vorsorge nötig: Hitzewarnungen durch den Wetterdienst, Informationen für die Bevölkerung, wie auch Ärzte und Pflegeeinrichtungen, sowie städteplanerische und bauliche Maßnahmen. Dabei müssen Risikogruppen besonders geschützt werden. Wir schlagen deshalb folgende Punkte vor:
Beschleunigter Wandel Berlins unter dem Leitbild der Schwammstadt: Wir wollen dafür sorgen, das Berlin eine Schwammstadt wird: Bei allen neuen Bauvorhaben soll möglichst viel bzw. das gesamte Regenwasser vor Ort im Boden versickern können (dezentrales Regenwassermanagement). Das speichert Wasser für trockene Zeiten. Neue Vorgaben für Dach- und Fassadenbegrünung sowie eine höhere Förderung sollen für mehr Grün an den Gebäuden und damit für eine angenehme Kühlung durch Verdunstung sorgen.
Mit über 100 neuen Trinkwasserbrunnen im Rahmen des von uns angestoßenen Leitbildes „Blue Community“ lassen wir schon ordentlich Wasser fließen. Mit dem neuen Haushalt beginnen wir auch, an allen Schulen und in Verwaltungsgebäuden Wasserspender zu installieren. Das erfrischt und spart nebenbei Plastikmüll ein. Künftig wollen wir Wasserspender auch in Senior*innen, Pflegeeinrichtungen und Kitas fördern, denn auch dort muss Wasser einfach und für alle verfügbar sein. In einem nächsten Schritt wollen wir öffentlich zugängliche Brunnen an allen zentralen Haltestellen und stark frequentierten Orten (Spielplätze, Einkaufsorte, Sportplätze, Parks, Krankenhäuser) aufstellen. Fokussiert werden Plätze, die von Risikogruppen stark aufgesucht werden. Auch hier denken wir besonders an Kinder, ältere Menschen sowie an Menschen, die auf der Straße leben. Jeder Mensch muss einfach und schnell Zugang zu Trinkwasser haben – unabhängig vom Geldbeutel. Gerade Menschen, die auf der Straße leben, wollen wir durch „cooling points“ die Möglichkeit geben, an öffentlichen Orten wie zum Beispiel Bibliotheken, Schutz vor der Hitze zu finden.
Mit Kampagnen zur Aufforderung, ausreichend zu trinken, wollen wir in Hitzewellen die Berliner*innen ansprechen. Menschen, die Verantwortung für Risikogruppen tragen (Angehörige und Personal in Kitas, Schulen, Krankenhäusern, in der Pflege, in Senior*inneneinrichtungen etc.), werden gezielt über die Hitzerisiken wie über Konzepte und Strategien zur Regulation von Wasserhaushalt und Temperatur informiert.
Auf Landesebene schreiben wir Dach- und Fassadenbegrünung in den Bebauungsplänen vor. Die Häuser und die Stadtquartiere, die wir heute bauen, müssen klimafest für die nächsten 100 Jahre sein. Mit Dach- und Fassadenbegrünung werden sowohl die Straßen als auch die Innenräume der Gebäude kühler gehalten. Wir müssen Hitze in Innenräumen auch ohne energieschluckende Klimaanlagen vermeiden.
Bessere Versickerung, lebendiges Stadtgrün und kühlere Straßen gibt es nur, wenn wir endlich mehr Flächen entsiegeln. Wir schlagen ein landesweites Parkplatz-Entsiegelungsprogramm vor. Wir wollen Berlins Verkehrsinfrastruktur in den nächsten Jahren durch das Entsiegeln und die Umwidmung neu gestalten und überall in der Stadt grüne Oasen mit Wasserbecken, Pocket Parks, Trink- und Spielbrunnen für Mensch und Flora und Fauna entstehen lassen. Auto-Parkplätze sollen in stark verdichteten Stadtteilen entsiegelt und ÖPNV sowie die Fahrradinfrastruktur verstärkt werden. Genau wie an Kreuzungen und für Fahrradbügel sollen die Bezirke auch Parkplätze für neue Bäume umwandeln können. So können auch Straßen mit engen Gehwegen endlich ausreichende Bäume bekommen, ohne dass es für Fußgänger*innen zu eng wird. Neue Stadtplätze, Parkplätze und Straßen, die nicht zum Hauptverkehrsnetz gehören, sollen mit versickerungsfähigem Belag versehen werden. Ein Fokus wird auf häufige Aufenthaltsorte besonders gefährdeter Menschen gelegt. So sollten Flächen insbesondere im Umkreis größerer Senior*innen- und Pflegeeinrichtungen sowie Stadtteilzentren berücksichtigt werden und die Einrichtungen an den städtischen Programmen zur Begrünung und Umgestaltung von Außenflächen beteiligt werden.
Als Pilotprojekte und zur Veranschaulichung wollen wir nach dem Vorbild Wiens in Berlin mehrere „Kühle Meilen“ etablieren. In diesen wird mit mehr Bäumen, Rank- und Kletterpflanzen, mit Trinkwasserbrunnen, Wasserspielen, Erfrischungsmöglichkeiten für Jung und Alt sowie entsiegelten Stellen und ausreichend Sitzgelegenheiten einem Kiez eine Oase geschenkt. Sie sollen verkehrsberuhigt sein und eine hohe Aufenthaltsqualität haben. Wichtig ist, dass ein Aufenthalt nicht an einen Konsum gebunden ist und allen Menschen gleichsam zugutekommt. Mit diesen klimaangepassten Straßen, wie sie der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gerade einführt, wollen wir die Lebensqualität der Menschen steigern und vor Ort die Stadt vor dem Hitzeschlag retten. In den neuen Stadtquartieren und bei der Innenentwicklung sollen die „Kühlen Meilen“ gleich mit eingeplant werden.
Kurzfristig wollen wir mit neuen temporären hitzegeschützten Orten durch mobile Beschattungen und Stadtmöbel in Berlin eine neue Aufenthaltsqualität auch mitten in der Hitzewelle erreichen. Perspektivisch wollen wir mehr zentrale nicht-kommerzielle kühle öffentliche Orte wie Stadtteilzentren, Stadtteilgärten schaffen und bisherigen Verweilorten oder Spielplätzen mehr Schatten spenden.
Auf Bundesebene muss in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) ein qualitativ begründetes System von Richt- u. Kennwerten der Grünversorgung etabliert werden. Statt Autostellplätze zu genehmigen, welche viele Menschen ohnehin nicht mehr brauchen, wollen wir Bäume vorschreiben. Davon haben alle Lebewesen und der Planet etwas.
Für alle Kieze braucht es Hitzeaktionspläne, welche Hitzeinseln sichtbar machen und Maßnahmen und Zeitpläne vorschreiben.
Die Berliner Umweltgerechtigkeitskarte zeigt auf, wo Menschen von Hitze betroffen sind, die auch unter anderen Umwelteinflüssen wie Lärm stark betroffen sind und zudem ein geringeres Einkommen haben. Ebenso gibt der Sozialstrukturatlas gute Hinweise, wo ein erhöhter Handlungsbedarf besteht. Wir wollen die Mittel des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“ verstärkt auch für Begrünungen und Entsiegelungen einsetzen, sowie ein neues Bund-Länder-Programm „Grüne Infrastrukturen“ in der Städtebauförderung.
Ehrenamtliches Wassergießen muss besser unterstützt werden: Auch wenn die Stadtbäume als öffentliche Infrastruktur primär in der Verantwortung des Staates liegen, braucht es leider doch jede helfende Hand. Die Bezirke bzw. die zuständigen Senatsverwaltungen und der Bund sollten engagierten Bürger*innen die Straßenpumpen, Wasserhydranten o.Ä. zur Verfügung stellen und wir wollen prüfen, ob unwillige Vermieter*innen nicht gezwungen werden können, bei hohen Temperaturen die Außenwasserhähne freizugeben. Viele machen das schon, doch noch immer müssen Baumschützer*innen Wasser aus ihren Wohnungen runter zu den Bäumen tragen, weil Hähne abgeschraubt wurden.
Arbeiten nur mit kühlem Kopf. Ein Recht auf Home-Office für alle Beschäftigten, sofern dem keine betrieblichen Gründe entgegenstehen, kann bei Hitzewellen zum Gesundheitsschutz beitragen. Arbeitnehmer*innen, die im Freien arbeiten und der Hitze besonders ausgesetzt sind (z.B. auf dem Bau, in der Landwirtschaft oder Gebäudereinigung) müssen bei gesundheitsgefährdender Hitze ein Recht auf Hitzefrei, also reduzierte Arbeitszeit, erhalten. In Betriebsvereinbarungen können und sollten passgenaue Lösungen zum Thema „Hitzefrei“ getroffen werden. Die Landesverwaltung muss hier als Vorbild vorangehen. Wir brauchen kühle Arbeitsräume in verschiedenen Branchen, z.B. im Krankenhaus sowohl für das Personal, das gerade jetzt unter Pandemiebedingungen noch häufiger mit kompletter Schutzausrüstung arbeiten muss, als auch für Patient*innen.
Auch Berlins tierische Bewohner sollen gut durch die Hitze kommen. Deshalb werden wir bei der Neu- bzw. Umgestaltung von Parks und darüber hinaus in den Kiezen darauf achten, dass für Tiere ausreichend Wasserquellen zur Verfügung stehen. Dies können Trink- oder Spielbrunnen sowie klassische Wassertränken sein. Über Hitzefrei freuen sich auch Berlins Kutschpferde. Daher drängen wir auf die Einhaltung der vorgegebenen Leitlinie.
Wir wollen die Untersagung von Schottergärten endlich durchsetzen. Sie sind nicht nur ein ökologischer Sündenfall, weil dort nichts brummt oder wächst. Das Regenwasser kann oft nicht richtig versickern, die Luft darüber ist trockener und die Steine heizen sich bei Hitze stark auf. Die Wärme wird bis in die Abend- und Nachtstunden gespeichert und nach und nach abgegeben. Diesen Saunaeffekt braucht keine Stadt.Foto: ColourPhotography/Pixabay_CC0 Ein Landesamt Unterbringung: Zusammenbringen, was zusammen gehört
Ein besserer, zukunftsweisender Umgang mit Wohnungslosigkeit ist eines der großen ressortübergreifenden Projekte des rot-rot-grünen Senats. Das Ziel ist eine angemessene, bedarfsspezifische Unterbringung aller Menschen ohne Wohnung – egal ob sie geflüchtet sind oder nicht, ob sie also nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz ASOG oder nach dem Asylgesetz untergebracht werden müssen. Zugleich hat die Koalition sich zum Ziel gesetzt, die ordnungsrechtliche Unterbringung so kurz wie möglich zu halten und Menschen so rasch wie möglich in Wohnraum zu bringen.
Inhalt:
Positionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 25.08.2020
Ein Landesamt Unterbringung: Zusammenbringen, was zusammen gehört
Ein besserer, zukunftsweisender Umgang mit Wohnungslosigkeit ist eines der großen ressortübergreifenden Projekte des rot-rot-grünen Senats. Das Ziel ist eine angemessene, bedarfsspezifische Unterbringung aller Menschen ohne Wohnung – egal ob sie geflüchtet sind oder nicht, ob sie also nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz ASOG oder nach dem Asylgesetz untergebracht werden müssen. Zugleich hat die Koalition sich zum Ziel gesetzt, die ordnungsrechtliche Unterbringung so kurz wie möglich zu halten und Menschen so rasch wie möglich in Wohnraum zu bringen.
Ein zentrales Instrument, um dies zu erreichen, ist eine gesamtstädtische Steuerung der Unterbringung (GStU). Die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen Land und Bezirken, zwischen der Unterbringung von geflüchteten Menschen und der Unterbringung von allen anderen Wohnungs- und Obdachlosen soll überwunden werden. Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf und die Perspektive auf ein eigenständiges Leben, egal auf welcher Rechtsgrundlage ihre Unterbringung stattfindet.
Covid-19 hat Probleme der aktuellen Unterbringung von wohnungslosen Menschen in Gemeinschaftsunterkünften offengelegt und den Handlungsbedarf dringlicher gemacht. Die Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln erfordert Qualitätsstandards – in vertraglich nicht gebundenen ASOG-Unterkünften für Obdachlose ist das kaum durchzusetzen. Aber auch in den vertragsgebundenen Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete ist es unter beengten Bedingungen vielerorts kaum möglich, Abstandsregeln einzuhalten. Zuhausebleiben ist schwer, wenn man kein eigenes Zuhause hat.
Bündnis 90/Die Grünen sehen Änderungsbedarf in verschiedenen Bereichen. Zentral ist für uns jedoch die Weiterentwicklung der Behörde, die in den vergangenen Jahren die Expertise für Unterbringung, Leistungserbringung, soziale Betreuung und Integration aus einer Hand aufgebaut hat: das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). Die GstU gehört ins LAF, denn das LAF hat einen ganzheitlichen Ansatz in der Unterbringung entwickelt, der die Menschen und ihre spezifischen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Wir wollen aus dem LAF deshalb eine Landesbehörde Unterbringung machen – für alle wohnungs- und obdachlosen Menschen.
1) Unterbringung ist gesamtstädtische Aufgabe: Kompetenzen in Landesamt für Unterbringung bündeln
Bisher sind die Bezirke, konkret die bezirklichen Wohnhilfen in den Sozialämtern, für die Unterbringung von obdachlosen Menschen zuständig – und der Senat, konkret das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), für die Unterbringung von Asylbewerber*innen. Faktisch ist diese Trennung aber längst aufgehoben: Nahezu die Hälfte der Bewohner*innen der LAF-Unterkünfte haben ihr Asylverfahren bereits hinter sich. Für sie sind die Bezirke zuständig – aber weil die angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt überfordert sind, können beziehungsweise müssen ehemalige Asylbewerber*innen in LAF-Unterkünften bleiben, bis sie eine Wohnung finden. Auf der anderen Seite werden zahlreiche ehemalige Geflüchtete in ASOG-Unterkünften untergebracht und bewegen sich damit in der regulären Wohnungsnotfallhilfe.
Menschen sind sehr unterschiedlich und haben daher auch sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Es gibt sowohl in ASOG-Unterkünften als auch in den Gemeinschaftsunterkünften des LAF alleinstehende oder alleinerziehende Frauen, es gibt mittlerweile leider auch in Obdachlosenunterkünften immer mehr Familien mit Kindern, es gibt Menschen, die arbeiten und dennoch keine Wohnung haben, es gibt Junge und Alte, es gibt Menschen, die sich auf Deutsch verständigen können und viele, die es noch nicht können. Es gibt LSBT*Q und Menschen mit Pflegebedarf oder mit Traumatisierungen. Es gibt Menschen, die sich nicht von ihrem Hund trennen wollen und es gibt drogenabhängige Menschen, die besondere Hilfe benötigen. Um sie alle nach ihren spezifischen Bedürfnissen unterzubringen, braucht es eine gesamtstädtische Steuerung und gleichzeitig eine Vielfalt von Unterkünften, die diesen unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung trägt.
Als 2015 viele zehntausend Geflüchtete nach Berlin kamen, war das damalige Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) mit der Unterbringung überfordert. Um die Flüchtlingsunterbringung besser zu planen und zu koordinieren, wurde das LAF gegründet. Ihre Handlungsfähigkeit hat die junge Behörde während der Corona Pandemie bewiesen: Die Entzerrung der Wohnsituation, die Einrichtung einer Quarantäne-Unterbringung und verschiedene andere Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Infektionszahlen unter geflüchteten Menschen in den Landesunterkünften im Vergleich geringer waren als bei der Berliner Gesamtbevölkerung. Von dieser Expertise und dem ganzheitlichen Ansatz sollen in Zukunft alle wohnungslosen Menschen in Berlin profitieren.
Wir wollen deshalb das LAF zu einem Landesamt für Unterbringung weiterentwickeln und die Unterbringung von wohnungslosen Menschen mit und ohne Fluchthintergrund und die gesamtstädtische Steuerung der Errichtung, Akquise und Belegung von Unterkünften je nach spezifischen Bedarfen inklusive Kapazitätsplanung (GStU) dort bündeln. Entsprechende Referate und Abteilungen für die Bedarfe wohnungsloser Menschen, die jetzt noch im LaGeSo angesiedelt sind, können perspektivisch integriert werden. Weitere operative Aufgaben wie beispielsweise die Planung der Kältehilfe sowie die Akquise von Wohnungen (Generalmietermodell) wollen wir ebenfalls in einem solchen Landesamt Unterbringung ansiedeln.
Die Kontrolle und Fachaufsicht wird auch weiterhin bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales liegen. Die bezirklichen Wohnhilfen können künftig mit Hilfe eines IT-gestützten Systems, das derzeit entwickelt und erprobt wird, wohnungslose Menschen in den Unterkünften des Landesamtes unterbringen. Die Bezirke bleiben für die Leistungserbringung für wohnungslose Menschen nach Sozialgesetzbuch zuständig. Das Landesamt für Unterbringung bietet den zuständigen Leistungsbehörden – den Sozialen Wohnhilfen der Bezirke sowie der Leistungsabteilung für Asylbewerber*innen im LAF – einen gebündelten Service und bindet die Leistungsbereiche bei der Entwicklung seiner Angebote ein. Mit der GStU entsteht die größte Unterbringungsplattform der Bundesrepublik.
Für eine solche Bündelung der Zuständigkeit für die Unterbringung braucht es eine Novellierung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes AZG. Nummer 19 der Anlage Absatz (1) des ASOG Berlin führt explizit auf, dass die Versorgung von Wohnungs- und Obdachlosen in den Verantwortungsbereich der Bezirksämter fällt. Um die Verantwortung für die Bereitstellung von Gemeinschafts- und Notunterkünften sowie Kältehilfe von der Bezirks- auf die Senatsebene zu heben, braucht es demnach auch eine Änderung des ASOG. Das wollen wir noch in dieser Legislatur umsetzen.
2) Ein Rahmenvertrag für alle Betreiber: Für Qualität, Verlässlichkeit, Flexibilität
Betreiber von Flüchtlingsunterkünften des Landes sind alle vertragsgebunden. In den Verträgen können Qualitätsstandards sowie auch Personalschlüssel festgeschrieben werden. Die Vergabe erfolgt durch europaweite Ausschreibungen. Viele bezirkliche ASOG-Unterkünfte dagegen sind vertragsfrei; Qualitätssicherung findet lediglich durch Kontrollen der bezirkliche Heimbegeher*innen statt, verbindliche Qualitätsstandards oder individuelle Betreuung gibt es nicht. Eine positive Ausnahme sind die vier ASOG-Unterkünfte der GEBEWO, die mit zielgruppenspezialisierten sozialpädagogischen Fachkräften und einem Betreuungsschlüssel ausgestattet sind.
Künftig sollen alle Unterkünfte vertragsgebunden und damit auch qualitätsgesichert sein. Allerdings gibt es bislang keinen Rahmenvertrag, der Standards festlegt, aber auch den Betreibern die nötige Verlässlichkeit gibt, um längerfristig planen und Personal einstellen zu können. Eine solche Rahmenvereinbarung wollen wir auf den Weg bringen. Die Standards müssen dabei differenziert genug sein, um den verschiedenen Bedarfen und Zielgruppen gerecht zu werden. Über einen Rahmenvertrag, der verschiedene Module zum Betrieb einer bedarfsgerechten Unterkunftslandschaft vorhält, kann flexibler gesteuert werden, wenn die Rahmenbedingungen sich ändern, wenn beispielsweise der Zuzug von geflüchteten Menschen weiter abnehmen oder auch steigen sollte. Gleichzeitig wollen wir mit der Rahmenvereinbarung auch kleineren und lokal verorteten Betreibern die Möglichkeit geben, ihre Unterbringungsexpertise langfristig den Menschen und dem Land Berlin zur Verfügung zu stellen.
Für die angemessene Unterbringung von Menschen mit Behinderungen bleibt die Eingliederungshilfe zuständig. Die Unterbringung von Menschen mit Pflegebedarf muss durch die Hilfe zur Pflege sichergestellt werden. Geflüchtete Menschen mit Behinderungen oder Pflegebedarf haben das Recht auf besonderen Schutz und dementsprechende Angebote. Künftig werden sie schon im Ankunftszentrum ein Casemanagement bekommen das gewährleistet, dass ihre besonderen Bedarfe bei der Leistungsgewährung und der Unterbringung berücksichtigt werden.
3) Wohnen statt unterbringen I: Generalmietermodell ausbauen
Die Bündelung von Aufgaben und eine gesamtstädtische Belegungssteuerung allein können das Problem der Wohnungslosigkeit nicht lösen. In Gemeinschaftsunterkünften sind die Bewohner*innen für sozialarbeiterische Betreuung und für Beratungsangebote leicht erreichbar. Das ist für manche Gruppen gut, beispielsweise für Geflüchtete in den ersten Monaten nach ihrer Ankunft. Je länger aber Menschen mangels Wohnung in Unterkünften bleiben müssen, desto schwieriger wird ihr Ankommen beziehungsweise ihr Weg zurück in die Gesellschaft. Deshalb braucht es weitere Instrumente als Brücke in den Wohnungsmarkt, um insbesondere Familien vor Wohnungslosigkeit zu schützen beziehungsweise um ihnen möglichst rasch zu eigenem Wohnraum zu verhelfen. Die bis 2021 geplanten 100 Plätze in Notunterkünften für Familien dürfen nur eine Übergangslösung sein. Wir brauchen einen Räumungssschutz für Haushalte mit Kindern und eine Härtefallregelung für Familien mit Kindern in der AV Wohnen.
Mit der Weiterentwicklung des LAF zu einem Landesamt für Unterbringung wollen wir auch das Generalmietermodell vorantreiben. Hier tritt der Staat beziehungsweise die öffentliche Hand als Mieter*in und damit als Garant auf. Das erleichtert die Akquise von Wohnraum gerade für Gruppen, die auf dem freien Markt kaum Chancen haben. Außerdem geht auch bei einem Weg- oder Umzug die Wohnung nicht verloren, sondern kann an eine weitere bedürftige Familie vergeben werden. Erfahrungen mit dem aktuellen Modellprojekt „Housing First“ müssen hier einfließen. In zahlreichen Ländern hat der HousigFirst-Ansatz bereits zu einem deutlichen Abbau von Wohnungslosigkeit geführt. Perspektivisch kann auch die neue Akquisestruktur für Wohnraum für Geflüchtete, die derzeit bei der Integrationsbeauftragten des Landes angesiedelt ist, in dieses Modell integriert werden. Eine weitere Variante des Generalmietermodells ist die Bereitstellung von Grundstücken durch den Senat beziehungsweise die Errichtung von geeigneten Gebäuden durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen und anschließende langfristige Vermietung an soziale Träger, um vielfältige Hilfsangebote an einem Ort zu bündeln.
4) Wohnen statt Unterbringen II: Mikroappartements statt Mehrbettzimmer
2016 hat der damalige rot-schwarze Senat den Bau von modularen Flüchtlingsunterkünften (sog. MUF) beschlossen, um rasch Unterbringungsplätze zu schaffen. Die meisten dieser Unterkünfte wurden allerdings außerhalb des S-Bahn-Rings in Gebieten mit wenig sozialer Infrastruktur und häufig mit schlechter verkehrlicher Anbindung gebaut, als Gemeinschaftsunterkünfte mit Mehrbett-Zimmern, Gemeinschaftsküchen und -bädern. Eine solche Unterbringung erschwert das Ankommen und die Integration der Geflüchteten.
Deshalb ist der rot-rot-grüne Senat einen großen Schritt vorangegangen. Die nächste Generation der MUF, die sogenannten MUF 2.0, sollen gleichmäßig über das Stadtgebiet und alle Bezirke verteilt gebaut werden und sind größtenteils als Apartmenthäuser mit Wohnungsstrukturen geplant. Auch auf Druck von uns Grünen wird in neuen Bauten zudem soziale Infrastruktur eingeplant, die den Bewohner*innen und der Nachbarschaft zugute kommt und Begegnung ermöglicht – als eine öffentliche Kita oder ein Stadtteiltreff oder auch als öffentliche Schule auf dem Gelände.
Allerdings gibt es immer noch Mehrbett-Zimmer, in denen Fremde auf engem Raum oft für viele Monate zusammen leben müssen, die sogenannten Zwangs-WGs. Aktuell sind für zwei Menschen, die nicht miteinander verwandt sein müssen, 15 qm vorgesehen. Covid-19 hat gezeigt, dass dieses Unterbringungsmodell keine Zukunft hat. Das gilt auch jenseits der Frage nach Abstandsregeln in Pandemiezeiten. Die neuen Wohngebäude müssen von Anfang an so geplant und gebaut werden, dass Menschen dauerhaft als Mieter*innen dort leben können. Wir brauchen Mikroappartements statt Zwangs-WGs. Das gilt nicht nur für MUF 2.0, sondern auch für all die MUF der ersten Generation, die noch nicht gebaut sind. Der Senat muss darüber mit den Wohnungsbaugesellschaften verhandeln.
5) Kältehilfe und ganzjährige Hilfsangebote in Landesverantwortung
Wir bekräftigen das Ziel, dass Notunterkünfte kein Instrument zur Entlastung des Regelsystems sein dürfen. Hauptaufgabe der Kältehilfe ist der unbürokratische Schutz des Lebens von obdachlosen Menschen in den Wintermonaten. Die Kältehilfe ist insbesondere keine geeignete Unterbringungsform für obdachlose Menschen mit pflegerischem Bedarf. Gleiches gilt für Drogenabhängige und psychisch Kranke. Hier werden wir schnellstmöglich passgenaue Angebote schaffen. Wir brauchen zudem mehr ganzjährige Hilfsangebote und inklusive Beratung – insbesondere für Menschen ohne oder mit unklarem sozialhilferechtlichem Anspruch. Die mit dem Doppelhaushalt bereitgestellten 150.000 Euro für das Modellprojekt „Safe Spaces” sowie Tiny Houses sollten hier modellhaft neue Wege erproben. Die während der Corona-Pandemie entwickelten Formate der 24/7-Unterbringung Kluckstraße, Storkower Straße und Lehrter Straße wollen wir dahingehend auswerten und als einen möglichen Baustein in das Unterbringungsportfolio aufnehmen.
Die Gelder für die Kältehilfe werden derzeit über die Bezirke ausgereicht und durch zentrale Angebote der Senatsverwaltung für Integration Arbeit und Soziales ergänzt. Das hat sich überholt. Perspektivisch soll auch die Kältehilfe sowie die heutige Koordinierungsstelle Kältehilfe in die Verantwortung des Landesamtes übergehen.
Ziel aller Maßnahmen muss immer der eigene Wohnraum sein. Darüber hinaus wollen wir in der kommenden Legislatur die Geschäftsverteilung zwischen Senatsverwaltungen und den nachgeordneten Behörden neu sortieren, um eine systematische, effiziente Steuerung der Aufgaben sicherzustellen. Nachgeordnete Behörden sollen klar jeweils einem zuständigen Senatsressort zugeordnet sein. Damit eröffnen wir auch eine Entwicklungsperspektive für das jetzige LaGeSo.
Unsplash_Ani-Kolleshi_CC0 Für eine gute Pflege in der Corona-Krise
Menschen in der Pflege sind von der Corona-Krise in besonderem Maße betroffen. Dies betrifft sowohl diejenigen, die auf Pflege angewiesen sind, als auch Pflegefachkräfte und Menschen, die Angehörige pflegen. Sowohl in der professionellen Pflege als auch in der Pflege durch Angehörige sind langfristige strukturelle Reformen dringend notwendig und überfällig. Dieser Bedarf wird durch die Corona-Krise noch verstärkt. Hier werden kurzfristige Antworten auf die durch die Pandemie entstandenen Problemlagen und Bedarfe benötigt. Menschen mit Pflegebedarf und Pflegende müssen besonders geschützt werden und es muss Sorge für die langfristige Gesundheit unter den notwendigen Schutzmaßnahmen getragen werden.
Inhalt:
Beschluss der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 26.05.2020
Für eine gute Pflege in der Corona-Krise
Menschen in der Pflege sind von der Corona-Krise in besonderem Maße betroffen. Dies betrifft sowohl diejenigen, die auf Pflege angewiesen sind, als auch Pflegefachkräfte und Menschen, die Angehörige pflegen. Sowohl in der professionellen Pflege als auch in der Pflege durch Angehörige sind langfristige strukturelle Reformen dringend notwendig und überfällig. Dieser Bedarf wird durch die Corona-Krise noch verstärkt. Hier werden kurzfristige Antworten auf die durch die Pandemie entstandenen Problemlagen und Bedarfe benötigt. Menschen mit Pflegebedarf und Pflegende müssen besonders geschützt werden und es muss Sorge für die langfristige Gesundheit unter den notwendigen Schutzmaßnahmen getragen werden.
Die negativen Folgen von Maßnahmen zum Schutz besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen oder durch Ausnahmeregelungen zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung müssen bedacht und sorgfältig gegen ihren Nutzen abgewogen werden. Die Senatsverwaltung ist gefordert, Muster-Pandemiepläne bereitzustellen und verbindliche Vorgaben auf Basis der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) für die ambulante und stationäre Pflege zu erstellen, unter anderem eine systematische, klare und abgestufte Teststrategie für Personal wie Pflegebedürftige. Im Falle von Infektionen hat eine Erhebung sozioökonomischer Daten von Erkrankten zu erfolgen. Barrieren in der Informationsvermittlung müssen durch eine mehrsprachige Hotline der Senatsverwaltung abgebaut werden.
Ohne die grundlegend notwendigen Veränderungen von Arbeitsbedingungen in der Pflege aus dem Blick zu verlieren, fordern wir folgende kurzfristige Maßnahmen zum Schutz von Menschen mit Pflegebedarf und zur Unterstützung der pflegenden Angehörigen und der professionell Pflegenden:
Menschen, die auf Pflege angewiesen sind
Einbeziehung der Pflegebedürftigen bei den sie betreffenden Entscheidungen, dazu gehört insbesondere die Kosten-Nutzen-Abwägung von Schutzmaßnahmen (Infektionsschutz vs. soziale Isolation), z.B. das Besuchsmanagement in Einrichtungen.
Für den Fall einer Erkrankung ist der Wille der Patient*innen zu ermitteln und durchzusetzen. Vorsorge- und Patientenverfügungen sollten möglichst aktualisiert oder – wenn nicht vorhanden – erstellt werden. Hierzu bedarf es ergebnisoffener Beratung im Vorfeld akuter Situationen. Dies ist auch unabhängig von der Corona-Krise notwendig, aber jetzt gibt es einen Anlass, Verfügungen zu aktualisieren. Auch im Rahmen der Angehörigenarbeit sollte das thematisiert werden.
Unterstützung von Einrichtungen (oder WGs) bei der Bereitstellung von Wlan und Tablets zur Pflege der sozialen Kontakte und Erstellung eines Konzeptes, wie auch die angekündigte Tracing-App für Pflegebedürftige und deren Angehörige handhabbar gemacht werden kann.
Entwicklung eines Behandlungsmanagements in der Pflege auf Grundlage der RKI-Empfehlungen; dabei muss die ärztliche, pflegerische und therapeutische Versorgung in Pflegeeinrichtungen sichergestellt und auch palliative Versorgung und Sterbebegleitung insb. durch Angehörige ermöglicht werden.
Sicherstellung einer menschenwürdigen Notpflege für Menschen, deren häusliche Pflege pandemiebedingt nicht mehr aufrechterhalten werden kann.Beschäftigte in der Pflege
Der Corona-Bonus als Anerkennung für besondere Leistungen in der Krise muss der Anfang für strukturelle Verbesserungen für die Beschäftigten sein. Es bedarf Verbesserungen auf allen Ebenen, die den Pflegeberuf attraktiv für Neu- und Wiedereinsteiger*innen machen; darunter Arbeitsflexibilisierung, gute Kinderbetreuungskonzepte, Einführung und Finanzierung technischer Hilfsmittel und Innovationen sowie langfristige Anerkennung und Wertschätzung der Pflege durch angemessene Bezahlung und flächendeckende Tarifverträge mit einem deutlich angehobenen Einstiegsgehalt.
Arbeitsschutz und Entlastung in der Pflege sicherstellen – durch zur Verfügung stellen von ausreichend persönlicher Schutzkleidung, Wiedereinsetzen von Personaluntergrenzen, zuverlässige Dienstzeiten und ausreichend Pausen- und Erholungszeiten sowie Zugang zu psychologischen Unterstützungsangeboten.
Infektionsschutz des Personals durch eine systematische abgestufte Teststrategie.
Unterstützung der Anbieter/Träger/Einrichtungen bei der Beschaffung von pandemiebedingt erhöhtem Bedarf von Schutzausrüstung.
Übertragung von mehr Verantwortung für die Pflege, insb. die Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten durch professionelles Pflegepersonal.Pflegende Angehörige
Stärkere Entlastung pflegender Angehöriger durch Ausweitung von Hilfsangeboten mit Unterstützung der Senatsverwaltung.
Unterstützung auf Bundesebene: Bereitstellung von aktuell freiwerdenden Geldern aus der Pflegeversicherung als Pflegebudget, durch das z.B. nachbarschaftliche Hilfen finanziert werden können sowie Unterstützung pflegender Angehöriger beim Ausfall von externer Pflege – vergleichbar mit der Unterstützung von Eltern beim Wegfall der Kinderbetreuung, Flexibilisierung und Erhöhung von Entlastungsbetrag und Pflegehilfsmittelpauschale.
Einbeziehung der pflegenden Angehörigen in die Teststrategie.
Bereitstellung von Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln.
Besondere Unterstützung für Familien mit pflegebedürftigen Kindern, z.B. durch Unterstützung von Betreuung und Homeschooling von Geschwisterkindern.Krise als Chance
Pflege hat mehr verdient als Applaus und einen Bonus: Die aktuelle Aufmerksamkeit für den systemrelevanten Pflegeberuf nutzen und endlich faire Arbeitsbedingungen und Bezahlung durchsetzen und die Gründung einer Berliner Pflegekammer voranbringen.
Digitalisierung der Pflegedokumentation und –abrechnung.
Umsetzung von Konzepten wie Community Health Nursing.
Vorantreiben der Akademisierung der Pflege und Pflegeforschung und konkretes Schaffen von Studienplätzen an staatlichen Hochschulen.
Unterstützung der Etablierung der Bundespflegekammer, Vernetzung der Pflege, Mitspracherecht der Pflege in den Entscheidungsgremien des Gesundheitswesens.Foto: Don Ross III/Unsplash_CC0 Humanitäre Aufnahme aus Moria jetzt! Es ist genug Zeit vertan
Das Land Berlin hat sich bereits vor Weihnachten bereit erklärt, Kinder aus den griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen. Ein Koalitionsantrag für eine humanitäre Aufnahme nach §23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz wurde vereinbart und von den Fraktionen der Grünen und Linken verabschiedet. Innensenator Andreas Geisel hat seitdem mehrfach dem Bundesinnenministerium gegenüber beantragt, dass Berlin Menschen aus Moria aufnehmen möchte. Grundlage für eine Landesaufnahme ist eine Landesaufnahmeanordnung, die Zielgruppe und Auswahlprocedere festlegt. Eine solche Anordnung hat Berlin bislang nicht vorgelegt. Stattdessen wartet das Land nach wie vor auf eine Antwort des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin ist nicht bereit, die Verzögerungstaktik des BMI länger hinzunehmen. Viele aufnahmebereite Bundesländer und Kommunen ebenso wie ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen und Flüchtlingsinitiativen erwarten, dass Berlin konsequent den nächsten Schritt geht. Es ist genug Zeit vertan.
Inhalt:
Beschluss der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 19.05.2020
Humanitäre Aufnahme aus Moria jetzt! Es ist genug Zeit vertan
Das Land Berlin hat sich bereits vor Weihnachten bereit erklärt, Kinder aus den griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen. Ein Koalitionsantrag für eine humanitäre Aufnahme nach §23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz wurde vereinbart und von den Fraktionen der Grünen und Linken verabschiedet. Innensenator Andreas Geisel hat seitdem mehrfach dem Bundesinnenministerium gegenüber beantragt, dass Berlin Menschen aus Moria aufnehmen möchte.
Grundlage für eine Landesaufnahme ist eine Landesaufnahmeanordnung, die Zielgruppe und Auswahlprocedere festlegt. Eine solche Anordnung hat Berlin bislang nicht vorgelegt. Stattdessen wartet das Land nach wie vor auf eine Antwort des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin ist nicht bereit, die Verzögerungstaktik des BMI länger hinzunehmen. Viele aufnahmebereite Bundesländer und Kommunen ebenso wie ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen und Flüchtlingsinitiativen erwarten, dass Berlin konsequent den nächsten Schritt geht. Es ist genug Zeit vertan.
Mit der Verzögerungstaktik widerspricht das BMI den Vereinbarungen zum Umgang mit humanitärer Aufnahme, die die Innenministerkonferenz in ihrer Sitzung im Dezember 2019 beschlossen hat. In dieser Sitzung hat die Innenministerkonferenz (IMK) die Bedeutung von Landesaufnahmeprogrammen als Ausdruck der humanitären Verantwortung von Bundesländern unterstrichen.
Die IMK hat außerdem vereinbart, dass der Bund das Benehmen mit den Ländern für deutsche Plätze für humanitäre Aufnahmeverfahren und Resettlement herstellt. Die Länder sollen in diesem Rahmen dem Bund ihre eigenen Pläne für humanitäre Aufnahme mitteilen, damit sie in das Pledging einbezogen werden können.
Das Land Berlin hat mehrfach, zuletzt in einem Schreiben des Innensenators vom 14. April, beim Bund die humanitäre Aufnahme nach §23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz beantragt. – Das Land hat sich bereit erklärt, in einem ersten Schritt 70 unbegleitete Minderjährige (UmF) aufzunehmen und darüber hinaus auch andere besonders schutzbedürftige Personen: insbesondere Schwangere, chronisch Kranke sowie Familienangehörige von Geflüchteten, die bereits in Berlin sind. Berlin hat die Kapazitäten dafür und kann mit den Kompetenzzentren, die durch die Haushaltsberatungen finanziell gestärkt wurden, auch die nötige psychosoziale Versorgung gewährleisten. Auch für UmF können kurzfristig weitere Plätze in betreuten Jugendwohneinrichtungen inklusive Betreuung bereit gestellt werden. Dennoch weigert sich das BMI, dieses Angebot in seine Aufnahmeaktion auf der Grundlage der Dublin III-Verordnung aufzunehmen. Lediglich 350 weitere UmF sollen noch aus Moria nach Deutschland geholt werden.
Bei derselben IMK-Sitzung wurden Kriterien für das Einvernehmen, sprich die Zustimmung des BMI zu Landesaufnahmeprogrammen festgelegt.
Das Einvernehmen dient demnach dazu, eine möglichst weitgehende Kohärenz der bundesdeutschen Aufnahme mit Programmen der Länder herzustellen. Diese Kohärenz liegt bei der beabsichtigten Aufnahme aus den griechischen Lagern offensichtlich vor: Der Bund selbst nimmt aus humanitären Gründen und Gründen europäischer Solidarität Geflüchtete aus Moria auf. Mehrere Bundesländer haben sich zudem bereit erklärt, Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen. Das rot-rot-grün regierte Thüringen hat bereits eine Aufnahmeanordnung erarbeitet, das rot-rot-grün regierte Bremen ist daran. Die nötige Bundeseinheitlichkeit ist in Bezug auf die humanitäre Aufnahme aus Moria also faktisch längst vorhanden.
Die IMK hat vereinbart, dass Landesaufnahmeanordnungen der äußeren Form nach soweit als möglich vergleichbar zu Aufnahmeanordnungen des Bundes sein sollen, dasselbe gilt für Auswahlstandards. Um das bewerten zu können, muss das Land Berlin endlich eine Aufnahmeanordnung vorlegen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erwartet daher, dass der Innensenator unverzüglich eine Landesaufnahmeanordnung für humanitäre Aufnahme aus Moria im Senat vorlegt.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erwartet darüber hinaus, dass der zwischen den Koalitionspartnern vereinbarte Antrag Humanität zählt – Berlin übernimmt Verantwortung: Geflüchtete aus überfüllten griechischen Lagern aufnehmen (lfd. Nr. 427) nun auch von der SPD umgehend verabschiedet und zügig ins parlamentarische Verfahren gebracht wird, um so dem Willen des Gesetzgebers Ausdruck zu verleihen. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sollten nicht allein exekutives Handeln sein, sie gehören ins Parlament.
Foto: Miguel Bruna/Unsplash_CC0 Grüne Eckpunkte für eine echte Repräsentanz von Frauen in den Berliner Parlamenten
Auch mehr als 100 Jahre nach der Öffnung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen sind diese in den deutschen Parlamenten weiterhin unterrepräsentiert. Dabei machen Frauen knapp über die Hälfte der Gesellschaft aus. Dies steht in einem Widerspruch zu der Zusammensetzung des Berliner Abgeordnetenhaus: Hier sind nur 53 der 160 Abgeordneten Frauen. Damit setzt sich ein trauriger Trend fort: in den vergangenen Jahren ist der Frauenanteil in vielen deutschen Volksvertretungen rückläufig, nicht zuletzt durch das Erstarken der AfD. Aber auch CDU und FDP haben kaum Frauen in ihren Fraktionen. Schon seit ihrer Gründung haben grüne Parteien für mehr Frauen in den Parlamenten gekämpft und mit eigenen Wahlvorschlägen für mehr weibliche Abgeordnete in den Parlamenten gesorgt. In Berlin sind aktuell rund 60% der bündnisgrünen Fraktionäre Frauen. Damit sorgt unsere Fraktion entscheidend dafür, dass überhaupt Frauen im Berliner Abgeordnetenhaus Politik machen können. Klar ist: Es muss sich strukturell etwas ändern. Es ist Zeit für ein „Paritätsgesetz“.
Inhalt:
Eckpunktepapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, 03.03.2020
GRÜNE ECKPUNKTE FÜR ECHTE REPRÄSENTANZ VON FRAUEN IN DEN BERLINER PARLAMENTENAuch mehr als 100 Jahre nach der Öffnung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen sind diese in den deutschen Parlamenten weiterhin unterrepräsentiert. Dabei machen Frauen knapp über die Hälfte der Gesellschaft aus. Dies steht in einem Widerspruch zu der Zusammensetzung des Berliner Abgeordnetenhaus: Hier sind nur 53 der 160 Abgeordneten Frauen. Damit setzt sich ein trauriger Trend fort: in den vergangenen Jahren ist der Frauenanteil in vielen deutschen Volksvertretungen rückläufig, nicht zuletzt durch das Erstarken der AfD. Aber auch CDU und FDP haben kaum Frauen in ihren Fraktionen. Schon seit ihrer Gründung haben grüne Parteien für mehr Frauen in den Parlamenten gekämpft und mit eigenen Wahlvorschlägen für mehr weibliche Abgeordnete in den Parlamenten gesorgt. In Berlin sind aktuell rund 60% der bündnisgrünen Fraktionäre Frauen. Damit sorgt unsere Fraktion entscheidend dafür, dass überhaupt Frauen im Berliner Abgeordnetenhaus Politik machen können.
Klar ist: Es muss sich strukturell etwas ändern. Es ist Zeit für ein „Paritätsgesetz“. In Brandenburg und Thüringen sind entsprechende Gesetzesänderungen mit grünen Stimmen bereits Realität geworden. Diesem Weg wollen wir folgen! Wir setzen uns ein für ein konsequentes Paritätsgesetz, das zu einer echten Ergebnisparität im Parlament führt.
Aktuell führen drei Dinge zu dem eklatanten Fehlen von weiblichen Abgeordneten im Parlament: Erstens zu wenig Kandidatinnen auf den Landeslisten, zu wenig Kandidatinnen in den Wahlkreisen und zu wenig Kandidatinnen auf den vorderen Plätzen der Bezirkslisten, bei denen durch Wahlkreise und Wahlergebnisse oftmals nur der erste Platz ins Parlament zieht. Um eine echte Ergebnisparität im Berliner Abgeordnetenhaus zu gewährleisten sind deshalb drei Punkte zentral: Es ist nicht nur die Änderung der Wahllisten erforderlich, sondern auch eine Änderung hinsichtlich der Wahlkreise sowie eine Abschaffung der Bezirkslisten.
Das Grundgesetz ist klar für mehr Frauen in den Parlamente
Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz regelt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Ebenso schreibt Art. 10 Abs. 3 der Berliner Landesverfassung vor: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land ist verpflichtet, die Gleichstellung und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens herzustellen und zu sichern“.Eine Paritätsregelung im Wahlgesetz greift dabei zwar in die Parteienfreiheit (Art. 21 Abs. 1 GG) und die Wahlgrundsätze ein (Art. 38 GG) ein. Nach einer gründlichen Abwägung ist dieser Eingriff jedoch durch den Handlungsauftrag nach Art. 3 Abs. 2 GG gedeckt, aus unserer Sicht sogar geboten.Trotzdem gibt es eine verfassungsrechtliche Diskussion, ob ein Paritätsgesetz mit dem Grundgesetz konform wäre oder nicht. Um hier die Klarheit für mehr Parität in den Parlamenten auch in der Verfassung zu verankern, schlagen wir vor, einen Passus analog zu der Französischen Verfassung aufzunehmen, der den Verfassungsauftrag für mehr Parität deutlich festschreibt: „Es ist der gleiche Zugang von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und Wahlämtern zu gewährleisten.“
Grüne Eckpunkte für ein Berliner Paritätsgesetz
Als bündnisgrüne Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus knüpfen wir eine Neuregelung des Wahlgesetzes an das Ziel der Ergebnisparität. Daraus ergeben sich folgende Eckpunkte:
– Das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen müssen mindestens zur Hälfte mit Frauen* besetzt sein.
– Dabei ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich viele Berliner*innen nicht einem binären Geschlecht zuordnen lassen. Eine Quotierung ist daher unter Berücksichtigung von diversen Kandidat*innen vorzunehmen.
– Nicht nur Listen, auch Wahlkreise werden quotiert, um eine echte Ergebnisparitätim Parlament zu erreichen. Die Wahlberechtigten haben für die Wahl des Abgeordnetenhauses drei Stimmen, von denen eine auf die Wahlliste und zwei Stimmen auf jeweils eine Frau* und einen Mann* in den Wahlkreisen entfallen.
– Um die verfassungsgemäße Größe des Abgeordnetenhaus von 130 Sitzen zu erreichen, werden Wahlkreise zusammengelegt zu Doppelwahlkreisen mit eben jeweils zwei Kandidat*innen.
– Alle Wahllisten für das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen sind abwechselnd mit einem Platz Frau/divers und Mann/divers zu besetzen.
– Die Parteien können Kandidierende für das Abgeordnetenhaus über eine Landesliste, beziehungsweise über die Wahlkreisnominierungen aufstellen. Bezirkslisten zur Wahl des Abgeordnetenhauses werden abgeschafft.
– Sollte eine Partei in ihrem Wahlvorschlag den neuen rechtlichen Regelungen nicht folgen, werden deren Listen von jenem Platz an für ungültig erklärt, ab dem die Quotierung nicht mehr erfolgt.Grafik: Grüne Fraktion Berlin Wachsendes Grün für die wachsende Stadt – Berlin braucht eine Grünbauoffensive
Das Berliner Wetter schreibt aktuell traurige Rekorde. Auf versiegelten Flächen fallen Sommer-Temperaturen noch höher aus und es droht verstärkt Überschwemmungsgefahr. Ein gesundes, vielfältiges Stadtgrün ist deshalb der Schlüssel für eine lebenswerte Stadt. Grün gehört – genau wie die Verkehrsinfrastruktur, Schulen oder Krankenhäuser – zur öffentlichen Grundversorgung einer modernen Metropole. Berlin braucht seine reiche Stadtnatur. Sie schafft nicht nur eine höhere Lebensqualität, sondern leistet auch einen realen Beitrag zum Klimaschutz. Allerdings steht das Berliner Stadtgrün – unsere Parks und Straßenbäume, Ufer und Wälder – unter enormem Druck. Dürre und Hitze setzen der Natur zu und lassen dem Menschen kaum Raum zur Abkühlung. Die wachsende Stadt wittert hinter jeder unbebauten Fläche Nachverdichtungspotenzial; hier ist eine kluge Stadtentwicklung gefragt, die flächensparend baut und gleichzeitig ökologische Freiräume sichert.
Inhalt:
Beschlusspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, 02.08.2019
WACHSENDES GRÜN FÜR DIE WACHSENDE STADT –
BERLIN BRAUCHT EINE GRÜNBAUOFFENSIVE
Das Berliner Wetter schreibt aktuell traurige Rekorde. 2018 war das heißeste und trockenste Jahr seit der
Wetteraufzeichnung. Und gleichzeitig haben sich die Unwetterwarnungen, Gewitter und Starkregen-Ereignisse
gehäuft. Der Klimawandel wird Realität. Das verrückte Wetter ist nur ein Vorgeschmack auf das, was
uns blüht, wenn wir den CO2-Ausstoss nicht in den Griff bekommen und sich der Planet noch weiter erhitzt.
Das Wetter zeigt aber auch, wie wichtig und lebensnotwendig grüne Oasen sind und wie gefährlich Betonwüsten
für Mensch und Natur werden können. Auf versiegelten Flächen fallen Sommer-Temperaturen noch
höher aus und es droht verstärkt Überschwemmungsgefahr. Ein gesundes, vielfältiges Stadtgrün ist deshalb
der Schlüssel für eine lebenswerte Stadt. Grün gehört – genau wie die Verkehrsinfrastruktur, Schulen oder
Krankenhäuser – zur öffentlichen Grundversorgung einer modernen Metropole.
Berlin braucht seine reiche Stadtnatur. Sie schafft nicht nur eine höhere Lebensqualität, sondern leistet
auch einen realen Beitrag zum Klimaschutz. Noch kann kaum eine andere Großstadt weltweit so viel Grün
aufweisen wie Berlin. Über 430.000 Straßenbäume, 2.500 öffentliche Grünanlagen mit insgesamt rund
6.500 Hektar und etliche Wälder, welche ein Fünftel an Berlins Gesamtfläche ausmachen, prägen das Bild
der Stadt.
Allerdings steht das Berliner Stadtgrün – unsere Parks und Straßenbäume, Ufer und Wälder – unter
enormem Druck. Dürre und Hitze setzen der Natur zu und lassen dem Menschen kaum Raum zur Abkühlung.
Die wachsende Stadt wittert hinter jeder unbebauten Fläche Nachverdichtungspotenzial; hier ist eine kluge
Stadtentwicklung gefragt, die flächensparend baut und gleichzeitig ökologische Freiräume sichert. Das
Tempelhofer Feld oder die Brache am Westkreuz sind auch wichtige Frischluftschneisen für die Stadt,
Naherholungsorte für die Berlinerinnen und Berliner sowie Heimat unzähliger Arten: Ein Gewinn für die
ganze Stadt. Aber auch eine Frage der Gerechtigkeit: Geringverdiener haben häufig ein Lebensumfeld mit
weniger Stadtgrün, Parks oder Wasser. Dabei ist es ein wesentlicher Beitrag zur Umweltgerechtigkeit, wenn
mehr Menschen eine gesunde Umwelt in der Nähe finden. Das ist auch gut für den Zusammenhalt der
Stadtgesellschaft: Denn wie fast nirgendwo sonst im Berliner Alltag begegnen sich im Grünen Menschen
aller Kulturen, Milieus und Generationen der Stadt.
Berlin muss wieder grüne Spitze in Deutschland werden. Um dieses Ziel zu erreichen braucht Berlin eine
Grünbauoffensive. In einem Dreiklang aus Flächensicherung, Stärkung des Stadtgrüns und strategischem
Ankauf wollen wir unsere Stadt ergrünen lassen. Wir haben deshalb schon im aktuellen Doppelhaushalt die
entsprechenden Geldmittel massiv erhöht: zum Beispiel für Straßenbäume, für die Sanierung von Grünanlagen,
für das Mischwaldprogramm und für den strategischen Ankauf von Grünflächen. Die rot-rot-grüne Koalition
hat das „Jahrzehnt der Investitionen“ ausgerufen, um die Berliner Infrastruktur wieder fit zu machen.Dazu gehört für uns Grüne die “grüne Infrastruktur” wesentlich dazu. Daher wollen wir eine Grünbauoffensive!
Ob 1.000 grüne Dächer, ein besseres Regenwassermanagement, das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm
(BEK) oder die Bienen- und Bestäuberstrategie: All diese Maßnahmen sind angesichts des Klimanotstands
und seiner Folgen für die Stadtgesellschaft wichtiger denn je. Weil Berlin wächst und die Klimakrise
voranschreitet, muss auch das Berliner Grün wachsen. Deshalb wollen wir diese grünen Projekte verstetigen
und ausbauen.
Charta Stadtgrün: Berliner Konsens für die Stärkung von Stadtgrün und Stadtnatur
Das Berliner Stadtgrün gehört für uns zur öffentlichen Infrastruktur, die für alle Berlinerinnen und Berliner
erhalten und in die investiert werden muss. Es braucht eine koordinierte Gesamtstrategie, um zu identifizieren,
an welchen Stellen Grün gestärkt, gesichert und neu gewonnen werden muss. Deshalb hat die Senatsverwaltung
für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die Erstellung einer Charta für das Berliner Stadtgrün angestoßen.
Diese Charta fixiert die programmatischen Leitlinien für den Schutz und die Weiterentwicklung
von Berlins grüner Infrastruktur. Sie wurde in einem kooperativen und partizipativen Prozess mit der Zivilgesellschaft
gemeinsam entwickelt. Berlins Einwohner*innen waren dazu aufgerufen, sich online zu beteiligen.
Bis Ende 2019 soll die Charta ausgearbeitet sein und Senat und Bezirken zur Beschlussfassung, zusammen
mit einem Handlungsprogramm, vorliegen. Die Charta fokussiert dabei drei strategische Säulen: Erstens
das Stadtgrün insgesamt zu erhalten und auszuweiten, zweitens den veränderten Nutzungsanforderungen
und damit auch insbesondere den Klimaveränderungen Rechnung zu tragen, und drittens die Vielfalt,
Qualität und Pflege des städtischen Grüns abzusichern.
Mit der Charta wird das Berliner Stadtgrün ein integraler Bestandteil der Stadtentwicklung als Ganzes und
damit quasi eine Art Stadtentwicklungsplan (StEp) Grüne Infrastruktur. Denn wir brauchen einen Überblick
über den Zustand unseres Stadtgrüns, um zu wissen, wo Sanierungsmittel in die Hand genommen werden
müssen und wo angekauft werden muss. Sie soll die Grundlage für den Umgang mit dem Berliner Grün darstellen
und wird mit einem Handlungsprogramm unterlegt sein. Sie muss gleichzeitig die Grundlage dafür
sein, das vorhandene und das neu geschaffene Stadtgrün planungsrechtlich zu sichern – sei es über Bebauungspläne
oder Flächennutzungsplan-Änderungsverfahren. Das Grün in Berlin darf nicht zum Spielball
anderer Interessen werden, sondern muss als essentieller Bestandteil der Daseinsvorsorge in ganz Berlin
rechtlich und baulich gesichert werden.
Wie wir Berlin ergrünen lassen
Grüne Politik denkt einen Schritt voraus: Die Prinzipien und Leitlinien aus der Charta müssen sich zukünftig
in handfester Politik niederschlagen. Für uns ist entscheidend, dass die Straßen- und Grünflächenämter in
allen zwölf Bezirken ebenso wie die Umweltverwaltung finanziell und personell gestärkt werden. Folgende
konkrete Maßnahmen halten wir für unabdingbar:
1) Stadtgrün sichern: Das Grundgerüst des Berliner Stadtgrüns muss erhalten bleiben
Grundvoraussetzung für eine grüne Stadt ist, dass die bestehenden Grünflächen erhalten und besser
geschützt werden. Um das Ziel zu erreichen, alle im Landschaftsprogramm geplanten Naturschutzgebiete
bis 2030 auszuweisen, ist für die Vorbereitung, Durchführung und Begleitung dieser Verfahren auch das dafür
notwendige, zusätzliche Personal bereitzustellen. Zudem wollen wir, dass grüne Infrastruktur genau wie
Kitas, Schulen und Sportanlagen verbindlich in die sozialen Infrastrukturkonzepte der Bezirke mit aufgenommen
werden und eine entsprechende Bestandsanalyse und Bedarfsprognose erstellt werden.
Die Koalitionsfraktionen haben sich auf die bestmögliche Sicherung von Kleingärten geeinigt, um diese
ökologisch wie sozial so wichtigen Flächen zu erhalten. In einem ersten Schritt haben wir uns darauf geeinigt, Wohnungsbau auf öffentlichen Kleingartenflächen bis 2030 auszuschließen. Für uns Grüne ist dabei
zentral, dass öffentliche und landeseigene Flächen so genutzt werden, dass möglichst viele Bürgerinnen
und Bürger an der Nutzung partizipieren können. Dafür werden wir einen Transformationsprozess in enger
Abstimmung mit den Kleingartenverbänden einleiten. Diese müssen mehr Gemeinschaftsflächen bereitstellen,
die gemeinsam von Nachbar*innen, Urban Garden Initiativen, Kitas und Schulen genutzt werden können.
Einige Kleingartenvereine gehen hier bereits beispielhaft voran.
Auch die Berliner Wälder sind wichtige Orte der Erholung und zudem bedeutende CO2-Speicher unserer
Stadt. Mischwälder sind in weit höherem Maße als (Kiefer-)Monokulturen in der Lage einen Beitrag zum
Klimaschutz zu leisten. Auch für die Grundwasserbildung und damit die Trinkwasserversorgung unserer
Stadt leisten sie einen existenziellen Beitrag. Daher wollen wir Berlins Wälder durch gezielte Aufforstung
und eine Ausweitung des Mischwaldprogramms für die Klimakrise wappnen.
Geht jenseits von Schutzgebieten an einer Stelle grüner Freiraum verloren, ist es umso wichtiger, dass an
anderer Stelle neue Grünflächen entstehen oder vorhandene qualifiziert werden. Wir wollen dafür ein eigenes
„Ökokonto“ einrichten. Mittels dieses Ökokontos können Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zugunsten
einer Aufwertung der großen Landschaftsräume erfolgen. Dabei sollen vorrangig die folgenden Räume entwickelt
werden: Malchower Auenlandschaft, die Offenlandschaft der Blankenfelder Feldmark, die Elisabethaue,
die Wald-Weide-Landschaft von Hobrechtsfelde, die Rieselfeldlandschaft Karolinenhöhe und Gatow,
das Wuhletal und der Mauerstreifen Süd. Es ist aber auch darauf zu achten, dass im Umfeld des verlorengegangenen
Freiraums eine ökologische Aufwertung oder ein Ausgleich stattfindet.
2) Stadtgrün ausweiten: Naturcent einführen und Ankauf forcieren
Viel zu viele ökologisch wertvolle Flächen sind in der Vergangenheit verschwunden. Durch den Klimanotstand
und die weiterhin wachsende Stadt stehen die verbliebenen Orte unter besonderem Druck. Aus
diesem Grund reicht es nicht aus, beim Status Quo zu bleiben; Berlin braucht eine Grünankaufstrategie.
Bereits im SIWANA haben wir deshalb 10 Millionen Euro für einen strategischen Ankaufsfonds zur Verfügung
gestellt und wollen bis zum Legislaturende mehr Mittel zur Verfügung stellen. Es gibt bereits erste
Grundstücke, die angekauft wurden und einen wichtigen Beitrag für die Kühlung der Stadt, die Artenvielfalt
und die Naherholung leisten. Damit ist das Berliner Stadtgrün in dieser Legislatur bereits gewachsen.
Damit das Grün auch in haushalterisch knapperen Zeiten mit der Stadt mitwachsen kann, wollen wir ein
neues Finanzierungsinstrument prüfen: den „Naturcent“. Dazu soll ein Fonds „Naturschutz und Landschaftspflege“
eingerichtet werden, der sich aus einem Anteil an den Grundsteuereinnahmen speist, die durch die
Ausweisung oder Neubebauung von Bauland anfallen. Der Naturcent fällt unabhängig von der Kompensationsstrategie
an und kann gebündelt für die Schaffung neuen Grüns eingesetzt werden.
Gerade in baulich stark verdichteten Quartieren ohne viel Stadtgrün schnellt das Thermometer im Sommer
hoch. Diese Hitzeinseln wollen wir abkühlen, indem wir aus grauer Infrastruktur eine Grüne machen. Durch
die konsequente Entsiegelung von Schulhöfen und Parkplätzen kann Regenwasser besser versickern – ein
wichtiger Baustein auf dem Weg Berlins zu einer Schwammstadt und effektiven Klimaanpassungsstrategie.
Begrünte Fassaden, Innenhöfe und Dächer machen Stadtquartiere und Wohnen nicht nur schöner, sondern
helfen durch die Speicherung von Feuchtigkeit und Reinigung der Luft auch dem Stadtklima. Auch bei der
Neuaufteilung des öffentlichen (Verkehrs-)Raumes wollen wir mehr Grün: Mittelstreifen und Parkplätze
sollten eher Heimat für Wildblumen sein, als Abstellfläche für Autos. Bushaltestellendächer können Nahrungsquellen
für Wildbienen und andere Arten sein. Wir brauchen im Straßenland grüne Oasen statt grauer
Verkehrsinseln. Dazu schlagen wir ein Hof- bzw. Siedlungsbegrünungs-Programm vor, das auch Synergien
mit unserem 1.000 Grüne Dächer-Programm, dem BEK 2030 und dem neuen Regenwassermanagement ermöglicht. 3) Stadtgrün stärken: mehr Mittel für die bezirkliche Grünpflege
Gut gepflegte Parks, Spielplätze und Straßenbäume gibt es nur mit starken Bezirken. Wir haben deshalb in
jeder der Haushaltsrunden mehr Geld in die bezirkliche Grünpflege gesteckt. Nun kommt es aber darauf an,
auch die Finanzstrukturen so zu stärken, dass die Bezirke in der Lage sind, den Anforderungen, die eine
intensivierte Nutzung der Grünflächen, klimakrisebedingte Schädigungen und ein oftmals schlechter Pflegezustand
der Anlagen mit sich bringt, nachzukommen – finanziell und personell.
Wir fangen mit den Straßenbäumen an, denn hier wurde viel zu lange gekürzt bis es quietscht. Aktuell
werden die anfallenden Kosten überhaupt nicht gedeckt. Unser Vorschlag ist, bereits im Doppelhaushalt
2020/21 je Straßenbaum im entsprechenden „Produkt“ ein Budget von jährlich 80 Euro zur Verfügung zu
stellen, ohne diesen Aufwuchs an anderer Stelle im bezirklichen Budget einzusparen. Gleichzeitig sollen
mit den Bezirken Zielvereinbarungen geschlossen werden, damit das Geld der Unterhaltung, der Pflege und
der Neuanpflanzung von Stadtbäumen zugutekommt.
Die Bezirke sind als untere Verwaltungseinheit Berlins nahe an den Grünflächen Berlins dran. Deshalb sprechen
wir uns dafür aus, dass die Bezirke gestärkt werden, um in den Parkanlagen eine angemessene und
gute Pflege durchsetzen zu können. Dafür müssen die Produkte für Grünflächenpflege angehoben werden.
Die Park- und Baumpflegemaßnahmen des „Handbuchs gute Pflege“ müssen darüber hinaus zu verbindlichen
Standards für die bezirkliche Grünpflege werden. So soll eine gleichmäßig hohe Qualität der Pflegemaßnahmen
berlinweit gewährleistet werden. Grundsätzlich sollen die Grünflächen weiterhin von den
Bezirken gereinigt und gepflegt werden. Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel müssen auskömmlich erhöht
werden, denn Reinigung darf nicht zulasten der Pflege gehen.
In Zeiten des Klimanotstands muss auch die Grünpflege angepasst werden: Stürme, Dauerregen und Dürre
haben verheerende Auswirkungen auf das Berliner Stadtgrün. Soforthilfe muss schnell und unbürokratisch
zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund hat die Umweltverwaltung begonnen, vorsorgend finanzielle Mittel
bereitzustellen, die von den Bezirken zur Bewältigung unvorhergesehener Klimaereignisse für das Berliner
Stadtgrün zur auftragsweisen Bewirtschaftung abgerufen werden können. Diese Mittel dienen der unmittelbaren
Folgenbeseitigung (Sofortmaßnahmen) und umfassen je nach Bedarf z. B. die zusätzliche
Wässerung des öffentlichen Grüns zur Vermeidung von Trockenheitsschäden („Sommerdienst“) ebenso wie
die – nicht nur verkehrliche – Sicherung nach Starkregen und Sturmereignissen. Die Mittel für diese Sofortmaßnahmen
wollen wir im Haushalt verstetigen und ausbauen. Darüber hinaus schlagen wir ein Klimakatastrophenmanagement
vor, bei dem Polizei, Feuerwehr und die bezirklichen Grünflächenämter Daten zu
Sturm-, Hitze und Dürreschäden austauschen zwecks einer besseren Koordination der Katastrophen-
Maßnahmen.Grafik: Grüne Fraktion Berlin 30 Jahre friedliche und samtene Revolution: Emanzipation fortführen in Ost und West
Wir blicken mit unserem Besuch in Prag zurück auf 30 Jahre Mauerfall. Auf die Euphorie der geöffneten Schlagbäume, auf die Stürmung der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße, auf die vielen Besuche und Wiedersehen, die zwischen Familien und Freunden plötzlich möglich waren. So viele Umarmungen, so viel Diskussion. Wir sind Bündnis 90/Die Grünen und haben nach 30 Jahren den Aufbruchs- und Veränderungswillen,
der 1989 die Wende möglich gemacht hat, immer noch in uns.Inhalt:
Wir tragen die Verbindung mit den Menschen, die in der ehemaligen DDR für die Freiheit des Denkens
und der Rede gekämpft haben, die gegen den staatlichen Widerstand die dramatische Umweltvergiftung thematisiert
und in der Umweltbibliothek dokumentiert haben, die ein offenes solidarisches Land wollten, in unserem Namen:
Wir sind Bündnis 90/Die Grünen.Beschlusspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, 01.08.2019
30 JAHRE FRIEDLICHE UND SAMTENE REVOLUTION: EMANZIPATION FORTFÜHREN IN OST UND WEST
Wir blicken mit unserem Besuch in Prag zurück auf 30 Jahre Mauerfall. Auf die Euphorie der geöffneten
Schlagbäume, auf die Stürmung der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße, auf die vielen Besuche und
Wiedersehen, die zwischen Familien und Freunden plötzlich möglich waren. So viele Umarmungen, so viel
Diskussion. Wir sind Bündnis 90/Die Grünen und haben nach 30 Jahren den Aufbruchs- und Veränderungswillen,
der 1989 die Wende möglich gemacht hat, immer noch in uns.
Der Aufbruch in eine neue Freiheit und die Öffnung der Grenzen waren nur ein Teil der Entwicklung seit
1989. Für unsere Freund*innen von Bündnis 90 bedeutete sie auch, gegen neue Bedrohungen, Verluste und
uneingelöste Versprechen zu kämpfen. Ökologisch wurde vieles besser – aber die Industrien und Arbeitsplätze
waren einfach weg. Das betraf nicht nur viele Menschen in den neuen Bundesländern, sondern auch
viele Berliner*innen, insbesondere viele Migrant*innen.
Berufserfahrung und Qualifikationen galten oft zu unrecht nicht mehr, die Löhne und Gehälter sind bis jetzt
nicht angeglichen. Eine falsch betriebene Privatisierung durch die Treuhandanstalt, eine Währungsunion,
die ostdeutsche Produkte über Nacht um ein Vielfaches verteuerte oder vom Markt drängte, Massenarbeitslosigkeit
und Schrumpfung: Obwohl der materielle Wohlstand trotzdem und für die allermeisten spürbar
gestiegen ist, erlebte der Osten gleichzeitig einen wirtschaftlichen Zusammenbruch vieler Regionen, dessen
Folgen bis heute spürbar sind. Wir fordern daher, dass die Akten der Treuhand schnellstmöglich als offene
Daten einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um aufgearbeitet werden zu können.
Viele bei Bündnis 90 engagierten sich für die Vertragsarbeiter*innen, die plötzlich abgeschoben werden
sollten, und gegen die, die unter „Wir sind das Volk“ etwas Völkisches verstanden. Wir haben mit unserer
Fahrt nach Prag aber auch die AfD-Ergebnisse bei der Europa-Wahl im Blick in Verbindung mit dem Problem,
dass in allen ehemaligen Ost-Bundesländern diese Partei, für die wir als Bündnis 90/Die Grünen die
Hauptgegner sind, derartigen Zuspruch findet.
Wir sind in Prag, wo die Entwicklung ebenso ambivalent verlaufen ist, um uns auf die Kraft und den Geist
dieses Aufbruchs zu besinnen. Was heißt er heute: Ökologisch und ökonomisch? Für die offene Gesellschaft?
Für die Idee Europas? Was können wir in Berlin tun?
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Wir wollen die Diskussionen über die historischen Ereignisse und die politischen Entscheidungen, die gefällt
wurden, bereichern durch die vergleichende Perspektive mit der Samtenen Revolution in Prag und der
Tschechoslowakei bzw. dann schon sehr schnell: der Tschechischen und der Slowakischen Republik. Zuallererst
suchen wir Gesprächspartner*innen, die helfen, die aktuelle Situation vor Ort besser zu verstehen. Diese
Berichte wollen wir mit unseren eigenen Erfahrungen abgleichen. Es ist an der Zeit, dass sich die proeuropäischen,
progressiven, ökologisch-sozialen und demokratischen Kräfte über Grenzen hinweg verbünden
für eine bessere, gerechtere Zukunft. Das gilt natürlich in besonderem Maße auch innerhalb der Region,
für die wir direkt politische Verantwortung tragen: Berlin.
Wende gut, aber nicht alles gut: Fehler der Wiedervereinigung aufarbeiten
Über wesentliche Fragen wurde im Prozess der Wiedervereinigung nie eine offene und breite Diskussion
geführt, auch und insbesondere von den westdeutschen Grünen nicht.
Nicht über Institutionen, die zu erhalten gewesen wären, nicht über Grundgesetz versus Verfassung, nicht
über die Lebenserfahrungen und Wünsche der Menschen in Ostdeutschland. Daraus ergaben sich sowohl
eine Reihe politischer Fehlentscheidungen, als auch das Gefühl des Kontrollverlusts bei den Bürgerinnen
und Bürgern.
Von gleichen Lebensverhältnissen in Ost und West sind wir immer noch weit entfernt. So sind etwa die
Rentenwerte auch in Berlin nach wie vor unterschiedlich. Wer auf der Ostseite der Mauer gearbeitet hat
oder arbeitet, erwirbt noch heute geringere Rentenansprüche. Wir setzen uns dafür ein die Renteneinheit
unverzüglich – und nicht erst 2024 wie von der Bundesregierung prognostiziert – zu vollenden und hierfür
ein gleiches Rentenrecht in Ost und West zu schaffen.
Unzufrieden sind sehr viele Bürger*innen nicht zuletzt mit der öffentlichen und sozialen Infrastruktur.
Medizinische Versorgung, Schwimmbäder, Bibliotheken, eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr
– all das ist gerade in vielen ländlichen und strukturschwachen Regionen in schlechtem Zustand. Das
gilt insbesondere für Berlin, wo das Spardiktat der letzten Jahrzehnte zu maroder Infrastruktur und schlechter
Qualität der sozialen Einrichtungen geführt hat. Ein Staat muss sich um seine Bürger*innen kümmern,
deshalb investieren wir seit unserem Amtsantritt auch in diese Baustellen. Wir haben eine Schulbau- und
Sanierungsoffensive mit 5,5 Milliarden eingeleitet, über zehntausend neue Stellen in der Verwaltung geschaffen
und bauen den öffentlichen Nahverkehr gesamtstädtisch aus.
Die großen Errungenschaften voranbringen: Demokratie fördern
In den letzten Jahren gehen wieder Tausende auf die Straße, allen voran Fridays for Future, aber auch diejenigen,
die für ein #EuropaFürAlle demonstrieren, für bezahlbare Mieten, gleiche Rechte, für den #unteilbaren
gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Eine Jugend, die für Demokratie, Freiheit und Bürger*innenrechte kämpft, stärkt die Zukunft unserer Gesellschaft.
Zudem sind gerade junge Menschen von politischen Entscheidungen besonders betroffen. Deshalb
sollten ihre Stimmen mehr Gehör finden. In Berlin ist es bisher, anders als in Brandenburg, Bremen, Hamburg
und Schleswig-Holstein nur in den Bezirken möglich mit 16 Jahren zu wählen. Als Fraktion machen
wir uns für ein Berliner Gesetz zur Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre stark. Außerdem wollen wir die
U18-Wahlen an allen Schulen und Bildungseinrichtungen verbindlich machen.
Demokratie braucht Lernorte. Wie den Campus für Demokratie. Er zeigt Demokratie als ein Feld, das kontinuierlich
bestellt werden muss und als Errungenschaft, die immer auch gefährdet ist. Auf dem Campus treffen
Erinnerung und Zukunft aufeinander, vor allem wenn dort Forschung zur Überwindung repressiver Systeme
stattfindet. Auch das ehemalige Polizeigefängnis in der Keibelstraße muss schnellstmöglich als Gedenk-
und Lernort für die gesamte Öffentlichkeit zugänglich sein. Gerade in diesem Jubiläumsjahr müssen
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Interessierte dort Zutritt erhalten. Wir erwarten, dass der Senat die Zuständigkeit für das Gesamtprojekt
zwischen den Verwaltungen endlich klärt, damit der Ort entwickelt werden kann.
Während wir an den demokratischen Aufbruch in Ostdeutschland und Osteuropa vor 30 Jahren anknüpfen
und Demokratie weiter stärken wollen, erleben wir zugleich weltweit ein bedrohliches Erstarken von Diktaturen
und autoritären Regimes. Meinungs- und Pressefreiheit, aber auch wissenschaftliche, künstlerische
und wirtschaftliche Freiheiten sind in immer mehr Ländern gefährdet. Weltweit, aber auch in unserer direkten
europäischen Nachbarschaft. Wir wollen, dass politisch Verfolgte und Menschenrechtsaktivist*innen in
Berlin Sicherheit und Verbündete finden. Wir wollen, dass sie ihr Engagement aus dem Berliner Exil weiter
betreiben können, wenn es in ihrer Heimat unmöglich geworden ist. Dafür hat die Koalition schon im letzten
Doppelhaushalt 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Wir wollen dieses Engagement nicht nur verstetigen,
sondern die auf drei Senatsressorts verteilten Stipendien- und Förderprogramme besser miteinander
verknüpfen, etwa durch eine gemeinsame Koordinierungsstelle. Denkbar sind auch zusätzliche Kooperationen
mit zivilgesellschaftlichen Initiativen, dem geplanten Exilmuseum am Anhalter Bahnhof oder den
aktuellen Planungen für das Palais am Festungsgraben. Damit setzt Berlin international ein Zeichen für die
Stärkung von Demokratie und Freiheitsrechte.
Der Freiheit vertrauen
Europaweit und auch in der Bundesrepublik Deutschland werden Freiheits- und Bürger*innenrechte zunehmend
eingeschränkt, wie sich beispielsweise in immer restriktiveren Polizeigesetzen zeigt. In Berlin wird es
das mit uns nicht geben. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass der Staat im Verhältnis zu den Bürger*innen
nicht übermächtig werden darf. Wir vertrauen den Menschen in unserer Stadt. Deswegen wollen wir die
Rechte jeder einzelnen Person ausbauen und staatliche Kontrolle und Verfolgung wirksam auf die Bekämpfung
von Straftaten beschränken. Einen Beitrag dazu soll das Freiheitsrechtestärkungspaket leisten, das unsere
Fraktion im Abgeordnetenhaus im März 2019 beschlossen hat. Damit ermöglichen wir mehr demokratische
Kontrolle und Opferschutz und mehr Beteiligung durch die Bürger*innen.
Berlin ist Demo-Hauptstadt: Die Demokratie lebt von der freien Meinungsäußerung auf der Straße. Unser
Versammlungsfreiheitsgesetz für Berlin setzt deshalb auf die Zurückhaltung der Polizei, Deeskalation, ermöglicht
Versammlungen auf öffentlich zugänglichen Verkehrsflächen und schützt friedliche Gegendemonstrationen.
Ein*e Bürger- und Polizeibeauftragte*r soll als unabhängige Beschwerdestelle das Vertrauen
in den Rechtsstaat stärken.
Das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) erweitern wir mit Augenmaß. Zentral ist für uns
die Information und Stärkung von Menschen, die Opfer von Straftaten werden. Den massiven Ausbau und
die massive Aufrüstung polizeilicher Befugnisse werden wir nicht mittragen. Wir schlagen stattdessen vor,
die Befugnisse der Polizei an wenigen wichtigen Stellen und unter strengen Bedingungen, wie Richtervorbehalt
und wissenschaftlicher Evaluation, zu erweitern. Die Berliner Bürger*innen wollen wir konsequent
vor Racial Profiling schützen.
Unser Paket ist damit nicht nur ein Gegenentwurf zu einer repressiven Ordnungs- und Sicherheitspolitik,
sondern vor allem eine Stärkung der unabdingbaren Freiheits- und Bürger*innenrechte jedes einzelnen
Menschen. Ein starker Rechtsstaat braucht starke Freiheits- und Bürger*innenrechte für alle, die auf seinem
Territorium leben. Den Rechten nach dem Mund reden, um sie klein zu halten, hat noch nie funktioniert. Wir
setzen deshalb auf eine lebendige Demokratie und einen Rechtsstaat, der Freiheiten fördert und unterschiedlichste
Meinungen und Lebensweisen aushält.
So sehr wir uns über die grünen Erfolge bei den Europawahlen gefreut haben, so erschreckend ist der erneut
gestiegene Anteil rechter Kräfte im Europäischen Parlament. Gerade in den letzten Jahren wurde wieder
sehr deutlich: Eine Garantie für Frieden und Freiheit gibt es nicht.
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Die Amadeo-Antonio-Stiftung – benannt nach einem der ersten Opfer rassistischer Gewalt in der ehemaligen
DDR – zählt von 1989 bis 2019 196 Tote in Deutschland, die Rassist*innen zum Opfer fielen.
Europaweit geraten NGOs und Aktivist*innen zunehmend unter Druck, zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume
werden eingeschränkt oder in Frage gestellt. Ein Beispiel dafür ist die „Open Society Foundation“,
die wegen der repressiven Politik der ungarischen Regierung von Budapest nach Berlin zog.
In Berlin macht die AfD Druck auf zivilgesellschaftliche Akteur*innen; sie versucht die unabhängige Justiz
einzuschüchtern und nutzt den parlamentarischen Raum für Diffamierungen. Begleitet werden diese Angriffe
von Hetzkampagnen in den sozialen Medien. Auch Kultureinrichtungen und Kulturschaffende werden
regelmäßig zur Zielscheibe, sofern deren künstlerische Profile, Inhalte oder Ästhetiken dem rechtspopulistischen
Weltbild zuwider laufen. Dabei scheut die AfD nicht mehr davor zurück, die Kunstfreiheit offen in Frage
zu stellen oder mit der Kürzung der öffentlichen Förderung zu drohen. Auch die Wissenschaftsfreiheit ist
immer wieder Angriffen ausgesetzt. Uns ist klar: Angriffe auf Wissenschaftseinrichtungen und -disziplinen
sind Angriffe auf die freie Wissenschaft als ein Eckpfeiler unserer Demokratie.
Wir Bündnisgrüne stehen an der Seite all jener, die sich für Demokratie, Zusammenhalt und gegen Diskriminierung
einsetzen – egal ob es sich dabei um die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Mobile Beratung gegen
Rechtsextremismus, die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Berlin (RIAS), das Zentrum für
Demokratie in Treptow-Köpenick, das Bündnis „Die Vielen“ oder die Studierendenvertretungen an den Berliner
Hochschulen handelt. Ihre Arbeit ist für unsere Gesellschaft und für unsere Demokratie unverzichtbar.
Deshalb wollen wir das erfolgreiche „Landesprogramm Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus,
Rassismus und Antisemitismus“ der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
im kommenden Doppelhaushalt zielgerichtet stärken und insbesondere die Antisemitismusprävention
intensivieren. Außerdem wollen wir die Berliner Registerstelle zur Erfassung rechtsextremer und
diskriminierender Vorfälle mit ihren Anlaufstellen in den Bezirken personell erweitern und strukturell ausbauen.
Viele gute und wichtige zivilgesellschaftliche Projekte konzentrieren sich noch immer auf die Bezirke
innerhalb des S-Bahn-Rings. Wir wollen gemeinsam mit ihnen überlegen, wie ihre Präsenz und strukturelle
Verankerung gesamtstädtisch besser gelingen kann.
Stärke durch Gemeinsamkeit gewinnen: Europaweit Netzwerke schmieden
Viele Herausforderungen müssen auf bundesweiter oder europäischer Ebene gelöst werden. Aber Städte
können oft mit gutem Beispiel voranschreiten, wo Staaten noch unbeweglich sind. Denn sie haben viele
gemeinsame Interessen, die produktive Netzwerke hervorbringen können. Fragen der Demokratie und der
Menschenrechte sowie Fragen der Bewahrung der natürlichen Lebensbedingungen sind ein wichtiges Anliegen,
wenn sich Berlin über die Stadtgrenzen hinaus engagiert.
Die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen in den sozialistischen Diktaturen Osteuropas war eine
Triebkraft der revolutionären Umbrüche. Der Konziliare Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung
der Schöpfung aus dem Umfeld der Kirchen gab wesentliche Impulse zur Friedlichen Revolution. Aus gutem
Grund: Ressourcenverschwendung und Naturzerstörung führten dazu, dass ganze Regionen in Osteuropa
zeitweise nahezu unbewohnbar waren, Kinder krank wurden wegen verpesteter Luft und verseuchtem Wasser.
Diese Umweltschäden sind heute weitgehend beseitigt. Aber es gibt neue Herausforderungen: Die erhebliche
Zunahme des Autoverkehrs mit Verbrennungsmotoren führt insbesondere in den Städten zu einer
erheblichen Belastung der Luft. Der Klimawandel mit heißen Sommern hinterlässt Spuren an der Gesundheit
vor allem älterer Menschen, aber auch der Natur. Nicht nur in Städten sterben Bäume ab, weil sie die
Trockenheit nicht aushalten.
Berlin und Prag sollten voneinander lernen, wie mit den Folgen von Umweltverschmutzung und Klimawandel
umgegangen werden kann und wie ein weiterer Klimawandel möglichst aufgehalten werden kann. Wir
regen deshalb an, dass die Umweltverwaltungen und Parlamente beider Städte sich zu Umweltfragen re-
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gelmäßig austauschen und einander unterstützen. Denn Städte und Regionen haben viele gemeinsame Interessen,
die produktive Netzwerke begründen können, wie etwa das Klima-Bündnis (http://www.klimabuendnis.
org/kommunen/das-netzwerk.html). Als Berliner bündnisgrüne Fraktion sind wir bestrebt, auch in
Prag Partnerorganisationen, Initiativen und engagierte Menschen zu finden, mit denen wir zusammen arbeiten
und solche gemeinsamen Anliegen voran bringen können.
So ist Berlin auch Teil des Netzwerks Solidarity Cities und damit ein Zufluchtsort für Geflüchtete. In einer
Zeit, in der die europäischen Staaten das Asylrecht zunehmend beschneiden, ihre Grenzen immer fester
schließen und damit Menschenleben aufs Spiel setzen, schlagen wir gemeinsam mit vielen europäischen
Städten – etwa Ljubljana und Neapel, Nicosia, Milano und Wien, Athen, Leipzig, Amsterdam – einen anderen
Weg ein. Wo wir können, schützen wir so die grundlegenden Menschenrechte.
Berlins Vielfalt verpflichtet – auch international. Deshalb ist unsere Stadt auch Gründungsmitglied des
Rainbow Cities Network, einem Zusammenschluss von über 30 Städten, die eine aktive Politik für die Belange
von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans-, intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ*)
bündeln. Das Rainbow Cities Network zielt darauf ab, auf lokaler Ebene die Diskriminierung aufgrund der
sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität zu bekämpfen sowie die Akzeptanz von LSBTIQ* zu
fördern. Im Mittelpunkt stehen die gegenseitige Unterstützung, der Austausch von Know-how und Erfahrungen
sowie gemeinsame Aktionen.
Im fünfzigsten Jahr des Stonewall-Aufstandes und im vierzigsten Jubiläumsjahr des Berliner CSDs möchten
wir Prag dafür gewinnen, dem Rainbow Cities Network beizutreten und so gemeinsam mit uns ein wirkungsvolles
Zeichen für die weltweite Akzeptanz von LSBTIQ* zu setzen. Wir wollen Prag dabei mit allen
Kräften unterstützen und sagen die ausdrückliche Mitwirkung unserer Senatsverwaltung für Antidiskriminierung
zu. Gemeinsam für Queer, gemeinsam gegen den Rollback!
Prag ist auch eine der 17 Partnerstädte Berlins. Die meisten Städtepartnerschaften wurden von Berlin um
das Jahr 1990 abgeschlossen, als der Fall der Mauer auch die Öffnung zur Welt bedeutete. In Berlin sind
eine Reihe von Städtepartnerschaften allerdings seit vielen Jahren auf politischer Ebene weitgehend eingeschlafen.
Dazu zählt auch die Verbindung Berlin-Prag. Seit dem zwanzigsten Jubiläum der Städtepartnerschaft
im Jahr 2015 sind nahezu keine offiziellen Aktivitäten mehr zu verzeichnen. Wir wollen, dass diese
für Berlin so wichtige Städtepartnerschaft einen Neustart erfährt. Auftakt dieser Neuausrichtung soll das
25-jährige Jubiläum der Allianz im Jahr 2020 sein, das einen würdigen Rahmen verdient. Uns ist dabei besonders
wichtig, dass die Städtepartnerschaft politisch breit getragen und unterstützt wird. Vor allem aber
muss sie „von unten“ gelebt werden, durch die Kooperation von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Verbänden
aus beiden Städten. Für uns darf sich Städtepartnerschaft nicht in der feierlichen Begegnung auf
Exekutivebene erschöpfen. Vielmehr sind Städtepartnerschaften für uns immer eine Chance für Jugendaustausch,
für Unterstützung der kritischen, engagierten Zivilgesellschaft und gegebenenfalls auch – wie etwa
im Falle der Türkei und Istanbuls – gerade auch der Opposition. Denn gerade auch Erasmus- und Jugendaustausch-
Programme können dabei helfen, die Reste des Eisernen Vorhangs in den Köpfen abzubauen.
Die Gesellschaft #unteilbar machen
Wir wollen wieder anknüpfen an 1989, den zweiten großen emanzipatorischen Aufbruch in Europa nach
1968. Diese Bewegungen haben unsere Gesellschaft verändert und politisiert.
Sie haben Mitspracherechte für sich eingefordert und nicht mehr hingenommen, dass über ihre Köpfe hinweg
entschieden wird. Viele Gruppen kämpfen dafür noch heute und sie werden lauter. Denn gleiche Rechte
und Teilhabe sind noch immer keine Selbstverständlichkeit für alle Menschen in Deutschland, auch nicht
in unserer vielfältigen Stadt Berlin. Unsere Gesellschaft ist weit davon entfernt inklusiv und gleichberechtigt
zu sein. Das wollen wir ändern und arbeiten dabei gerne mit anderen emanzipatorische Bewegungen
zusammen.
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Gerade in einer pluralen Gesellschaft gilt es, neugierig auf andere zu bleiben und sich gegenseitig zu unterstützen.
Es gilt, marginalisierte Perspektiven – gerade auch auf die Ereignisse der Wendezeit – sichtbar zu
machen und in gemeinsame Geschichten zusammenzuführen. Um dahin zu kommen, brauchen wir neue
Formen, Instrumente und Orte der Aushandlung und des Zusammenwachsens. Dafür steht nicht zuletzt das
Prinzip des Runden Tisches. Die großen Herausforderungen können wir als Politik nur Hand in Hand mit der
Zivilgesellschaft lösen. Ob in Berlin oder gesamteuropäisch.
Wir arbeiten weiter für eine emanzipatorische Gesellschaft, in der jede*r einen Platz findet und alle die
gleichen Rechte und Möglichkeiten zur Teilhabe haben. Wir stellen uns gegen jede Form von Diskriminierung
und Hetze. Allen Versuchen, marginalisierte Gruppen gegeneinander auszuspielen, treten wir entschieden
entgegen. Mit dem bundesweit ersten Landesantidiskriminierungsgesetz haben wir dafür ein wichtiges
Instrument in Berlin geschaffen. Es ist nicht nur ein Schutzschild gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
und Ausgrenzung, sondern verankert auch Maßnahmen für mehr Diversität gesetzlich.
Wir sind nicht allein mit dem Anspruch die diverse Gesellschaft zusammenzuhalten und weiter zusammenwachsen
zu lassen. Immer mehr Menschen gehen auf die Straße, um für Solidarität und gegen Ausgrenzung
zu demonstrieren. In Tschechien und vor allem in Prag gehen derzeit regelmäßig Zehntausende mit dem
Netzwerk „Millionen Augenblicke für die Demokratie“ auf die Straße und demonstrieren gegen Korruption
und für eine unabhängige Justiz und mehr Transparenz in der Politik. Fridays for Future ist inzwischen eine
weltweite Bewegung zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
All diese Bewegungen geben Hoffnung. Sie zeigen einen neuen politischen Aufbruchswillen und wieder
wird deutlich, welch mitreißende Kraft eine mutige, idealistische Bewegung entwickeln kann. Gerade vor
dem Hintergrund der Erinnerung an die Geschichte seit 1989 sind wir uns als Bündnisgrüne unserer politischen
Verantwortung gegenüber der jungen Generation bewusst. Ihre Erwartungen und die Erwartungen
der Menschen, die uns gewählt haben, dürfen wir nicht enttäuschen.
Unsere 8 Punkte für eine starke und emanzipatorische Gesellschaft in ganz Berlin:
1. Die Bereitstellung der Akten der Treuhand als offene Daten, um die Aufarbeitung der Wiedervereinigung
zu erleichtern.
2. Die Absenkung des Wahlalters für die Abgeordnetenhauswahlen auf 16 Jahre.
3. Verbindliche U18-Wahlen an allen Schulen und Bildungseinrichtungen in Berlin.
4. Den Umbau des Polizeigefängnis in der Keibelstraße zu einem Gedenk- und Lernort für die gesamte
Öffentlichkeit.
5. Ein Freiheitsrechtestärkungspaket für eine demokratischere Kontrolle, Opferschutz, Beteiligung und
Transparenz.
6. Ein*e Bürger- und Polizeibeauftragte*r als unabhängige Beschwerdestelle.
7. Die Stärkung des „Landesprogramms Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus
und Antisemitismus“.
8. Das Neubeleben von Städtepartnerschaften durch zivilgesellschaftliche Bündnisse und Ausbau des
Jugendaustauschs, insbesondere mit unseren osteuropäischen Nachbarländern.
Seite 6 von 6Grafik: Grüne Fraktion Berlin Beschluss - Berliner Klimaschutz: heute mutig – aus Verantwortung für morgen
Die Folgen der menschengemachten Klimakrise sind weltweit immer stärker spürbar. Verheerende Stürme, Dürren und Überschwemmungen nehmen an Häufigkeit und Intensität zu. Die Betroffenen sterben oder verlieren ihr Zuhause, politische Krisen und Konflikte gewinnen an Schärfe. Besonders hart trifft es die ärmsten Menschen im globalen Süden. Doch auch in Berlin sind die Auswirkungen der Klimakrise genauso offenkundig wie drastisch: Die Sommermonate 2018 waren die heißesten, die wir je hatten; mit Temperaturen und einer Dürreperiode, die Menschen, Tieren und Pflanzen in der Stadt gleichermaßen zu schaffen gemacht haben. Und auch der diesjährige Sommer zeigt, dass der „Klimanotstand“ längst Realität ist. Anstatt die Fakten zu ignorieren, müssen wir deutlich mehr für den Klimaschutz tun. Und das gerade auch in Metropolen wie Berlin. Es sind die großen Städte, die beispielhaft im Kampf gegen die Klimakrise vorangehen müssen – auch damit seine Folgen soweit wie noch möglich beherrschbar bleiben. Wir haben in Berlin einen Konsens der demokratischen Parteien, dass wir die Ziele des Pariser Klima-Abkommens einhalten und städtischen Klimaschutz voranbringen wollen. Hierzu brauchen wir Maßnahmen, die schnell wirken und ebenso radikal wie vernünftig sind. In der ersten Hälfte der Legislatur haben wir die Grundlagen gelegt – doch wir dürfen nicht aufhören mutig zu sein. Denn wir stehen heute in der Verantwortung dafür, was morgen geschieht und wie die Zukunft des Planeten aussieht.
Inhalt:
Beschlusspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, 02.08.2019
BERLINER KLIMASCHUTZ: HEUTE MUTIG –
AUS VERANTWORTUNG FÜR MORGEN
Die Folgen der menschengemachten Klimakrise sind weltweit immer stärker spürbar. Verheerende Stürme,
Dürren und Überschwemmungen nehmen an Häufigkeit und Intensität zu. Die Betroffenen sterben oder
verlieren ihr Zuhause, politische Krisen und Konflikte gewinnen an Schärfe. Besonders hart trifft es die
ärmsten Menschen im globalen Süden. Doch auch in Berlin sind die Auswirkungen der Klimakrise genauso
offenkundig wie drastisch: Die Sommermonate 2018 waren die heißesten, die wir je hatten; mit Temperaturen
und einer Dürreperiode, die Menschen, Tieren und Pflanzen in der Stadt gleichermaßen zu schaffen gemacht
haben. Und auch der diesjährige Sommer zeigt, dass der „Klimanotstand“ längst Realität ist. Anstatt
die Fakten zu ignorieren, müssen wir deutlich mehr für den Klimaschutz tun. Und das gerade auch in Metropolen
wie Berlin. Es sind die großen Städte, die beispielhaft im Kampf gegen die Klimakrise vorangehen
müssen – auch damit seine Folgen soweit wie noch möglich beherrschbar bleiben. Wir haben in Berlin
einen Konsens der demokratischen Parteien, dass wir die Ziele des Pariser Klima-Abkommens einhalten
und städtischen Klimaschutz voranbringen wollen. Hierzu brauchen wir Maßnahmen, die schnell wirken
und ebenso radikal wie vernünftig sind. In der ersten Hälfte der Legislatur haben wir die Grundlagen gelegt
– doch wir dürfen nicht aufhören mutig zu sein. Denn wir stehen heute in der Verantwortung dafür, was
morgen geschieht und wie die Zukunft des Planeten aussieht.
Berlin geht im Kampf gegen die Klimakrise voran…
Seit unserem Bestehen haben wir Grünen den Kampf gegen die Klimakrise ins Zentrum unserer Politik gestellt.
Gerade in Berlin setzen wir uns in der rot-rot-grünen Koalition von Beginn an für einen konsequenten
und ambitionierten Klimaschutz ein: Berlin will als erstes Bundesland bis spätestens 2030 vollständig aus
der Kohleverstromung aussteigen. Mit dem neuen Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) haben
wir uns auf den Weg zu einer klimaneutralen Stadt gemacht. Durch das deutschlandweit erste Mobilitätsgesetz
wurde die Grundlage für die urbane Verkehrswende gelegt: Bus, Bahn und Rad haben in der Verkehrsplanung
nun grundsätzlich Vorrang vor dem Auto. Dank unseres neuen Nahverkehrsplans werden in den
nächsten Jahren rund 30 Milliarden Euro in den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs investiert –
so wird beispielsweise die gesamte Busflotte der BVG in zehn Jahren emissionsfrei unterwegs sein. Und mit
dem von uns vorangetriebenen Ausbau der Stadtwerke nimmt endlich auch der Ausbau der Erneuerbaren
Energien in der Hauptstadt an Fahrt auf. Gleichzeitig hat Berlin damit begonnen, den bereits unumkehrbaren
Auswirkungen der globalen Erwärmung auf das Stadtklima etwas entgegen zu setzen: Mit den BEKMaßnahmen
zur Klimaanpassung, der Einrichtung von Trinkbrunnen in der ganzen Stadt, zusätzlichen Mitteln
für die Grünpflege und die Berliner Straßenbäume, der Gründung einer Regenwasseragentur oder un-
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serem „1.000 Grüne Dächer-Programm“. Doch all ist erst der Beginn auf unserem Weg zur klimaneutralen
und zur klimaangepassten Stadt.
…und muss beim Klimaschutz trotzdem eine Schippe drauflegen
Es lässt sich heute noch nicht mit Sicherheit sagen, ob das Berliner Klimaschutzziel, bis 2020 40 Prozent
der CO2-Emissionen gegenüber 1990 einzusparen, erreicht werden kann. Klar ist nur: Berlin ist keine Insel.
Für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik braucht es nationale, europäische und internationale Rahmenbedingungen,
die eine schnelle Klimaneutralität für eine Stadt wie Berlin unterstützen. Diese bleiben jedoch
weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Es wird umso schwerer, die Berliner Klimaschutzziele zu erreichen,
wenn die Bundesregierung das Pariser Klimaabkommen in Deutschland nicht tatkräftig umsetzt.
Wir brauchen auf Bundesebene neben einem raschen Kohleausstieg, eine nachhaltige Verkehrswende, eine
faire Wärmewende und eine Agrarwende hin zu einer Landwirtschaft die ohne Massentierhaltung und mit
regionaler und ökologischer Lebensmittelproduktion einen Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Neuere Studien weisen darauf hin, dass Deutschland nicht erst 2050, sondern eigentlich bis 2035 klimaneutral
werden müsste, wenn es seine internationalen Verpflichtungen einhalten will. Dieser eklatante
Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen der Rhetorik der Großen Koalition und ihrer
konkreten Politik, ist einer der Gründe, warum die neuen klimapolitischen Bewegungen wie „Fridays for
Future“ oder „Extinction Rebellion“ auch Deutschland massiv kritisieren. Ihre zumeist jugendlichen Protagonist*
innen führen uns, der breiten Öffentlichkeit und den Parteien, zu Recht unsere Verantwortung vor
Augen. Sie bestärken uns Grüne im Kampf gegen die Klimakrise und fordern uns zugleich heraus. Und sie
sind für uns Anlass, unsere eigene Klimapolitik und die Vereinbarungen innerhalb der rot-rot-grünen Koalition
auf den Prüfstand zu stellen.
Der Beitrag Berlins ist wichtig, um Modelle zu etablieren, wie ambitionierter Klimaschutz in einer Metropole
gelingen kann. Effektiver Klimaschutz ist dabei immer konkret – aber in den seltensten Fällen politisch
bequem, für die öffentliche Hand kostenlos oder gar allseits populär. Deshalb braucht es als Berliner Antwort
auf die Klimakrise und zur Erfüllung unserer gemeinsamen Ziele zusätzliche Instrumente sowie eine
Beschleunigung und Ergänzung von bereits eingeleiteten Maßnahmen in der Energie-, Umwelt- und Verkehrspolitik.
Dafür schlagen wir vor:
1. Die Berliner Klimaziele an den Klimanotstand anpassen
Wir erkennen den Klimanotstand an und werden den gesetzlichen Rahmen an den aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnissen orientieren und ein Klima-Controlling für alle Politikbereiche verankern.
Wir werden das Berliner Energiewendegesetz novellieren. Die Ziele des Pariser Abkommens müssen ohnehin
aufgenommen werden, indem das Einsparziel von -85 % gegenüber 1990 auf -95 % angehoben wird.
Dabei müssen wir auch diskutieren, inwiefern wir als Bundesland schon früher dieses Ziel erreichen müssen
oder sogar „Netto-Null“ Emissionen erreichen können. Dazu und im Rahmen der Fortschreibung des BEK
werden wir zusammen mit der Wissenschaft untersuchen, was für ein „klimaneutrales Berlin 2035“ an Maßnahmen
nötig ist. Nur wenn wir vom Ziel her denken, können wir in der Stadt gemeinsam um den besten
Weg streiten.
Mittels einer breiten Beteiligung werden wir die Berliner Zivilgesellschaft einladen, ihre Ideen und Bedenken
in diesen ambitionierten Prozess einzubringen. In diesem Rahmen wird die Grünen-Fraktion im
kommenden Jahr eine Konferenz „Klimaneutrales Berlin“ ausrichten, in der wir die Zivilgesellschaft einladen,
um mit uns Vorschläge zu diskutieren, die ein klimaneutrales Berlin mit Blick auf 2035 möglich
machen.
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2. Klimafreundlich heizen: Berliner Erneuerbare-Wärme-Gesetz einführen
Rund die Hälfte aller klimaschädlichen Emissionen in Berlin gehen auf den Energieverbrauch in bestehenden
Gebäuden zurück. Deren energetische Ertüchtigung stellt somit das wichtigste Handlungsfeld für die
Einsparung von CO2 dar. Die bisher bestehenden niedrigen Sanierungsraten müssen dringend erhöht werden
– aber ohne die sozialen Probleme zu verschärfen. Hier ist vor allem die Bundesregierung gefragt. Denn
solange das Bundesmietrecht zulässt, dass es zu überteuerten, oft für den Klimaschutz wenig hilfreichen
Maßnahmen kommt und die vollen Modernisierungskosten alleine durch die Mieter*innen zu tragen sind,
wird es zu Verdrängung kommen.
Wir setzen uns für eine sozial-ökologische Sanierung des Gebäudebestandes ein, die dem Mieter- und dem
Klimaschutz gerecht wird. Dafür muss die Bundesregierung ein Konzept für eine neue sozial gerechte Modernisierungsumlage
liefern, die insbesondere klimaschützende Maßnahmen statt Missbrauch und Verdrängung
fördert. Das Konzept des Berliner Mietervereins zum Berliner Mietendeckel geht in die richtige Richtung,
weil es nur Aufschläge für sinnvolle Maßnahmen hinsichtlich energetischer Sanierung erlaubt.
Die Angemessenheit der Höhe muss jedoch kritisch hinterfragt werden und die Aufschläge sollten gestaffelt
nach Einkommen ausgestaltet werden. Die Energiewende im Gebäudebereich kann nur gelingen, wenn
der Staat sich am notwendigen Umbau angemessen beteiligt und eine entsprechende Förderung anbietet.
Um die Kosten für die Mieter*innen wie für die Vermieter*innen zusätzlich abzufedern, wollen wir die Förderung
für energetische Sanierungen deutlich verbessern und aufstocken.
Zudem wollen wir eine kostenfreie Beratungsstelle für Mieter*innen wie für Vermieter*innen einführen. Mit
Blick auf die öffentlichen Gebäude müssen wir sicherstellen, dass die im Haushalt bereitgestellten Mittel
für die energetische Sanierung auch zügig abfließen, um so einen Beitrag zu unseren Klimaschutzzielen
leisten zu können. Insgesamt brauchen wir einen Mix aus Förderung und Ordnungsrecht, um für eine faire
Verteilung der Lasten sowie für eine deutliche Erhöhung der Sanierungen sorgen zu können.
Mit Blick auf die Wärmeversorgung der Gebäude in Berlin wollen wir stärker in erneuerbare Wärme investieren.
Dazu werden wir nach dem Beispiel Baden-Württembergs ein eigenes Berliner Erneuerbare-Wärmegesetz
(EWärmeG) einführen. Demzufolge soll künftig jedes Gebäude, bei dem ohnehin die Heizungsanlage
ausgetauscht wird, seinen jährlichen Wärmeenergiebedarf zu einem Mindestanteil durch erneuerbare Energien
decken. Dabei können zum Beispiel Solarthermie, Wärmepumpen oder Fernwärme aus Erneuerbaren
Energien zum Tragen kommen.
Wir wollen prüfen, inwiefern sozial-ökologische Sanierungsfahrpläne als zulässige Ersatzmaßnahmen in
Frage kommen und somit auch Anreize für faire und bezahlbare energetische Sanierungsmaßnahmen, zum
Beispiel mittels „Contracting“ durch die Berliner Stadtwerke, schaffen. Die Expertise des Klimaschutzrates
sowie des Berliner Mietervereins wollen wir bei der Erarbeitung konkreter Regelungen noch stärker einbeziehen.
3. Kein Neubau ohne Sonnenenergie zu nutzen: Solarpflicht verankern
Berlins größtes Klimaschutz-Potenzial liegt auf seinen Dächern. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass Berlin
ein enormes Potenzial zur Nutzung von Solarenergie hat: 2.400 Hektar der Dachflächen – das entspricht
einer Fläche von rund 3.600 Fußballfeldern – wären theoretisch für die Installation von Solaranlagen in
Berlin geeignet. Nur ein kleiner Teil davon wird heute genutzt. Vor allem regulatorische Einschränkungen
der Bundesregierung – etwa beim Mieterstrom – verhindern die schnellere Nutzung dieses Potenzials.
Wir möchten den Anteil der Sonnenenergie an der Stromversorgung unserer Stadt von heute rund 0,5 auf
25 Prozent steigern und bis 2030 Solarstromanlagen mit einer Leistung von einem Gigawatt installiert haben.
In einem ersten Schritt wollen wir daher für Neubauten in der Bauordnung eine Pflicht für die Errichtung
von Solaranlagen zur Gewinnung von Strom und Wärme verankern. Dabei soll auch eine Kombination
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mit Gründächern gezielt gefördert werden, um die verfügbaren Flächen für die Energiegewinnung und das
Stadtklima optimal zu nutzen. Neben Dächern müssen auch Fassaden verstärkt für Solarenergie genutzt
werden, zum Beispiel durch Balkonmodule.
4. Vorfahrt für saubere Fahrzeuge mit einer Zero Emission Zone einrichten
Der Verkehr ist in Berlin für etwa ein Viertel der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. Somit kommt
der Umgestaltung des Mobilitätssektors für den Klimaschutz eine Schlüsselrolle zu. Wir setzen dabei auf
eine Doppelstrategie: Wir forcieren erstens den schnellen Ausbau des Umweltverbundes aus ÖPNV, Radund
Fußverkehr und verbessern somit sukzessive das Angebot, um attraktive Alternativen zum Auto zu
erreichen. Hierzu müssen auch die Verfahren für Planung und Bau von Infrastruktur des Umweltverbundes
auf den Prüfstand. Mit dem Projekt „Radverkehr“ im Zukunftspakt Verwaltung haben wir hierzu einen ersten
Schritt getan. Der ÖPNV soll schnell dekarbonisiert werden – spätestens bis 2030 sollen, wie in unserem
neuen Mobilitätsgesetz festgelegt, alle Busse und Bahnen ohne schädliche Abgase unterwegs sein.
Wir werden zweitens mit ökonomischen Instrumenten wie einer Citymaut oder einer Nahverkehrsabgabe
Anreize schaffen, Alternativen zum Auto zu nutzen. Für uns ist bei der Kontrolle jedoch eine datenschutzfreundliche
Lösung zentral. Ein weiteres Instrument zur Verkehrswende und mehr Klimaschutz ist die Parkraumbewirtschaftung.
Hier müssen wir die bewirtschafteten Gebiete ausweiten und die Gebühren dem Wert
der Fläche entsprechend veranschlagen. So wollen wir im öffentlichen Raum Berlins mehr Lebensqualität
schaffen, das Klima schützen und die zusätzlichen Finanzmittel zweckgebunden in den Ausbau des
Umweltverbundes investieren, unter anderem durch Ridesharing und andere intelligente Transportsysteme
in den Außenbezirken. Bei der Citymaut soll in jedem Fall der Grundsatz gelten: Schwere und schmutzige
Fahrzeuge zahlen schrittweise mehr, leichte und saubere Fahrzeuge zahlen dauerhaft weniger.
Wir wollen darüber hinaus eine Zero-Emission-Zone in der Innenstadt bis 2030, in der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren
untersagt sind. Durch die zeitliche Vorgabe sorgen wir langfristig für Planungssicherheit
und machen uns ehrlich angesichts der Klimakrise.
Aus SIWANA-Mitteln wollen wir einen Topf für ein Parkplatz-Umwidmungsprogramm zur Verfügung stellen.
Den Bezirken wird so die Möglichkeit gegeben, Parkplätze in eine für alle Berlinerinnen und Berliner sinnvolle
Nutzung, wie Fahrradstellplätze oder neue Standorte für Straßenbäume, umzuwandeln.
5. Eine grüne Flughafenpolitik für Berlin
Rund ein Viertel der Flüge von und nach Berlin sind Inlandsflüge, deren Ziele zu 80 Prozent mit der Bahn
unter vier Stunden zu erreichen ist. Oftmals ist man wegen Verzögerungen bei Anfahrt und Check-In oder
verspäteten Flügen mit der Bahn auf diesen Strecken schneller. Die Bundesregierung muss endlich für faire
Rahmenbedingungen für die einzelnen Verkehrsträger, d. h. für eine steuerliche Gleichstellung von Flugzeug
und Bahn auf Grundlage der durchschnittlichen CO2-Emissionen sorgen.
Dem ungebremsten Wachstum im Luftverkehr, auch in Berlin, darf nicht mit stetigen Kapazitätserweiterungen
begegnet werden, sondern bedarf einer Begrenzung.
Wir wollen Kurzstreckenflüge von und nach Berlin an Orte, die in unter vier Stunden mit der Bahn erreicht
werden können, überflüssig machen. Um andere Städte und Länder von gemeinsamen Lösungen zu überzeugen,
diskutieren wir auch Vorschläge, die wir über den Bundesrat einreichen wollen.
Wir wollen auch die wenigen Möglichkeiten zur Begrenzung des klimaschädlichen Flugverkehrs und insbesondere
der Inlandsflüge nutzen, die Berlin zur Verfügung hat. Das heißt: ein striktes Nachtflugverbot zwischen
22:00 und 6:00 Uhr.
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Dienstreisen der Berliner Verwaltung innerhalb Deutschlands sollen ab 2020 nicht mehr mit dem Flugzeug
erfolgen. Darüber hinaus sprechen wir uns für eine Änderung des Berlin/Bonn-Gesetzes und den Komplettumzugs
der Bundesregierung nach Berlin aus. Im letzten Jahr mussten aufgrund des zweiten Dienstsitzes
der Bundesministerien in Bonn über 20.000 Dienstreisen zwischen der neuen und der alten Hauptstadt genehmigt
werden. Eine Vielzahl dieser Dienstreisen werden als klimaschädliche Inlandsflüge durchgeführt.
Auch aus Gründen des Klimaschutzes ist es heute, dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung und knapp
zwanzig Jahre nach dem Umzug des Bundestages nach Berlin, Zeit, die doppelten Dienstsitze aufzugeben
und die Bundesministerien vollständig nach Berlin umziehen zu lassen.
Als Miteigentümer der Berliner Flughäfen wollen wir den möglichen Spielraum bei den Start- und Landeentgelten
an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld bzw. am BER so nutzen, dass möglichst geringe
Klima- und Lärmbelastungen entstehen.
6. CO2-Emissionen transparent machen und Klima-Budget etablieren
Klimaschutz spielt bei vielen politischen Entscheidungen immer noch eine untergeordnete Rolle – selbst
wenn sie das Klima direkt oder indirekt betreffen. Wir wollen als ersten Schritt für alle Vorhaben der öffentlichen
Verwaltung ergänzend zu der heutigen Prüfung der „Auswirkungen auf die Umwelt“ auch die Auswirkungen
auf die CO2-Emissionen transparent machen. Dort, wo negative Klimafolgen absehbar sind, müssen
Ausgleichsmaßnahmen ergriffen werden.
In Zukunft muss Klimaschutz endlich mehr Verbindlichkeit haben – etwa indem er auch in der Haushaltsund
Finanzpolitik handlungsleitend wird. Wir wollen daher nach Osloer Vorbild ein Konzept für ein Klima-
Budget in Berlin entwickeln, welches Klimainvestitionen und CO2-Reduktionen ressortübergreifend transparent
macht und fortlaufend auf ihre Wirksamkeit prüft. Ähnlich wie große Unternehmen, sollten die bei
Maßnahmen entstehenden CO2-Emissionen bereits eingepreist werden. Damit bereiten wir Berlin auch auf
einen kommenden CO2-Preis vor.
7. Verwaltung und öffentliche Unternehmen zu Vorreitern beim Klimaschutz machen
Als eine der größten Verbraucherinnen von Energie und Ressourcen und als Eigentümerin von Immobilien
kommt der Verwaltung eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz zu. Die Verwaltung soll zum Vorbild für die
klimafreundliche Stadt werden. Neben der Weiterentwicklung der Beschaffungsrichtlinien für klimafreundliche
Gebäude und Fahrzeuge, wollen wir die energetische Sanierung der Verwaltungsgebäude beschleunigen
und bis 2030 das Ziel der CO2-neutralen Verwaltung erreicht haben. Dafür wollen wir die Mittel des
BEK verstärkt nutzen.
Für öffentliche Unternehmen wollen wir bis Ende 2020 mit anspruchsvollen Klimaschutzplänen einen verbindlichen
Fahrplan zur Klimaneutralität aufstellen. Dabei setzen wir auf konkrete Maßnahmen, die die Unternehmen
mit Zeitplänen umsetzen sollen. Deren Einhaltung sollen an die jährlichen Boni des Vorstandes
gekoppelt werden.
Es sollen gezielte Anreize für mehr Klimaschutz vor Ort geschaffen werden: Mit der Einführung entsprechender
Produkte in die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) der Bezirke und ihrer Budgetierung durch
das Land. Damit die öffentliche Hand auch als Vorbild vorangehen kann, sollen in allen Bezirken auch durch
Landesunterstüzung endlich eigene Klimaschutzmanager*innen etabliert werden.
Seite 5 von 5Foto: moritz320/Pixabay_CC0 Weil die Zukunft eben nicht egal ist: Grüne Eckpunkte zum Berliner Doppelhaushalt 2020/21
Selten ging es Berlin finanziell so gut wie heute. Aber selten blieb in der Haushaltspolitik so viel zu tun, wie jetzt und in den kommenden Jahren. Denn der Gleichklang aus Investitionen und Konsolidierung stößt an seine Grenzen: Klimanotstand und Mietenwahnsinn, demografischer und digitaler Wandel stellen neue und grundsätzlichere Fragen an das urbane Zusammenleben. Ob Verkehrs-und Energiewende, bezahlbarer Wohnraum in lebenswerten Quartieren, oder die Modernisierung der öffentlichen Grundversorgung: Eine ebenso progressive wie nachhaltige Finanzpolitik muss heute umsteuern, damit ein besseres Morgen möglich ist. Für uns Grüne war Nachhaltigkeit deshalb schon immer ein Leitmotiv, auch in unserer Haushalts-und Investitionspolitik.
Foto: Grüne Fraktion Berlin 11-Punkte-Plan für mehr Bäume und Baumpflege in Berlin
Bäume sind wichtig für das Leben in der Stadt. Sie bieten zahlreichen Tieren und Insekten einen Lebensraum, säubern die Luft von Staub und Schadstoffen, spenden Schatten und kühlen durch Verdunstung. So helfen sie den Berlinerinnen und Berlinern mit den zunehmenden Wetterextremen durch die Klimaüberhitzung zurechtzukommen. Die Grüne Fraktion will daher mit ihrem 11-Punkte-Plan Berlin zu mehr Bäumen verhelfen.
Inhalt:
Beschluss der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin
Grüner 11-Punkte-Plan für mehr Bäume und Baumpflege in Berlin
Berlin grüne Hauptstadt
Bäume sind wichtig für das Leben in der Stadt. Sie bieten zahlreichen Tieren und Insekten einen Lebensraum, säubern die Luft von Staub und Schadstoffen, spenden Schatten und kühlen durch Verdunstung. So helfen sie den Berlinerinnen und Berlinern mit den zunehmenden Wetterextremen durch die Klimaüberhitzung zurechtzukommen. Die Bäume an Straßen, Grünanlagen, Friedhöfen und Wäldern machen Berlin zu einer grünen Hauptstadt. Nachdem die Anzahl der Straßenbäume in Berlin im zweiten Weltkrieg sehr reduziert wurde, gab es anschließend eine erfreuliche Erholung des Bestandes. Ende 2017 gab es an den Berliner Straßen rund 433.000 Bäume und unzählige weitere in Gärten, Parks und Grünanlagen.
Die Berliner Bäume sind bedroht
Obwohl die Anzahl der Berliner Straßenbäume sich historisch gesehen erfreulich erholt hat, ist der Berliner Baumbestand aktuell bedroht. Immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse, wie der Orkan Xavier im Herbst 2017, entwurzeln zahlreiche Bäume oder schädigen diese so stark, dass sie gefällt werden müssen. Auch die anhaltende Hitzewelle und große Trockenheit des Sommers 2018 war, insbesondere für Jungbäume, eine große Belastung. Durch die sich verstärkende Klimaüberhitzung werden diese Ereignisse in Zukunft häufiger die Berliner Bäume schädigen. Zudem verschärft sich der Flächenkonflikt zwischen dem Stadtgrün und Neubau oder Nachverdichtungsprojekten. Nicht immer werden gefällte Bäume durch Neuanpflanzungen ersetzt.
Selbst wenn der Platz nicht knapp wird, haben Bäume in einer Großstadt wie Berlin einen herausfordernden Lebensraum: Böden werden mit Beton und Asphalt versiegelt, Streusalz greift die Wurzeln an, Hunde pinkeln an Bäume. Das macht sie krank und schwach und
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begünstigt Schädlingsbefall. Die Folge: aufgrund mangelnder Verkehrssicherheit müssen die Bäume gefällt werden.
Wir müssen uns um unsere Bäume kümmern
Aus diesem Grund ist neben dem konsequenten Schutz der Bäume eine regelmäßige Pflege ebenso wichtig, wie das zuverlässige Nachpflanzen von ausreichend neuen Bäumen. Für jeden gefällten Baum muss mindestens ein neuer gepflanzt werden. Darüber hinaus muss es für eine erfolgreiche Baumpolitik jederzeit ein detailliertes Bild über Bestand und Gesundheitszustand aller Berliner Bäume geben. Dazu gehört auch ein Überblick über freie Flächen an denen Nachpflanzungen möglich sind.
Muss doch mal ein Baum gefällt werden, ist die Kommunikation mit den Anwohner*innen noch viel zu oft mangelhaft. Menschen, die sich stark mit „ihren“ Straßenbäumen identifizieren, verstehen nicht, warum ein gesund aussehender Baum gefällt werden muss. Deshalb muss dringend mehr Transparenz über die Gründe einer Fällung hergestellt werden.
Die beschriebenen Probleme und Aufgaben stellen die zuständigen Bezirke jedoch vor erhebliche personelle und finanzielle Herausforderungen. Die Einsparungen bei den Grünflächen– und Naturschutzämtern aus den vergangenen Jahrzehnten erschweren die Situation zusätzlich und wirken sich auch heute noch auf die Qualität der Baumpflege und auf die Zahl der Neuanpflanzungen aus.
Grüne stehen für den Schutz und Ausbau des Baumbestandes
Wir Grüne setzen uns daher auf allen Ebenen der Berliner Politik für den Erhalt jedes einzelnen Baumes ein und wollen Berlin noch grüner machen. Deshalb haben wir im Doppelhaushalt 2018/2019 die Mittel für Neuanpflanzungen von Bäumen und deren Pflege sowie die Beseitigung von Sturmschäden massiv um 8 Millionen Euro erhöht. Gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, den Bezirken, landeseigenen Betrieben und der Stadtgesellschaft wollen wir weitere Maßnahmen und Leitlinien umsetzen, um den Berliner Baumbestand zu schützen, zu pflegen und zu erneuern.
Eine intensive Pflege ist der beste Baumschutz
Bäume können sehr alt werden. Die in Berlin unter den Straßenbäumen am häufigsten vertretenen Arten Linde, Ahorn und Eiche erreichen an natürlichen Standorten häufig ein Alter von mehreren hundert Jahren. Das Leben eines Baumes an einer Straße in der Stadt ist aufgrund der widrigen Umweltbedingungen, wie den Belastungen mit Abgasen, Hundekot, einer flächigen Bodenversiegelung sowie Schädigungen der Rinde durch menschliches Handeln wesentlich kürzer. Selten wird ein Straßenbaum älter als 100 Jahre. Aus diesem
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Grund ist eine sorgfältige Pflege der Stadtbäume und ihrer Standorte besonders wichtig, um den Bestand zu erhalten. Die vielfältigen Pflegemaßnahmen reichen dabei vom Wässern und Düngen über den Baumschnitt bis hin zur Baumscheibenpflege und den Einbau von Schutzvorrichtungen.
Mit folgenden Maßnahmen wollen wir die Baumpflege intensivieren und besser machen:
1. Verbindliche Baumpflegestandards einführen und Mittel für Stadtbäume durch Baumbudgets verdoppeln
Wir setzen uns dafür ein, den Berliner Bezirken über die bezirklichen Globalsummen für die Pflege und Unterhaltung der Stadtbäume bereitgestellten Mittel dauerhaft deutlich zu verstärken. Dabei ist bereits im Doppelhaushalt 2020/2021 je Straßenbaum im entsprechenden „Produkt“ ein Budget von jährlich 80 Euro zur Verfügung zu stellen, ohne diesen Aufwuchs an anderer Stelle im bezirklichen Budget einzusparen. Dies entspricht in etwa einer Verdopplung der Mittel. Viel zu lange wurde an den Berliner Bäumen gespart. Wir werden diese Mangelwirtschaft beenden. Gleichzeitig sollen mit den Bezirken Zielvereinbarungen geschlossen werden, damit das Geld der Unterhaltung, Pflege, Neupflanzung von Stadtbäumen zugutekommt. Um die effektive und effiziente Verwendung der erhöhten Finanzmittel sicherzustellen, müssen die bezirklichen Straßen– und Grünflächenämter mit zusätzlichem und fachlich qualifiziertem Personal ausgestattet werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Baumpflegemaßnahmen des „Handbuchs gute Pflege“ zu verbindlichen Standards für die bezirkliche Baumpflege werden. So soll eine gleichmäßig hohe Qualität der Pflegemaßnahmen berlinweit gewährleistet werden.
2. Entwicklungspflege zehn Jahre über Stadtbaumkampagne finanzieren
Jungbäume brauchen besonders intensive Pflege um den Anwuchserfolg zu sichern und Fehlentwicklungen zu vermeiden. Um die Bezirke bei dieser wichtigen Aufgabe zu entlasten, muss die Betreuung der Neuanpflanzungen nicht wie bisher drei, sondern künftig zehn Jahre im Rahmen der Stadtbaumkampagne durch den Senat übernommen werden, wie es seit langem durch die Berliner Umwelt– und Naturschutzverbände gefordert wird. Dies ist im kommenden Doppelhaushalt finanziell zu unterlegen. Parallel ist es auch wichtig, Lösungen zu finden, die Entwicklungspflege auch bei den von den Bezirken gepflanzten Bäumen auf zehn Jahre zu verlängern.
3. Notfallprogramm Trockenheit mit Hilfe von BSR, Berliner Wasserbetriebe, Feuerwehr, Polizei und Berliner*innen realisieren –– Sommerdienst einführen
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In Zeiten extremer Trockenheit stellt das Wässern der Bäume die Bezirke vor eine enorme logistische und personelle Herausforderung. In Zukunft werden diese Trockenperioden als Folge der Klimaüberhitzung häufiger werden. Kurzfristig haben wir daher in der Hitzeperiode des Sommers 2018 ein Notfallprogramm gegen Trockenheit für das Gießen gestartet und die Bezirke zu diesem Zweck mit knapp einer Millionen Euro ausgestattet. Für die Zukunft setzen wir uns dafür ein, dass in Anlehnung an den Winterdienst ein Sommerdienst eingerichtet wird, damit Grünflächen, Parks und Straßenbäume in Trockenperioden genug gewässert werden. Wir werden die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) in die Lage zu versetzen, die Bezirke unbürokratisch und schnell beim Bewässern der Bäume zu unterstützen. Wir wollen angesichts dieser Herausforderung die bezirklichen Straßen– und Grünflächenämter bei der Einstellung von Fachpersonal weiter finanziell stärken. Dabei sind auch die BSR und Berliner Wasserbetriebe wichtige Partnerinnen, wenn sie eine Bewässerung zu angemessenen Preisen anbieten.
4. Möglichkeiten der Digitalisierung für die Sicherung des Baumbestandes nutzen
Die Digitalisierung des öffentlichen Grüns in Berlin erfolgt schon seit 1990er Jahren über das Grünflächeninformations– und –managementsystem (GRIS) in der bezirklichen Verantwortung. Sie sind zuständig für die Erfassung und Pflege der Daten. Auch hier ist es von großer Bedeutung, die bezirklichen Straßen– und Grünflächenämter besser als jetzt auszustatten, damit sie bei der Datenerfassung und ––pflege handlungsfähiger sind. Aktuell sind im GRIS ungefähr 430.000 Straßen– und 470.000 Anlagenbäume mit einer Vielzahl von Attributen und den Standortkoordinaten erfasst.
Wir setzen uns dafür ein, die Potentiale der Digitalisierung insbesondere im Rahmen der Berliner Open–Data–Strategie für eine nachhaltige Baumpolitik zu nutzen. Daher werden wir dafür sorgen, dass die Datenerfassung und Übermittlung des Baumbestandes durch die Bezirke verbessert, standardisiert und an den Stand der Technik angepasst werden. Die breite Verfügbarmachung der Informationen des GRIS Berlin für die Öffentlichkeit erfolgt zur Zeit internetbasiert als Sach– und Karteninformation über das Geodatenportal Berlin. Weitere Lösungen zur Informations– und Interaktionsangebote für Berlinerinnen und Berliner mit mehr Aktualität und weitergehenden Auswertungsoptionen sind konzeptionell zu klären.
Der direkte Zugriff auf das Baumkataster ist aktuell aufgrund der hier gespeicherten personenbezogenen Daten eingeschränkt. Hierbei wollen wir die Erweiterungsmöglichkeiten des Zugriffs forcieren.
5. Bedingungen für Baum– und Baumscheibenpatenschaften verbessern
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Viele Menschen möchten sich persönlich für die Berliner Stadtbäume einsetzen. Sie kümmern sich in Absprache mit den Grünflächenämtern beispielsweise um das Bewässern der Bäume und die Pflege der Baumscheiben. Dazu ist eine Genehmigung der zuständigen Bezirksämter notwendig. Jeder Bezirk ist dabei frei, Auflagen zu formulieren oder Patenschaften zu verhindern. Wir wollen die Patenschaften in ganz Berlin unkompliziert und nach gleichen Standards gestalten, und uns weiterhin dafür einsetzen, dass dieses erfreuliche zivilgesellschaftliche Engagement in Zukunft in allen Bezirken Berlins möglich wird.
Es soll auch die Möglichkeit für Baumspender*innen der Stadtbaumkampagne geschaffen werden, eine Patenschaft für „ihren“ gespendeten Baum zu übernehmen.
Darüber hinaus soll die Stadtbaumkampagne evaluiert und ausgebaut werden.
6. Altbäume und Naturdenkmäler besonders schützen und pflegen
Altbäume (älter als 40 Jahre) sind für das Stadtklima besonders wertvoll. Werden sie gefällt, müssen zahlreiche Jungbäume nachgepflanzt werden, um ihre Leistung zur Reinigung und Kühlung der Luft auszugleichen. Solange die Verkehrssicherheit nicht gefährdet ist, müssen diese Bäume daher besonders stark geschützt werden. Aus dem gleichen Grund muss die Pflege der als Naturdenkmäler eingestuften Altbäume noch besser werden, und das Potential für weitere Naturdenkmale muss erforscht werden.
Mehr Bäume für eine lebenswertere Stadt
Leider wird der Berliner Baumbestand aus unterschiedlichsten Gründen immer wieder dezimiert oder beschädigt. Zum Beispiel entwurzelte das Orkantief „Xavier“ viele ökologisch wertvolle Bäume. Dies hatte zur Folge, dass 2017 rund 8.000 Straßenbäume weniger Berlins Straßen begrünten. Im gleichen Jahr wurden aber lediglich weniger als 2.000 Straßenbäume neu gepflanzt. Auch der Hitzesommer 2018 hat den Baumbestand weiter dezimiert. Um Berlin als grüne Hauptstadt zu erhalten, müssen aber in jedem Jahr mindestens so viele Bäume gepflanzt wie gefällt werden. Um die ökologische Leistung eines Baumes auszugleichen müssen sogar mehr Bäume gepflanzt als gefällt werden. Unser Ziel ist die „grüne Null“. Dafür wollen wir im Haushalt 2020/2021 die Finanzmittel nochmals erhöhen. Wir setzen uns mit folgenden Maßnahmen dafür ein, den Berliner Baumbestand zu vergrößern und möglichst viele hochwertige und an die Bedingungen der Stadt angepasste Bäume zu pflanzen.
7. Das Berliner Potential an Baumstandorten in einer Baumstudie erheben –– Baumleitplanung erstellen
Grundlage für den Schutz und die Erweiterung des Berliner Baumbestandes ist ein detaillierter Überblick über Zustand und Lage der Bäume in der Stadt. Darüber hinaus muss aber auch das räumliche Potential für den Aufwuchs von Stadtgrün, also vor allem mehr
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Stadtbäume, bekannt sein. Daher werden wir in einer Baumstudie die Erweiterungspotentiale für den Baumbestand in Berlin erheben und auswerten. Auf der Basis der Ergebnisse der Baumstudie wollen wir ein Pflanzkonzept („Baumleitplanung“) für Berlin entwickeln. Auch in der Innenstadt sollen neue Bäume gepflanzt werden, da es hier zu wenige Grünflächen zum Erholen und frische Luft gibt. Wir wollen in besonders grünarmen Kiezen „Grüne Oasen“ und „Wäldchen“ mit Bäumen schaffen.
8. Baumpflanzoffensive für eine essbare und summende Stadt starten–– Taskforce Stadtbäume einrichten
Nach Maßgabe der Baumleitplanung wollen wir in einer Baumpflanzoffensive den Berliner Baumbestand vergrößern und bis 2021 gemeinsam mit den Bezirken, landeseigenen Firmen und Wohnungsbaugesellschaften, Zivilgesellschaft und Bürgerinnen und Bürgern 1.000 Bäume (hier geht es nicht um die klassischen Straßenbäume) pro Bezirk in Baumpflanzaktionen pflanzen. Diese Offensive des Landes–Berlin ist aber darauf angewiesen, dass die nötigen Flächen durch die Bezirke identifiziert und Genehmigungen zügig erteilt werden. Bei den Neuanpflanzungen müssen nicht nur klimaresiliente Baumarten verwendet werden, sondern auch solche, die bienen– und bestäuberfreundlich sind. Bei der Pflanzenauswahl sollen auch alte Obstbaumarten berücksichtigt werden. Es ist auch an die Entwicklung von Obstwiesen zu denken. Dazu werden wir die landeseigene Grün Berlin GmbH, weitere landeseigene Betriebe, Wohnungsbaugesellschaften und private Akteur*innen in die Planungen mit einbeziehen. Die zuständige Senatsverwaltung soll prüfen, ob die Schaffung einer „Taskforce Stadtbäume“ hierbei hilfreich ist oder ob diese Aufgabe stellvertretend von einem Bezirksamt übernommen werden kann. Diese Organisationseinheit werden wir finanziell und personell entsprechend ausstatten. In jedem Fall soll der Senat mit allen zwölf Bezirken Zielvereinbarungen zur Erhöhung des Baumbestandes abschließen. Darin sollen sich die Bezirke verpflichten, dem Verlust von Stadtbäumen wirksam entgegenzutreten und aktiv mit messbaren Zielen dafür zu arbeiten den Baumbestand zu erhöhen. Der Senat muss sich in der Zielvereinbarung dazu bekennen, die finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Der Zugang zu Grünanlagen und Stadtgrün ist dabei eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Alle Berlinerinnen und Berliner, gerade solche mit geringen Einkommen, sollen die Chance haben, sich im Grünen erholen zu können. In Zusammenarbeit mit den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern wollen wir auch neue Bäume im Rahmen der Kleingartenflächen pflanzen und pflegen.
Baumfällungen: Strenge Prüfung, transparente Kommunikation und ortsnahe Nachpflanzungen
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Trotz größter Bemühungen kann nicht jeder Baum in Berlin erhalten bleiben. Es gibt begründete Ausnahmen, die eine Fällung rechtfertigen. Ist dies geplant, stehen wir Grünen für eine besonders strenge Prüfung, eine transparente Kommunikation und ortsnahe Nachpflanzungen. Manche Fällungen lassen sich aber auch durch eine frühzeitige Prüfung von Alternativen verhindern. Insbesondere ist dies beim Radwegebau erforderlich.
Die folgenden Maßnahmen stellen einen verantwortungsvollen Umgang mit unvermeidbaren Baumfällungen sicher.
9. Transparenz über die Gründe für Baumfällungen und Nachpflanzungen frühzeitig herstellen
Wir Grüne stehen für eine Politik, die sehr genau prüft, ob Bäume tatsächlich krank sind und ob eine Fällung gesunder Bäume zu verhindern ist. In diesen begründeten Ausnahmefällen legen wir sehr hohe Ansprüche an die Qualität der Kommunikation. Die zuständigen Bezirke sollen Anwohner*innen mit einer Frist von mindestens sieben Tagen über die Maßnahme informieren. Dies beinhaltet Hinweisschilder am Ort der Fällung. Der Grund für die Fällung und die zugrundeliegende Abwägung soll klar und deutlich benannt werden. Gutachten und Informationen zum Abwägungsprozess müssen online einsehbar sein. Die Ersatzpflanzungen sollen in örtlicher Nähe vorgenommen werden. Anwohnerinnen und Anwohner müssen hierüber bereits vor Fällung der Bäume online und auf Hinweisschildern informiert werden. Auch am Ort der Neuanpflanzungen soll entsprechend informiert werden.
Wie den Bezirksämtern für diese Aufgaben zweckgebunden und unbürokratisch Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden können, wollen wir Grünen klären.
10. Verstöße gegen die Baumschutzverordnung bei Bauvorhaben frühzeitig prüfen und Ausgleichspflanzungen statt Ablasshandel durchsetzen
Um Bäume bei privaten Baumaßnahmen ausreichend schützen zu können, setzen wir uns für eine frühzeitige Prüfung des auf dem Baugrundstück befindlichen Baumbestandes im Rahmen der Bauvoranfrage ein. So sollen Bauvorhaben noch so verändert werden können, dass kein durch die Baumschutzordnung geschützter Baum dem neuen Gebäude zum Opfer fällt. In der gängigen Praxis verhindern weit vorangeschrittene Planungen heute häufig, den Schutz der Bäume durchzusetzen. Um den Bezirken diese umfangreichen Prüfungen zu ermöglichen, setzen wir uns für die Schaffung von zusätzlichen Stellen bei den Bau– oder Umweltämtern ein und stellen entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung.
Wenn die Fällung eines geschützten Baumes genehmigt wird, soll in Zukunft zwingend mit den vorgegebenen Mengen in der Baumschutzverordnung nachgepflanzt werden. Ausgleichszahlungen müssen daher künftig zeitnah in das Pflanzen neuer Bäume investiert werden. Wir werden die Berliner Baumschutzverordnung entsprechend ändern (§6
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BaumSchVO). Den Datenbestand über Baumschutzverstöße und Ausgleichspflanzungen wollen wir verbessern. Dafür muss der Umgang mit Verstößen gegen die Baumschutzverordnung und Ausgleichsmaßnahmen in den Bezirken standardisiert und statistisch erhoben werden.
Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass die Bauordnung des Landes Berlin dahingehend geändert wird, dass bei jedem Bauvorhaben Bäume gepflanzt werden müssen. Dabei soll sich die Anzahl nach der Größe des Baugrundstücks richten.
11. Beim Radwegbau Parkplätze entfernen statt Bäume fällen
Berlin baut seine Radverkehrsinfrastruktur in den kommenden Jahren massiv aus, um das klimaschonende und stadtverträgliche Verkehrsmittel Fahrrad zu stärken, mehr öffentlichen Raum für die Menschen zurückzugewinnen und den Radfahrer*innen sichere und komfortable Wege entsprechend den Vorgaben des Berliner Mobilitätsgesetzes bieten zu können. Auch beim Bau von Radwegen sollen Bäume nur in absoluten Ausnahmefällen entfernt werden. Die Fällungen dürfen erst nach intensiver Abwägung vorgenommen werden, und es muss zwingend geprüft werden, ob eine alternative Wegeführung unter Beibehaltung der Standards des Mobilitätsgesetzes möglich ist. Sind an der entsprechenden Stelle PKW–Stellplätze vorhanden, sollten diese entfernt werden, bevor eine Baumfällung in Betracht gezogen werden kann. Auch die Umwidmung einer Fahrbahnspur ist zu prüfen. Das Mobilitätsgesetz mit dem darin verankertem Grundsatz des „fließenden vor dem ruhenden Verkehr“ ist hierbei maßgebend.
Zur genauen Ausgestaltung dieses Abwägungsprozesses sollte die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz von ihrer Möglichkeit zum Erlass von Ausführungsvorschriften an die Bezirke zum Schutz der Straßenbäume beim Radwegebau Gebrauch machen. Wir sehen alle Bezirke in der Pflicht, sich für den Erhalt der Straßenbäume einzusetzen. Hierbei ist von großer Bedeutung, die bezirklichen Tiefbauämter durch die Schulungen für das Thema zu sensibilisieren. Auch die Übernahme von Auflagen zum Schutz der Straßenbäume in die Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes über Geh– und Radwege (AV Geh– und Radwege) nach Vorbild der Ausführungsvorschriften zu § 12 des Berliner Straßengesetzes –– Sondernutzung öffentlicher Straßen für Zwecke der öffentlichen Versorgung– ist zu prüfen. Des Weiteren sollte die Senatsverwaltung gemeinsam mit den Bezirken ökologische Leitlinien entwickeln, um Auslegungsspielräume möglichst zu begrenzen und somit für eine nachvollziehbare und möglichst einheitliche Herangehensweise in den Bezirken zu sorgen. Nicht nur in den von uns Grünen mitregierten Bezirken muss das Augenmerk auf jeden einzelnen Baum gerichtet sein.
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Wir setzen uns darüber hinaus für die Einführung einer ökologischen Baubegleitung als Standard bei allen Baumaßnahmen ein. So wollen wir gewährleisten, dass die bestehenden Auflagen und Maßnahmen zum Schutz des Baumbestandes angewandt werden.Grafik: Nina Polumsky/Grüne Fraktion Berlin Beschluss "Grüne Drogenpolitik – Prävention statt Drogenverbot"
Abhängige sind Suchtkranke. Sie brauchen keine Strafverfolgung, sondern bessere und systematischere Unterstützung. In unserem Fraktionsbeschluss zeigen wir Grünen die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer akzeptierenden Drogenpolitik in Berlin auf. Unser Beschluss skizziert in elf Forderungen, wie die Stadt von morgen drogenpolitisch aussehen kann.
Inhalt:
Beschlusspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen am 04.12.2018
GRÜNE DROGENPOLITIK: PRÄVENTION STATT DROGENVERBOT – FÜR EINE STARKE SUCHTPRÄVENTION UND AKZEPTIERENDE DROGENPOLITIK IN BERLIN
Selbstbestimmung und Aufklärung statt Tabuisierung
Im Mittelpunkt muss die Selbstbestimmung und Freiheit von Konsumierenden stehen. Der Konsum
psychoaktiver Substanzen ist Teil menschlichen Verhaltens. Die Gründe, warum Menschen Drogen
konsumieren, sind sehr vielfältig. Das Drogenverbot und der Fokus auf die Strafverfolgung stehen
der Selbstbestimmung und Freiheit von erwachsenen Konsumierenden entgegen.
Das Abstinenzmantra ist keine Suchtprävention. Weil Drogen nicht harmlos sind und gesundheitliche
Schäden verursachen können, müssen erwachsene (potenzielle) Konsumierende über die Droge, ihre
Wirkung, die gesundheitlichen Risiken und das Suchtpotenzial, Maßnahmen der Schadensminderung
und Verhalten im Notfall vorurteilsfrei aufgeklärt werden. Nur informiert können sie selbstbestimmt
eine Entscheidung für oder gegen den Konsum fällen.
Nicht immer ist der Drogenkonsum Ausdruck von Selbstbestimmung und Freiheit des/der Konsumierenden.
Problematisches Konsumverhalten und die Entwicklung von Abhängigkeitserkrankungen
sind von verschiedenen Faktoren abhängig, die sich darauf auswirken, ob der Konsum selbstbestimmt
bleibt. Eine Abhängigkeit ist eine schwere Erkrankung. Strafverfolgung oder Stigmatisierung
sind keine passenden Antworten auf die Probleme und Bedürfnisse suchterkrankter Menschen.
Entkriminalisierung statt sinnloser Kifferjagd
Das Drogenverbot konnte weder die Nachfrage, noch das Angebot von Drogen reduzieren. Die
Strafverfolgung von Konsumierenden verfehlt ihr Ziel. Der Drogenkonsum ist seit Jahren
gleichbleibend hoch. Die Jagd auf Konsumierende schränkt nicht nur deren Freiheit und
Selbstbestimmung ein, sondern setzt falsche Schwerpunkte für Polizei, Justiz und Staatsanwaltschaft.
Wertvolle Kapazitäten werden gebunden, die bei der Bekämpfung der organisierten
Drogenkriminalität fehlen. Gerade deshalb war es richtig, die sinnlosen Null-Toleranz-Zonen in
Berlin rund um den Görlitzer Park abzuschaffen. Die Kriminalisierung von Drogenkonsumierenden ist
unverhältnismäßig und kontraproduktiv.
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Denn Fakt ist: Die repressive Drogenpolitik fördert drogenbedingte Probleme. Sie löst sie aber nicht.
Auf dem Schwarzmarkt, der fest in den Händen der organisierten Kriminalität ist, existieren weder
Jugend- oder Verbraucher*innenschutz, noch Suchtprävention. Statt Menschen zu schützen,
erschwert das Drogenverbot für Betroffene den Zugang zu Hilfsangeboten und Therapie, denn
Betroffene haben Angst vor Sanktionen. Eltern decken die Cannabisabhängigkeit ihres Kindes aus
Scham und Angst vor Strafverfolgung, so dass medizinisch-therapeutische Hilfe oft erst viel zu spät
erfolgt. Ein Mensch mit Opiatabhängigkeit wird durch die Verurteilung zu einer Haftstrafe nicht
automatisch „clean“, denn Sucht ist eine Krankheit und kann nicht durch Repression geheilt werden.
Grüne Drogenpolitik: präventiv, vernünftig und akzeptierend
Wir Grüne setzen uns für eine evidenzbasierte und am Wohl der Menschen orientierte Drogenpolitik
ein. Drogenpolitische Maßnahmen müssen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen gründen und
dürfen nicht länger ideologisch in Stein gemeißelt sein. Jegliche Kriminalisierung von
Drogenkonsumierenden lehnen wir strikt ab. Unser Ziel ist es, die Schäden durch Drogen frühst-,
weitest- und bestmöglich zu reduzieren. Das gilt für alle legalen wie illegalen Drogen, ebenso wie
für stoffungebundene Suchtformen, wie die Spielsucht.
Wir Grüne stehen für eine starke Drogen- und Suchtprävention. Wir setzen auf einen
selbstbestimmten und informierten Drogenkonsum erwachsener Konsumierender. Drogen müssen
nach ihrem Risiko- und Suchtpotenzial wissenschaftlich bewertet und staatlich reguliert werden. Ein
reguliertes System etabliert Schutz und Sicherheit, setzt aber auch klare Grenzen. Kinder- und
Jugendschutz sind für uns nicht verhandelbar. Um Kinder und Jugendliche besser zu schützen und
die Prävention zu stärken, braucht es ein gemeinsames Vorgehen der verschiedenen Akteur*innen in
den Bildungs-, Jugend- und Gesundheitseinrichtungen sowie der Polizei, aber auch verstärkte
Information und Aufklärung für Eltern.
Um Schäden durch Konsum wirksam zu reduzieren, setzen wir auf glaubhafte Information und
Aufklärung über Drogen und ihre Risiken sowie schadensmindernde Maßnahmen. Für Menschen mit
einer Abhängigkeitserkrankung müssen leicht zugängliche Hilfsangebote und medizinische wie
therapeutische Versorgung zur Verfügung stehen.
Die drogenpolitischen Vereinbarungen im Rot-Rot-Grünen Koalitionsvertrag tragen eine klare Grüne
Handschrift. Hier sind uns wichtige Verhandlungserfolge gelungen, die Berlin braucht, um
Suchtprävention, Schadensminderung und Suchthilfesystem zu stärken. Die Umsetzung des
Cannabismodellprojektes und die Einführung von Drug-Checking sind für uns wichtige und längst
überfällige Schritte in der Drogenpolitik. Deshalb war und ist es für uns Grüne wichtig, im Haushalt
Gelder einzuplanen, die eine Umsetzung dieser Projekte ermöglichen.
Darüber hinaus haben wir Grüne jedoch den Anspruch, die Berliner Drogenpolitik weiterzudenken.
Der Wandel hin zu einer vernünftigen und akzeptierenden Drogenpolitik fängt mit der Umsetzung
der Koalitionsvereinbarungen erst an.
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Wir fordern:
• Die Etablierung eines landeseigenen Cannabisunternehmens zum Anbau von Cannabis zum
medizinischen Gebrauch zu prüfen.
• Die Gründung eines Cannabis-Städte-Netzwerkes für wissenschaftlich begleitete
Cannabismodellprojekte.
• Eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines Cannabiskontrollgesetzes in Deutschland
sowie zur Evaluation des Betäubungsmittelrechts.
• Eine Landesstrategie zur Prävention von Tabakkonsum, riskantem Alkoholkonsum sowie
Spiel- und Mediensucht.
• Eine Berliner Kampagne zur Aufklärung über Arzneimittelabhängigkeit sowie eine Studie
über Arzneimittelabhängigkeit in der Altersgruppe über 65 Jahren.
• Einen Runden Tisch zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von
drogenkonsumierenden Menschen und Menschen mit Suchterkrankungen in Haftanstalten.
• Den Ausbau von Drogenkonsumräumen und Diamorphinpraxen in Berlin sowie den Ausbau
von sicheren Spritzenentsorgungskanistern an Konsumorten.
• Ein Berliner Naloxonprojekt, um tödliche Opiatvergiftungen zu verhindern.
• Den Ausbau von Drug-Checking und Präventionsarbeit im Party-Setting.
• Leicht zugängliche Informationen und Unterstützungsangebote für Familien mit
Suchterfahrungen.
• Die Weiterentwicklung und Förderung der Fachstelle für Suchtprävention.
Cannabis auf Rezept ist endlich legal und der Cannabisanbau zu medizinischen Zwecken lizenziert
möglich. Das Land Berlin soll die Möglichkeiten prüfen, ob und wie ein landeseigenes Unternehmen
den Anbau und die Produktion von medizinischem Cannabis in Berlin umsetzen kann. Mit der
bundesgesetzlichen Regelung ist der Zugang zu Cannabis als Medizin nicht für alle betroffenen
Patient*innen gewährleistet. Denn wenn ein Rezept vorliegt und die Krankenkasse die Kosten
übernimmt, sind Cannabisblüten in der Apotheke oftmals nicht erhältlich oder die benötigte
Cannabissorte nicht verfügbar. Lieferengpässe stehen der Versorgung von Cannabispatient*innen
immer noch im Weg. Ein landeseigenes Unternehmen in Kooperation mit Wissenschaft, Forschung
und Industrie könnte einen Beitrag dazu leisten, die Versorgung mit medizinischem Cannabis zu
verbessern und weiterzuentwickeln. Der landeseigene Cannabisanbau kann – über die Versorgung
von Cannabispatient*innen hinaus – auch die Belieferung wissenschaftlich begleiteter Modellprojekte
in Deutschland mit Cannabis vereinfachen.
Die Umsetzung eines Cannabismodellprojekts ist der erste wichtige Schritt, um Erkenntnisse über die
regulierte Abgabe von Cannabis an erwachsene Konsumierende zu sammeln. Neben Berlin
interessieren sich weitere Städte für Cannabismodellprojekte. Akteur*innen, Wissen und Erfahrungen
sollen in einem Cannabis-Städte-Netzwerk gebündelt werden. Städteübergreifende und
wissenschaftlich begleitete Projekte können den Erkenntnisgewinn potenzieren und auch kollektive
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Projekte im ländlichen Raum ermöglichen. Für uns Grüne steht aber fest: Langfristig muss der
Cannabismarkt bundesweit reguliert und Konsumierende entkriminalisiert werden. Deshalb muss
sich das Land Berlin mit einer Bundesratsinitiative für die Einführung eines Cannabiskontrollgesetzes
einsetzen.
Die gescheiterte Cannabispolitik ist jedoch nur ein Beispiel für die verfehlte Drogenpolitik in
Deutschland. Das Betäubungsmittelrecht muss dringend auf den Prüfstand. Das Land Berlin muss
dazu eine Bundesratsinitiative zur Evaluation der beabsichtigten und unbeabsichtigten Wirkungen
des Betäubungsmittelrechts anstoßen. Wir wollen das Betäubungsmittelrecht dahingehend
weiterentwickeln, dass es eine evidenzbasierte Drogenpolitik in Deutschland etabliert, die nicht
länger von ideologischen Stoppschildern aufgehalten wird.
Suchtprävention muss gleichermaßen bei legalen Drogen ansetzen. Tabak und Alkohol sind die am
meisten konsumierten Drogen und können schwere gesundheitliche Schäden verursachen.
Prävention und Aufklärung müssen auch für legale Substanzen gestärkt werden. Wir fordern eine
Landesstrategie zur Prävention und Reduzierung von Tabakkonsum und riskantem Alkoholkonsum.
Ziel ist es, ein Maßnahmenpaket zu schnüren, dass über gesundheitliche Risiken aufklärt, den
Konsum legaler Drogen in Berlin reduziert sowie Kinder und Jugendliche wirksam vor den Schäden
durch Tabak und Alkohol schützt. Darüber hinaus müssen auch stoffungebundene
Suchterkrankungen wie die Glücksspielsucht und Mediensucht in den Fokus gerückt werden. Dazu
braucht es eine Strategie zur Verhütung von Spiel- und Mediensucht, die frühzeitig über die Risiken
der Spielsucht aufklärt, aber auch einen gesunden Umgang mit Medien trainiert. Alle
Präventionsstrategien müssen einen Maßnahmenmix beinhalten, der Verhaltens- und
Verhältnisprävention gleichermaßen berücksichtigt. Das Land Berlin soll prüfen, inwiefern ein
Lizenzierungssystem für Raucherbars dazu beitragen kann, den Nichtraucherschutz in Berlin zu
stärken. Gemeinsam mit den Bezirken soll die Verdrängung von Tabak-, Alkohol- und
Glücksspielwerbung vorangetrieben werden. Wir unterstützen die Abschaffung aller Werbeformen
für Tabak, Alkohol und Glücksspiel im Rahmen einer bundesgesetzlichen Regelung.
Arzneimittelabhängigkeit bleibt oft unerkannt. Viele Betroffene sind sich ihrer Suchterkrankung
nicht bewusst, da sie das Medikament ursprünglich ärztlich verschrieben bekamen. Um auf die
Risiken der Suchterkrankung aufmerksam zu machen und der Tabuisierung entgegenzuwirken, soll
eine landesweite Aufklärungskampagne zur Arzneimittelabhängigkeit initiiert werden, die sich an
die Öffentlichkeit sowie an die Gesundheitsberufe richtet. Insbesondere ältere Menschen und Frauen
sind häufiger von einer Arzneimittelabhängigkeit betroffen. Das Wissenüber
Arzneimittelabhängigkeit bei Menschen über 65 Jahren ist jedoch gering. Eine Studie über das
Ausmaß der Arzneimittelabhängigkeit im höheren Alter – auch in Hinblick auf den wachsenden
Anteil dieser Bevölkerungsgruppe – ist daher dringend notwendig.
Gefängnismauern sind keine Prävention gegen Drogenkonsum. Auch in Haftanstalten werden
Drogen hineingeschmuggelt und konsumiert. Inhaftierte Menschen leiden mitunter an einer
Abhängigkeitserkrankung, nicht selten müssen sie eine Haftstrafe aufgrund von Beschaffungskriminalität
absitzen. Um die gesundheitliche Versorgung von Menschen in Haft langfristig in den
Fokus zu rücken und nachhaltig zu verbessern, soll ein Runder Tisch zur Verbesserung der gesund-
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heitlichen Versorgung von drogenkonsumierenden Menschen und Menschen mit Suchterkrankungen
in Haftanstalten eingesetzt werden. Ziel dieser Arbeitsgruppe unter Beteiligung aller relevanten
Akteur*innen des Justizvollzugs, der Suchtprävention und -hilfe sowie Sozialhilfe und Wissenschaftler*
innen ist es, Empfehlungen zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von
drogenkonsumierenden Menschen und denen mit Abhängigkeitserkrankungen in Haft auszuarbeiten.
Diese Empfehlungen beziehen sich insbesondere auf die Behandlung von Suchterkrankungen,
Behandlung und Prävention von HIV- und Hepatitis-Infektionen, Zugang zu suchtmedizinischen
Fachärzt*innen sowie Diamorphin-Therapie und die lückenlose Sicherstellung des
Krankenversicherungsschutzes nach Haftentlassung.
Statt auf eine drogenfreie Welt zu setzen, muss es das Ziel sein, Schäden durch Drogen bestmöglich
zu reduzieren. Drogenkonsumräume sind lebensrettend. Deshalb müssen bedarfsgerecht neue
Drogenkonsumräume entstehen, aber auch die bestehenden Konsumräumen müssen erhalten, ihre
Öffnungszeiten erweitert und das Personal aufgestockt werden. Die Mitarbeitenden der
Drogenkonsumräume leisten nicht nur schnelle medizinische Hilfe bei unbeabsichtigter
Überdosierung, sondern bauen auch soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung von Konsumierenden
und Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen ab. Konsumräume sind ein notwendiger Rückzugsort
für Konsumierende, aber auch ein leicht zugängliches Hilfsangebot, das an medizinische und
therapeutische Einrichtungen sowie an die Wohnungslosenhilfe weitervermittelt. Beschäftigungsangebote
für Menschen mit Suchterkrankungen ermöglichen betroffenen Personen ihren Alltag zu
strukturieren, und müssen daher dringend gefördert werden.
Drogen werden dennoch auch an öffentlichen Orten konsumiert. Benutzte Spritzen, die an
öffentlichen Plätzen herumliegen, sind ein Sicherheitsrisiko und haben bereits zu vermeidbaren
Stichverletzungen geführt. Daher sind Spritzenentsorgungskanister gemeinsam mit den Bezirken an
Orten aufzustellen, wo Drogen injiziert werden, um Verletzungsgefahren bestmöglich zu vermeiden.
Substitutionstherapie und Diamorphinbehandlung haben maßgeblich dazu beigetragen, Menschen
mit Opiatabhängigkeitserkrankungen gesundheitlich und sozial zu stabilisieren. Deswegen muss
sichergestellt werden, dass jegliche Kriminalisierung von Suchtmediziner*innen ausgeschlossen wird
und der Zugang zu einer Substitutionsbehandlung in Berlin bedarfsgerecht gewährleistet ist. Die
Einrichtung einer weiteren Diamorphinpraxis ist für eine gute suchtmedizinische Versorgung in
Berlin wichtig.
Der Einsatz von Naloxon kann einer unbeabsichtigten Opiatvergiftung entgegenwirken. Wir wollen
ein Naloxonprojekt in Berlin etablieren, das den Einsatz von Naloxon fördert und dazu beiträgt,
Drogentote in reduzieren. Dazu sollen Menschen, die Opiate konsumieren, sowie ihre Angehörigen in
der Anwendung von Naloxon geschult werden. Dazu muss sichergestellt sein, dass alle Stellen, die
mit suchtkranken Menschen arbeiten, über kundiges Personal verfügen. Dies betrifft
Drogenkonsumräume, Therapieeinrichtungen und Präventions- und Suchtberatungsstellen sowie
Gefängnisse. Im Rahmen einer landesweiten Kampagne sollen Ärzt*innen, Apotheker*innen und
Betroffene für die Naloxonverschreibung sensibilisiert und über die Bedeutung dieser
schadensmindernden Maßnahme aufgeklärt werden. Ziel soll es sein, das alle Betroffenen mit
Naloxon ausgestattet sind, um dieses im Falle einer Überdosierung verabreichen zu können.
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Menschen, die Drogen konsumieren möchten, ist es nicht egal, was sie konsumieren. Drug-Checking
– die Analyse von Substanzen auf ihre Wirkstoffe und Zusammensetzung – in Verbindung mit
Drogenaufklärung ist eine wirksame Maßnahme, um Drogenschäden zu reduzieren. Drug-Checking
stärkt den gesundheitlichen Verbraucherschutz von Konsumierenden und erlaubt eine informierte
Entscheidung über Konsum oder Konsumverzicht. Wir wollen die finanzielle Förderung von Drug-
Checking-Projekten ausbauen. Unser Ziel ist es, dass neben der ausreichenden Finanzierung des
Drug-Checkings in Einrichtungen der Drogenhilfe, auch der Projektausbau durch mobile Drug-
Checking-Angebote ermöglicht wird. Darüber hinaus muss auch die finanzielle Förderung von
Präventions- und Aufklärungsangeboten im Party-Setting ausgebaut und verstetigt werden.
Alle Mütter und Väter wollen gute Eltern sein. Auch Menschen mit problematischem
Suchtmittelkonsum oder Abhängigkeitserkrankungen sorgen sich um ihre Kinder und möchten ihnen
das zukommen lassen, was sie brauchen, um gut und gesund aufzuwachsen. Die Suchterkrankung
wirkt sich jedoch nicht nur auf die betroffene Person aus, sondern auch auf das gesamte
Familienleben. In Familien mit Suchterfahrungen erleben Kinder häufig Streit, aber auch psychische
und körperliche Gewalt. Für Kinder von suchterkrankten Eltern ist es wichtig, sich an sichere
Bezugspersonen wenden zu können, die sie und ihre Eltern in schwierigen Situationen unterstützen.
Deshalb braucht es einen Ausbau von leicht zugänglichen Unterstützungsangeboten für Eltern mit
Suchterkrankungen. Akzeptierende Ansätze sind dabei zu fördern, die beispielsweise die
Punktnüchternheit des Elternteils stärken, aber auch Unterstützung bei der Kindeserziehung leisten
und suchttherapeutische Versorgung für die ganze Familie anbieten.
Die Fachstelle für Suchtprävention muss auch für die Zukunft gut aufgestellt werden und mit ihren
Aufgaben wachsen. Wir setzen uns für eine Weiterentwicklung und Förderung der Fachstelle für
Suchtprävention ein, um Suchtprävention in Berlin stärker zu machen. Daher soll eine dauerhafte
institutionelle Förderung der Fachstelle für Suchtprävention durch das Land Berlin geprüft werden.
Information und Aufklärung setzt nicht nur bei (potenziellen) Konsumierenden, sondern auch bei
Kindern und Jugendlichen, Eltern, Angehörigen der Gesundheits- und Sozialberufe oder der Polizei
an. Insbesondere Kinder und Jugendliche müssen verstärkt in den Bildungs- und Freizeitorten über
Konsum- und Suchtrisiken aufgeklärt werden. Dazu gehört es auch, Kindern und Jugendlichen
Kompetenzen zu vermitteln, die dazu beitragen, schwierige Lebensphasen zu meistern und die
sogenannte Resilienz zu erhöhen. Darüber hinaus ist die Koordination von suchtpräventiven
Maßnahmen wichtig, um in Berlin ein dichtes Netz an passgenauen und wirksamen Angeboten für
alle Zielgruppen und in verschiedenen Lebenswelten sicherzustellen.
Seite 6 von 6Grafik: Grüne Fraktion Berlin Beschluss "Moderne Verwaltung und zukunftorientierte Personalentwicklung"
Berlin braucht eine moderne Verwaltung, die bürgernah und leistungsfähig ist. Deswegen wollen wir den „kurzen Dienstweg für alle“ – also einen effizienten Bürgerservice in hoher Qualität. Der beste Indikator für eine gute Verwaltung sind die Berlinerinnen und Berliner selbst: Schnelle Behördengänge und guter Service auch in Stresssituationen sind die Indikatoren dafür, ob eine Verwaltung gut funktioniert. Damit dies immer klappt, braucht es neue Ideen und Mut zu Reformen. Dazu machen wir Vorschläge in unserem Beschlusspapier, dass wir im Rahmen unserer Frühjahrsklausur 2019 verabschiedet haben.
Inhalt:
Beschlusspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, 15.03.2019
MODERNE VERWALTUNG UND ZUKUNFTSORIENTIERTE
PERSONALENTWICKLUNG
Die Mitarbeiter*innen der Berliner Verwaltung haben in den vergangen Jahren Großartiges geleistet. Allen
Sparrunden zum Trotz haben sie es geschafft den Betrieb am Laufen zu halten. Trotz fehlendem Wissensmanagement,
wenn jemand in den verdienten Ruhestand ging, und meist ohne dass jemand Neues eingestellt
wurde, haben die verbliebenen Kolleg*innen die Arbeit weitergeführt. Dafür möchten wir uns bedanken!
Heute steht die Berliner Verwaltung erneut vor großen Aufgaben. Denn Jahr für Jahr kommen 40.000 bis
50.000 Menschen zusätzlich in unsere Stadt. Nach den Jahren des Sparens fehlt in unseren Verwaltungen
eine Generation Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil über Jahre praktisch nicht mehr eingestellt wurde. In
den kommenden sechs Jahren werden durchschnittlich 30 Prozent der Beschäftigten altersbedingt ausscheiden
und müssen unter erschwerten Bedingungen (Konkurrenz am Arbeitsmarkt) nachbesetzt werden.
Nur Nachbesetzen wird aber nicht reichen: Mehr und bessere Verwaltungsverfahren zu wollen, heißt auch,
dass in zentralen IT-Bereichen und bei Fachverfahrensbetreuungen mehr und neues Personal angesiedelt
werden muss.
Denn: Viele Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung sind verbesserungswürdig. Wartezeiten sind zu
oft zu lang und der Service wird häufig als schlecht empfunden. Auch aus Sicht der ganz überwiegend motivierten
und kompetenten Beschäftigten mangelt es vielfach an effizienten Verfahren und teils auch an guter
Führung, die Mut und Engagement fördert.
Dies zu ändern ist die zentrale Aufgabe der kommenden Jahre. Ohne eine modernisierte Verwaltung lässt
sich in Berlin weder die Mobilitätswende organisieren, noch der sozialen Spaltung entgegen wirken. Ohne
zeitgemäßes E-Government wird die wirtschaftliche Entwicklung hinter den enormen Potentialen zurückbleiben
und ohne funktionierende Sozial- und Jugendämter werden wir der sozialen Spaltung unserer Stadt
nicht entgegen wirken können.
Der rot-rot-grüne Senat hat sich mit der Arbeit und dem Bericht der Steuerungsgruppe zur Verbesserung
der gesamtstädtischen Verwaltungssteuerung einen Arbeitsauftrag gesetzt. Dieser soll mit dem geplanten
Verwaltungskongress und dem Zukunftspakt Verwaltung in einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Rat
der Bürgermeister*innen (RdB) umgesetzt werden. Dies begrüßen wir ausdrücklich.
Allerdings bleibt der Themenkomplex der Digitalisierung hier zu weit außen vor. Wir, die bündnisgrüne
Fraktion, findet, dass die Themen Digitalisierung, Verwaltungsmodernisierung und zukunftsorientierte
Personalentwicklung nicht unabhängig voneinander gedacht werden können.
Wir haben das Ziel, den Berliner*innen ein Serviceversprechen zu geben: Ob bei der Kfz-Zulassung oder
dem Elterngeld, bei der Einbürgerung oder der Eheschließung, beim Radweg oder Zebrastreifen: Wir wollen
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die Digitalisierung voran bringen und Prozesse beschleunigen. Wir wollen einen modernen, dienstleistungsorientiertem,
bürgernahen und leistungsfähigen öffentlichen Dienst. Und wir wollen Schritt halten –
mit der technologischen und demografischen Entwicklung in Berlin.
Das geht nur, wenn wir gleichzeitig den Personalzuwachs weiter vorantreiben und die Arbeitsbedingungen
unserer Beschäftigten verbessern. Rot-Rot-Grün hat sofort mit Regierungsantritt begonnen, energisch umzusteuern
und allen Verwaltungseinheiten,und insbesondere den Bezirken, deutlich mehr Geld für Personal
zur Verfügung gestellt. In den letzten beiden Jahren konnten 600 Millionen Euro mehr für Personal tatsächlich
verausgabt werden. Außerdem lösen wir Bündnisgrüne unser langjähriges Versprechen ein und führen
nach der Bezahlung der Tarifbeschäftigten bis Ende der Wahlperiode nun auch die Besoldung der Beamt*innen
an den Länder-Durchschnitt heran. Darüber hinaus hat der Senat Ende 2018 Eckpunkte für ein Personalentwicklungskonzept
vorgelegt.
Vieles ist also schon auf den Weg gebracht. Dennoch bleibt es die zentrale Aufgabe für die nächsten Jahre,
die Themen Verwaltungsmodernisierung und zukunftsorientierte Personalentwicklung zusammenzudenken
und voranzubringen. Im Folgenden unterbreiten wir dazu eine Reihe von Vorschlägen.
1. Die Berliner Verwaltung – bürgernah und digital für alle Berliner*innen und
Berliner
Je moderner unsere Verwaltung ist, desto leistungsfähiger kann sie auf gesellschaftliche Veränderung
reagieren und diese sogar aktiv mitgestalten. Da sich Berlin in rasantem Tempo verändert, nimmt sich diese
Koalition der Herausforderung an, Berlins Verwaltung zu modernisieren und zu digitalisieren. Noch scheinen
Vorhaben, wie die komplett elektronische Aktenführung und eine behördenübergreifende Kommunikationsplattform
für Bürger*innen in weiter Ferne. Doch bereits mit dem Berliner E-Government-Gesetz haben
wir den gesetzlichen Rahmen für die nötigen Entwicklungen geschaffen.
Umsetzung des Berliner E-Government-Gesetzes: Digitalisierungsvorhaben beschleunigen
Die Bestandsaufnahme zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes zeigt uns zu Beginn des Jahres 2019
wie viel Arbeit noch vor dem Berliner Senat liegt. Mehr als zwei Jahre nach Verabschiedung jenes Gesetzes,
welches die gesetzlichen Verbindlichkeiten für die Digitalisierung aller Bürgerdienste und Verwaltungsdienstleistungen
festgeschrieben hat, sind viele Fragen hinsichtlich der Handlungsschwerpunkte und des
Erreichens von Zielen offen, die sich der Berliner Senat selbst gesetzt hat. Als einen zentralen Baustein
wollen wir Grünen die Arbeit des IKT-Lenkungsrates weiterentwickeln. Er soll seinen Aufgaben nach § 22
des Berliner E-Government-Gesetzes (Beratung IKT-Staatssekretärin) besser als bisher nachkommen. Die
Beratung zu strategischen und verwaltungsübergreifenden Themen muss in den Fokus gerückt werden, um
damit die Wirksamkeit der Digitalisierungsvorhaben zu erhöhen.
Auch ist die Leistungsfähigkeit des ITDZ ein kritischer Erfolgsfaktor für die Umsetzung der Digitalisierung
der Berliner Verwaltung. Diese Leistungsfähigkeit wollen wir weiterentwickeln und unterstützen. Unser Ziel
ist, dass ITDZ zu einem handlungs- und leistungsfähigen IT-Dienstleister mit klaren Aufgaben und Kompetenzen
zu entwickeln.
Bis zur Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2020/2021 ist die ITK-Steuerung in der Verantwortung, einen
aktualisierten Maßnahmenplan mit Handlungsschwerpunkten für die Jahre 2020 bis 2023 vorzulegen. Die
Umsetzungsschritte und -erfolge des E-Government-Gesetzes in Berlin sollen damit hinreichend konkret,
transparent und kontinuierlich dargestellt werden. Dieser Maßnahmenplan wird Grundlage der Haushalts-
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beratungen für den kommenden Doppelhaushalt. Damit schaffen wir Planungssicherheit für die Beschäftigten,
die Bürger*innen aber auch für die beteiligten Dienstleister.
Im Maschinenraum klar Schiff machen – das Berliner Geschäftsprozessmanagement
Viele Verwaltungsprozesse dauern in Berlin zu lang. Interne Arbeitsabläufe, sogenannte Geschäftsprozesse,
haben sich über die Jahre entwickelt und dabei oft technische und organisatorische Innovationen vorbei
streichen lassen.
Ein PC ohne Fachverfahren nützt nichts: Heute wird das Verwaltungshandeln durch über 1.000 IT-Fachverfahren
unterstützt. Davon sind rund 320 IT-Fachverfahren in einer sogenannten IT-Bestands- und Planungsübersicht
offiziell erfasst. Die übrigen 700 IT-Fachverfahren sind häufig nur dezentral bekannt. Oft fehlen
die erforderlichen Dokumentationen, Betriebs- und Sicherheitskonzepte, die Beteiligungen bei den Beschäftigtenvertretungen
sowie die Erfassungen gemäß Datenschutzgrundverordnung. Eine Folge der fehlenden
Übersicht ist auch, dass die Berliner Verwaltung für gleiche Aufgaben verschiedene Lösungen einsetzt.
Um dies zu ändern, wurde im Juni 2016 mit dem E-Government-Gesetz der Arbeitsauftrag erteilt, umfassend
alle Geschäftsprozesse der Berliner Verwaltung auf den Prüfstand zu stellen. Die rot-rot-grüne Koalition hat
sich zu diesem Ziel bekannt und nach einigen Anfangsschwierigkeiten auf den Weg gemacht. Um schneller
Fortschritte zu erzielen, sind die dafür zu Verfügung gestellten Personalressourcen von derzeit 3 VzÄ je Senatsverwaltung
und 2 VzÄ pro Bezirk zu verdoppeln. Insbesondere sollen in allen Verwaltungen gezielt
Kompetenzen zum Projektmanagement gestärkt werden und insbesondere durch die Verwaltungsakademie
entsprechende Einführungs- und Vertiefungsfortbildungen angeboten und genutzt werden. Das „Einführungskonzept
für ein gesamtstädtisches Geschäftsprozessmanagement“ ist im Hinblick auf die Kooperation
zwischen Senatsfachverwaltungen und deren nachgeordnete Behörden sowie den Bezirken auszudifferenzieren
und in eine gesamtstädtische Struktur zur Verwaltungssteuerung zu integrieren.
Dabei arbeiten die jeweils zuständigen Senatsverwaltungen immer stellvertretend mit einem Bezirk zusammen.
In jedem Fall müssen die Arbeiten durch ein zeitgemäßes Projektmanagement organisiert werden.
Teilweise wird für den Prozess auch auf externe Unterstützung zurückgegriffen. Im Laufe der Zeit wird diese
weniger benötigt werden, da das Land Berlin eigene Expertise aufbaut und zukünftig in der Lage sein wird,
diese Aufgabe hauptsächlich mit eigenen Mitarbeiter*innen weiterzuführen. Diese „Inhouse-Beratung“ ist
eine wichtige Grundlage für die Qualitätssicherung der Prozesse zur Verwaltungsmodernisierung.
Zentral für Bündnis 90/Die Grünen ist: Die Optimierung der Prozesse darf nicht vor den Gesetzen und Verwaltungsvorschriften
halt machen, um beispielsweise Doppelzuständigkeiten zu hinterfragen. Wir setzen
konsequent auf die Möglichkeit, Dienstleistungen auch online erledigen zu können. Aktuelle gesetzliche
Normen, die ein persönliches Erscheinen vorsehen, gehören auf den Prüfstand. Wenn der Aufwand für die
Änderung von Vorschriften in Relation zum Nutzen in der Sache und für die Bürgerinnen und Bürger verhältnismäßig
erscheint, sollten diese Änderungen in Angriff genommen werden. Entsprechende Vorschläge
für Gesetzesänderungen nehmen die Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus dankbar entgegen.
Um den Modernisierungsprozess der kommenden Jahre parlamentarisch zu unterstützen und zu begleiten
wollen wir Mitarbeiter*innen der Berliner Verwaltung einmal im Jahr ins Berliner Abgeordnetenhaus einladen.
Ziel eines solchen Mitarbeiter*innenkongresses im Berliner Abgeordnetenhaus soll es sein, innovative
Ideen zur Modernisierung der Berliner Verwaltung zu fördern. Dazu soll es einen Pitch der besten Ideen
geben. Ideen sollen alle Mitarbeiter*innen der Berliner Verwaltung, gern auch anonym und zu diesem Anlass
ohne Berücksichtigung der Verwaltungshierarchie, einreichen können. Im kommenden Doppelhaushalt
wollen wir dafür ein „Innovationsbudget moderne Verwaltung“ etablieren und daraus den Gewinner*innen
die Umsetzung ihres Projektes (inklusive Prokjektleitung) sowie beispielsweise eine Weihnachtsfeier für das
Team finanzieren.
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Was kommt dabei für die Bürger*innen raus?
Die intensiven Anstrengungen und die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Ressorts und
Verwaltungsebenen ist dabei kein Selbstzweck. Das klare Ziel ist: Digitalisierungsvorhaben müssen am
Ende für die Bürger*innen und die Wirtschaft wirksam werden und zu spürbaren Erleichterungen führen.
Mit dem digitalen Bürgeramt oder „Service-Konto Berlin beim Service- und Dienstleistungsportal der Berliner
Verwaltung“, wie es heute noch heißt, haben wir den Einstieg in die digitale Verwaltung geschafft. Mit
dem Stand vom Oktober 2018 hatten bereits 21.207 Berliner*innen ein Service-Konto Berlin angelegt.
Allerdings sind weitere Schritte überfällig. Nicht alles können wir auf Landesebene regeln. Das Ziel, den
neuen Personalausweis per Notebook oder Handy zu beantragen und kurze Zeit später im Bürgeramt abholen
zu können, ist zum Beispiel kurzfristig nicht umsetzbar. Der Grund: Das Bundesinnenministerium will
das Verfahren, das persönliche Besuche im Bürgeramt bei der Beantragung und Abholung vorschreibt, derzeit
nicht ändern. Auf Landebene aber sorgen wir dafür, dass Berliner*innen zumindest den Bearbeitungsstatus
ihres beantragten Personalausweises oder Reisepasses online abfragen können.
Zukünftig soll der Senat auch über den Arbeitsstand von weiteren Verwaltungsabläufen, die komplett
online abgewickelt werden können, regelmäßig informieren; wie z.B. die Beantragung des Wohngeldes –
von der Antragsstellung bis zur Zustellung eines Bescheides.
Auch bei den Identifikation-/Loginmöglichkeiten wollen wir weiterdenken. Ein Vorbild ist dabei das
bundesweit funktionierende Identifizierungsverfahren zur ELSTER-Nutzung, das bereits von 310.000 Berlinerinnen
und Berlinern genutzt wird. Dabei ist klar: Die Entwicklung in diesem Bereich sollten Bund und
Länder im IT-Planungsrat einheitlich regeln. Das Online-Zugangsgesetz des Bundes setzt hierfür den
gesetzlichen Rahmen.
Ein Vorteil von Onlineverfahren und Onlineformularen ist die einfache Möglichkeit sie in vielen verschiedenen
Sprachen anzubieten. Hierzu ist zuerst nur die Übersetzung der Erklärungsfelder nötig. Die eingegebenen
Antworten liegen dann digital in dem dafür vorgesehen Format vor und können – wenn nötig zentral
oder automatisch – übersetzt werden. Hierfür wollen wir das Berliner Serviceportal, auf das jede/r
Berliner*in mit dem Berliner Servicekonto zugreifen kann, weiterentwickeln.
Ein weiteres Beispiel, das zeigt, wie wichtig die Möglichkeiten der Digitalisierung sind, ist der „Kita-
Navigator“. Denn bis heute ist die Suche eines Kitaplatzes in Berlin für alle Beteiligten unzureichend gelöst.
Städte wie München sind hier schon weiter. Dort hat sich nach Einführung des Kita-Finders die Kitasuche
deutlich entspannt. Mit dem „Kita-Navigator“ wird auch Berlin in diesem Jahr die Möglichkeiten eines ITVerfahrens
nutzen. Eltern sollen dort hinterlegen können in welchem Umkreis sie suchen und beispielsweise
welche Öffnungszeiten benötigt werden. Über das Online-Verfahren können sie ihre Anfragen dann an
die favorisierten Kitas schicken (in anderen Städten ist die Anfrage z.B. auf 5-10 Kitas begrenzt). Alle
Antworten (z.B. eine Gesprächseinladung oder Meldung, dass die Kita schon voll ist) gehen dann über das
Postfach des Navigators ein. Wichtig: Kitas können im System ein Kind für einen Platz vormerken und die
Kita erfährt automatisch, ob die Familie bereits einen Vertrag woanders geschlossen hat oder zum Beispiel
weggezogen ist. Damit entwirrt sich das Wartelisten-Chaos.
Auch andere Beispiele sollen zeigen, welche Chancen der begonnene Weg in die digitale Verwaltung hat,
gerade für die drängendsten Probleme Berlins im Kontext der wachsenden Stadt und den zugehörigen
Infrastrukturbedarfen.
So wollen wir unter anderem die öffentlichen Bauvorhaben Berlins verbessern, indem wir in allen Baudienststellen
und bei allen Bewirtschaftern von Immobilien Systeme für das Building Information Modeling
(BIM) einführen. So werden Bauprozesse organisiert und digital unterstützt. Das Ergebnis wird konsistente
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Planung, Kostenkontrolle und das Wissen um die eingesetzten Bauteile sein. Für jedes Gebäude wird ein
Bauwerksdatenmodell erstellt, mit dem alle Beteiligten arbeiten.
Entsprechend soll auch beim Gebäudebestand das Datenmanagement verbessert werden. Wir wollen die
Vermögensbuchhaltung im Land Berlin zu einem nachhaltigen Gebäudedatenbank- und -managementsystem
weiterentwickeln – indem nachgehalten wird, wann was zuletzt an welchem Gebäude gemacht wurde.
Ergänzend soll die Zumessung der Bauunterhaltspauschalen auf dem KGST-Index zur Instandhaltung beruhen
und damit so transparent wie auskömmlich gestaltet werden. Auf diese Weise wollen wir zu einem
nachhaltigen Gebäudemanagement kommen und verhindern, dass die öffentliche Infrastruktur je wieder
versteckt auf Verschleiß gefahren werden kann.
Bei aller Online-Euphorie: wir werden für die Menschen, die sich in der digitalisierten Welt unsicher bewegen,
immer mitdenken. Wir wollen sie im Umgang mit den digitalen Bereichen unterstützen und so der digitalen
Spaltung entgegenwirken. Für diese Herausforderung spielen Stadtteilzentren, Bibliotheken und
andere soziale Orte in den Kiezen eine große Rolle. Denn die Kombination aus Online-Angeboten und
Unterstützung im direkten Wohnumfeld oder durch die Berliner Service-Hotline 115 erleichtert den Zugang
zu Berliner Verwaltungsdienstleistungen. So lassen sich viele Wege sparen. Lernen können wir dabei auch
von Projekten wie dem digital-analogen Briefkasten des Senioren-Computerclubs in Berlin-Mitte, der auch
handschriftliche Briefe auf eine Nachbarschaftsplattform überträgt.
Technische Grundlage für die digitale Verwaltung: IKT-Standardisierung und Modernisierung
Die Grundlage für all die Verwaltungsverfahren in der digitalen Verwaltung wird in Berlin künftig der
„BerlinPC“ sein. Gemeint ist damit nicht „nur“ ein Computer, sondern ein standardisierter IT-Arbeitsplatz mit
zentraler Administration, der die Berliner Verwaltung mit Informations- und Kommunikationsinfrastruktur
versorgt. Dieser Service beinhaltet somit nicht nur Tastatur, Maus, Monitor und verfahrensunabhängige Software,
sondern die gesamte Infrastruktur mit allen notwendigen Lizenzen und Personalkosten der Bereitstellung.
Bisher waren die verschiedenen Behörden dezentral für ihre IT-Arbeitsplätze verantwortlich. Mit dem
E-Government-Gesetz wurde diese Verantwortung bei der IKT-Staatssekretärin gebündelt. Berlin befindet
sich aktuell in der Phase der Migration. Im laufenden Betrieb muss der Betrieb aller ca. 70.000 IT-Arbeitsplätze
der Berliner Verwaltungen ins ITDZ überführt und dabei auf den neusten IKT-Standard gebracht werden.
Das klingt einfach, ist es aber in der Umsetzung nicht. So werden vor allem in den Bezirken und nachgeordneten
Behörden noch einzelne Softwareprodukte (IT-Fachverfahren) eingesetzt, die auf der modernen IKTArchitektur
Berlins nicht laufen. Teils aus Sicherheitsgründen, teils weil die Software veraltet ist. Im laufenden
Betrieb muss daher erst Ersatz geschaffen werden – und das einheitlich für alle 12 Bezirke. Eine erste
Hürde bis Ende 2019 wird die Migration aller IT-Arbeitsplätze, die heute mit Windows 7 laufen, auf Windows
10. Hintergrund ist, dass Microsoft Mitte Januar 2020 den Support für sein fast zehn Jahre altes Betriebssystem
Windows 7 einstellen wird.
Eine bauliche Voraussetzung für die Digitalisierung der Verwaltung ist die Anbindung aller Dienstgebäude
ans Breitbandnetz. Landesverwaltungen und Bezirke mit ihren Verwaltungsgebäuden aber auch Schulen,
Kultur- und Gesundheitseinrichtungen wollen wir daher möglichst schnell und einfach – am besten mittels
Glasfaserleitungen – anschließen. Dies gilt auch für die Wirtschaftsunternehmen in der Stadt. Die dafür
notwendigen Genehmigungen sollen dabei landesweit einheitlich beantragt und schnell erteilt werden. Im
Rahmen des Geschäftsprozessmanagements werden wir bis Ende 2019 ein Maßnahmenpaket entwickeln,
um den Genehmigungsprozess für den Breitbandausbau im Land Berlin zu vereinheitlichen, transparent
auszugestalten und deutlich zu vereinfachen und zu beschleunigen.
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Eine weitere Hürde sind die Verkabelungen in den Gebäuden. Diese Aufgabe wird, nicht zuletzt wegen der
vielen denkmalgeschützten Verwaltungsgebäude, einige Jahre in Anspruch nehmen. Die unterlassenen
Investitionen haben auch hier Spuren hinterlassen in Form von technologischen Altschulden. In einer Übergangsphase
werden Senat, ITDZ und BIM deshalb auch kabellose Übertragungen nutzen müssen, um den
Betrieb auf einem aktuellen Stand der Technik sicherzustellen. Die BIM, die für die passive Verkabelung zuständig
ist, muss hier dringend personell und finanziell gestärkt und die Abstimmung zwischen BIM und
IKT-Steuerung muss verbessert werden, um eine zukunftstaugliche Verkabelung mit ausreichenden Datenraten
möglichst schnell zu erreichen.
Die digitale Verwaltung kann auch mobil arbeiten
Die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten muss in der Berliner Verwaltung zum Standard werden. Daher wollen
wir die Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten gezielt ausbauen. Mobiler Arbeitsplatz meint dabei ein
Notebook offline mit Docking Station, Zusatzmonitor und Tastatur für den Schreibtisch auszustatten und bei
Bedarf zusätzlich online mit einer SIM-Karte. Der Senat soll hierfür bis zu den Haushaltsberatungen einen
entsprechenden Fahrplan vorlegen.
Diese Möglichkeiten sind für uns ein wichtiger Bestandteil eines modernen, attraktiven Arbeitsplatzes im
Öffentlichen Dienst in Berlin.
Mit dem City Lab neue Wege finden
In Abstimmung mit den Aktivitäten zum Geschäftsprozessmanagement wird der Berliner Senat in einem
CityLab Raum dafür schaffen, dass die Berliner Verwaltung selbst – unterstützt durch Kundinnen und Kunden
sowie technologieaffine Expertinnen und Experten – mit Hilfe neuer Methoden (Design Thinking o.Ä.)
effizientere Verfahren konzipieren und ausprobieren kann. Die rot-rot-grüne Koalition wird für diesen Prozess
Anreize schaffen und die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.
Organisations- und Personalentwicklung müssen Hand in Hand gehen
Wir werden einzelne Ämter und Verwaltungseinheiten gezielt unterstützen, die sich mithilfe von Organisationsuntersuchungen
auf den Weg machen, ihre Zielstrukturen zu definieren – im doppelten Kontext von
wachsender Stadt und Digitalisierung. Denn wie eine Untersuchung zu Bürgerämtern beispielhaft gezeigt
hat, führt der Weg zu effizienter Leistungserbringung und hoher Arbeitszufriedenheit nicht einfach nur über
mehr Personal.
Umgekehrt geht es natürlich auch nicht ohne ausreichend Personal. Dabei ist uns Grünen wichtig: Digitalisierung
und damit einhergehende Umstrukturierungen von Arbeit sind keine Aufgaben, die man mal so
nebenbei erledigt. Das gilt auch für die konzeptionelle Arbeit auf den Führungsebenen. Daher stellen wir
im nachfolgenden Kapitel unsere Forderungen für den Bereich Personal im Öffentlichen Dienst vor.
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2. Personalentwicklung – Wie wir endlich vorankommen, mehr Personal gewinnen
und halten, und als Land Berlin ein attraktiver Arbeitgeber werden
Weg mit den alten Zöpfen: Modernes Tarif- und Dienstrecht für Personalgewinnung auf allen Ebenen und in
allen Stufen der Laufbahnen in der Verwaltung
Wir müssen dringend die Laufbahnen in der Verwaltung öffnen. Dafür müssen einige sehr alte und sehr lieb
gewonnene Zöpfe im Dienstrecht und der Logik hinter dem Beamtenwesen abgeschnitten werden. Die alte
Vorstellung des Beamten, der alles kann bzw. können muss, und von seinem Dienstherrn da eingesetzt wird,
wo er gerade gebraucht wird, ob das nun das Patentamt oder das Postwesen ist, und im Ausgleich für diese
erhebliche Fremdbestimmung einen Anspruch auf angemessene Alimentierung, Hinterbliebenenversorgung
und Pension hat, ist heutzutage völlig lebensfremd. Dieses Bild ist aber für vieles immer noch bestimmend.
Vor allem gilt das für die Laufbahnfrage: Nicht nur gilt für den Eintritt in eine Laufbahn jeweils eine abgeschlossene
Liste von möglichen Vorqualifikationen. Dieses System zieht sich durch und wird analog im
Bereich der Tarifbeschäftigten auch angewandt, gegebenfalls über die Einstellungserfordernis von
„Verwaltungserfahrung“.
Das ist absurd, über zwanzig Jahre nach Bologna und der europaweiten Verständigung, Qualifikationsniveaus,
Kompetenzen und Äquivalenzen heranzuziehen und nicht den Namen eines absolvierten Studiengangs.
Die AV Stellenausschreibungen ist dringend auch deshalb fortzuschreiben. Dabei muss sie den aktuellen
Bedürfnissen bei der Personalgewinnung angepasst werden.
Rot-Rot-Grün hat den Trend des ewigen Abbaus von Verwaltungsstellen umgekehrt und schafft seit Beginn
der Legislaturperiode mehr Stellen – nicht nur bei den Senatsverwaltungen, sondern auch bei Bezirken und
nachgeordneten Behörden und Institutionen. Und es gilt, weitere Vakanzen nachzubesetzen – vom Jugendamt
über die Verkehrsbehörde bis zum Bauamt. Nicht nur wegen des viel beschworenen Fachkräftemangels‘
und der unmittelbaren Konkurrenz der Arbeitgeber in Berlin, sollten wir ein Interesse haben, auch
Menschen für eine Tätigkeit in der Berliner Verwaltung zu gewinnen, die vorher bei Trägern und in der
freien Wirtschaft tätig waren. Damit das klappt, müssen zwei Dinge passieren:
• Zum einen muss im Bereich der Tarifbeschäftigten die Anerkennung von förderlichen Zeiten sehr
viel weitergehender ausgeschöpft werden als es derzeit oft geschieht. Das bedeutet auch, dass die
allzu umfangreichen Arbeitsmaterialien zu § 16 TV-L deutlich entschlackt und auf wesentliche Hinweise
reduziert werden.
• Fachliche Kompetenz muss in den Vordergrund gerückt werden, statt der Titel auf dem Studienoder
Ausbildungsabschluss-Zeugnis. Es gibt keinen Grund, jemanden, der bislang bei einem Träger
in der Jugendhilfe gearbeitet hat, nicht in einer Position mit Koordinierungs- und Leitungsaufgaben
im Jugendamt einzustellen, insofern die fachliche Kompetenz da ist. Das sind keine „Quereinsteiger“
und auch keine Notlösungen – sondern ein wichtiger Schritt dahin, unsere Berliner Verwaltung
durchlässig und attraktiv zu machen, und die Diversität zu steigern.
Wir wollen, dass Sie gern bei uns arbeiten! Arbeitsklima, Personalentwicklung, Ausbildung und Qualifikation
stärken und schätzen
Berlin geht zaghafte Schritte zu einer einheitlichen Arbeitgebermarke. Das ist gut, und dürfte gern noch
stärker praktiziert werden. Wir wollen die gewonnenen Beschäftigten halten und fördern. Das beginnt bei
der Ansprache und Integration neuer Mitarbeiter*innen, sei es durch die unmittelbar Vorgesetzten oder ein
internes „Buddy-System“ von Kolleg*innen, die den Start am neuen Arbeitsplatz begleiten. Das Angebot der
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Verwaltungsakademie (VAK) ist zielgerichtet so zu erweitern, dass „Onboarding“, also der Start in den neuen
Arbeitsplatz oder Aufgabenbereich, unterstützt wird.
Die Arbeit für Berlin und seine Menschen ist eine verantwortungsvolle und manchmal – egal ob in Bürgeramt,
Jugendhilfe, Kfz-Zulassung, Standesamt oder auch als Busfahrer*in – konfliktbehaftet und dadurch
belastend. Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehört für uns, im Rahmen des internen Gesundheitsmanagements
nicht nur auf Rückenschulung und gesundes Essen in der Kantine zu achten, sondern auch die
emotionalen und psychischen Belastungen, denen Beschäftigte ausgesetzt sein können, auf dem Schirm zu
haben. Vertrauenspersonen, auch neben der Personalvertretung und Ombudsmenschen, können hier eine
Rolle spielen. Vor allem aber müssen Führungskräfte sensibilisiert sein und fit gemacht werden, frühzeitig
zu erkennen, wenn sich Probleme, insbesondere struktureller Natur, entwickeln. Die Verbesserung der
„Gesundheitsquote“ ist eine ganzheitliche Aufgabe, vom ergonomischen Arbeitsplatz bis zur Unterstützung
in der Stressbewältigung. Aber auch finanzielle Mittel für Mitarbeiter*innen-Motivation sind bei modernen
Arbeitgeber*innen üblich. Das Instrument der Leistungsprämie und der Leistungszulagen muss künftig konsequent
ausgenutzt werden.
Personalentwicklung ist mehr: Alle Beschäftigten haben ein Anrecht darauf, dass ihre Qualifikationen wahrgenommen
und gefördert werden. Letztlich gilt, dass Qualifikation auch honoriert werden sollte – ob Europakompetenz,
Mehrsprachigkeit oder anderes. Die Gestaltung der Arbeitsfelder, Eingruppierung und Angebote
an Beschäftigte, die eine zusätzliche Qualifikation erworben haben, in anderen Feldern zu arbeiten,
müssen das abrunden.
Mit dem künftigen Landesantidiskriminierungsgesetz und dem weiterentwickelten Partizipations- und Integrationsgesetz
sollen die öffentlichen Einrichtungen des Landes Berlin bei der Förderung einer Kultur der
Wertschätzung von Vielfalt eine Vorbildfunktion erhalten. Diversity-Maßnahmen sollen darauf zielen, Diskriminierungen
abzubauen bzw. zu verhindern und Chancengerechtigkeit zu fördern. Dies kann nur gelingen,
wenn auch Strukturen in den Blick genommen werden, die beispielsweise zur Unterrepräsentanz von
bestimmten Gruppen führen –insbesodnere auf der Leitungsebene oder bei der Ausrichtung von Angeboten.
Dabei stehen Führungskräfte in besonderer Verantwortung. Maßnahmen für mehr Diversity-Kompetenzen
müssen daher in der Breite verankert werden. Insbesondere bei der Einstellung ist es wichtig, neue
Wege wie anonymisierte Bewerbungsverfahren zu beschreiten. Wir wollen, dass sich die Berliner Verwaltung
noch stärker für die Vielfalt aller Berliner*innen öffnet. Hier ist noch ein weiter Weg zu gehen – in dieser
Legislaturperiode wollen wir aber die entscheidenden Weichen stellen!
Arbeitsplätze verändern sich, Aufgaben verändern sich: Genauso wie Unternehmen müssen auch Verwaltungen
frühzeitig planen, welche Aufgaben und Kompetenzen in fünf oder zehn Jahren relevant sein werden.
Neue und andere Aufgaben können nur dann gut erledigt werden, wenn die, die sie erledigen sollen, auch
dafür ausgebildet sind. Dafür hat das Land Berlin die Verwaltungsakademie. Aber auch andere Bildungsangebote
müssen – am besten individuell zugeschnitten – genutzt werden (können). Und natürlich müssen
solche Veränderungen vorausschauend in die Curricula der Ausbildungsgänge in der Verwaltung integriert
werden.
Endlich können Berlins Bezirke und Verwaltungen wieder in erheblichem Maß ausbilden. Und in einigen
Bereichen funktioniert das Modell Duales Studiums für die Verwaltung bereits; viel mehr Bezirke, Senatsverwaltungen
und nachgeordnete Behörden sollten davon Gebrauch machen, gerade den Bedarf für ihre
Fachlaufbahnen frühzeitig zu adressieren, um auch in diesem Bereich die Ausbildung und den Lebensunterhalt
während der Ausbildungs-/Studienphase zu finanzieren.
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Gleiches Geld für gleiche Arbeit! Stellenbewertung, Eingruppierung und das Bezirk/Land-Problem
Grundlage von Eingruppierungen im öffentlichen Dienst (ob nun Tarifbeschäftigte oder Beamte) ist die Tätigkeit
und die Qualifikation. Da zum Besetzen einer Position/Stelle eine bestimmte Qualifikation bzw. hoffentlich
künftig primär ein bestimmtes Qualifikationsniveau in Verbindung mit einem Kompetenzprofil
nötig ist, ist leitend also de facto die Tätigkeit, und daraus abgeleitet die Stellenbewertung. Und diese liegt
im Zentrum der regelmäßigen Auseinandersetzungen um die Konkurrenzfähigkeit der Bezirke, wenn es um
qualifiziertes Verwaltungspersonal geht.
Woran es in Berlin mangelt, ist eine einheitliche Stellenbewertung. Es hat sicher historische Gründe, die
primär in den „Sparen, bis es quietscht“-Jahren zu finden sind, warum bestimmte Tätigkeiten und Stellen in
den Bezirken teilweise zu niedrig eingruppiert sind (und dann sogar zwischen Bezirken unterschiedlich
sind). Zukunftsfähig ist das nicht. Es handelt sich hierbei übrigens auch um eine der Kernforderungen der
Beschäftigtenvertretungen und des dbb – selbst wenn bei Beamten anders als bei Tarifbeschäftigten einer
höheren Stellenbewertung nicht automatisch ein Aufstieg folgt. Bei den Tarifbeschäftigten handelt es sich
dabei, um das Schlagwort tätigkeits- und qualifikations-angemessene Eingruppierung. Zuletzt haben wir
Grüne das exemplarisch bei den Erzieher*innen durchargumentiert: Von wem wegen der Anforderungen der
Tätigkeit ein Abschluss auf den Niveau eines Bachelors erwartet wird, gehört nicht in die E7.
Beschleunigung von Einstellungs- und Stellenbesetzungsverfahren
Die gute Nachricht: Es ist in den letzten Jahren gelungen, die durchschnittliche Verfahrensdauer bei der
Einstellung neuer Mitarbeiter*innen deutlich zu senken. Trotzdem: Gerade in den Bereichen, in denen viele
Stellen zu besetzen sind, dauert es dann manchmal besonders lange. Die Gründe sind vielfältig, und manchmal
absurd anmutend; so muss bei einer Besetzung selbstverständlich die Personalakte des/der
Bewerber*in gelesen werden.
Wenn sich jemand gleichzeitig mehrfach bewirbt, ruhen immer alle anderen Verfahren, wenn die Akte gerade
woanders ist. Denn sie existiert nur einmal in Papier und wird nicht kopiert. Die E-Personalakte wäre
also ein echtes Thema, genauso wie, ganz banal: gemeinsame Verfahren. Hier stehen Eitelkeiten genauso
wie einige echte Herausforderungen im Weg. Es wird gern über die 34 Schritte bis zur Einstellung gelästert.
Echte Beschleunigung ließe sich durch einige Maßnahmen erreichen:
• gemeinsame Ausschreibungen von mehreren Bezirken, Verwaltungen o.Ä. für gleiche oder artverwandte
Stellen (Voraussetzung: standardisierte Stellenbewertung!)
• womöglich parallele Verfahren der Beteiligung von Personalrat, Frauenvertreterin, Beauftragte für
die Belange von Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten
• die Elektronische Personalakte und digitale Bewerbungsportale (besser) nutzen
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3. Unser Serviceversprechen an die Berliner*innen: Bezirke und Land, Hand
in Hand
Wer kennt es nicht. Egal ob der Bau eines neuen Radweges, die Öffnungszeiten im Standesamt oder die
Kältehilfe – Senat und Bezirke schieben sich zu oft gegenseitig die Verantwortung zu. Aus den Bezirken
heißt es: der Senat hat dafür kein Personal oder Geld gegeben. Der Senat antwortet darauf zu oft: Dafür ist
der Bezirk zuständig und muss seine Prioritäten zur Verwendung seiner Globalsumme nur richtig setzen. Am
Ende gibt es keinen Radweg, die Geburtsurkunde lässt auf sich warten und für die Kältehilfe fühlen sich nur
wenige verantwortlich. Damit muss Schluss sein. Wir Bündnisgrüne übernehmen in Land und Bezirken gemeinsam
Verantwortung für Berlin. Wir zielen darauf ab, Hand in Hand zu arbeiten, aber mit klaren Zuständigkeiten
ohne Doppelungen. Und wir stärken unsere Bezirke finanziell wie personell so, dass sie den Aufgaben
wirklich gewachsen sind.
Bezirke fit für die wachsende Stadt machen
Auf der Ebene der politischen Führung in den Bezirken sehen wir, dass sich die Reduktion von sechs auf
fünf Stadträt*innen nicht bewährt hat. Die Arbeitsfülle ist einfach zu groß. Wir sprechen uns deshalb für die
Wiedereinführung eines sechsten Bezirksstadtrates aus. Für die Erfüllung der zunehmenden Aufgaben in
der wachsenden Stadt ist dies unverzichtbar.
Die Debatte über einheitlich zugeschnittene Geschäftsbereiche für die Bezirksämter haben wir in den letzten
Monaten intensiv geführt. Wir sind dabei zu der Überzeugung gelangt, dass dies mehr Nach- als Vorteile
hat. Bündnis 90/ Die Grünen stehen für starke und handlungsfähige Bezirke. Dafür muss es den Bezirken –
wie dem Senat ja auch – möglich sein, inhaltliche Schwerpunkte und politisch gewollte Geschäftsbereichskombinationen
zu setzen oberhalb einer einheitlichen Ämterstruktur. So macht es in dem einen Bezirk Sinn,
Facility Management und Kultur unter der Führung eines Stadtrates zu stellen. In einem anderen Bereich
liegen Schwerpunkte im Bereich der Verbindung von Kultur und Wirtschaft und in einem dritte zwischen
Kultur und Jugend. Die Chancen dieser Vielfalt wollen wie erhalten. Wir verbinden damit aber auch das Ziel,
dass die Erledigung von Aufgaben in allen Bezirken einheitlichere Standards braucht. Hierfür sehen wir
aber andere Instrumente als einheitliche Geschäftsbereiche.
Nicht neu, aber immer noch richtig: Die vom Abgeordnetenhaus zur Erarbeitung einer einheitlichen Verfassung
am 26. September 1991 eingesetzte Enquete-Kommission hatte sich auf Empfehlungen zur Einführung
des politischen Bezirksamts verständigt. Bündnis 90 /Die Grünen haben sich immer für ein solches
eingesetzt. Angesichts der Herausforderung für eine bürgernahe und digitale Verwaltung halten wir an
diesem Ziel fest. Wir halten eine klare politische Steuerung und Verantwortung auch in den Bezirken für
nötig. Ein Bezirksamt mit Stadträt*innen aus fünf oder sechs verschiedenen Parteien lässt sich nicht wirksam
steuern. Daran würde auch eine Richtlinienkompetenz des Bezirksbürgermeisters nichts entscheidend
ändern – stattdessen aber die politischen Mehrheiten tendenziell verzerren und damit die politische Verantwortung
weiter verunklaren.
Um die Handlungsfähigkeit der Bezirke zu erhöhen, Doppelzuständigkeiten abzubauen und bürokratischen
Aufwand zu reduzieren, wollen wir haushalterisch neue Wege gehen. Wir wollen ein Ende der immer neuen
Sonderprogramme. Statt die bezirklichen Mittel zu erhöhen werden bezirkliche Aufgaben oft durch Landesprogramme
finanziert und lösen erhebliche Verwaltungsvorgänge aus, z.B. im Kita- und Spielplatzsanierungsprogramm
(KSSP), im Schul- und im Sportanlagen- oder auch beim „Schlagloch“-Programm usw.. Mit
dem kommenden Doppelhaushalt wollen wir daher damit beginnen, bestehende Sonderprogramme wieder
in die bezirkliche Globalsumme oder zumindest in den Einzelplan 27 (Zuweisungen an und Programme für
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die Bezirke) zurückzuführen. Zukünftig findet die Steuerung, wo vom Land gewünschte Schwerpunkte zu
setzen sind, unter anderem im Rahmen von Zielvereinbarungen statt.
Von März 2018 bis August 2018 hat die KGSt das Projekt „Bewertung der bezirklichen Amtsleiterstellen in
Berlin“ durchgeführt. Wir unterstützen die Vereinheitlichung der Bewertungen mit der höchsten Führungsebene
der Bezirksverwaltung – den Amtsleiter*innen – zu beginnen. Wichtig ist dabei, immer eine vergleichbare
Bewertung mit den Senatsverwaltungen sicherzustellen.
Bisher ist die Zuständigkeitsverteilung wie folgt geregelt: „Die Aufgaben der Hauptverwaltung außerhalb
der Leitungsaufgaben werden im einzelnen durch die Anlage zu diesem Gesetz (Allgemeiner Zuständigkeitskatalog)
bestimmt. Alle dort nicht aufgeführten Aufgaben sind Aufgaben der Bezirke. Im Vorgriff auf
eine Katalogänderung kann der Senat durch Rechtsverordnung einzelne Aufgaben der Hauptverwaltung
den Bezirken zuweisen.“ (AZG § 4 Abs. 1). Dabei ist es meist gängige Praxis, dass neue Aufgaben bspw. durch
neue oder geänderte Bundesgesetze an die Bezirke fallen, die finanziellen Erstattungen (sofern es diese
gibt), aber im Landeshaushalt ankommen. Über die Zuordnung neuer Aufgaben sollen zukünftig Bezirken
und Senat einvernehmlich im Zusammenhang mit den entsprechenden Ressourcen entscheiden.
Darüber hinaus wollen wir die Investitionsvolumen im Rahmen der pauschalen Zuweisung für die Bezirke
erhöhen. Bedarfe sehen wir vor allem bei der Rad- und Gehwegsanierung im Tiefbau, und bei den Schulhöfen,
Sportanlagen- und Außenflächengestaltungen nach Sanierung der Hauptgebäude. Denn wenn im Rahmen
der Schulbauoffensive ein MEB entsteht und den Bezirken für die Gestaltung der notwendigen Umgebung
Geld und Personal fehlt, ist unser politisches Ziel auch nicht erreicht. Über die Schulgebäude hinaus
wollen wir mit dem kommenden Doppelhaushalt die Anhebung der Bauunterhaltspauschale für die Nicht-
Schulgebäude ebenfalls auf 1,32 Prozent des Wiederbeschaffungswertes (WBW) umsetzen.
Außerdem wollen wir einen Investitionstopf im Einzelplan 27 einrichten, aus dem Bezirke ressortübergreifende
Investitionsvorhaben in Ergänzung der Schulbauoffensive finanzieren können. Darüber hinaus wollen
wir dafür sorgen, dass im Rahmen der wachsenden Stadt nicht nur ausreichend Schulplätze generiert werden,
sondern auch die anderen wichtigen und notwendigen Bereiche wie Kitas, Kultureinrichtungen und Bibliotheken,
Jugend- und Senioreneinrichtungen, Gemeinschaftsküchen und vieles mehr, zum Zuge kommen
können – und zwar in sozialräumlicher Kombination und Öffnung zueinander.
Gleichzeitig brauchen wir eine Antwort auf die aktuell wachsenden Engpässe bei der Fachkräftegewinnung.
Gerade im Planungs- und Baubereich riskieren wir im Jahrzehnt der Investition mit jeder einzelnen unbesetzten
Mitarbeiterstelle, dass sich der Bau von Schulen, Radwegen etc. verzögern. Um dem entgegen zu
wirken, sollen wir den planenden und bauenden Bereichen im Land wie in den Bezirken ermöglichen im
Rahmen kleiner und flexibler Budgets vorübergehend Mitarbeiter*innen für Assistenzen oder Organisatorisches
akquirieren zu können, die ihre Bauleiter*innen, Ingenieure usw. entlasten. Wir wollen den Aufbau eines
Personalpools von Berufsanfänger*innen aufzubauen, indem Personalentwicklung und kurzfristige Assistenzbedarfe
zusammengeführt werden. Die beste Praxis zeigen derzeit die Bürgerdienste mit SenInn.
Grundsätzlich erkennen wir, dass der erfolgte und geplante Personalzuwachs in bestimmten Bereichen
nicht ausreicht, um mit der demographischen Entwicklung und den Infrastrukturbedarfen mitzuhalten.
Ein Aspekt ist dabei der Bedarf einer stärkeren „Ungleichverteilung“ vor allem im Baubereich. Wir müssen
dazu kommen und einzelne Bezirke stärker ausstatten. Dazu braucht es eine Verständigung der Bezirke auf
Kriterien bzw. einen Faktor (bspw. nach Vorbild des Hochbaus), der von allen akzeptiert wird (z.B. zu verbauendes
Volumen / Zahl der zu bewältigenden Bauvorhaben/Schulneubauten/ o.Ä.). Die bestehenden Normierungen
im Rahmen der Kosten-Leistungs-Rechnung werden den aktuellen Bedarfen nicht mehr gerecht.
Aber auch den Bezirksverordneten kommt in der Berliner Demokratie eine wichtige Aufgabe zu. Ob im Bereich
der Jugendhilfe oder bei den Transferausgaben und der Aufgabenwahrnehmung in den Jobcentern, ob
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bei B-Plänen, städtebaulichen Verträgen und der Investitionsplanung bzw. dem Bezirkshaushalt insgesamt –
überall ist auch in den Bezirken hohe Fachlichkeit gefragt und ist die Wissenshierarchie zum Bezirksamt
deutlich. Wir haben deshalb bereits die Mitarbeiterpauschale für die Bezirksfraktionen gestärkt. Zusätzlich
wollen wir die Arbeit der Bezirksverordneten noch besser unterstützen, indem wir ihnen Zugang zum Wissenschaftlichen
Dienst des Abgeordnetenhauses verschaffen. Damit wollen wir ihnen im Vorfeld von Entscheidungen
eine vom Bezirksamt unabhängige Meinungsbildung ermöglichen.
Mehr Qualität im Miteinander: Senat und Bezirke mit Zielvereinbarungen steuern
Zur Steuerung der Verwaltung zwischen Land und Bezirken setzen wir zukünftig verstärkt auf Zielvereinbarungen,
die mit Zielen und Qualitätskriterien untersetzt ebenso sind wie mit den entsprechend notwendigen
finanziellen bzw. personellen Ressourcen für die Bezirke. Die Einführung erfolgt dabei Zug um Zug. Die
Senatskanzlei arbeitet dazu bis zum Frühjahr 2019 an einem Meilensteinplan. Um dem Instrument die nötige
Verbindlichkeit zu geben, streben wir eine gesetzliche Verankerung im Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz
(AZG) an.
Bereits für den kommenden Doppelhaushalt wollen wir mit Pilotvorhaben starten und damit Verwaltungshandeln
ohne weitere Verzögerung konsequenter an Wirkung, Mitarbeiterzufriedenheit, Effizienz sowie der
Kundenperspektive ausrichten. Die Zielvereinbarungen müssen dabei klar in entsprechende Finanzbudgets
eingebettet und auch mit Monitoringmechanismen verbunden werden. Durch Vereinbarung prioritärer Zielsetzungen
für wichtige Projekte und Entwicklungslinien der Behörden der Senats- und Bezirksverwaltung
wird miteinander der Fokus auf zu erreichenden Zielsetzungen gelegt. Eine enge Abstimmung zwischen
den jeweils zuständigen Senatsverwaltungen und den Bezirken ist dabei selbstverständlich.
In der Zukunft sollen Zielvereinbarungen in einem für alle Bezirke gemeinsamen Teil zwischen dem Senat
und dem RdB ausgehandelt werden. Idealerweise könnte sich das Zielsystem an konkreten Zielwerten orientieren,
die bereits in den Richtlinien der Regierungspolitik als messbare Zielsetzungen formuliert sind.
Ein zweiter Teil soll dann Ziele zu bezirksindividuellen Themen regeln.
Der Aushandlungsprozess muss mit der Erstellung des Doppelhaushalts synchronisiert sein und von Verhandlungen
„auf Augenhöhe“ geprägt sein. Das Ergebnis enthält Ziele („smart“) im Sinne eines gegenseitigen
Leistungsversprechens und Aussagen zu den hierfür erforderlichen Ressourcen. Der Austausch über gesetzte
Ziele und Erkenntnisse zur Zielerreichung muss zu einem Anliegen und regelmäßigen Thema in Führungs-
und Steuerungsprozessen werden.
Pilotvorhaben: Eine Zielvereinbarung für verbindliche Qualitätsstandards und Mindestveranschlagung für
die Grün- und Baumpflege: Die Baumpflegemaßnahmen des „Handbuchs gute Pflege“ wollen wir als verbindliche
Standards für die bezirkliche Baumpflege endlich umsetzen. Zu einem verantwortungsvollen Umgang
mit dem Baumbestand gehört auch ein entsprechender substanzsichernder Mitteleinsatz für die
Baumpflege. Teil der Zielvereinbarung muss damit eine Mindestveranschlagung im Rahmen der Kosten-
Leistungs-Rechnung (KLR) für Baumpflegemaßnahmen in den Bezirken werden. Die Ausgaben der Bezirke
sollten dabei auf ca. 80€ in etwa verdoppelt werden. Die zwischen Senat und Bezirke abzuschließende Zielvereinbarung
stellt sicher, dass das zusätzliche Geld auch bei den Bäumen ankommt. Die Zielvereinbarung
muss dazu Serviceversprechen an die Berliner*innen enthalten, etwa die Qualität der Pflegemaßnahmen,
aber auch die Erhöhung des Baumbestandes um eine vereinbarte Anzahl an Bäumen für den entsprechenden
Haushaltszeitraum. Auf der anderen Seite müssen die dafür erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung
stehen. Wir werden ergänzend prüfen, ob ein eigenes Produkt für Baumpflanzungen innerhalb der KLR zu
mehr Baumpflanzungen beitragen kann. Um die zu erhöhenden Finanzmittel auszugeben, müssen die bezirklichen
Straßen- und Grünflächenämter mit zusätzlichem Personal ausgestattet werden.
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Doppelzuständigkeiten abbauen – bündnisgrün geführte Verwaltungen gehen voran
Wir Bündnisgrüne wollen beim Abbau von Doppelzuständigkeiten voran gehen, weil für uns neben der Qualität
der Leistungen vor allem auch die Beschleunigung unserer Vorhaben im Mittelpunkt steht. Dabei gilt
es jeweils eine gute Abwägung zwischen einheitlichen, landeszentralen Verfahren und dezentralen Verfahren
und Zuständigkeiten vorzunehmen.
So wird man etwa bei den 5G-Genehmigungen, genau wie bei den Genehmigungen für den Glasfaserausbau,
schnell zu dem Resultat kommen, dass es ein einheitliches Verfahren für alle zwölf Bezirke geben
muss. Nur so kann Berlin 5G-Hauptstadt in Deutschland werden.
Aber auch für Berliner Unternehmen, die in mehr als einem Bezirk tätig sind, ist es kaum nachvollziehbar,
dass für gleiche Anliegen unterschiedliche Maßstäbe gelten.
Um zu einer einheitlichen Anwendung zu kommen, wollen wir Senatsverwaltungen ermutigen nach AZG § 6
Abs. 2c Verwaltungsvorschriften für die Senats- und Bezirksverwaltungen zu erlassen, um Verfahrensabläufe
oder technische Einzelheiten zu regeln. Hand in Hand, damit muss die Stärkung und fachliche Ausrichtung
der Bezirksaufsicht beim Senat gehen.
Wo nötig wollen wir auch die Aufgabenverteilung im Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz der Realität anpassen.
Mit Einführung der Gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung macht es wenig Sinn, dass immer
zwölf Bezirke zustimmen müssen, wenn die Aufgabenerledigung sowieso aus einer Hand erfolgen soll. Wir
schlagen daher vor, im Anhang zum AZG, dem Zuständigkeitskatalog (ZustKat AZG), die Aufgabe der Bereitstellung
von Unterkünften zur Unterbringung von Wohnungslosen Menschen der Senatsverwaltung gesetzlich
zuzuordnen. Die Aufgabe soll nach aktuellen Planungen beim LAF angesiedelt werden und analog zur
Unterbringung von Geflüchteten eine geregelte Abstimmung mit dem jeweiligen Bezirk, in dem ein Standort
liegt, erfordern. Die geplante Schnittstelle zu den sozialen Wohnhilfen (im Sinne eines Frontoffice) führt
dann dazu, dass Aufgabenerledigung im Backoffice (LAF) in klarer Zuständigkeitsverteilung erfolgt.
Andere Bereiche sind weniger eindeutig, aber mindestens so drängend. Der Senat entwickelt mit den Bezirken
etwa eine Lösung zur schnelleren Planung und Umsetzung von Vorhaben für die Radverkehrsinfrastruktur.
Hier zeigt sich besonders, dass es den verschiedenen Ebenen der Verwaltung an standardisierten
Planungsverfahren fehlt. Die Abstimmungen zwischen Bezirks- und Senatsverwaltung sowie nachgeordneten
Behörden läuft nicht reibungslos. Im Rahmen der Geschäftsprozessoptimierung läuft aktuell die Aufnahme,
Analyse und Optimierung des wichtigsten Prozesses im Bereich Radwegebau unter Mitwirkung aller
Beteiligten im Land Berlin. Außerdem werden die Zuständigkeiten, Verantwortungen und Schnittstellen innerhalb
und zwischen den beteiligten Senatsverwaltungen, deren nachgeordneten Behörden, zwischen Senats-
und Bezirksverwaltungen sowie zu nicht-öffentlichen beteiligten Akteuren analysiert. Erste Umsetzungsvorschläge
erwarten wir bis Ende des Jahres 2019.
Mit der Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes muss sich die Zusammenarbeit zwischen den bezirklichen
Stellen und der Verkehrslenkung Berlin (VLB) in vielen Aufgabenbereichen verändern, um stringente Abläufe
und einheitliche Standards auch bei hohem Erledigungs- bzw. Zeitdruck einzuhalten. Ziel ist eine Entflechtung
und Klärung von Zuständigkeiten und Abläufen sowie eine engere Zusammenarbeit und Abstimmung
der Beteiligten. Dazu wird der Senat die Empfehlungen aus der Organisationsuntersuchung der VLB
umsetzen sowie kurzfristig die Analyse der Zuständigkeiten, Verantwortungen und Schnittstellen unter
Mitwirkung aller Beteiligten im Land Berlin abschließen. Bündnisgrünes Ziel ist die Erhöhung der Qualität
und Effizienz verkehrsbehördlicher Maßnahmen und Entscheidungen, um den wachsenden Anforderungen
und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger und der Berliner Wirtschaft Rechnung zu tragen. Dazu gehören
schnelle Entscheidungen, eine effiziente Genehmigungspraxis, aber auch ein gutes Beschwerdemanagement
etwa im Kontext der Baustelleneinrichtung.
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Das derzeit vielleicht bekannteste Beispiel für ineffizientes staatliches Handeln sind die 18 Schritte und
drei Jahre bis zur Entscheidung über einen Fußgängerüberweg. Damit muss nach 2019 Schluss sein. Unser
Vorschlag ist, bis zum Ende der Legislatur von der Einzelfallbehandlung zu einem systematischen Verfahren
zu kommen.
Dazu sollen die Bezirke das Budget für jeweils beispielsweise sieben Fußgängerüberwege zur eigenen Priorisierung
erhalten. Das entspricht 500.000 Euro pro Jahr, die im Rahmen der pauschalen Investitionen zugewiesen
werden sollen. Die Auswahl soll sich nach den allgemeinen Kriterien der Fußverkehrsstrategie richten
und die Vorschläge sollen von der BVV mit dem Bezirksamt priorisiert werden. Auf die Notwendigkeit
der Anordnung durch die VLB soll –mit Ausnahme von übergeordneten Hauptverkehrsstraßen – bis zum
Ende der Legislatur verzichtet werden. Die fertigen Bauplanungsunterlagen sollen dieser einzig zur Kenntnis
gegeben werden. Diese Umstellung des Verfahrens von der Einzelfallprüfung zu einem systematischen
Vorgehen erlaubt die Bündelung von Planungs- und Bauaufträgen und die dezentrale Entscheidung nach
einheitlichen Kriterien. Zu Beginn der kommenden Legislatur ist die Wirksamkeit des Verfahrens zu evaluieren
und über eine Fortsetzung zu entscheiden.
Seite 14 von 14Grafik: Grüne Fraktion Berlin 7-Punkte-Plan "Integration als Chance für Innovation nutzen"
Die Zeit seit der Ankunft der vielen Geflüchteten im Sommer 2015 haben uns allen viel Veränderung abverlangt, zugleich vieles in Bewegung gebracht und uns einen enormen Innovationsschub beschert. Wir Grünen wollen die Integration der Geflüchteten als Chance für weitere Innovationen nutzen, die Berlin dringend braucht. Darum haben wir einen Sieben-Punkte-Plan zu Integration auf unserer Frühjahrsklausur 2019 beschlossen.
Inhalt:
Beschlusspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, 15.03.2019
INTEGRATION ALS CHANCE FÜR INNOVATION NUTZEN
Die drei Jahre seit der Ankunft der vielen Geflüchteten im Sommer 2015 haben uns allen viel Veränderung
abverlangt. Sie haben zugleich vieles in Bewegung gebracht und uns einen enormen Innovationsschub
beschert. Bündnis 90/Die Grünen wollen die Integration der Geflüchteten als Chance für weitere Innovationen
nutzen, die Berlin dringend braucht. Denn Berlin ist eine internationale Metropole, in der Zuwanderung
der Normalfall ist und bleiben wird.
Wir mussten 2015 nicht bei Null anfangen. In Berlin gab es auch vorher schon engagierte Beratungsstellen,
Migrantenorganisationen, Initiativen und Projekte. Aber niemals vorher haben so viele Berliner*innen mit
ihnen zusammen gearbeitet, Expertise erworben und sich untereinander organisiert. Auch das Land Berlin
ist neue Wege gegangen. Die Verwaltung hat nicht nur mehr zivilgesellschaftliche Projekte als je zuvor
finanziert, sondern auch begonnen, verbindlich mit ehrenamtlich Engagierten zusammen zu arbeiten und
eigene Landesprogramme aufgelegt. So gibt es in Berlin Sprachkurse für alle – auch für die, denen der Zugang
zu BAMF-Kursen versperrt ist.
Dennoch gibt es unnötige rechtliche und bürokratische Hürden und Integrationshindernisse, die ein Ankommen
erschweren, und nicht alles läuft so, wie es sollte. Deshalb ist es Zeit für einen Praxis-Check. Unser
Ziel ist, dass die Menschen, die neu ankommen, möglichst rasch dazu gehören. Egal ob sie hierher geflohen
sind, auf der Suche nach Arbeit hierhergekommen, zu ihrer Familie gezogen sind oder ob sie aus Großbritannien
stammen und wegen des Brexits jetzt einen Aufenthaltstitel beantragen müssen.
Ende 1992 lebten 386.000 Ausländer*innen in Berlin, das waren knapp zehn Prozent der Stadtbevölkerung.
Im Juni 2018 waren es 726.000. Jeder fünfte Berliner hat demnach keinen deutschen Pass. 105.000 dieser
Neu-Berliner*innen sind in den letzten Jahren als Geflüchtete gekommen, die allermeisten haben einen
Aufenthaltsstatus, sind noch im Asylverfahren oder sind wegen objektiver Ausreisehindernisse noch hier,
sprich: die allermeisten werden bleiben.
Das macht die Integration der Geflüchteten zur Bewährungsprobe für Berlin: Was hat sich in dieser neuen
Situation bewährt, was funktioniert, was funktioniert so nicht mehr? Und vor allem mit Blick auf die Zukunft:
Welche Strukturen muss der Staat dauerhaft gewährleisten in einer internationalen Metropole, in der
Einwanderung der Normalfall ist?
Der LAGeSo-Skandal hat deutlich gemacht: Nicht alle Behörden haben diese Bewährungsprobe bestanden.
Unter Druck war das LAGeSo, damals zuständig für die Registrierung und Erstaufnahme der Geflüchteten,
nicht mehr funktionsfähig. Zugleich hat die Integration einen wahren Innovationsschub in der Verwaltung
ausgelöst. Endlich gibt es mehr verbindliche Formen der Kooperation mit Ehrenamtlichen. Integrationslots*
innen im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), Auszubildende und Mitarbeiter*innen mit
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Fluchterfahrung in den Jobcentern und der Ausländerbehörde treiben die interkulturelle Öffnung von Verwaltung
voran. Informationsmaterial gibt es häufiger mehrsprachig und Social Media werden als niederschwellige
Kommunikationsmöglichkeit auch für Behörden entdeckt. Mit einer klugen, flexiblen Personalpolitik
und einem innovativen Nachqualifizierungskonzept kann das LAF als jüngste Berliner Behörde mit
seinen zahlreichen Quereinsteiger*innen zur Modellbehörde werden. Dafür brauchen die Mitarbeiter*innen
allerdings die Sicherheit, dass sie nicht mehr wegen Entscheidungen aus den Jahren 2015 und 2016
disziplinarrechtlich belangt werden. Auch der Rechnungshof erkennt an, dass Entscheidungen damals in einer
Ausnahmesituation getroffen werden mussten, und untersucht nur noch Fälle, in denen es um offensichtliches
Führungsversagen ging.
Ein solcher Aufbruch im LAF ist nur der Anfang. Wir wollen mehr als das, wir wollen eine Verwaltungsmodernisierung
für die Einwanderungsstadt: Integrationslots*innen können als interkulturelle, mehrsprachige
Fachberater*innen in Jobcentern oder Bürgerämtern für besseren Service sorgen. Und zwar nicht als
arbeitsmarktpolitische Maßnahme, sondern als festangestellte Mitarbeiter*innen. Die Ausländerbehörde
soll zur Einwanderungsbehörde umgebaut werden. Dafür genügt es allerdings nicht, sie zur eigenständigen
Behörde zu machen. Dafür braucht es vielmehr einen echten Kulturwandel.
Zum Jahreswechsel hat die Bundesregierung ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgelegt, flankiert mit
einem Gesetz über Duldung für Ausbildung oder Beschäftigung. Wir Grünen fordern seit vielen Jahren ein
Einwanderungsgesetz. Nun hat sich angesichts des immer dramatischeren Fachkräftemangels und des
demographischen Wandels endlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir eine geregelte Einwanderung
brauchen. Darauf warten gerade auch viele Berliner Betriebe und Unternehmen.
Die beiden Gesetzentwürfe der Bundesregierung sind allerdings enttäuschend: Das Ziel, Arbeitsmigration
und Arbeitsmarktintegration zu verbessern, wird an vielen Stellen sogar ins Gegenteil verkehrt. Insbesondere
die Chance, die Potentiale der geflüchteten Menschen besser zu nutzen, wird im Beschäftigungsduldungsgesetz
krachend verfehlt.
Die neu geschaffene Einwanderungsmöglichkeit zur Berufsausbildung wird mit so hohen Voraussetzungen
überfrachtet, dass sie in der Praxis zur Einzelfallregelung verkommen wird. Die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung
ist nicht nur unzureichend, sondern bedeutet für viele geduldete Menschen, dass trotz Integration
durch Arbeit die Abschiebung bevorstehen kann. Dies ist ein fatales Signal sowohl für die Menschen
in Ausbildung und Arbeit, als auch für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die auf sie
als Arbeitskräfte angewiesen sind.
Unsere Linie ist klar: Arbeit und Bildungserfolge müssen Aufenthalt sichern! Wir wollen die Hürden senken
und Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung in Aufenthaltstitel für Ausbildung und Beschäftigung umwandeln.
Dann hätten auch alle Auszubildenden endlich Zugang zu Ausbildungsförderung. Wir wollen
unsere humanitären Standards nicht absenken im Zuge der neuen Gesetze. Stattdessen braucht es Mindeststandards,
die Raum für eine liberalere Auslegung lassen. Den beiden Gesetzen können wir im Bundesrat
nur mit deutlichen Verbesserungen zustimmen. Dazu gehört eine Bleiberechtsregelung für Langzeitgeduldete,
die Arbeit oder berufliche Qualifikationen haben.
Aber wir setzen nicht nur auf Nachverhandlungen auf Bundesebene: Wir wollen mit unseren Mitteln auf
Landesebene ermöglichen, was der Bund schuldig geblieben ist: Möglichkeiten für einen Berliner Spurwechsel.
Weg mit Beschäftigungsverboten! Bleiberechte für die, die seit Jahren trotz prekärem Aufenthalt
gut integriert hier leben.
Wir wollen die Integration der Geflüchteten für Innovationen nutzen, die Berlin insgesamt voranbringen
und allen Menschen dienen, die hier leben. Viele der nächsten Schritte sind im Gesamtkonzept Integration
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und Partizipation beschrieben, das der Senat zum Jahresende beschlossen hat. Wir erwarten jetzt die konkrete
finanzielle Untersetzung dieser Leitlinien im Doppelhaushalt 20/21. Zugleich sehen wir in einigen
zentralen Feldern weiteren Handlungsbedarf.
Integration als Innovation: Unser Sieben-Punkte-Plan
1) Für einen Berliner Spurwechsel
Arbeit ist zentral, um in einer Gesellschaft anzukommen. Ende 2018 waren 11.000 Geflüchtete sozialversicherungspflichtig
beschäftigt. Zugleich macht sich der Fachkräftemangel in Berlin mittlerweile in nahezu
allen Branchen bemerkbar. Für uns gilt: Wer lernen und arbeiten will, soll bleiben können. Das Beschäftigungsduldungsgesetz
des Bundes hat viel zu viele Hürden eingebaut, es wird nur wenigen ehemaligen
Asylbewerber*innen ermöglichen, als Arbeitskräfte zu bleiben. Deshalb wollen wir alle landesrechtlichen
Möglichkeiten für einen Berliner Spurwechsel nutzen. Denn wir wollen auch das inländische Fachkräftepotential
ausschöpfen.
Dazu muss Schluss sein mit Ausbildungs- und Beschäftigungsverboten. Ende 2018 lebten 10.906 Menschen
mit Duldung in Berlin, viele davon schon seit Jahren, die Hälfte von ihnen mit Beschäftigungsverboten.
Diese Beschäftigungsverbote haben sich in Zeiten des Fachkräftemangels genauso überlebt wie das Einverständnis
der Bundesagentur für Arbeit als Voraussetzung für eine Beschäftigungserlaubnis. Wessen Identität
geklärt ist, soll eine Ausbildung oder ein Beschäftigungsverhältnis aufnehmen dürfen.
Für Menschen, die absehbar hier bleiben werden und gut integriert sind, obwohl sie schon lange mit prekärem
Status in Berlin leben, braucht es dringend eine Altfallregelung Aufenthaltsrechte. Das sind insbesondere
Menschen aus Afghanistan und dem Irak. Das Land soll dafür prüfen, ob solche gruppenbezogenen
Legalisierungslösungen nach §25.5 Aufenthaltsgesetz möglich sind, wie es sie in Berlin bereits für Geflüchtete
aus dem Libanon und aus Bosnien gab. Denkbar sind auch Aufenthaltstitel als ein Vorgriff auf Aufenthaltsverfestigung
für alle Geduldeten, deren Identität geklärt ist und die einen Arbeitsplatz in Aussicht haben.
Ausbildungsduldungen muss es in Berlin verlässlich für die gesamte Zeit einer dualen und auch einer schulischen
Berufsausbildung geben, ebenso wie bereits für ausbildungsvorbereitende Maßnahmen (wie BQL,
IBA), die zum Erwerb eines Schulabschlusses führen. Eine entsprechende Regelung besteht bereits an allgemeinbildenden
Schulen im letzten Schuljahr vor Erwerb von BBR/MSA. Auch für Verfahren zur Anerkennung
von Berufsabschlüssen bzw. entsprechende Nachqualifizierungen braucht es eine aufenthaltsrechtliche
Sicherheit. Der erfolgreiche Abschluss einer Ausbildung muss aufenthaltsrechtliche Sicherheit auch bei
einem Wechsel des Arbeitgebers bringen.
Die Stadt Hamburg wirbt offensiv darum, dass junge Geflüchtete sich um eine Ausbildungsduldung bemühen:
„Eine Berufsausbildung in Deutschland ist Ihre Chance auf einen sicheren Aufenthaltsstatus – und auf
einen gut bezahlten Job“, heißt es in einer Broschüre mit dem Titel „Ausbildung: Deine Wahl! Deine Chance!“
Den potentiellen Arbeitgeber*innen verspricht die Stadt: „Für Sie als Arbeitgeber bedeutet die Neuregelung,
dass Sie fast jeder Ausländerin oder jedem Ausländer einen Ausbildungsplatz anbieten können – unabhängig
davon, wie alt diese Person ist oder über welchen Aufenthaltsstatus sie gerade verfügt.“ Eine solche
klare Haltung und Kommunikation wollen wir auch in der Bundeshauptstadt etablieren.
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2) Verwaltungsmodernisierung
Die Ausländerbehörde ist für viele, die neu nach Berlin kommen, der Anfang und das Ende von allem. Für
Fachkräfte und Gründer*innen bietet Berlin mit dem Business Immigration Service BIS von Ausländerbehörde
und IHK einen One Stop Shop, der bundesweit einmalig ist: mit mehrsprachigem Service, Online-Informationen,
rascher Terminvergabe, Klärung aller relevanten Fragen vom Visum bis zur Anerkennung von Abschlüssen.
Wir sehen alle Menschen, die zuwandern, als Ressource für die Stadt, egal ob geflohen, für Ausbildung,
Studium oder zu ihrer Familie nach Berlin gekommen. Deshalb wollen wir die ganze Ausländerbehörde
nach dem Vorbild des BIS zur Einwanderungsbehörde machen. Zentral dafür ist die Etablierung einer
neuen Behördenkultur. Mitarbeiter*innen müssen geschult werden, rechtliche Spielräume im Sinne der Eingewanderten
zu nutzen. Außerdem braucht es eine Service-Offensive für Dolmetscher*innen vor Ort, einen
mehrsprachigen Infodesk, eine Beschwerdestelle, eine zentrale Anlaufstelle für Betriebe und genug Personal,
um alle Fälle integrationsfreundlich zu bearbeiten und mit Beratungsstellen wie dem IQ-Netzwerk zu
kooperieren.
Integrationslots*innen leisten bei vielen Trägern und mittlerweile auch im Landesamt für Flüchtlinge LAF
wertvolle Arbeit als Kulturmittler*innen. Viele von ihnen haben akademische Abschlüsse. Sie dürfen nicht in
schlecht bezahlten Jobs ohne Perspektive im Rahmen des Solidarischen Grundeinkommens landen. Wir sehen
ihre Arbeit als eine staatliche Pflichtaufgabe: Sie sind Fachberater*innen für Migration, und sollen mit
einem eigenen Berufsbild und tariflicher Vergütung mindestens auf dem Niveau TV-L 9 in Behörden, Jobcentern
und Bürgerämtern angestellt werden können.
Gleichberechtigte Teilhabe sowie das Fitmachen der Verwaltung für eine diverse Gesellschaft sind Querschnittsaufgaben.
Um sie in allen Senatsressorts und Bezirken vorantreiben zu können, muss der Beauftragte
des Senats für Integration und Migration eigenständig und ressortübergreifend agieren können. Wir wollen
daher mit der Novellierung des Gesetzes für Integration und Partizipation die Stelle des oder der
Integrationsbeauftragten wieder unabhängig machen, vergleichbar zur Datenschutzbeauftragten.
3) Mehr Sprache und Mehrsprachigkeit
Zum Schuljahresbeginn besuchten 6148 Schüler*innen Willkommensklassen an den verschiedenen Schularten.
Erklärtes bildungspolitisches Ziel ist es, dass sie so rasch wie möglich an Regelklassen wechseln –
Dafür braucht es endlich mehr Unterstützung für die Lehrkräfte dort. Anders als in den Oberstufenzentren
gibt es für die Willkommensklassen an allgemeinbildenden Schulen immer noch kein gemeinsames Curriculum
und kein adäquates Unterrichtsmaterial, viele Willkommenslehrkräfte werden nicht als Teil des Kollegiums
wahrgenommen und bleiben deshalb bei vielen Planungen außen vor. Das individuelle Recht auf
die bestmögliche Bildung gilt auch für Geflüchtete und unabhängig vom Aufenthaltsstatus: Deshalb wollen
wir die Verfahren in der Clearingstelle und den bezirklichen Koordinationsstellen weiterentwickeln. Es
braucht einen wirklich individuellen Blick auf die Fähigkeiten und auch Wünsche der Kinder und Jugendlichen.
Die Willkommensklassen wollen wir dauerhaft beibehalten – als flexible Sprachlerngruppen für Schüler*innen,
die dem Regelunterricht noch nicht ausreichend folgen können. Sie sind eine Ergänzung des Regelangebots,
kein Parallelprogramm. Bei der Deutschförderung wollen wir systematisch weitergehen: Vom Deutschlernen
in Willkommensklassen für Geflüchtete zur Deutschförderung im Regelunterricht für alle. Das bedeutet
konkret: Sprachförderstunden soll es nicht nur in Schulen mit mehr als 40 % Schüler*innen nichtdeutscher
Herkunft geben; es braucht Angebote nach tatsächlichem Bedarf. Bei der Umsetzung ihrer
Sprachförderkonzepte sollen Schulen stärker als bisher durch das Sprachenzentrum und die Schulaufsicht
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unterstützt werden. Deutsch als Zweitsprache muss in der Ausbildung und im Rahmenlehrplan stärker verankert
werden, damit DaZ-Lehrkräfte die Deutschförderung übernehmen können, und zwar als regulär angestellte
Lehrkräfte.
Mehrsprachigkeit ist ein Gewinn für eine internationale Metropole. Deshalb wollen wir auch hier vorankommen.
An den Berliner Hochschulen muss es Angebote zur Lehramtsausbildung für Arabisch, Kurdisch und
weitere Sprachen geben. Damit mehr Schulen als bisher auch andere als die EU-Amtssprachen als zweite
Fremdsprache anbieten können. Außerdem wollen wir einen neuen Anlauf nehmen für eine deutsch-arabische
Europaschule.
4) Eltern stärken und keinen Jugendlichen verloren geben
Kinder brauchen Eltern, die ihre Rechte kennen und ihre Kinder auf ihrem Bildungsweg aktiv begleiten
können. Das gilt nicht nur, aber gerade für Familien, die hierher geflohen oder neu zugewandert sind.
Deshalb wollen wir Eltern stärken: Es braucht mehr Elternbegleiter*innen, die möglichst mehrsprachig sind
und auch interkulturelle Vermittlungsarbeit an Schulen leisten können. Sie sollen sowohl mit Familienzentren
und anderen sozialräumlichen Angeboten zusammenarbeiten als auch mit Kitas und Schulen. Die
Arbeit der Stadtteilmütter hat sich bewährt. Unabhängig davon wollen wir die Angebote für Eltern ausbauen
und ein Landesprogramm Elternbegleiter*innen etablieren, das für alle Eltern offen ist, die Bedarf haben.
Die Elternkurse an den Volkshochschulen wollen wir ausbauen und besser in die Schulen integrieren. Denn
sie kombinieren Spracherwerb mit Orientierungswissen zum Bildungssystem und stärken dadurch Eltern.
Damit sie besser als bisher Brücke zwischen Eltern und Schule sein können, soll der Unterricht in den
Schulen stattfinden. Und die VHS-Dozent*innen sollen Fächer im Lehrerzimmer bekommen.
Manche der geflüchteten Jugendlichen sind mit zu wenig Schulvorerfahrung nach Deutschland gekommen,
um im regulären Schulbetrieb einen Abschluss zu schaffen. Für sie hat die Koalition bereits Modelle der
Praxiserprobung etabliert. Dabei geht es vor allem darum, dass die Jugendlichen hier im Leben ankommen.
Diese Jugendlichen müssen wir besonders im Blick haben, damit sie uns nicht verloren gehen. Dasselbe gilt
für die Schulabbrecher*innen: Es kann nicht sein, dass sieben Prozent der Schüler*innen die Schule ohne
Abschluss verlassen.
Für sie alle braucht es ein neues Angebot, das ihre Kompetenzen in den Blick nimmt und Experimente zulässt,
unabhängig von der Altersgrenze: die Jugendlichen sollen sich in realen beruflichen Lernaufgaben
ausprobieren können. Wechsel müssen erlaubt und der Übergang in die duale Ausbildung sowie das Nachholen
von Schulabschlüssen jederzeit möglich sein. Dabei sollen ihnen Bildungsbegleiter*innen zur Seite
stehen, wie sie sich in den IBA-Lehrgängen an den OSZ bewährt haben. Ein solches Angebot wollen wir zusammen
mit den OSZ entwickeln. Denn wir geben keinen Jugendlichen verloren!
5) Begleitet im Beruf
Jenseits der aufenthaltsrechtlichen Fragen haben geflüchtete und zugewanderte Auszubildende und
Beschäftigte dieselben Bedürfnisse. Sie brauchen vor allem eine berufsbegleitende Sprachförderung und
kultursensible Begleitung beim Übergang in Ausbildung oder Beruf. Aus Sicht der Betriebe und Unternehmen
braucht es zudem Berufseinstiegsförderung, die zugewanderten Beschäftigten branchenspezifisch
rechtliches und praktisches Wissen vermittelt, das für eine Berufstätigkeit in einem hoch formalisierten
Land wie Deutschland nötig ist.
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Deshalb wollen wir das Landesprogramm für Sprachkurse ausweiten und öffnen. Es fehlen Angebote für B2
und C1, aber auch Alphabetisierungskurse. Diese Kurse sollen allen offenstehen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus
oder der Bleibeperspektive. BAMF-Sprachkurse sollen an den OSZ angeboten werden, damit die
Jugendlichen in dualen Ausbildungen neben Schule und Betrieb nicht noch einen dritten Lernort haben.
Wenn das nicht gelingt, soll das Land an OSZ in eigener Regie Sprachkurse anbieten. Berufsbegleitende
Sprachkurse gehören an den Ausbildungsort oder in die Betriebe. Dafür soll das Land auch mit der Regionaldirektion
der Bundesagentur für Arbeit in Verhandlungen treten.
Es gibt zahlreiche Programme zur Berufseinstiegsförderung. Geflüchtete mit schlechter Bleibeperspektive
sind aber von ihnen ausgeschlossen. Unser Ziel ist, dass auch Geflüchteten sämtliche Förderinstrumente
aus SGB II und III zur Verfügung stehen. Wer einen Ausbildungsvertrag hat, sollte auch von assistierter Ausbildung
und Ausbildungsbeihilfen profitieren können. Zugleich braucht es branchenspezifische Einstiegsförderung
sogar für diejenigen mit anerkannten Abschlüssen. Wir wollen Maßnahmen wie Eingliederungszuschüsse
und Entgeltzuschüsse für berufsbegleitende Qualifizierung stärker nutzen und wo nötig Lücken
durch ein Landesprogramm schließen. Insbesondere für Frauen fehlen Angebote mit Kinderbetreuung. Hier
wollen wir mit den öffentlichen Unternehmen des Landes vorangehen.
Entscheidend ist, dass Menschen begleitet werden beim Übergang in Ausbildung und Beruf und oft auch
darüber hinaus, und dass bei der Bildungsberatung und Berufswegeplanung ihre eigenen Interessen und
Kompetenzen im Zentrum stehen. Dafür müssen wir in Berlin bei der frühzeitigen Feststellung von Kompetenzen
und bei den Angeboten für passende Nachqualifizierungen noch besser werden. Wir müssen weg
von monatelangen Wartezeiten auf die Anerkennung von Abschlüssen, hin zu lückenlosen Anschlüssen.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Angebote für Mentoring und Coaching in Berlin: Jobcoaches der Jobcenter,
Bildungsgangbegleiter*innen in den OSZ, Coaches von Bildungs- und Beratungsträgern, Lots*innen in Kammern
und Innungen – und nicht zu vergessen die vielen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer*innen und (ehemaligen)
Vormünder – Es ist höchste Zeit, dieses Lotsensystem besser zu verzahnen. Im Betrieb selbst bzw.
begleitend zu Ausbildung und Berufseinstieg braucht es Lots*innen und Mentor*innen mit Branchenkenntnissen,
die zugleich kultursensibel sind und auch zwischen Betrieben und Beschäftigten vermitteln können.
Sie könnten in Innungen angesiedelt sein oder auch von mehreren Betrieben im Verbund beschäftigt werden.
Für die zahlreichen Fragen, die sich im Alltag stellen, sind wir weiter dringend auf Menschen angewiesen,
die sich ehrenamtlich um Geflüchtete und andere neu zugewanderte Berliner*innen kümmern – und
die dranbleiben, auch wenn unbegleitete minderjährige Geflüchtete erwachsen werden oder wenn Geflüchtete
aus den Gemeinschaftsunterkünften in Wohnungen umziehen.
Vielfältige Teams können Unternehmen bereichern. Viele Berliner Unternehmen sind hier Vorreiter, fühlen
sich aber von der Politik allein gelassen. Wir wollen die Unternehmen bei dieser Aufgabe stärker unterstützen.
Wir setzen uns dafür ein, dass es in den Berliner Unternehmen Diversity Manager*innen gibt – allen
voran in den Berliner Landesbetrieben. Darüber hinaus finden regelmäßig Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen
(u.a. in Kooperation mit der VAK) zu interkultureller Kompetenz im Betrieb statt.
Viele Geflüchtete kommen aus Ländern mit einer unternehmerischen Kultur. In Berlin ist es für sie jedoch
schwierig, sich selbständig zu machen: Bundesagentur und Jobcenter fördern Selbständigkeit nicht in demselben
Maß wie die Vermittlung in abhängige Beschäftigung – und sie unterstützen Gründungswillige vor
allem in der Gründungsphase zu wenig. Finanzielle Förderung scheitert häufig am befristeten Aufenthaltsrecht.
Wir wollen mit der IBB und der BA neue finanzielle Förderinstrumente entwickeln, die auch eine Ko-
Finanzierung ermöglichen.
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6) Interkulturelle medizinische Teams
Das Gesundheitssystem kann von Einwanderung besonders profitieren: Einerseits kann geflüchtetes und
zugewandertes Fachpersonal dazu beitragen, den drohenden Pflegenotstand abzuwenden. Andererseits
sind Gesundheitsversorgung und Pflege eng an die sprachlichen und kulturellen Bedürfnisse der Patient*innen
und Pflegebedürftigen gebunden. Interkulturelle medizinische Teams können zu einer besseren gesundheitlichen
Versorgung beitragen – gerade auch für all diejenigen Menschen, die vor langer Zeit zugewandert
und hier alt geworden sind. Klar ist: Die Qualitätsstandards wollen wir hoch halten, das gebietet
schon allein die Patient*innensicherheit. Es braucht aber ein durchlässiges Ausbildungssystem, das mehr
Zugänge in den Beruf bietet.
Für Pflegeberufe schlagen wir ein gestuftes Landesprogramm interkulturelle Pflege vor, das Geflüchtete,
Migrant*innen, im Ausland angeworbene Fachkräfte und andere Interessierte in ihrer jeweiligen Lebenssituation
abholt, ihre vorhandenen Kompetenzen berücksichtigt, ihnen die Begleitung und zusätzliche sprachliche
und ggf. schulische Förderung bietet, die sie jeweils brauchen und ihnen ermöglicht, auf verschiedenen
Stufen entweder in den Beruf einzusteigen oder eine weitere Fachausbildung anzuschließen bzw. Schulabschlüsse
nachzuholen. Gute Erfahrungen mit solchen gestuften Angeboten macht bereits jetzt die Berufsfachschule
Paulo Freire. Für ein solches durchlässiges Bildungssystem müssten mindestens die Stufen
Pflegebasiskurs, Sozialassistenz, Pflegehelfer*innen- und Pflegeausbildung angeboten werden. Eine individuelle
Begleitung während der Ausbildung und beim Berufseinstieg hilft Ausbildungsabbrüche zu verhindern
und sichert den Ausbildungserfolg. Entsprechende Vereinbarungen mit der Ausländerbehörde, der BA
und dem BAMF sollen künftig gewährleisten, dass Ausbildungsverträge bzw. Ausbildungsvorbereitung dort
zuverlässig den Aufenthalt sichern.
Die Wartezeiten für die Anerkennung von Abschlüssen gerade bei Gesundheitsberufen sind viel zu lang. Das
LAGeSo muss ein Konzept vorlegen, wie die Prozesse bei der Anerkennung medizinischer Berufe beschleunigt
werden können. Es darf nicht mehr vorkommen, dass zugewanderte Krankenpfleger*innen oder Radiologieassistent*
innen eine neue Ausbildung beginnen, weil die Wartezeiten für eine Anerkennung bzw. für
eine entsprechende Anpassungsqualifizierung mehr als ein Jahr betragen.
Viele der Menschen, die nach Berlin geflohen sind, haben vor und während ihrer Flucht traumatische Erfahrungen
gemacht und brauchen psychotherapeutische Behandlung. Dabei müssen wir neue Wege gehen,
denn das bezirklich organisierte Regelsystem ist längst nicht so aufgestellt, dass es den steigenden Bedarf
decken kann. Denn für viele geflüchtete Menschen beginnt die Verarbeitung ihrer Traumata erst jetzt, wo
sie in Berlin ihren dauerhaften Lebensort haben. Die Krankenkassen finanzieren weiterhin keine Sprachmittlung
und es gibt zu wenige niedergelassene Psychotherapeut*innen, die Kenntnisse in den entsprechenden
Sprachen haben.
Das Vivantes-Zentrum für transkulturelle Psychiatrie in Reinickendorf, das bereits mit interkulturellen
medizinischen Teams arbeitet, soll mit der zentralen psychiatrischen Clearingstelle an der Charité zu
einem Berliner Kompetenzzentrum für interkulturelle psychosoziale Versorgung ausgebaut werden.
Ergänzend dazu soll beim LAGeSo ein zentraler Dolmetscherpool für psychosoziale Sprachmittlung
etabliert werden. Dort sollen niedergelassene Ärzt*innen ebenso wie die landesweiten Kompetenzzentren
oder die Psychiatrischen Institutsambulanzen der Bezirke sowohl auf spezialisierte Sprachmittler*innen
zugreifen als auch Honorarrechnungen für entsprechende Sprachmittlung bei Therapien einreichen
können.
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7) Gemeinsam wohnen im Quartier
In allen Bezirken werden derzeit neue modulare Unterkünfte für Geflüchtete (MUF) geplant und errichtet.
Wir haben uns von Anfang an dafür eingesetzt, dass dort gemeinsames Wohnen von Anfang an ermöglicht
wird, damit Alteingesessene und Neuzugezogene möglichst schnell Nachbarn werden. Aus demselben
Grund befürworten wir es, wenn statt weniger großer mehrere kleinere MUFs realisiert werden. Mehrere
Bezirke haben mittlerweile in diesem Sinne alternative und integrationsfreundliche Konzepte entwickelt.
Wir erwarten, dass der Senat solche Vorschläge ernsthaft prüft und wo immer möglich unterstützt. Die Bauträger
fordern wir auf, auch für die Nachnutzung Wohnungen für große Familien einzuplanen. Viele geflüchtete
Familien haben auf dem Wohnungsmarkt derzeit kaum eine Chance, eine Wohnung zu finden.
Wenn Integration gelingen soll, müssen auch die Quartiere um die MUFs herum mit städtebaulichen und
sozialen Qualitäten gestaltet werden. Es braucht Frei- und Grünflächen, Spielplätze, soziale und kulturelle
Infrastruktur inklusive der Förderung von Exilkünstler*innen, eine barrierefreie Gestaltung, Geschäfte,
Restaurants und Cafés, so dass Begegnung möglich wird und ein praktischer Mehrwert für die gesamte
Nachbarschaft entsteht. Dem LAF liegen für jede Unterbringung sehr genaue Daten darüber vor, welche sozialen
Angebote vor Ort am dringendsten benötigt werden. Wir wollen, dass jedes neue MUF auch einen
Beitrag zur sozialen Infrastruktur leistet – ob das die öffentlich Kita, eine Arztpraxis oder das Nachbarschaftszentrum
im Erdgeschoss ist. Wir wollen mit den neuen Unterkünften zugleich in starke Sozialräume
investieren. So werden die Unterkünfte für Geflüchtete zu einer Chance für innovative Quartiersentwicklung.
Integration findet vor Ort im Sozialraum statt. Deshalb gehört das Geburtsdatenprinzip, das die Zuständigkeit
der Bezirke für Geflüchtete völlig unabhängig von ihrem tatsächlichen Lebensmittelpunkt verteilt, endlich
durch das Wohnortprinzip ersetzt. Wir unterstützen den entsprechenden Beschluss des Rats der Bürgermeister
und erwarten, dass die Sozialverwaltung umgehend einen Stufenplan für die Umstellung aufs
Wohnortprinzip vorlegt.
Seite 8 von 8Foto: Benjamin-Combs/Unsplash_CC0 Beschluss: Kleingärten sind Berlins Chance
Kleingartenanlagen bringen mehr Lebensqualität in Berlin. Sie sind ökologisch und sozial wertvolle grüne Oasen in der Stadt. Die Kleingartenanlagen, mit ihren über Jahre und Jahrzehnten entwickelten Ökosystemen, müssen erhalten bleiben und brauchen Rechtssicherheit – ebenso wie die sozialen Ökosysteme in und um sie herum! Der 2004 zur rechtlichen Absicherung beschlossene Kleingartenentwicklungsplan wurde zuletzt 2010 fortgeschrieben. Danach sind 83 % der Kleingärten dauerhaft gesichert, für weitere 11 % besteht eine Schutzfrist bis 2020. Leider wurde in den vergangenen Legislaturperioden mit diesem Plan das Ziel Rechtssicherheit nicht erreicht. Kleingartenflächen wurden nach Ablauf der Schutzfristen für andere Zwecke, vor allem Wohnungsbau und Infrastrukturmaßnahmen, vernichtet. Wir Grüne in der R2G-Koalition schaffen mit dem Kleingartenentwicklungsplan Rechtssicherheit bis 2030 als erster Schritt. Die Öffnung der Kleingärten in die Kieze und die ökologische Gestaltung der Kleingartenanlagen werden von uns in Zusammenarbeit mit den Kleingärtner*innen vorangetrieben.
Inhalt:
Beschluss der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 06.03.2019
Kleingärten sind Berlins Chance
Kleingartenanlagen bringen mehr Lebensqualität in Berlin. Sie sind ökologisch und sozial wertvolle grüne Oasen in der Stadt. Die Kleingartenanlagen, mit ihren über Jahre und Jahrzehnten entwickelten Ökosystemen, müssen erhalten bleiben und brauchen Rechtssicherheit – ebenso wie die sozialen Ökosysteme in und um sie herum! Der 2004 zur rechtlichen Absicherung beschlossene Kleingartenentwicklungsplan wurde zuletzt 2010 fortgeschrieben. Danach sind 83 % der Kleingärten dauerhaft gesichert, für weitere 11 % besteht eine Schutzfrist bis 2020. Leider wurde in den vergangenen Legislaturperioden mit diesem Plan das Ziel Rechtssicherheit nicht erreicht. Kleingartenflächen wurden nach Ablauf der Schutzfristen für andere Zwecke, vor allem Wohnungsbau und Infrastrukturmaßnahmen, vernichtet. Wir Grüne in der R2G-Koalition schaffen mit dem Kleingartenentwicklungsplan Rechtssicherheit bis 2030 als erster Schritt. Die Öffnung der Kleingärten in die Kieze und die ökologische Gestaltung der Kleingartenanlagen werden von uns in Zusammenarbeit mit den Kleingärtner*innen vorangetrieben.
Grün bleibt Grün zu 100%!
Auch wenn die Deckung des Wohnungsbedarfs eine der wichtigsten Herausforderungen für Berlin ist und bleibt: Grün und damit auch Kleingärten und Wohnungsbau dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden! Erst recht gilt das, wenn die geplante Bebauung der Gewinnmaximierung dient, und nicht gemeinnützigen, öffentlichen und sozialen Zwecken. Die Bebauung von Kleingartenflächen darf einzig für öffentliche, gemeinnützige und soziale Einrichtungen wie Kitas und Schulen auf Grund ihrer zentralen Funktion für unsere Gesellschaft und angesichts der Unterversorgung vieler Gebiete in Betracht gezogen werden. Sollte in einzelnen Fällen festgestellt werden, dass es keine geeigneten Alternativflächen für solche Einrichtungen gibt, muss auch die Bebauung von öffentlichen Flächen in Betracht gezogen werden, die bisher von Kleingartenanlagen belegt wurden. Dafür braucht es aber einen Transformationsprozess, der den Grünanteil sichert und stärkt. Perspektivisch muss auch die Ausübung des Vorkaufsrechts für Kleingartenanlagen auf privaten Flächen in Betracht gezogen werden. In der Koalition setzen wir uns bei unseren Koalitionspartnern dafür ein, dass der Erhalt der Kleingartenanlagen realisiert wird. Wir kämpfen in der Koalition weiterhin für eine ökologisch-soziale Stadtentwicklung, welche den sozialen Wohnungsbau fördert, Flächenversiegelung verringert, StadtGrün, StadtNatur schützt und Strategien gegen den Klimawandel umsetzt.
In einer sich schnell verdichtenden Stadt wie Berlin ist die Nutzung von Flächen eine der politisch umstrittensten Fragen. Für uns Grüne ist dabei zentral, dass öffentliche Flächen so genutzt werden, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an der Nutzung partizipieren können. Wir nehmen daher unsere politische Verantwortung verstärkt war und unterstützen die Kleingartenverbände bei der Öffnung der Kleingartenanlagen in die Kieze und bei der Ökologisierung. Dies gilt vor allem für Kleingartenanlagen, die sich auf den landeseigenen Flächen befinden (83 %). Diese sollten mehr Gemeinschaftsflächen zum Gärtnern bereitstellen, die gemeinsam von z.B. Kitas und Schulen genutzt werden können. Einige Kleingartenvereine gehen hier bereits beispielhaft voran.
Grün wird Grün für alle!
Aufgabe aktueller Berliner Koalition muss es sein, den Widerspruch zwischen „Kleingärten, Grün- bzw. Freiflächen“ einerseits und „bezahlbarem Wohnraum“ andererseits mithilfe eines klaren Kompasses aufzulösen. Insgesamt ist ein stadtentwicklungspolitisches Gesamtkonzept erforderlich, welches neben dem Wohnungsbau und Infrastruktur auch die Gestaltung und Nutzung des öffentlichen Grüns und der sich darin befindlichen Kleingartenflächen beinhaltet.
Wir Grüne gehen voran und entwickeln mit der Stadtgesellschaft in den nächsten Monaten in einem partizipativen Prozess die „Charta für das Berliner StadtGrün.“ Dabei soll mit den Berlinerinnen und Berlinern eine Strategie u.a. dafür entwickelt werden, wie die grüne Infrastruktur Berlins anlehnend an den Dauerwaldvertrag gesichert und ausgebaut werden kann.
Gemeinwohlorientierung kann nicht von oben verordnet werden – schon gar nicht, wenn sie bestehende Privatstrukturen aufbricht. Auch deshalb werden wir bei der Entwicklung der Charta Stadtgrün die Öffentlichkeitsbeteiligung vorantreiben. Mögliche Konflikte, die auch bei idealer Beteiligung und Planung noch vorkommen können, müssen durch frühzeitige Beteiligungsverfahren offengelegt werden. Dafür sind Transparenz und die Bereitstellung aller zur Abwägung notwendigen Informationen und eine realistische Darstellung der Ziele und Möglichkeiten sowie des Ablaufs des Verfahrens nötig.
Kleingärten für das gemeinschaftliche Gärtnern öffnen!
Eine kooperative Einbindung der Kleingartenvereine und der Verbände ist wichtig. Die ökologischen und sozialen Stärken der Kleingartenvereine müssen ausgebaut werden und eine bessere Öffnung für alle Berlinerinnen und Berliner muss gewährleistet sein. Wir unterstützen den Brückenschlag und die Zusammenarbeit zwischen der jungen innovativen der „Urban Gardening-Szene“ und den traditionell in Vereinen organisierten Kleingärtner*innen, um u.a. den Schutz der Gartenflächen, die Kontinuität, die Nachhaltigkeit und Planbarkeit des Gärtnerns in der Stadt gewährleisten zu können. Außerdem setzen wir uns für eine Änderung des Bundeskleingartengesetzes ein, um zu ermöglichen, dass mehrere Pächter*innen Parzellen gemeinsam bewirtschaften.
Nach dem Vorbild der New Yorker „Community Gardens“ sind in den vergangenen Jahren in Berlin zahlreiche interkulturelle Gärten und Gemeinschaftsgärten entstanden. Hier bewirtschaften Berlinerinnen und Berliner unterschiedlicher Herkunftsländer gemeinsam einen Garten und tauschen sich dabei über kulturelle Grenzen hinweg aus. Diese Gemeinschaftsgärten und Kleingärten sind gute Beispiele dafür, wie die historisch gewachsene, kulturelle, ökologische und soziale Ressource unserer Stadt bewahrt und weiterentwickelt werden kann.
Grafik: Grüne Fraktion Berlin Positionspapier "Gesamtkonzept gegen Diskriminierung an Berliner Schulen"
Mehrere dramatische Diskriminierungsfälle an Berliner Schulen haben im vergangenen Jahr zurecht für viel Empörung gesorgt. Die Erhebung der Antidiskriminierungsbeauftragten der Bildungsverwaltung belegt, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt. Berlin braucht daher ein Gesamtkonzept gegen Diskriminierung an Schulen, das nachhaltige, strukturelle und präventive Maßnahmen beinhaltet. Unsere Forderungen und Eckpfeiler haben wir in unserem Antidiskriminierungspapier festgehalten.
Inhalt:
Positionspapier Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 15.01.2019
Empörung reicht nicht – für ein Gesamtkonzept gegen Diskriminierung an Berliner Schulen
Die Berliner Schulen sollen ein Ort sein, wo Kinder und Jugendliche in ihren Fähigkeiten gefördert werden, gleichberechtigt lernen und heranwachsen können. Sie müssen Entfaltungs- und Lernraum, aber auch „Safe Space“ für Schüler*innen in ihrer Unterschiedlichkeit sein, in dem diese vor Ungleichbehandlung, beispielsweise aufgrund des Geschlechts, einer rassistischen Zuschreibung, der Religion, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung, des sozialen Status oder anderer Diversitätsmerkmale geschützt sind. Schulische Bildung und Erziehung soll junge Menschen dazu befähigen, mit gesellschaftlicher Differenz umzugehen und gesellschaftliche Vielfalt wertzuschätzen. Das gelingt mit einer Schulkultur, in der Schüler*innen, pädagogisches Personal und Eltern einander mit Respekt begegnen.
Die Realität sieht leider noch viel zu häufig anders aus. Mehrere antisemitische Fälle haben das in den letzten Monaten einer breiten Öffentlichkeit gezeigt. Dabei kommt es nicht nur zwischen Schüler*innen zu diskriminierendem Verhalten. Auch Lehrkräfte und pädagogisches Personal sind daran beteiligt. Die gegenüber der „Anlaufstelle Diskriminierungsschutz an Schulen“ angezeigten Fälle gehen zu 67 Prozent auf Ungleichbehandlung von Schüler*innen durch Schulpersonal und Schule zurück. Überwiegend waren die Diskriminierungen rassistisch motiviert und trafen insbesondere Schwarze Schüler*innen, Schüler*innen of Color und (vermeintlich) muslimische Schüler*innen.
Nur ein Bruchteil der Schüler*innen, der Eltern sowie der Lehrkräfte wagt es jedoch, sich gegen Benachteiligungen und Diskriminierungen zu wehren. Oftmals aus Unkenntnis über die eigenen Rechte, aufgrund der schulischen Hierarchien oder der Angst vor Maßregelungen. Diskriminierungserfahrungen haben aber ganz konkrete Konsequenzen für die betroffenen Personen: Sie wirken sich nicht nur negativ auf die körperliche und seelische Gesundheit aus. Bei den Schüler*innen gefährden sie auch Lernerfolge, Bildungschancen und den Umgang im Schulalltag.
Die bekannt gewordenen individuellen Fälle dürfen zudem nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ungleichbehandlung an Schulen auch eine strukturelle bzw. institutionelle Dimension in sich trägt. Aktuelle Studien belegen, dass Schüler*innen mit vermeintlich nichtdeutschem Namen oder nichtdeutscher Muttersprache bei exakt gleicher Leistung schlechter bewertet werden und seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten. Soziale Benachteiligung ist ein weiterer Faktor, der zu Chancenungleichheit an Schulen führt.
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Diskriminierung ist nicht gleichzusetzen mit Mobbing. Mobbing ist Psychoterror gegen eine bestimmte Person, die systematisch aus einer Gruppe hinausgedrängt werden soll. Antisemitismus, antimuslimischer Rassismus, Antiziganismus und andere Formen von Diskriminierung bzw. andere Ideologien der Ungleichwertigkeit haben Auswirkungen über den Einzelfall hinaus: sie stigmatisieren immer auch soziale Gruppen in Gänze, führen zu strukturellen Ausschlüssen und wirken damit demokratiegefährdend. Deswegen braucht es zur Prävention und entschlossenen Bekämpfung von Diskriminierung an den Berliner Schulen weitergehende Maßnahmen, die eben nicht nur bei Phänomenen des Mobbings stehen bleiben.
Diskriminierung darf nicht länger bagatellisiert werden. Schulen sind ein Spiegel der Gesellschaft. Zugleich wächst in ihnen die Zukunft unserer Gesellschaft heran. Sie verdienen daher unsere höchste Aufmerksamkeit. Unser Ziel ist es, das Recht auf diskriminierungsfreie Bildung sicherzustellen und mit Hilfe geeigneter Maßnahmen durchzusetzen.
Für ein Gesamtkonzept gegen Diskriminierung an den Berliner Schulen
An Berliner Schulen braucht es endlich einen nachhaltigen, strukturellen und präventiven Umgang mit Diskriminierung. Viele gute Initiativen und sinnvolle Ansätze stehen bislang unverbunden nebeneinander. Es gibt Schutz- und Beratungslücken, die wir schließen wollen. Es kann nicht sein, dass die Opfer die Schule wechseln müssen und sich an den diskriminierenden Strukturen nichts ändert. Eine diskriminierungskritische Schulkultur muss daher als eine zentrale Aufgabe von Leitungspersonal und Schulentwicklung vorangetrieben werden. Öffentlichkeitswirksamer Alarmismus angesichts einzelner, besonders dramatischer Diskriminierungsfälle mag zwar für kurze Zeit die Aufmerksamkeit für das Problemfeld „Diskriminierung an Schulen“ erhöhen und Politik zu punktuellen Maßnahmen veranlassen. Aber: Empörung reicht nicht mehr aus!
Wir treten daher ein für ein Gesamtkonzept gegen Diskriminierung an Berliner Schulen. Dies umfasst: 1.) die Verankerung eines rechtlichen Diskriminierungsschutzes, 2.) klare Beschwerde- und Interventionsstrukturen in Fällen von Diskriminierung sowie 3.) verbindliche Strukturen für Prävention, Information, Beratung und Empowerment.
Partner*innen für die Konzeption und Umsetzung des Gesamtkonzepts Wir sehen uns dabei als Partner*innen und Verbündete der vielen Projekte der Zivilgesellschaft, die qualitativ hochwertige Antidiskriminierungs- und Präventionsarbeit – zum Teil sogar peer-to-peer! – an oder im Umfeld der Berliner Schulen leisten. Die Nachfrage nach Workshops, Bildungsveranstaltungen und Seminaren durch die Schulen übersteigt dabei inzwischen oftmals das Angebot und die personellen Kapazitäten der Projekte. Die rotrotgrüne Koalition hat an einigen Stellen bereits die Förderung verstärkt. Hier ist aber der Senat weiterhin in der Pflicht, gemäß der Nachfrage weitere finanzielle Ressourcen bereitzustellen und die Strukturen dauerhaft abzusichern. Dabei gilt immer: Initiativen, Projekte und freie Träger können Schulen unterstützen und Expertise in
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Schulen tragen. Die Verantwortung für eine diskriminierungskritische Schulkultur kann aber nicht an Projekte oder externe Träger delegiert werden.
Wir sehen uns ebenso als Partner*innen und Verbündete der Schüler*innen und des Lehr- und pädagogischen Personals vor Ort einschließlich der Schulleitungen. Wir wissen, dass sich viele Schulen im Umgang mit Antisemitismus, Rassismus oder anderen Formen von Diskriminierung alleingelassen fühlen und dankbar für Unterstützungsangebote sind. Wir wissen auch, dass viele einzelne, hochmotivierte Lehrer*innen und Schüler*innen bereits wichtige und gute Antidiskriminierungs- und Empowermentarbeit leisten. Sie sind auf eine klare Haltung der Politik und auf Rückenstärkung durch Schulleitung und -aufsicht angewiesen. Wir nehmen zudem wahr, dass die Anforderungen an Lehrer*innen in den letzten Jahren gewaltig gestiegen sind. Eine strukturelle und professionelle Verankerung von Antidiskriminierungsmaßnahmen kann hier individuell entlastend wirken. Die Übernahme von zusätzlichen Aufgaben z.B. durch die Schulleitungen und die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen kann zudem nur gelingen, wenn zeitliche Freistellungen und andere Formen von gezielter Entlastung gewährt werden.
Die Zusammenhänge von Diskriminierung und Ausgrenzung sind komplex. Antisemitische Haltungen beispielsweise kommen selten isoliert vor, sondern sind fast immer Bestandteil von weiteren Abwertungsphänomenen an den betroffenen Schulen, die genauso adressiert werden müssen. Nicht aufgearbeitete Rassismuserfahrungen können selbst wiederum zu ausgrenzendem Verhalten führen. Viele Täter sind zugleich Opfer. Das entschuldigt nicht die Tat. Aber Diskriminierungserfahrungen müssen umfassend in den Blick genommen werden, um eine demokratische Schulkultur und ein wertschätzendes, diskriminierungskritisches Schulklima zu entwickeln.
Maßnahmenpaket 1: Rechtlichen Diskriminierungsschutz verankern
Um das Recht auf eine diskriminierungsfreie Bildung an den Schulen durchzusetzen, muss der individuelle Schutz vor Diskriminierung in den schulgesetzlichen Regelungen selbst normiert und für den schulischen Kontext konkretisiert werden, damit die Vorgaben in der Praxis – in alltäglichen schulischen Interaktionen bis hin zu der Auswahl von diskriminierungssensiblen Lehr- und Lernmitteln – Beachtung finden.
Wir haben deshalb bereits die Regelungen im Berliner Schulgesetz erweitert. In Paragraph 2, Absatz 1 („Recht auf Bildung und Erziehung“) wird die Nennung der Vielfaltsmerkmale nun als nicht abgeschlossene und für Intersektionalität offene Aufzählung gefasst, indem die Auflistung um die Formulierung „oder aus vergleichbaren Gründen“ ergänzt wurde. Zusätzliche Diskriminierungsdimensionen wie „rassistische Zuschreibung“, „soziale Herkunft“ oder „sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität“ finden nun ausdrücklich Berücksichtigung. Eine weitere Vereinheitlichung der Diversitätsmerkmale im Sinne des künftigen Landesantidiskriminierungsgesetzes wollen wir mittelfristig erreichen.
Mit dem novellierten Schulgesetz wird nun das Recht „junger Menschen“ auf eine „zukunftsfähige schulische Bildung und Erziehung“ künftig auch Diskriminierungsfreiheit umfassen. In Paragraph 4, Absatz 2 („Grundsätze der Verwirklichung“) werden die Schulen darüber hinaus explizit dazu
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verpflichtet, ihre Schüler*innen vor Diskriminierung wegen der in § 2, Absatz 1 genannten Gründe zu schützen.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt auch für die Schulen in Berlin. Der Diskriminierungsschutz beschränkt sich jedoch auf die Beschäftigten. Wir begrüßen daher das kommende Landesantidiskriminierungsgesetz. Dieses wird eine Schutzlücke schließen, da es erstmals auf Landesebene eine gesetzliche Handhabe gegen Diskriminierung in allen Bereichen öffentlich-rechtlichen Handelns einführt und damit auch für den Schulbereich gelten wird. Hilfreich ist insbesondere die Definition von Diskriminierungsformen und der Verweis auf sogenannte assoziierte Diskriminierung. Bundesweit einmalige Neuerungen, wie beispielsweise das Verbandsklagerecht, werden die Situation von betroffenen Schüler*innen und Eltern zusätzlich stärken.
Klar ist aber auch: Der rechtliche Diskriminierungsschutz kann nur dann wirksam sein, wenn über die Regelungen des Schulgesetzes hinaus die Aufgaben und Pflichten der Schulen und die Schutzmechanismen vor Diskriminierung konkretisiert und institutionell verankert werden.
Maßnahmenpaket 2: Beschwerde- und Interventionsstrukturen bei Diskriminierungsfällen
Für einen professionellen Umgang mit Diskriminierungsfällen an Berliner Schulen braucht es klare und niedrigschwellige Beschwerde- und Interventionsstrukturen. Opfer von Diskriminierung dürfen nicht länger allein gelassen werden. Sie müssen im Schulkontext adäquate Unterstützung finden. Zwar gib es bereits die Möglichkeit, sich bei Diskriminierungsvorfällen an die Schulleitung oder die Schulaufsicht zu wenden. Allzu häufig erfolgt auf solche Beschwerden aber keine oder nur eine sehr verspätete und unzulängliche Reaktion. Zudem scheuen manche der Betroffenen auch davor zurück, sich mit ihren Problemen an die Schulleitung oder die Schulaufsicht zu wenden. Woran es zudem fehlt, sind einheitliche und transparente Vorgaben und das Wissen, wie mit Diskriminierungsanzeigen umzugehen ist. Dies wollen wir ändern.
Wir fordern:
– Rahmenvorgaben der Senatsbildungsverwaltung
Das Schulpersonal muss konkrete Informationen und Vorgaben erhalten, wie es im Fall von Diskriminierung vorgehen soll. Zu diesem Zweck soll unter anderem das Merkblatt zu Diskriminierung in den Berliner Notfallplänen von der Senatsbildungsverwaltung überarbeitet werden. Es soll Rahmenvorgaben zum Umgang mit Diskriminierung beinhalten und eine klare Interventionskette aufzeigen. Darüber hinaus braucht es verbindliche Rahmenvorgaben für die Ausgestaltung und Auswertung der Strategien gegen Diskriminierung und Gewalt, die die Schulen erarbeiten sollen.
– Entwicklung von Antidiskriminierungsstrategien an jeder Schule Auf der Basis der Senatsvorgaben werden alle Schulen verpflichtet, eine an die individuellen Bedarfe und Gegebenheiten angepasste Antidiskriminierungsstrategie zu erarbeiten, zu implementieren, zu evaluieren und in regelmäßigen Abständen fortzuschreiben. Diese soll genauso Maßnahmen zur Reaktion auf individuelle Diskriminierungsvorfälle beinhalten wie auch Maßnahmen gegen strukturelle
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Ungleichbehandlung und für eine demokratische Schulkultur. Die Strategie wird in einem gemeinsamen und partizipativen Prozess durch die Schulkonferenz unter Einbindung der Schüler*innen und bei Bedarf durch professionelle Unterstützung von externen Expert*innen erarbeitet und der jeweils zuständigen Schulaufsicht vorgelegt. Die Umsetzung wird von der Schulaufsicht unterstützt und von der Schulleitung verantwortet. Nach Bedarf soll jede Berliner Schule in den kommenden fünf Jahren eine diskriminierungskritische Organisationsuntersuchung bzw. Organisationsentwicklung durchführen können. Dafür stellen wir den Schulleitungen zur Entlastung externe Organisationsentwickler*Innen zur Seite.
– Ansprechperson für Diskriminierung an jeder Berliner Schule An jeder Berliner Schule braucht es eine Ansprechperson für Diskriminierung. Diese Aufgabe wird im Regelfall von der Schulleitung übernommen. Die Schulkonferenz kann aber auch im Einvernehmen mit der Schulleitung und den Eltern-, Personal- und Schüler*innenvertretungen eine oder mehrere Ansprechpersonen aus dem Kreis des Lehrer*innenkollegiums benennen. Für die Arbeit der Ansprechpersonen müssen zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden. Sie erwirbt die notwendige fachliche Kompetenz durch eine zertifizierte Ausbildung, an sie sich regelmäßige Fort- und Weiterbildungen anschließen. Die Ansprechperson ist direkt an die Schulleitung angebunden und berücksichtigt in ihrer Arbeit auch die Expertise der jeweiligen Schulpsyscholog*innen, Vertrauenlehrer*innen und Schulsozialarbeiter*innen.
– Klare Interventions- und Beschwerdestrukturen Jede Schule muss sicherstellen, dass Schüler*innen und Eltern über schulinterne und externe Beratungs- und Unterstützungsangebote sowie Beschwerderechte und -verfahren in allen Fällen von Diskriminierung informiert sind. Schüler*innen müssen ermutigt werden, ihre Rechte geltend zu machen. Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte haben das Recht, sich in Diskriminierungsfällen an die Ansprechperson für Diskriminierung zu wenden. Fälle von Diskriminierung können aber auch gegenüber der Schulleitung, gegenüber Lehrkräften und den Schulgremien angezeigt werden. Der Zugang muss in allen Fällen niedrigschwellig und altersgerecht sein. Die Ansprechperson für Diskriminierung fungiert als Erstanlaufstelle für Diskriminierungsfragen. Sie berät über schulinterne wie externe Beschwerderechte und -verfahren und unterstützt Betroffene bzw. vermittelt Unterstützung. Sie koordiniert Anlaufstellen sowie Beratungs- und Unterstützungsangebote. Sie schaltet bei Bedarf die Krisenteams der Schule, die Schulaufsicht, das zuständige SIBUZ oder die Antidiskriminierungsbeauftragte der Senatsbildungsverwaltung ein. Die Entscheidung über Sanktionen und disziplinarische Maßnahmen obliegt weiterhin der Schulleitung und Schulaufsicht. Die Schulleitung ist über jeden Fall zu informieren; von dieser Informationspflicht abgesehen ist die Ansprechperson zur Vertraulichkeit verpflichtet.
– Dokumentations- und Meldepflicht
Alle gemeldeten Fälle von Diskriminierung sowie deren Aufklärung bzw. Sanktionierung sind von der jeweiligen Schule vertraulich zu dokumentieren und gegenüber der zuständigen Schulaufsicht sowie der Antidiskriminierungsbeauftragten der Senatsbildungsverwaltung zu berichten. Berlinweit sollen dafür einheitliche Erfassungs- und Dokumentationsvorgaben erstellt werden. Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Senatsbildungsverwaltung erstellt einen jährlichen Bericht, der dem Abgeordnetenhaus vorgelegt wird.
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– Antidiskriminierungsbeauftragte der Senatsbildungsverwaltung stärken
Die Einrichtung der Stelle der Antidiskriminierungsbeauftragten bei der Senatsbildungsverwaltung hat sich bewährt. Wir wollen sie personell stärken und weiter ausbauen. Gemeinsam mit der Senatsbildungsverwaltung stellt sie den Schulen Informationen und Handreichungen für den Umgang mit Diskriminierungsfällen und den Opferschutz zur Verfügung und kann Schulen sowohl beim Umgang mit konkreten Vorfällen als auch bei der Entwicklung von Antidiskriminierungsstrategien unterstützen.
– Einrichtung einer Unabhängigen Beschwerdestelle
Berlin richtet eine Unabhängige Beschwerdestelle für Diskriminierung an Schulen ein, die sich am Status der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit orientiert. Die Beschwerdestelle ist weisungsungebunden und mit jeweils einer Ombudsperson in jedem Bezirk vertreten. Sie führt unabhängige Beschwerdeverfahren durch und kann dabei Zeug*innen anhören, Stellungnahmen anfordern und Akten einsehen. Sie macht den jeweiligen Schulleitungen Handlungsvorschläge zur Ahndung oder Beseitigung der Diskriminierung sowie zur zukünftigen Unterlassung und begleitet deren Umsetzung.
– Stärkung des Schutzes von Betroffenen Bislang bleibt den von Diskriminierung betroffenen Schüler*innen oftmals nur der Wechsel an eine andere Schule, ohne dass sich an den diskriminierenden Vorfällen oder Strukturen vor Ort etwas ändert. Das ist nicht akzeptabel. Generell darf Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen kein Nachteil daraus erwachsen, wenn sie einen Diskriminierungsverdacht bzw. Diskriminierungsfall melden. Der Schutz vor weiterer Diskriminierung hat oberste Priorität und muss strukturell verankert werden.
Maßnahmenpaket 3: Verbindliche Strukturen für Prävention, Information, Beratung, Empowerment
Prävention ist das beste Rezept gegen Ungleichbehandlung an den Berliner Schulen. Zu einer professionellen Gesamtstrategie gegen Diskriminierung und für gleichberechtigte Teilhabe gehören daher auch verbindliche Strukturen und nachhaltige Maßnahmen der Aufklärung, Information, Beratung und des Empowerments. Nicht nur marginalisierte Personen und Gruppen, sondern alle Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen profitieren von einer demokratischen Schulkultur, welche die Wertschätzung von Vielfalt in den Mittelpunkt stellt. Ein auf Wertschätzung beruhendes Schulklima setzt aber eine kontinuierliche Arbeit aller Akteur*innen voraus und benötigt externe Unterstützung.
Wir fordern:
– Leitbild für eine Schule der Diversität In die jeweiligen Strategien gegen Diskriminierung und Gewalt an den Berliner Schulen sind auch je spezifische Maßnahmen der Prävention und der Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt zu verankern. Dabei ist die Expertise der Ansprechperson für Diskriminierung und von externen Expert*innen mit einzubeziehen. Die pädagogischen Maßnahmen sollen an die Schulentwicklung und schulinterne Qualitätssicherung gekoppelt werden. Zu ihnen gehört zum einen die kontinuierliche und fächerübergreifende
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Wissensvermittlung über unterschiedliche Diskriminierungsformen und die kontinuierliche Vermittlung von diskriminierungskritischen und Diversitykompetenzen, etwa im Unterricht, in Projekttagen oder Schulungen. Dazu gehören aber zum anderen auch Maßnahmen zur Beseitigung von institutionellen Ungleichbehandlungen.
– Stärkung externer Angebote und Verknüpfung mit den Schulen Die präventiven Maßnahmen sollen in langfristigen Kooperation mit externen Expert*innen der Beratungsstellen und Antidiskriminierungsprojekte entwickelt und umgesetzt werden. Peer-to-peer-Projekte sind dabei besonders zu berücksichtigen. Die Beschwerde-, Informations- und Beratungsstellen der zivilgesellschaftlichen Träger sind weiterhin ein zentraler Baustein für eine niedrigschwellige, zielgruppenspezifische und parteiische Unterstützung von Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern bei Diskriminierung. Der Senat sorgt für ihre bedarfsgerechte Ausstattung, unterstützt sie bei der Entwicklung von Qualitätsstandards und sichert dadurch den Schulen die Möglichkeit der langfristigen Zusammenarbeit mit ihnen. Die Elternkurse an den Volkshochschulen mit ihrem diskriminierungskritischen Curriculum stärken Eltern darin, ihre Rechte und die ihrer Kinder an Schulen einzufordern. Wir wollen dieses Angebot ausbauen und die Kurse mit ihren Pädagog*innen noch enger in die Elternarbeit der Schulen einbinden.
Stärkung der Aus- und Fortbildungsangebote Die pädagogische Fort- und Weiterbildung für das schulische Personal, für Lehrkräfte, Schulleitungen und Schulaufsichten im Bereich Antidiskriminierung, Intersektionalität und Diversitykompetenz soll verstärkt und mindestens für das Leitungspersonal als obligatorisches Angebot verankert werden. Aber auch in der pädagogischen Ausbildung muss eine dezidiert diskriminierungs-, rassismus- und antisemitismuskritische Wissensvermittlung in den Curricula der Universitäten und Hochschulen verankert sein. Für die Maßnahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung sind Qualitätsstandards zu entwickeln.
– Einrichtung einer Fachstelle für intersektionale Bildung Nach dem Vorbild der Fachstelle für Queere Bildung fordern wir die Einrichtung einer Fachstelle für Intersektionale Bildung. Ihre Aufgabe soll es sein, Fachkräften in der frühkindlichen und schulischen Bildung, der Kinder- und Jugendhilfe sowie Mulitplikator*innen Kompetenzen im Umgang mit Diversität im pädagogischen Feld zu vermitteln und sie zur Anwendung von Strategien gegen Diskriminierungen zu befähigen. Die Fachstelle entwickelt Qualitätskriterien für diskriminierungskritische Bildungsarbeit sowie Kriterien zur Beauftragung von Bildungsanbietern. Sie berät zu Fortbildungsformaten, bietet Prozessbegleitung für pädagogische Träger und Einrichtungen an und stellt entsprechende Materialien und Handreichungen für Bildungsprozesse und Fortbildungen bereit.
– Empowerment Von Diskriminierung bedrohte Schüler*innen müssen gezielt durch Maßnahmen des Empowerments gestärkt werden. Dafür müssen spezielle Angebote entwickelt und implementiert werden. Die Arbeit der bereits etablierten Kontaktpersonen für LSBTIQ/Diversity an den Berliner Schulen soll dabei ebenso wie vorhandene externe Peer-to-peer-Angebote einbezogen werden.
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– Diskriminierungskritische Schulmaterialien Das Recht auf eine diskriminierungsfreie Bildung kann nur dann Realität werden, wenn auch die in den Berliner Schulen eingesetzten Lehr- und Lernmaterialien keine Rassismen und Vorurteile verbreiten. Wir wollen, dass Paragraph 16, Absatz 1 („Einführung von Schulbüchern…“) des Berliner Schulgesetzes in der Praxis endlich Anwendung findet. Dafür wird die Fachstelle für intersektionale Bildung in Kooperation mit Schulbuchverlagen Empfehlungen für Lern- und Lehrmaterialien erarbeiten, die an den Berliner Schulen bei der Auswahl von Schulmaterialien berücksichtigt werden sollen.Foto: Igor Ovsyannykov/Unsplash_CC0 Eckpunktepapier "IT-Sicherheit für Berlin"
Für uns Grüne ist IT-Schutz auch Demokratieschutz und seit Jahren ein Kernpunkt unserer digitalisierungspolitischen Arbeit – mit dem vorliegenden Positionspapier fassen wir nun unsere Handlungsmaximen zusammen.
Inhalt:
Beschluss der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 15.01.2019
IT-SICHERHEIT FÜR BERLIN
Sicherheit im Digitalen ist zu einer zentralen Herausforderung unserer Infrastrukturen und
Kommunikationssysteme geworden ist. Das Zusammenwirken der immer komplexer werdenden Netzwerke
und der Sicherheit unserer IT-Infrastruktur ist heute wesentliche Bedingung unserer grundrechtlichen
Freiheiten sowie unserer verfassungsrechtlichen Ordnung.
Berlin ist nicht nur ein gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Knotenpunkt von einzigartiger
Bedeutung in Europa, es ist auch in der IT-Infrastruktur ein bedeutender Hub, das den vielfältigen
Anforderungen an diese Stadt gerecht werden muss. Gleichzeitig steigen in diesem komplexen Netzwerk
die Gefahren für einzelne Punkte im Netz als auch dem Gesamtverbund: ob es um digitale Risiken für
einzelne Bürger, für Behörden, für Wirtschaftsunternehmen oder für die kritische Infrastruktur geht – Berlin
muss Sicherheit im digitalen Raum bieten.
Ein zentraler Grundgedanke der bündnisgrünen Perspektive auf IT-Sicherheit ist das Vorsorge- und
Verhütungsprinzip: IT-Sicherheit entsteht, wenn wir vor einem Krisenfall absichernde Maßnahmen treffen.
Oder anders gesagt: es ist besser, wenn wir mit Rauchmeldern und Feuerlöschern den Brandfall vorneweg
verhindern, als wenn der Brand schon lodert und wir das Feuer nur noch löschen können.
Die aktuellen Ereignisse machen gleichfalls deutlich, dass IT-Sicherheit uns alle betrifft. Denn es ist auch
der Mensch, der ein wesentliches Risiko bei Angriffen auf unsere IT-Systeme darstellt. In diesem Sinne ist
IT-Sicherheit auch Führungsverantwortung. Denn das Führungspersonal muss das Thema mit der nötigen
Aufmerksamkeit vorleben.
Sicherheit der Netzinfrastruktur
Der Berliner Großraum ist der Raum für vielfältige große und kleine Netze. Die Anbindung der
Universitäten im internationalen akademischen Raum steht dabei genauso im Raum, wie die Einwahl der
einzelnen Bürger in das öffentliche WLAN oder der heimische Internetzugang. Digitale Zugänge, sei es
über das „klassische Internet“ (www), Bibliotheks- und Ausbildungsnetzwerke oder die Verlagerung von
Kultur- und Medienangeboten auf die IPTV-Distribution und DVB-T2, sind einerseits das sprichwörtliche
Tor zur globalisierten und vernetzen Welt und andererseits ein Hauptfaktor für die gesellschaftliche
Teilhabe in der modernen Stadtgesellschaft.
Sicherheit der Netzinfrastruktur ist nicht nur eine Frage der digitalen Angriffspunkte, sondern muss auch
physisch gewährleistet werden. Die „Ostkreuz“-Anschläge auf das S-Bahn- und Fernbahn-Netz trafen nicht
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nur den Zugverkehr, sondern sorgten bei einem großen Telekommunikationsdienstleister für tagelange
Ausfälle.
Das Land Berlin muss in Zusammenarbeit und im Dialog mit den Netzbetreibern dafür Sorge tragen, dass
die Sicherheitskonzepte sich mit den Bedrohungen weiterentwickeln. Redundante Systeme zum Schutz der
Berliner*innen und der hier angesiedelten Unternehmen, der Schutz neuralgischer Orte sowie ein
dezentraler Netzaufbau sind Bausteine, um Angriffen vorzubeugen.
Netzzugänge als digitale Türöffner, sind kritische Punkte und damit beliebte Angriffsziele. Als im
November 2016 während eines Versuchs, ein weltweites Botnetz aufzubauen, über eine Million Router der
Telekom ausfielen, saßen auch hunderttausende Berliner*innen ohne Internet da.
Die Berlin-Cloud als zentrales Netzwerk der Berliner Behördenstruktur muss gegen großflächige Ausfälle
abgesichert werden und in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern müssen Sicherungskopien
außerhalb des Landes Berlin aufbewahrt werden, um im digitalen Krisenfall einen schnellen Zugriff auf
unbeschädigte Daten zu haben und der kompromittierten Stadt zu helfen.
Sicherheit der Verwaltung
Maßgeblich für das Vertrauen der Bürger*innen in die Berliner Verwaltung und ihren
Digitalisierungsprozess ist die Absicherung der Daten. Während wir mit der Umsetzung des E-Government-
Gesetz Berlins das zentrale Großprojekt der Reformierung der Berliner Verwaltung angehen, müssen wir
auf zwei übergeordnete Grundsätze hinwirken: „Security by Design“ und „Form follows Function follows
Security“.
Denn auch wenn in manchen IT-Stellen die Vorstellung vorherrschend ist, dass Behörden keine
lohnenswerten Ziele wären, ist die öffentliche Verwaltung im starken Fokus von Datenhändlern und
Kriminellen: Die erhobenen Daten durch die Verwaltung sind hochverifiziert, aktuell, umfassend und
abschließend. Das macht sie besonders wertvoll und besonders sensibel, seien es persönliche Daten des
Melderegisters, Kita-Plätze oder Bußgeldverfahren. Berliner Behörden sind für den Datendiebstahl ein
attraktives Ziel und sie sind aufgrund dieser Umstände hoch gefährdet. Schließlich geht es nicht nur um
den illegalen Zugang auf geschützte private Daten, sondern zunehmend auch um den Schutz digitaler
Identitäten.
Dabei ist die im Berliner E-Government-Gesetz angelegte Zentralisierung ein großer Durchbruch für
„Security by Design“. Mit der Aufhebung der IT-Planungshoheit in den einzelnen Behörden und in der
Zusammenführung eines Großteiles der Berliner Behörden unter der Aufsicht und dem Sicherheitsmanagement
des ITDZ wurde der Gefahr der Kompromittierung einzelner Dienststellen entgegengewirkt.
Nunmehr haben sich alle abnahmepflichtigen Behörden den strengen Sicherheitsanforderungen der
zentralen IT-Verwaltung zu stellen – eine Verschleppung der Verantwortung ist damit nicht möglich. Die
innovative Sicherheitskultur des ITDZ – z.B. der Hacktober als Awareness-Maßnahme – muss immer
wieder überprüft und weiterentwickelt werden.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen setzt auf eine Landes-Awareness-Strategie der IT-Sicherheit.
Verpflichtende und regelmäßige Weiterbildungen sowie eine erlebnisorientierte Sensibilisierung der
Berliner Mitarbeiter*innen im Öffentlichen Dienst sind in einer digitalen Verwaltung unabdingbar. Dabei
muss die Weiterbildung zertifiziert und qualifiziert erfolgen. Alle weiteren Schulungen im digitalen Bereich
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sollen außerdem verpflichtend ein IT-Sicherheitsmodul beinhalten. Daneben braucht es ein ständig
aktualisiertes und verständlich aufbereitetes Warnsystem.
Mit dem Computer Emergency Response Team (CERT) des ITDZ ist Berlin Institutionell schon gut
aufgestellt. Das CERT arbeitet präventiv und reaktiv. Zum einen prüft es in den Dienststellen der
Verwaltung die Infrastruktur auf verwundbare Stellen und sensibilisiert Sachbearbeiter zum Umgang mit
Hard- und Software. Im Ernstfall eines Angriffs von außen analysiert das CERT sofort die Situation, sichert
die Spuren und leitet entsprechende Gegenmaßnahmen ein.
Mit regelmäßigen Sicherheitsübungen nach Vorbild der Brandschutzübungen der Feuerwehr wollen wir
den Ernstfall proben und das Bewusstsein über IT-Sicherheit erhöhen. Die Einbindung des LKA und des
Berlin-CERT beim ITDZ soll dafür sorgen, reale Angriffsszenarien zu erfahren, damit im digitalen Krisenfall
jeder Handgriff sitzt und die Arbeitsfähigkeit schnell wiederhergestellt werden kann. Erfahrungen dazu
bestehen auf europäischer Ebene mit den erfolgreichen Sicherheitsübungen der ENISA.
Die heutigen Angriffe im IT-Bereich sind längst nicht mehr gezielte und präzise Eingriffe, sondern
vornehmlich die automatisierte und massenhafte Ausnutzung von Programmfehlern durch zentrale
Steuerungssysteme.Es ist daher eine Notwendigkeit die Zentralisierung von Sicherheitsmaßnahmen in
Berliner Behörden voranzutreiben.
Gleichzeitig müssen Sicherheitsvorfälle in Berlin transparent gemeldet werden. Dazu müssen dass die
Meldepflichten der Dienststellen an das ITDZ konsequent umgesetzt werden und andererseits relevante
Sicherheitsvorfälle (wie z.B. Datenverlust) in der Berliner Verwaltung im Rahmen der Open-Data-Strategie
transparent gemeldet werden. Denn Behördendaten sind nicht nur Daten über Bürger, sie sind auch Daten
der Bürger!
Wir brauchen im Rahmen der landesweiten Sicherheitskultur eine behördeninterne Belohnungsstrategie
für das Melden von Sicherheitslücken und Fehlern durch die Mitarbeiter*innen nach dem Vorbild von „Bug
Bounty“-Programmen. Eine außerordentliche Prämie für das Melden von besonders schwerwiegenden
Lücken soll die behördeninterne Bewusstsein stärken und die Mitarbeiter*innen zu einem reflektierten
Umgang mit den verwendeten Programmen anregen.
Alle Vorfälle, Maßnahmen und Entwicklungen sind in einem umfangreichen Sicherheitsbericht jährlich
durch die zuständigen Stellen zusammenzufassen und der Öffentlichkeit sowie dem Parlament zugänglich
zu machen, um die Transparenz in diesem Bereich auf hohem Niveau zu halten.
Damit im Digitalisierungsprozess der Berliner Verwaltung eine neutrale Stelle unvoreingenommenen die
Sicherheitsmaßnahmen kontrollieren kann, treten wir schließlich dafür ein, die im Berliner E-Government-
Gesetz vorgesehene Stelle des Chief Information Security Officers (CISO) zu besetzen. Wir erwarten, dass
mit dem zunehmenden Umfang von Digitalisierungsaufgaben im Land Berlin es zu Abwägungskonflikten
zwischen Sicherheit und Fortschritt der Umsetzung kommen wird. Hinzu tritt die Herausforderung, nicht
nur bei unberechtigten Zugriffen durch behördenexterne Personen, sondern auch bei behördeninterne
Sicherheitsverstöße tätig zu werden. Perspektivisch streben wir die Schaffung einer unabhängigen Stelle
für IT-Sicherheit nach Vorbild der Berliner Datenschutzbeauftragten an.
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Sicherheit der Wirtschaft
Berlin lebt von den vielen innovativen Ideen und der technischen Raffinesse seiner Gründer*innen und der
guten und zielgenauen Arbeit seiner alteingesessenen Unternehmen. Start-Up-Ideen und Arbeitsprozesse
sind genauso wertvolle Diebstahlsziele wie Transaktionsdaten und Finanzgeheimnisse; sie werden bedroht
von Online-Betrügern, von Datenhändlern und von Industriespionage.
Um den Standort Berlin und seine gewerblichen Träger*innen vor bösen Überraschungen zu schützen,
haben wir in dem Koalitionsvertrag die Fokussierung von Internet-Kriminalität durch Strafverfolgungsbehörden
niedergelegt und den Aufbau einer Beratungs- und Informationsstelle für IT-Sicherheit durch die
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe geplant. Mit der Digitalagentur hat die
bündnisgrüne Senatsverwaltung dieses Projekt bereits angestoßen.
Dabei ist der Schwerpunkt der Digitalagentur die nachhaltige Information und Beratung insbesondere der
kleinen und mittelständischen Unternehmen, denen es oft an eigenen Ressourcen für eine zielgenaue
Absicherung ihrer Infrastruktur fehlt. Die Digitalagentur soll sich außerdem mit weiteren Expert*innen in
der IT-Sicherheit, insbesondere den aufgebauten Kompetenzen an den Universitäten, vernetzen und
gemeinsame Projekte mit wissenschaftlicher Evaluierung planen und durchführen. Ein effektives Netzwerk
der öffentlichen Hand stärkt dem Berliner Standort den Rücken und unterstützt eine reibungsarme
Digitalisierungstransformation der Berliner Gewerbelandschaft.
Auch die landeseigenen Betriebe müssen ihrer Verpflichtung zur Wahrung von effektiven Sicherheitsplänen
nachkommen. Dafür muss für alle landeseigenen Betriebe ein mit der Aufsichtsbehörde abgestimmten ITSicherheitsplan
geschaffen werden und die Umsetzung fachkundig und unabhängig evaluiert und
zertifiziert werden.
Wichtig für den Transformationsprozess in Wirtschaftsleben Berlins ist der Einsatz moderner
Kollaborationsformate, der die sicherheitstechnische Kreativität und Produktivität der verschiedenen
Institutionen zusammenbringt und praktische Probleme für alltägliche, digitale Sicherheitsprobleme findet.
Wir werden einen berlinweiten, jährlichen Hackathon initiieren, in dem ehrenamtlich und gemeinsam die
Stärkung unser IT-Sicherheit vorangetrieben werden wird. Mit Unternehmen, mit Behörden, mit
zivilgesellschaftlichen Initiativen und vor allem mit all dem technischen Potenzial unserer Bürger*innen.
Von Berlin – für Berlin.
Sicherheit der Bürger*innen
IT-Sicherheit ist nicht nur eine Herausforderung für die Berliner Institutionen, sondern für jeden einzelnen
Bürger. Wir nutzen PCs, Laptops, Tablets und Smartphones über alle Bevölkerungsschichten hinweg jeden
Tag zu jeder Zeit – und setzen uns damit einem Labyrinth aus technischen, digitalen und sozialen
Gefahren aus. Nicht jede*r kann mit den Begriffen Scamming, Hacking, Phishing und Spam was anfangen –
manches klingt mehr nach einer britischen Dinnergestaltung als nach realen Gefahren.
Und gerade deshalb müssen wir hier auch die Möglichkeiten zur Beratung und Information schaffen. Dabei
zeigen Studien, dass Jugendliche als vermeintliche „digital natives“ genauso betroffen sind von
Informationsschwächen im Bereich der digitalen Sicherheit wie Senioren*innen.
Wir setzen auf möglichst umfangreiche Bildungs- und Beratungsangebote und sorgen für eine
gesamtheitliche Vermittlung von Medienkompetenz und Sachverständnis in der schulischen Bildung
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ebenso wie in der Erwachsenenbildung. In den Berliner Schulen muss IT-Sicherheit innovativ und
spielerisch vermittelt werden und dabei selbst durchgängig abgesichert sein. Mit der Schaffung von ITAdministratoren
an jeder Berliner Schule unterlegen wir diesen Anspruch auch personell.
Im Bereich der Erwachsenenbildung sind insbesondere die Volkshochschulen und die Hochschulen
gefordert. IT- und Medienkompetenz mit einem ständigen Schwerpunkt auf Sicherheit können nach
unserer Vorstellung durch öffentlich und kostenfrei zugängliche „Digital Summer Schools“ im Land Berlin
in der Ferienzeit für alle Bürger*innen vermittelt werden. Die Vermeidung von menschlichen Fehlern oder
Fehlgebrauch von IT ist ein zentraler Gewinn von IT-Sicherheit für die gesamte Stadtgesellschaft – und
darüber hinaus.
Ein weiterer Baustein für IT-Sicherheit sind vielfältige Erfahrungen mit der Digitalisierung. Dazu soll eine
„Digitale Woche Berlin“ beitragen. Vom digitalen Klassenzimmer über die Werteentwicklung einer
digitalen Gesellschaft bis hin zum Einsatz von Robotern in der Pflege soll die Themenvielfalt interessierte
Bürgerinnen und Bürger eine Woche lang zu einem intensiven Dialog mit den digitalen Gestaltern
einladen. Öffentliche Orte wie Stadtteilzentren, Bibliotheken und Rathäuser sollen dabei ebenso ihre Tore
für Veranstaltungen öffnen wie private Vereine und Firmen, die ihre Fortschritte und Bildungsmöglichkeiten
präsentieren wollen.
Berliner Institutionen stehen im Auftrag der Berliner Bürger*innen und haben daher eine Verantwortung
für die Schaffung eines effektiven und nachhaltigen digitalen Verbraucherschutzes: Technologien, die in
Berlin entwickelt werden, sollen die Verschlüsselung von z.B. WLAN-Routern stärken und die Landschaft
des „Internet of Things“ auf Dauer in seiner Benutzung sicher machen. Berlin ist vieles, aber kein Bot-Netz.
Sicherheit im Katastrophenfall
Mit detailreichen Aufschlägen zum Schutz der Kritischen Infrastruktur hat der Bundesgesetzgeber eine
umfassende Regelung über die Erweiterungen der KritV geschaffen. Stichtag für die Umsetzung der KritVBestimmungen
war der 3. Mai 2018 – Unternehmen, die dann nicht sicher sind, müssen mit empfindlichen
Maßnahmen zur Einhaltung der Standards gebracht werden. Das Land Berlin ist hier in der Pflicht, genau
hinzuschauen. In enger Abstimmung mit der Bundesebene muss das Land Berlin außerdem die eigenen
Katastrophenschutz-Programme in ständiger Revision so überarbeiten, dass Risiken für die Berliner
Bevölkerung minimiert werden.
Denn für Berlin mit seiner hohen Bevölkerungsdichte ist die Funktionsfähigkeit und Integrität unserer
Katastrophenschutzmaßnahmen, unserer Krankenhäuser und unserer Energieinfrastruktur ein
unerlässlicher Kernpunkt im Hinblick auf die IT-Sicherheit. Vorfälle wie die Auswirkung des WannaCry-
Trojaners in Großbritannien, der in dutzenden Krankenhäusern die Rechner in digitale Geiselhaft nahm,
zeigen, wie alltäglich und real die Bedrohungsszenarien für hochsensible Bereiche wie z.B. die
Gesundheitsversorgung werden können.
Insbesondere die Charité als zentrales Forschungs- und Ausbildungskrankenhaus in Berlin hat hier die
Pflicht, ihre digitale Infrastruktur umfangreich zu schützen und Sicherheitsmaßnahmen so bald wie
möglich umfangreich und – im wahrsten Sinne des Wortes – abschließend umzusetzen. Das betrifft nicht
nur ihre elementare Stellung als kritische Infrastruktur, sondern auch den alltäglichen Schutz von
Patientendaten vor internen und externen unberechtigten Zugriffen.
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Wir fordern, neben den Umsetzungen der bundesweiten Sicherheitsvorschriften auch regelmäßig den
Rückfall auf analoge Strukturen zu planen und in einem jährlichen „Aktionstag Netzausfall“ zu testen.
Hierfür braucht es ein integriertes Konzept zwischen Betreiber*innen kritischer Infrastruktur, den Berliner
Behörden und dem ITDZ.
IT-Sicherheit im Spannungsfeld zwischen Strafverfolgung und Bürger*innenschutz
Sicherheit hat der Freiheit zu dienen. Das heißt, dass IT-Sicherheit auch über staatlichen Maßnahmen
stehen muss und insbesondere durch diese nicht gefährdet werden darf. Es ist ein grundlegender
Bestandteil bündnisgrüner Politik, dass digitale Handlungsfreiheit erst durch die Integrität der Systeme zu
erreichen ist.
Ein Ankauf und die Ausnutzung von Sicherheitslücken durch die Berliner Strafverfolgungsorgane und den
Verfassungsschutz schließen wir insbesondere dort aus, wo sie massenhaft für Systemunsicherheiten bei
Bürger*innen sorgen. Der Trojaner „WannaCry“ hat gezeigt, dass wir eine neue Verantwortungskultur bei
dem Ankauf von Sicherheitslücken durch Sicherheitsbehörden brauchen. Sicherheitslücken die viele
Millionen Menschen betreffen – beispielsweise im Betriebssystem Windows 10, Android oder iOS, die das
Rückgrat unseres digitalen Lebens ist, müssen geschlossen und nicht offen gehalten werden.
Es muss eine zentrale Aufgabe und unser aller Interesse sein, freie und staatlich unabhängige Forschung
zu Verschlüsselungstechnologien zu fördern und sie den Berliner*innen zugänglich zu machen. Hierbei
nehmen insbesondere die Berliner Hochschulen und die außeruniversitären Forschungseinrichten eine
zentrale Rolle ein. Starke Verschlüsselung bedeutet nicht nur starke Bürgerrechte, sondern auch eine
Absicherung der E-Government-Angebote des Landes Berlin: Nur mit einer starken und ungebrochenen
Verschlüsselung ist die Vertraulichkeit und Integrität der versendeten und gespeicherten Daten der
Berliner Bürger*innen gewahrt. Förderung von quelloffener Kryptografie ist eine konstante Investition in
die Sicherheit der Zukunft.
Für eine nachhaltige Sicherheitspolitik im digitalen Raum ist eine stärkere und funktionierende
Zusammenarbeit zwischen den bearbeitenden Stellen für Sicherheitsvorfälle in den Berliner Behörden und
den Strafverfolgungsbehörden sicherzustellen. Ein standardisiertes Meldesystem ist Grundlage, um eine
Nachermittlung der Urheber von Angriffen auf die Berliner Systeme zu ermöglichen. Hierzu müssen die
Sicherheitsbehörden auf Landes-, aber auch auf Bundesebene ihre Arbeitsweisen regelmäßig koordiniert
hinterfragen und wenn nötig die entsprechenden Ressourcen bündeln. Voraussetzung dafür ist eine
belastbare Klärung und Realisierung der Verantwortlichkeiten sowohl zwischen als auch innerhalb von
Bundes- und Landesbehörden.
Seite 6 von 6Foto: josemdelaa/Pixabay_CC0 11-Punkte-Plan "Grüne Wohnungs- und Obdachlosenhilfe"
Die steigende Wohnungslosigkeit stellt eine der größten sozialen Herausforderungen des Landes Berlin dar. Auch in diesem Winter werden wir dies im Alltag unserer Stadt erleben. Und auch wenn wir absehbar auf die Kältehilfe als Nothilfe angewiesen sein werden, liegt unser politischer Fokus darauf, diesen Bedarf so gering wie möglich zu halten. Wir sehen Handlungsbedarf, um den Schwächsten der Schwachen zu helfen und haben dafür dieses Beschlusspapier in der Fraktion verabschiedet.
Inhalt:
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Beschluss der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 19.11.2018Grüne Wohnungs- und Obdachlosenhilfe von der Strategiekonferenz zu neuen Leitlinien der Wohnungslosenhilfe in Berlin
Die steigende Wohnungslosigkeit stellt eine der größten sozialen Herausforderungen des Landes Berlin dar. Ursächlich dafür sind insbesondere die Armut trotz Arbeit, eine verfestigte Erwerbslosigkeit und die Benachteiligung von insbesondere Alleinerziehenden und Menschen mit sog. Migrationshintergrund. Durch den zusehends angespannten Wohnungsmarkt verschärft sich die Situation weiter mit der Folge, dass zunehmend mehr Menschen in die Wohnungs und Obdachlosigkeit geraten. Auch in diesem Winter werden wir dies im Alltag unserer Stadt erleben. Und auch wenn wir absehbar auf die Kältehilfe als Nothilfe angewiesen sein werden, liegt der politische Fokus von Bündnis 90/Die Grünen darauf, diesen Bedarf so gering wie möglich zu halten. Wir arbeiten dafür, die Prävention in den bezirklichen Wohnhilfen auszu
bauen, die Qualität und Beratung in Wohnheimen für Wohnungslose (ASOG Unterkünften) zu verbessern sowie besonders schutzbedürftigen Menschen in den passenden regulären Hilfesystemen Unterstützung zu organisieren.
Wir haben es uns in der rot rot grünen Koalition zum Ziel gesetzt die Wohnungs und Obdachlosenhilfe den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Am 10. Oktober 2018 fand dazu die nun zweite Strategiekonferenz Wohnungslosenhilfe statt. Sie ist Teil des breiten Beteiligungsprozesses zur Weiterentwicklung der Berliner Leitlinien zur Hilfe für Wohnungs und Obdachlose. Die aktuellen Leitlinien stammen noch aus dem Jahre 1999. Ein wichtiges Element der Strategiekonferenz sind die neun Arbeitsgruppen in denen Akteur*innen aus Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik gemeinsam konkrete Vorschläge entwickelten. Diese Ergebnisse sind die Grundlage zur Erarbeitung der neuen Leitlinien und müssen nun federführend von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales zu neuen gesamtstädtischen Leitlinien zusammengeführt werden.
Die Senatsverwaltung ist gemeinsam mit den Bezirken auch in der Verantwortung erste Handlungs
vorschläge zeitnah umzusetzen. Der Prozess der Verschriftlichung kann kein Grund dafür sein, mit dem Handeln zu warten. Bündnis 90/Die Grünen unterstützen den Prozess. Wir sehen Handlungsbedarf insbesondere in diesen Themenfeldern.
1) Erste Wohnungsnotfallstatistik in 2019
Bereits im Jahr 2019 soll mit einer Zählung auf der Straße ein Einstieg in eine geschlechterspezifische Berliner Wohnungsnotfallstatistik erfolgen. Dazu sind im Laufe des Jahres die Vorschläge der AG 1 (Wohnungsnotfallstatistik) in einem ersten Zahlenbericht umzusetzen.
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2) Umsetzung des Fachstellenkonzeptes in den sozialen Wohnhilfen in den Bezirken
Viele Menschen in Berlin geraten aus Notsituationen heraus auf die Straße. Gezielte Prävention in den Bezirken kann und muss viel stärker als bisher dazu beitragen, dass Menschen ihre Wohnung erst gar nicht verlieren. Wir wollen daher wie in der AG 3 (Prävention von Wohnungslosigkeit) sowie der AG 7 (Soziale Wohnhilfen/Fachstellen) gefordert, eine einheitliche Struktur der sozialen Wohnhilfen in den Bezirken als Fachstellen (nach Vorbild von Städtetag und Deutschem Verein) schaffen. Die sozialen Wohnhilfen müssen zu Anlauf– und Beratungsstellen für von Wohnungslosigkeit Bedrohte und Wohnungslose werden, die Bedarfe von Frauen, Familien mit Kindern, Senior*innen und Pflegebedürftigen müssen hier besonders berücksichtigt werden. Hierzu müssen alle Kompetenzen, aus dem Wohnungsamt, dem Jobcenter, dem Jugend– und dem Gesundheitsamt gebündelt werden. Einen ersten Schritt haben wir mit dem aktuellen Doppelhaushalt schon getan, indem wir den Bezirken 1,2 Millionen Euro für dieses Ziel zur Verfügung gestellt haben. Die Bezirke und die Senatsverwaltung in ihrer gesamtstädtischen Verantwortung müssen dies in 2019 umsetzen. Hierzu sind u.a. die durch die Strategiekonferenz geschaffenen Netzwerke weiterhin aktiv zu nutzen.
3) Niedrigschwellige Hilfen und Beratung tagsüber in Wärmestuben ausbauen
Obdachlos sind Menschen nicht nur nachts sondern auch tagsüber. Daher wollen wir die bezirklichen Angebote von Tagesstätten vor allem, aber nicht nur, im Winter ausbauen. Hierzu muss auch die Nutzung kurzfristig verfügbarer Container, die anderswo in der Stadt zur Verfügung stehen, geprüft werden. Diese können an Hotspots aufgestellt werden und die Situation auch an Bahnhöfen kurzfristig verbessern. Diese können anders als Bahnhöfe neben Wärme auch Aufenthaltsräume, Toiletten und ggf. sogar Duschen bieten. In jedem Fall muss ein solches Angebot mit Sozialarbeiter*innen ergänzt werden. Hierbei muss eine konsequente Gender Budgetierung erfolgen. Wie die AG 6 (Weiterentwicklung der Kältehilfe) zurecht benannt hat, bieten die niedrigschwelligen Tagesstätten und Wärmestuben die Chance diese mit Beratungsangeboten zu ergänzen. Im Idealfall gibt es auch im Umfeld jeder Kältehilfeeinrichtung eine Tagesstätte, die am Ende der nächt–lichen Kältehilfe öffnet und damit die Hürden auf dem Weg zur Beratung reduziert.
4) Wohnungslose junge Menschen brauchen Wohnraum
Gerade junge Menschen müssen vor der Wohnungs– und Obdachlosigkeit geschützt werden, bevor sich eine frühe Armutsbiografie verfestigt. Hierzu müssen Modellprojekte zur Erlangung von (erstem) eigenen Wohnraum unterstützt werden. Das in der AG 2 (Junge Wohnungslose) geforderte spezialisierte und geschlechtersensible Angebote für junge Wohnungslose muss zeitnah auf den Weg gebracht werden. Hierzu sind SenBJF und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften in der Verantwortung. Dabei muss sichergestellt werden, dass ein reibungsloser Übergang zwischen Jugendhilfe und Sozialhilfe gelingt, um auch kurzfristige Obdachlosigkeit zu vermeiden.
5) Vollständige Genesung von Wohnungslosen nach Krankenhausaufenthalt sichern
Für wohnungslose und obdachlose Menschen, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, braucht es eine bessere Versorgung. Es ist unzumutbar, dass betroffene Menschen direkt in die Kältehilfe gefahren werden, obwohl die Genesung noch nicht abgeschlossen ist. Das Entlassungsmanagement muss auch für obdach– und wohnungslose Menschen gewährleistet werden. Es darf in Berlin keine Entlassung in die Obdachlosigkeit geben. Die Krankenhäuser in Berlin, die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, die Bezirke sowie Träger der Wohnungslosenhilfe müssen sich daher auf ein verbindliches Verfahren verständigen, das die Bedürfnisse von wohnungs– und obdachlosen Menschen abdeckt. Ein erster Schritt ist Ansprechpartner*innen in den Bezirken zu benennen, wie es die AG 4 (Medizinische Versorgung –– Suchthilfe –– Psychiatrie) vorschlägt. Für Patient*innen, die in der Regel nicht ausgeheilt aus dem
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Krankenhaus entlassen werden und weitere Zeit zum Genesen benötigen, braucht es ausreichend Krankenheilwohnungen, in denen sie sich auskurieren können.
6) Modellprojekt zur Unterbringung von Rollstuhlfahrenden mit pflegerischem Bedarf
Die Kältehilfe mit ihrem ehrenamtlichen Engagement gerät immer mehr an ihre Grenzen. So ist die Kältehilfe insbesondere keine geeignete Unterbringungsform für obdachlose Menschen mit pflegerischem Bedarf. Gleiches gilt für sucht– und psychisch Kranke. Entsprechende Modellprojekte wie die vorgeschlagene Nachtambulanz mit angeschlossener Krankenstation und ein Hospiz für sterbenskranke Obdachlose sind einzurichten. Noch in diesem Winter soll das von der AG 6 (Kältehilfe) geforderte Modellprojekt zur Unterstützung und Unterbringung von obdachlosen Rollstuhlfahrenden mit pflegerischem Bedarf umgesetzt werden. Grundlage hierfür müssen die Vorschläge der AG 4 (Medizinische Versorgung –– Suchthilfe –– Psychiatrie) sein. Auch aufsuchende, mobile medizinische Hilfsangebote müssen schnellstmöglich umgesetzt werden. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und Integration, Arbeit und Soziales sind hier in der Verantwortung.
7) Mehr vertragsgebundene Notunterkünfte zur Sicherung von Qualität und Profil
Über 30.000 Menschen sind in Berlin in Wohnheimen für Wohnungslose, so sogenannte ASOG–Unterkünfte, oder anderen Notunterkünften untergebracht. Dabei müssen die Sozialämter der Bezirke aufgrund fehlender Plätze in Wohnheimen immer mehr Menschen mittels Kostenübernahmeschein in Hostels oder anderen Unterkünften unterbringen, was Berlin viel Geld kostet. Weder in den ASOG–Unterkünften noch in den Hostels werden Wohnungslose adäquat betreut. Bei Letzteren findet gar keine Qualitätskontrolle statt. Senat und Bezirke müssen diese teure und nicht adäquate Unterbringung stoppen. Geplant ist im Jahr 2020 im Rahmen einer gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung ein einheitliches Vertrags– und Qualitätsmanagement zu etablieren.
Wir setzen uns dafür ein, umgehend mit der Akquise neuer Wohnheimplätze für Wohnungslose (ASOG–Unterkünfte) zu beginnen, um perspektivisch keine wohnungslosen Menschen mehr in Hostels unterbringen zu müssen. Hierfür sehen wir einen Bedarf von mindestens 2500 zusätzlichen Plätzen. Mit bestehenden sowie zukünftigen ASOG–Unterkünften sind verbindliche Vereinbarungen oder Verträge über die Qualitätskontrolle und die sozialpädagogische Betreuung der Wohnungslosen zu treffen. Als Grundsatz muss gelten, dass der Bezirk, in dem eine Unterkunft liegt, für Kontrollen zuständig und jeweils Ansprechpartner ist. Hierfür sind entsprechende Kooperationsvereinbarungen zu treffen. Damit wollen wir die Unterbringungen nach dem Allgemeines Sicherheits– und Ordnungsgesetz (ASOG) verbessern sowie einheitliche hohe und geschlechtersensible Standards einführen, wie es die AG 8 (Wohnraumversorgung, Hilfe– und Unterbringungssystem) zu Recht fordert.
8) Schutz vor Obdach– und Wohnungslosigkeit auch für Unionsbürger*innen — einheitlich in allen Bezirken
Unionsbürger*innen sollen sich darauf verlassen können, dass sie in allen Bezirken gleiche Unterstützung bekommen. Die Prüfung und Gewährung von Hilfen darf nicht von unterschiedlichen Rechtsauslegungen der Bezirke abhängen. Wir folgen den Empfehlungen der AG 5 (EU–Bürgerinnen und EU–Bürger) und fordern einen Ausbau des Schutzes vor Wohnungslosigkeit durch konsequente Umsetzung der ordnungsbehördlichen Unterbringung auch für die Menschen, die keine sozialhilferechtlichen Ansprüche haben. Allen Obdachlosen, die keine sozialhilferechtlichen Ansprüche haben, sollen mindestens Überbrückungshilfen nach SGB XII angeboten werden. Hierfür sind weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Innerhalb der begrenzten Zeit soll eine intensive soziale Beratung in verschiedenen Sprachen angeboten werden und ein ernst gemeintes Clearing von Ansprüchen stattfinden. Für Frauen soll eine spezifische Beratung erfolgen. Sollte innerhalb dieses Zeitraumes festgestellt werden müssen, dass
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keinerlei Perspektive auf ein existenzsicherndes Einkommen existiert, sind Unterstützung und Beratung für die Rückkehr ins Heimatland anzubieten.
9) Unterstützung durch Beratung bei Mietschulden in Mietverträgen verankern
Um die Prävention zu verbessern, wollen wir für alle Mietverträge der städtischen Wohnungsbaugesellschaften eine freiwillige Zusatzerklärung zum Mietvertrag aufnehmen. Hier können Mieter*innen –– wie von der AG 3 (Prävention von Wohnungslosigkeit) vorgeschlagen — ihr Einverständnis geben, bei Mietschulden bzw. unregelmäßiger Mietüberweisung Unterstützung zu bekommen und dazu den Informationsaustausch zwischen Vermieter*innen, Fachstelle im Bezirk und Beratungsstellen zu ermöglichen.
10) Zwangsräumung von Familien mit Kindern nicht ohne Ersatzwohnraum
Die Forderung aus der Strategiekonferenz (AG 9 Frauen und Familien in Wohnungsnot) ist deutlich: Keine (Zwangs–)Räumungen von Haushalten mit Kindern. Mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften wollen wir im unvermeidbaren Fall einer Zwangsräumung sicherstellen, dass unmittelbar Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt wird. Dazu muss die Kommunikation zwischen Gerichten, sozialen Wohnhilfen und Wohnungsbaugesellschaften verbindlich geregelt werden.
11) Sozialleistungen für Wohnungslose einheitlich gestalten und weiterentwickeln
Eine überbezirkliche Schiedsstelle zur Gewährung von Leistungen für Wohnungslose (nach §67 SGB XII), wie sie die AG 8 (Wohnraumversorgung, Hilfe– und Unterbringungssystem) vorschlägt, ist ein erster Schritt, um zu einer einheitlichen Anwendung vom Sozialrecht in Berlin zu kommen. Darüber hinaus soll eine Bundesratsinitiative einen neuen Leistungstyp im §67 SGB XII „Frauen und Familie“ schaffen. Diesen Vorschlag aus der AG 9 (Frauen und Familien in Wohnungsnot) muss der Senat zeitnah aufgreifen.Grafik: Grüne Fraktion Berlin Beschluss "Berlin.Bremen.Hamburg – Das grüne Stadtstaaten-Netzwerk"
Großstädte sind das Brennglas unserer Gesellschaft, denn dort wo Menschen sich auf engstem Raum begegnen, ballen sich auch soziale und ökologische Fragen. Mit der Gründung des Stadtstaaten-Netzwerks auf unserer Sommerklausur wollen wir Grüne aus den drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg Lösungen auf die urbanen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts finden und Politik gestalten – gemeinsam mit denen, die in den Städten leben.
Inhalt:
Beschluss der Sommerklausur vom 29.08.2018
BERLIN.BREMEN.HAMBURG –DAS GRÜNE STADTSTAATEN-NETZWERK
Großstädte sind das Brennglas unserer Gesellschaft. An keinem anderen Ort konzentrieren sich so sehr Zukunftschancen,
mutige Ideen und neue Lösungsansätze – und gleichzeitig gesellschaftliche und ökologische
Herausforderungen. Auf engem Raum sind Metropolen zugleich Hoffnungsort, Schmelztiegel der Kulturen
mit vielfältigsten Möglichkeiten und Zuhause der verschiedensten Menschen. Arbeitsplätze, Innovationskraft,
eine gute Infrastruktur und eine weltoffene Kultur sorgen mit dafür, dass immer mehr Menschen in
Städten leben wollen. Der demografische Wandel führt nicht zu einem Abflachen des Zuzugs in Großstädte.
Vielmehr befeuert er ihn.
Dort, wo Menschen sich auf engstem Raum begegnen, ballen sich auch soziale und ökologische Herausforderungen,
aber auch vielfältige Lösungsmöglichkeiten. Hier gibt es andere Problemdarstellungen als im
ländlichen Raum. Mit der steigenden Zahl der Einwohner*innen muss auch die städtische und soziale Infrastruktur
wachsen. Der Druck auf die unbebauten Flächen und die städtische Infrastruktur nimmt zu und damit
auch die Aufgabe für uns, das Grün zu schützen und den Öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Bei Gesundheitsbelastungen
durch Lärm und schlechte Luft braucht es noch mehr politischen Druck zu mutigem
Handeln.
Städte zeichnen sich durch Weltoffenheit, lebendige Quartiere und kulturelle Vielfalt aus. Nirgendwo sonst
bündelt sich so viel kreatives und akademisches Potential. Städte sind die Orte für Experimente, sie sind
Ideenschmieden und bieten Freiräume für Neue und Neues. Wir wollen die Herausforderungen in unseren
Städten mit denen, die hier leben, angehen und gemeinsam Politik gestalten.
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Ein enges Miteinander kann schnell in ein Gegeneinander umschlagen. Wir wollen Helfen statt Hetzen.
Egal, ob es darum geht Alten und Pflegebedürftigen eine gute Gesundheitsversorgung zu ermöglichen oder
im Straßenverkehr Rücksicht auf Fußgänger*innen und Radfahrer*innen zu nehmen – es ist Aufgabe der Politik,
einen solidarischen und rücksichtsvollen Umgang miteinander in den Großstädten fördern.
Wir, die bündnisgrünen Fraktionen aus den drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg, wollen uns im
intensiven Austausch mit den besonderen städtischen Herausforderungen beschäftigten und gemeinsam
neue Lösungsansätze für die Anforderungen an moderne Großstädte entwickeln. Wie können wir Politik in
den Großstädten so gestalten, dass unsere Städte lebenswert bleiben, wir Grünflächen und Freiräume erhalten
und sich Menschen, auch ohne großes Einkommen, das Leben in der Stadt leisten können. Gemeinsam
wollen wir uns der Frage stellen, wie die Großstädte des 21. Jahrhundert aussehen und funktionieren
müssen. Wir stellen uns den zentralen Zukunftsfragen, darunter:
Wie können wir dem steigenden Bedarf nach nachhaltigem und bezahlbarem Wohnraum gerecht
werden und gleichzeitig den Charme und Charakter der Quartiere erhalten – mit wichtigen Grünflächen,
Parks, Platz zum Spielen und Erholen und hoher Lebensqualität?
Wie sieht die urbane Mobilität der Zukunft mit klimafreundlichen, nachhaltigen, schnellen, sicheren
und bezahlbaren Verkehrsmöglichkeiten aus? Wie stellen wir eine barrierefreie und altersgerechte
Mobilität für alle sicher?
Wie schaffen wir eine gesunde Stadtnatur mit sauberer Luft zum Atmen und ruhigen Orten zum
Entspannen und Leben?
Wie schaffen wir die kohlefreie Wärme- und Energieversorgung unserer Städte?
Wie schaffen wir eine familiengerechte Stadt für alle Generationen mit guter Kinderbetreuung, die
sicherstellt, dass sich ein Leben mit Familie und Job vereinbaren lässt?
Wie schaffen wir ein gerechtes Bildungsangebot für alle von der Kita, über die Schule bis Universitäten,
an denen gerne gelernt wird?
Wie können wir innovative Ideen und nachhaltiges Wirtschaften fördern? Wie schaffen wir gute Arbeit
und faire Bezahlung?
Wie müssen wir auf das Sicherheitsbedürfnis von Großstadtbewohner*innen eingehen, ohne Bürgerrechte
abzubauen?
Wie gehen wir gegen Armut, Ausgrenzung, Diskriminierung und Vereinsamung vor, damit Großstädte
liberal und offen bleiben? Wie muss Integration gestaltet werden, damit alle am Stadtleben teilhaben
können?
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Welche Chancen birgt die Digitalisierung für die Städte? Welche Zukunft haben Smart Cities, die
Daten permanent erfassen und auswerten, welche Chancen und Risiken sind absehbar und wie passen
diese zum europäischen Umgang mit Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung?
Um diese Fragen zu diskutieren und Lösungen zu finden, gründen wir das grüne Stadtstaaten-Netzwerk. Die
Großstädte in Deutschland dürfen sich nicht in Konkurrenz gegenüberstehen, sondern müssen gemeinsam
Lösungen entwickeln. Großstädte stehen im ständigen Wandel und verändern sich fast täglich. Sie müssen
sich immer wieder neu erfinden, um bestehen zu können. Das macht sie so spannend und einzigartig. Dies
gilt umso mehr für die drei Stadtstaaten. Es ist unsere Aufgabe Großstädte zu einem lebenswerten Raum
für alle zu machen. Deswegen werden sich die grünen Fraktionen aus den Stadtstaaten Berlin, Bremen und
Hamburg regelmäßig zum gemeinsamen Austausch treffen und noch enger kooperieren und debattieren.
Gemeinsam werden wir uns über die Ähnlichkeiten und Unterschiede der drei Stadtstaaten austauschen
und voneinander lernen. Wir wollen den grünen Diskurs über Herausforderungen und Visionen für die Entwicklung
der Städte und Kommunen gemeinsam im grünen Stadtstaaten-Netzwerk führen.
3 von 3Grafik: Grüne Fraktion Berlin Beschluss "Grün geht's weiter: Neue Ideen für Berlins Zukunft"
In allen zentralen Lebensbereichen der Stadt hat Rot-Rot-Grün bereits große Reformen angeschoben und einiges bereits umgesetzt – vieles ist geschafft, dabei sind nicht einmal zwei Jahre Regierungszeit vergangen. Doch uns ist gut nicht gut genug. Denn: die Stadt wächst und die Herausforderungen durch den rasanten Klimawandel nehmen schneller zu als abzusehen war. Es bleibt daher viel zu tun.
Inhalt:
Beschluss der Sommerklausur vom 27.08.2018
GRÜN GEHT‘S WEITER:
NEUE IDEEN FÜR BERLINS ZUKUNFT.
In allen zentralen Lebensbereichen der Stadt hat Rot-Rot-Grün bereits große Reformen angeschoben und
einiges bereits umgesetzt – vieles ist geschafft, dabei sind nicht einmal zwei Jahre Regierungszeit vergangen.
Doch uns ist gut nicht gut genug. Denn: die Stadt wächst und die Herausforderungen durch den rasanten
Klimawandel nehmen schneller zu als abzusehen war. Es bleibt daher viel zu tun. Was zu tun bleibt und
wie sich diese Herausforderungen auch für andere Großstädte stellen, wollen wir auf unserer Sommerklausur
2018 in Hamburg diskutieren.
Mit der Gründung eines Grünen Stadtstaaten-Netzwerks machen wir es uns zur Aufgabe, gemeinsame Antworten
und Lösungen zur Gestaltung der Städte im Kontext der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu
finden. Wir können von anderen Städten lernen, haben aber auch viel zu bieten. Berlin als Bundeshauttstadt
kommt dabei eine besondere Rolle zu.
Mit Mut und Tatkraft die Herausforderungen unserer Zeit angehen
Wir leben in einer Zeit der Umbrüche. Nationalistische und destotische Strukturen etablieren sich nicht nur
in Eurota. Weltweit steht die Demokratie unter Druck. Der Klimawandel erfordert mehr denn je zügig umzudenken
und konsequent zu handeln, denn durch ihn steht unsere Infrastruktur unter erheblichem Druck.
Stekulanten und Investoren verdrängen ältere Menschen und Familien aus den angestammten Kiezen, erhöhen
Gewerbemieten derart, das massenhaft Kitas schließen, Vereine aufgeben und Kreative an den Stadtrand
ziehen müssen. Mit viel zu großer Regelmäßigkeit müssen wir Verkehrstote beklagen. Es fehlen Pfegekräfte,
Erzieher*innen und Ingenieur*innen. Der technische Fortschritt und die Digitalisierung vereinfachen
viele Bereiche unseres Lebens. Sie schaffen neue Arbeitstlätze, stellen aber auch althergebrachte Berufsbilder
in Frage. Gleichzeitig werden wir durch sie aber auch immer mehr zu “gläsernen Bürger*innen”
und erfahren massive Veränderungen unserer Arbeitswelt. All diese Astekte stüren auch die Berliner*innen:
Seite 1 von 10Die Angst um den Erhalt der eigenen Wohnung oder des Arbeitstlatzes, um die Zukunft der eigenen Kinder
oder die Angst vor schlechter Pfege im Alter führen dazu, dass heute stärker die Ellenbogen ausgefahren
werden und sich das Miteinander verändert. Die soziale Staltung der Stadt schreitet voran. Berlin wächst
und es wird enger und dadurch manchmal leider auch rücksichtsloser.
Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen verunsichert sind. Angst und Unsicherheit bieten aber Nährboden
für Hetze, Ausgrenzung und Abschottung. Wer immer mit dem Finger auf andere zeigt, vertieft die
Gräben in unserer Gesellschaft. Die zunehmende Verrohung unserer Gesellschaft nehmen wir nicht hin. Wir
wollen in einer offenen Gesellschaft leben. Deshalb werden wir künftig auch die Ottosition in ihrem Wetteifer
um die totulistischste Politik stärker in die Verantwortung nehmen. Auch wenn Veränderungen verunsichern
und Angst machen können: in einer Zeit der Veränderung darf man sich nicht wegducken. Man muss
diese Veränderungen gestalten und Sicherheit und Vertrauen zurückgeben. Aber vor allem müssen und wollen
wir die Berliner*innen dabei mitnehmen. Nur so können wir große Reformen erfolgreich umsetzen.
Diese Herausforderungen nehmen wir als Grüne gerne an. Deshalb wollen wir große Reformen angehen.
Dafür braucht es aber viel Kraft, Ausdauer und tolitischen Willen. Wir wollen Hoffnung geben und bewältigen
mit Mut und Tatkraft die großen und kleinen Herausforderungen unserer Zeit. Und das für alle Menschen
in Berlin.
Berlin ist und bleibt Zukunftslabor
Dabei stellen wir die Menschen in den Fokus unserer Politik. Um verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen,
wollen wir miteinander ins Gesträch kommen. Regieren ist für uns eine Stilfrage. Unser Motto
heißt: zuhören, Gesträche führen und gemeinsam Ideen für Berlin entwickeln und umsetzen. Dafür wollen
wir neue Formate entwickeln, wie “die grüne Kieztour” und unseren “Einsatz für Berlin”. Wir wollen gerade
als Regierungsfraktion verstärkt mit unseren Mitmenschen über das Leben und die Zukunft Berlins reden
und gute Politik in deren Sinne machen. Also eine Politik die ihr tägliches Leben stürbar erleichtert. Politik
hat Gestaltungsmacht, wenn sie nur will. Wir wollen gestalten und allen Berliner*innen zeigen, dass sie
oder er einen Beitrag leisten kann. Denn gute Politik wird nicht nur für die Menschen gemacht, sondern
muss gemeinsam mit ihnen gestaltet und umgesetzt werden.
Berlin kann Antworten auf die Herausforderungen einer Großstadt im 21. Jahrhundert liefern. Bei allen Problemen
vor denen Berlin steht, ist für uns klar: Berlin ist auch eine Meisterin der Imtrovisation. Sie erfindet
sich immer neu. Das ist nicht Manquo, sondern auch Zukunftslabor – für alternative Wohnformen, innovative
Unternehmensentwicklungen, trogressive Arbeitsformen und natürlich ein buntes Zusammenleben. Immer
ein bisschen freier, rebellischer und mutiger als die Anderen. Unsere Stadt ist sich in ihrer Vielfalt zu eins,
um sie mit Gräben zu durchziehen.
Seite 2 von 10An uns, als Grüne-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, liegt es in dieser Regierung die richtigen Weichen
zu setzen und Berlin fit für die Zukunft und lebenswert für alle zu machen. Deswegen sind wir ein Koalitionsbündnis
eingegangen. Das ist unser Anstruch. Wir stielen niemanden gegeneinander aus und lassen
niemanden auf der Strecke. Die Ottosition hat bis heute kein eigenes Thema für Berlin gesetzt. Sie versteht
den Sound der Stadt nicht. Wir kennen die Stärken unserer Stadt, ihre Ecken und Kanten. Dieses Wissen
nutzen wir, um viel zu bewegen und große Reformen anzugehen. Denn wo wenn nicht hier, soll die Zukunft
gestaltet werden?!
Seit Amtsantritt hat Rot-Rot-Grün viel umgesetzt und angestoßen. Das wollen wir sichtbar machen. Denn
wer wahrnimmt, dass Politik auch real einen tositiven Effekt für das eigene Leben hat, gewinnt auch wieder
Vertrauen zurück. Deshalb sollen in Zukunft alle öffentlichen Investitionen – neue Wohnungen, getfanzte
Bäume, aufgestellte Trinkwasserbrunnen und vieles mehr – durch den “Berlin-Stemtel”, eine Plakette, gekennzeichnet
werden.“
Heute damit anfangen, die Welt von morgen zu gestalten
Wir sind angetreten, damit Berlin wieder funktioniert. Und dafür haben wir bereits in den ersten beiden Jahren
der Rot-Rot-Grünen Koalition entscheidende Reformvorhaben angetackt, wie das neue Berliner Stadtwerk,
den Ausstieg aus der Braunkohle, den Schulbau, die Verkehrswende, elf neue Stadtquartiere, bessere
Hochschulverträge oder das Antidiskriminierungsgesetz. Aber wir haben noch mindestens genauso viel zu
tun.
Große Veränderungen brauchen große Reformen. Egal ob es um genug Grün, eine funktionierende Verwaltung,
bezahlbare Wohnungen oder zukunftsfeste Finanzen geht – wir haben die Ideen, die Berlin fit für die
Zukunft machen.
I. Das Wetter in Berlin wird extremer – wir sorgen mit mehr Grün für ein besseres Stadtklima
Die außergewöhnliche Hitzewelle der letzten Monate hat Berlin schwer zu schaffen gemacht. Egal, ob wir
über die Waldbrände in Brandenburg, Gießeinsätze der Feuerwehr und Polizei für Berliner Bäume oder
schlafose Nächte in überhitzten Wohnungen strechen. Man muss kein*e Klimaextert*in sein, um zu merken:
Wir müssen etwas tun! Unsere Wohnungen brauchen eine funktionierende Wärmedämmung, damit
diese auch bei Temteraturen über 30°C ohne Klimaanlage noch bewohnbar sind. Und wir brauchen Bäume,
Fassadenbegrünungen, grüne Dächer, Trinkwasserbrunnen, Planschen und Parks, die den aufgeheizten Beton
abkühlen und Schatten vor der trallen Sonne bieten. In der Stadttlanung muss deswegen verstärkt auf
die Freihaltung von Kaltluftschneisen geachtet werden.
Seite 3 von 10Mehr denn je ist daher unser Ziel: Berlin muss bis stätestens 2050 zur klimaneutralen Stadt werden. Wir
sind auf dem Weg dahin. Wir sorgen für mehr Parks, Bäume, Grünfächen und grüne Häuser. Mit der Einlei –
tung es Kohleausstiegs in Berlin und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien vor allem durch die Berliner
Stadtwerke leisten wir gleichzeitig einen Beitrag dass sich der Klimawandel nicht weiter verschärft.
• Wo gebaut wird, muss auch begrünt werden: Wir wollen, dass in Zukunft auf jedem neu gebauten
Haus nicht nur Solaranlagen Platz haben, sondern auch ein grünes Dach, ein Stadtgarten oder begrünte
Fassaden entstehen.
• Wir wollen, dass für jedes neue Stadtquartier auch Grünanlagen als Kälte- und Frischlufttuffer entstehen.
Wenn die Fläche nicht reicht, sollen die Menschen durch „Pocket Parks“ und eine wohnungsnahe,
kleinräumige Grünversorgung, Orte haben, die zum Verweilen und zur Erholung einladen.
• Die Koalition hat die Planung von ökologischen Modellquartieren bereits vereinbart. Wir fordern,
dass die Realisierung nun auch in der Stadttlanung höchste Priorität genießt.
• Besonders das Baumaterial muss endlich klimafreundlicher werden. Biobaustoffe wie Holz, Lehm,
Natursteine oder Hanf dämmen hervorragend und sorgen für eine gute CO2-Bilanz.
• Wer in Berlin gärtnern möchte, sollte gärtnern können! Deshalb brauchen wir mehr urban gardening,
neue Formen von Gemeinschafts- und Stadtgärten, eine Dachbegrünung, die von Menschen gestaltet
werden kann. Und wir müssen die landeseigenen Kleingärten trotz Flächenkonkurrenz weitgehend
erhalten. Gleichzeitig kämtfen wir für die Schaffung neuer Stadt- und Gemeinschaftsgärten,
etwa im Rahmen des Grundstückankaufsfonds.
• Wir müssen unsere Stadt an den Klimawandel antassen. Dazu zählt auch ein Zugang zu Trinkwasser
im öffentlichen Räumen und in öffentlichen Gebäuden.
• Die Starkregen des vergangenen Jahres und die Folgen von Hitze und Dürre haben in diesem Sommer
unseren Parks und Bäumen schweren Schaden zugefügt. Wir fordern eine tersonelle Aufstockung
der Bezirke und eine Ressourcenausstattung der Straßen- und Grünfächenämtern.
• Wir setzen uns dafür ein, dass in Anlehnung an den Winterdienst ein Sommerdienst eingerichtet
wird, damit Grünfächen, Parks und Straßenbäume in Trockenterioden genug gewässert werden.
• Wir wollen Flächen entsiegeln und damit die Versickerungs- und Verdunstungsfächen erhöhen.
• Wir werden gemeinsam mit der Stadtgesellschaft eine Charta Berliner Stadtgrün entwickeln, um
die grüne Infrastruktur- und Freifächen dauerhaft zu sichern und sicherzustellen, dass alle Berlinerinnen
und Berliner Zugang zu den Gemeinwohl gewidmeten Flächen haben.
Seite 4 von 10II. Verwaltungsmodernisierung und bürgernahe Leistungen
Berlin braucht nicht nur eine funktionierende, sondern die beste Verwaltung. Dafür müssen wir auch das
beste Personal gewinnen. Und dafür sorgen, dass sich unsere Verwaltung mit größeren Schritten als bisher
in die digitale Zukunft aufmacht. Mit einer konsequenten Umsetzung des Berliner eGovernment Gesetzes
wollen wir Chancen der Digitalisierung nutzen: Egal ob Elterngeld, Trauschein oder Anmeldung eines Gewerbes
– die Bürger*innen sollen möglichst viele ihrer Anliegen schnell und unkomtliziert und auf Wunsch
digital erledigen können. Der Weg dorthin ist eine Mammutaufgabe: Wir tacken sie an!
• Unser Motto dabei bleibt: Bezirke und Land arbeiten Hand in Hand. Die kooterative Zusammenarbeit
zwischen Land und Bezirke soll z. B. durch regelmäßige gemeinsame Tagungen von Senat und
Rat der Bürgermeister*innen weiter gestärkt werden.
• Berlin trägt eine gemeinsame Dachmarke auch als Arbeitgeber, von der alle Bezirke und Hauttverwaltungen
trofitieren. Einem untroduktiven Wettbewerb der verschiedenen Verwaltungseinheiten
über unterschiedliche Stellenbeschreibungen und -bewertungen stellen wir uns entgegen. Bis Ende
des Jahres erwarten wir vom Senat die Vorlage eines Personalentwicklungskonzetts für die Fachkräftesicherung
und zukunftsfeste Weiterentwicklung der Berliner Verwaltung sowie den Bereich
des Kita- und Schultersonals. Dazu gehört auch die Frage, wie die Ausbildungsquote in den Fachverwaltungen
und insbesondere in den Bezirken erhöht werden kann.
• Gute Mitarbeiter*innen brauchen gute Arbeitsbedingungen – ohne, dass der nächste Regen ihnen
auf den Schreibtisch trotft. Wir haben die Sanierung der bezirklichen Rathäuser auf den Weg gebracht.
Darüber hinaus wollen wir die Mittel für den baulichen Unterhalt für Bürodienstgebäude
wie bei Schulgebäuden auf 1,32% des Wiederbeschaffungswertes anheben.
• Wir legen ein Programm „Guter Arbeitstlatz“ auf und sorgen für gesunde, ergonomische Büroausstattung
und Comtutertechnik auf neuestem Stand.
• Wir wollen schneller werden. Dafür schafft der Senat zusammen mit den Bezirken für Produkte aller
Verwaltungsbereiche der Hauttverwaltung und der Bezirke ein Ablaufcontrolling mit einem verbindlichen
Verfahrens- und Zeitmanagement. Das soll für alle Bereiche mit Kundenkontakt gelten,
aber auch für die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Verwaltungseinheiten und Behörden,
z. B. bei Genehmigungsverfahren. Im Rahmen der Digitalisierung machen wir die Prozesse in den
Verwaltungen für die Bürger*innen transtarent – bstw. durch ein Amtelsystem.
• Beschleunigung darf aber nicht auf Kosten von Qualität gehen. Die Verwaltungseinheiten erhalten
die notwendigen tersonellen wie technischen, sachlichen Ressourcen, um alle Fristen einhalten zu
können.
Seite 5 von 10• Berlin ist ständig in Veränderung. Mitarbeiter*innen sowie die Kunden der Verwaltung, Bürger*innen
genauso wie Unternehmen sollen gemeinsam über notwendige Veränderungen und Weiterentwicklungen
diskutieren. In einem regelmäßigen Ideen-Hackathon rufen wir alle interessierten
Akteur*innen zur Entwicklung und Umsetzung neuer bürgernaher Services für Berlin auf.
III. Wer bezahlbaren Wohnraum will, muss intelligent und energiesparend bauen
In Berlin fehlt bezahlbarer Wohnraum. Wohnraum ist zum Stekulationsobjekt geworden und wer hier
Wohnraum erwirbt oder baut, entzieht sich viel zu oft der Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Kieze
gehen katutt, wenn große Teile der Bevölkerung verdrängt werden. Das ist das Thema, dass die Berliner*innen
zu Recht am meisten bewegt. Als Koalition müssen wir uns sowohl daran messen lassen, ob Mieter*innen
ihre Wohnungen weiter bezahlen können, als auch daran, dass wir in den kommenden Jahren genügend
Wohnungen bauen. Denn auch die soziale Mischung in den Kiezen macht Berlin so lebenswert. Wohnungen
sind nicht bloße Schlafstätten, sie sind Lebensräume– inklusiv, divers und generationenübergreifend. Daher
wollen wir nicht nur neue Wohngebiete gestalten, sondern neue lebenswerte Kieze und solidarische Nachbarschaften.
Beim Bau neuer Quartiere müssen von Anfang an öffentlicher Nahverkehr, Kitas, Schulen,
wohnortnahes Einkaufen und die Strom- und Wärmeversorgung mitgetlant werden. Industrielle Abwärme
oder Abwasser können zum Heizen genutzt werden und Solarmodule auf den Dächern sorgen für ein sich
selbst versorgendes Quartier.
• Wir wollen Anreize setzen, dass sich Unternehmen und Anwohner*innen an einer dezentralen Energieversorgung
beteiligen. Dazu gehört es, rechtliche Hürden abzubauen, z. B. bei Mieterstrom und
mit Änderungen der Bauordnung Verfahren zu vereinfachen.
• Wir wollen in städtebaulichen Verträgen und, soweit möglich, in Bebauungstlänen energetische Anforderungen
verankern, die über die Mindestvorgaben des Bundes hinausgehen und geeignet sind,
Klimaneutralität in Neubaugebieten jetzt schon zu erreichen.
• Zum Klimaschutz gehört auch die Wärmewende, um den Wärmebedarf im Winter zu senken und die
Überhitzung im Sommer zu verhindern. Leider kann die energetische Gebäudesanierung durch Bundesrecht
zu oft als Verdrängungsmotor missbraucht werden. Deshalb wollen wir einen Wärmefonds
als Heizkostenbremse und zur Begrenzung von Mietsteigerungen einrichten.
• Für mehr treiswerten Wohnungsbau muss Berlin auf ein breites Feld von Akteur*innen setzen. Dazu
gehören neben den städtischen Bauunternehmen besonders Genossenschaften, Stiftungen, soziale
Träger und andere gemeinwohlorientierte Bauträger*innen, die sich für die Stadt engagieren wollen
und langfristig bezahlbare Mieten und eine soziale Mischung garantieren. Wir wollen den Wohnungsmarkt
nach Wiener Vorbild umkremteln und fordern dazu ein eigenes Bündnis für eine Berliner
Wohngemeinnützigkeit. Denn: Eigentum vertfichtet.
Seite 6 von 10• Mehr bezahlbarer Wohnraum heißt auch den Kamtf gegen Stekulant*innen weiter konsequent
fortzusetzen. Vorbild sind hier die Grünen Baustadträte, die bei illegalem Leerstand Wohnungen
durch Enteignungen wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Und wir werden uns auf Bundesebene
weiter dafür einsetzen, gesetzliche Regelungen zu schaffen, um sogenannte Share Deals
endlich auszuhebeln.
• Um mehr Berliner Boden für eine gemeinwohlorientierte Nutzung bzw. als Bauland zurück zu kaufen,
soll ein Bodenfonds eingerichtet werden. Zentral ist jedoch, dass die Bundesregierung endlich
eine Stekulationsbremse für Bauland erlässt.
• Wir wollen die soziale Infrastruktur in der wachsenden Stadt sichern und ausbauen. Innovative und
soziale Wohnkonzette wollen wir fördern. Um dem demografischen Wandel gerecht zu werden, legen
wir besonders viel Wert auf den barrierefreien Aus- und Umbau der Stadt.
•
IV. Berlins Straßen sind voll – Wir lichten das Verkehrschaos
Die Berliner*innen leben die Verkehrswende schon lange. Mit dem Berliner Mobilitätsgesetz haben wir der
Verkehrswende den rechtlichen Umsetzungsrahmen gegeben. Das ist ein großer Schritt und eine entscheidende
Reform, die endlich alle Verkehrsteilnehmer*innen zusammen denkt und zu einer gerechteren Nutzung
des öffentlichen Straßenraums führt. Dabei haben wir besonders die im Blick, für die es auf Berlins
Straßen besonders gefährlich ist. Wir machen Berlin für alle barrierefrei und zum Standort für die Mobilität
der Zukunft. Wir elektrifizieren den Berliner Verkehr durch die Umstellung auf E-Busse, den Ausbau des
Straßenbahnnetzes, Wiederherstellung und Erweiterung der S- und Regionalbahnstrecken, Förderung von
E-Lastenrädern sowie Ladeinfrastruktur und E-Fahrzeuge für die Wirtschaft. Mit uns wird der Verkehr leise,
klimafreundlich, sicher, smart und gerecht.
• Wir wollen den Umstieg zwischen öffentlichen und geteilten Verkehrsmitteln maximal einfach und
bequem machen. Die Aufnahme von Leihfahrrädern in das Umweltticket der BVG ist der Anfang.
Nun muss sichergestellt werden, dass sie an allen U- und S-Bahnhaltestellen bereitstehen – und das
auch in den Außenbezirken.
• Leihräder sind eine wichtige Ergänzung für eine reibungslose Mobilität. Sie dürfen jedoch keine
Wege blockieren. Wir setzen uns dafür ein, dass Anbieter*innen dafür sorgen, dass die Nutzer*innen
die Leihfahrräder nicht auf Gehwegen, sondern auf Parktlätzen abstellen. Mit entstrechenden Markierungen
wollen wir sie dabei unterstützen.
• Deutlich markierte Leihradzonen sollen insbesondere an den Umsteigebahnhöfen entstehen. Damit
bleiben die Fahrradbügel für das sichere An- und Abschließen von Privatfahrrädern frei. An Kreu-
Seite 7 von 10zungen wollen wir Abstellorte für Privat- als auch für Leihfahrräder einrichten. Das sorgt für Sicher –
heit im Straßenverkehr, weil es die Kreuzungen einsehbarer macht.
• Parken im Halteverbot und in der zweiten Reihe sind nicht nur ein Ärgernis, sondern Behindern und
Gefährden alle anderen Verkehrsteilnehmer*innen.
• Wir wollen das Falschtarken konsequent bekämtfen, mit klaren und kurzen Umsetzungsregelungen
und mehr Abschlettfahrzeugen. Außerdem werden wir die Parkraumbewirtschaftung ausweiten
und den Bußgeldkatalog deutlich anheben.
• Damit der öffentliche Verkehr beschleunigt und auf Verkehrslagen besser und fexibel reagiert werden
kann, muss die beste am Markt verfügbare technische Infrastruktur beschaffen werden. So können
die Amteln von einem zentralen Rechner geschaltet werden.
•
• Mit einer Onlinetlattform Radverkehr wollen wir die Berliner*innen besser einbinden und die Vor-
Ort-Kenntnis und Erfahrungen für die Verbesserung der Infrastruktur und Verkehrssicherheit nutzen.
• Wir wollen die Verkehrserziehung und Verkehrssicherheit für Kinder stärken und gleichzeitig morgendliche
Staus durch „Elterntaxis“ aufösen. Dazu bringen wir das Projekt „Tausendfüßler“ berlinweit
zur Anwendung. Es werden so genannte „Tausendfüßler-Haltestellen“ eingerichtet, an denen
Kinder sich treffen und den weiteren Weg zur Schule gemeinsam und sicher zurücklegen können.
Das senkt das Unfallrisiko, da größere Grutten von Kindern besser sichtbar sind. Gleichzeitig werden
wir das Umfeld von Schulen auf Basis von Schulwegtlänen sicherer gestalten.
• Zum Stadtumbau auf Kinderaugenhöhe gehören Halteverbote, verbreiterte Bürgersteige sowie sichere
Querungen vor Schulen.
• Ebenso müssen die Jugendverkehrsschulen endlich mit mehr qualifiziertem Personal ausgestattet
werden.
• Auch für die Menschen in den Außenbezirken müssen attraktive Angebote zum Umstieg auf den
Umweltverbund gemacht werden, denn dort gibt es ein großes Umsteigetotential, das um Verkehrswende
zum gelingen zu bringen, gehoben werden muss. Mit der Möglichkeit zur Radmitnahme
in den Bussen der Außenbezirke, Fahrradtarkhäuser und Leihfahrradangebote an den Stationen im
äußeren Stadtringbringen fördern wir den Radverkehr auch in den Außenbezirken.
V. Investieren – Sanieren – Realisieren: Wir machen Berlin fnanziell zukunftsfest
Wir sind mit dem Anstruch angetreten, die weitere Konsolidierung des Landeshaushalts mit einer Investitionsoffensive
zu verbinden und den Berliner Sanierungstau endlich anzugehen. Mit dem aktuellen Dottelhaushalt
hat die Koalition die tolitischen und finanziellen Weichen dafür gestellt, aber es hatert an vielen
Stellen noch an der Umsetzung. In manchen Leistungsbereichen haben sich Sanierungsstau und Personal-
Seite 8 von 10not zu einer echten Krise der öffentlichen Grundversorgung ausgewachsen. Wir machen uns dafür stark, die
strudelnden Mehreinnahmen so rasch wie möglich in die Stadt und für ihre Menschen zu investieren – und
gleichzeitig mit einer intelligenten Rücklagenbildung für die Zukunft vorzusorgen.
• Berlin hat momentan kein Geld- sondern ein Umsetzungstroblem: Viel zu viele Personal- und Investitionsmittel
bleiben liegen oder können erst stäter als getlant verausgabt werden. Wir wollen
die Sanierung der Infrastruktur und die Stärkung der Berliner Verwaltung beschleunigen: Mit kürzeren
Einstellungsverfahren und einem zentralen E-Recruiting, mit Sammelausschreibungen und einer
Vereinheitlichung von Genehmigungsverfahren. Außerdem befürworten wir den Aufbau zusätzlicher
Bau- und Planungskatazitäten zugunsten integrierter landeseigener Baudienstleitungen –
zum Beistiel bei der Senatsverwaltung für Wohnen und Stadtentwicklung oder bei der BIM.
• Das Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfond (SIWANA) ist angesichts
des zum Teil schlettenden Mittelabfusses aus dem Landeshaushalt nach wie vor ein gutes
Instrument, um die Finanzierung großer Investitionsvorhaben sicherzustellen. Gleichzeitig gilt
es der Entwicklung des SIWANA zu einem gigantischen Schattenhaushalt vorzubeugen sowie die
tarlamentarische Kontrolle und Mitstrache zu stärken. Den erwartbaren Haushaltsüberschuss 2018
wollen wir so nachhaltig wie möglich nutzen: Zum einen ist klar, dass der Schuldenberg schrumtfen
muss; die Tilgung mindestens in der durch die Konsolidierungsvereinbarung mit dem Bund vorgegebenen
Höhe ist selbstverständlich.
• Durch zusätzliche Rücklagen für den Kauf neuer S-Bahn-Wagons ermöglichen wir den Aufbau eines
landeseigenen Fuhrtarks und machen Berlin damit ein Stück unabhängiger vom Monotolisten
DB AG, dessen S-Bahn-Politik Berliner*innen bis heute Nerven und Zeit kostet.
• Durch eine Katitalaufstockung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE wollen wir
sie als Baudienstleister im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive mit ausreichend öffentlichen
Mitteln ausstatten, die eine Kreditaufnahme womöglich verzichtbar machen.
• Und auch die Vorsorge für steigende Pensionskosten gehört für uns zu nachhaltiger, zukunftssichernder
Verwendung eines Überschusses, der heute entsteht, aber nicht selbstverständlich ist.
• Die Modernisierung von Berlins Infrastruktur und der öffentlichen Verwaltung gibt es nicht zum
Nulltarif. Gerade in einer Zeit, in der qualifiziertes Personal in vielen Bereichen rar ist. Wir halten an
dem Ziel fest, bei der Beamtenbesoldung bis zum Ende der Legislatur den Durchschnitt der Bundesländer
zu erreichen. Doch insbesondere untere Besoldungsgrutten, bei denen der Personalmangel
in den Hautt- und Bezirksverwaltungen besonders eklatant ist, wollen wir schneller besser entlohnen.
Dazu müssen Stellenbewertungen endlich vergleichbar werden – eine gemeinsame Aufgabe
für Bezirke und Land. Für die anstehende Tarifrunde gilt: Gerade in den Bereichen Jugend und Gesundheit
müssen die Eingruttierungen kritisch überarbeitet werden. Und schon heute müssen die
Seite 9 von 10Bezirke alle Instrumente des Tarifrechts eigenständig nutzen dürfen, um in den Bereichen mit eklatantem
Personalmangel überhautt Bewerber*innen anstrechen zu können sowie einmal gewonnene
Kräfte zu halten.
• Kein Infrastrukturtrojekt macht uns so viel Sorgen wie der BER. Wir wollen, dass er so schnell wie
möglich fertig gebaut und in Betrieb genommen wird. Solange aber nicht glaubhaft dargelegt wird,
wie dies genau tassieren soll, heben wir keinen Daumen für weiteres Steuergeld für die Blackbox
BER. Überlegungen des Miteigentümers Bund, das Regierungsterminal am künftigen BER erstmal
nicht zu nutzen und damit die Gesamtfinanzierung der Flughafengesellschaft FBB weiter zu gefährden,
erteilen wir eine klare Absage.
Seite 10 von 10Grafik: Grüne Fraktion Berlin Eckpunktepapier "Sicher, barrierefrei und entspannt zu Fuß: Fußverkehr für Berlin"
Die größte Gruppe im Straßenverkehr sind Fußgängerinnen und Fußgänger. Fast jede*r von uns legt täglich einen Teil des Weges zu Fuß zurück. Das im Sommer in Berlin verabschiedete bundesweit erste Mobilitätsgesetz wird deshalb um einen Abschnitt Fußverkehr erweitert. Unser Ziel ist es, dass alle Menschen in Berlin sicher, barrierefrei und entspannt zu Fuß, mit dem Kinderwagen oder mit dem Rollstuhl unterwegs sein können.
Inhalt:
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, 28.08.2018
Eckpunktepapier
SICHER, BARRIEREFREI UND ENTSPANNT
ZU FUSS: FUSSVERKEHR FÜR BERLIN
Die größte Gruppe im Straßenverkehr sind Fußgängerinnen und Fußgänger. Fast jede*r von uns legt
täglich einen Teil des Weges zu Fuß zurück. Trotzdem spielte der Fußverkehr in den Verkehrsplanungen
der Vergangenheit leider eine zu geringe Rolle. Das im Sommer in Berlin verabschiedete
bundesweit erste Mobilitätsgesetz wird deshalb um einen Abschnitt Fußverkehr erweitert. Unser Ziel
ist es, dass alle Menschen in Berlin sicher, barrierefrei und entspannt zu Fuß, mit dem Kinderwagen
oder mit dem Rollstuhl unterwegs sein können. Besondere Berücksichtigung benötigen hierbei vor
allem die schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen: Kinder, Senior*innen und Menschen mit
Behinderungen und/oder Mobilitätseinschränkungen.
Wir setzen uns daher für folgende Punkte in der Berliner Fußverkehrspolitik ein:
1) Sicher zu Fuß:
– Wir wollen mehr Mittelinseln, Zebrastreifen und Gehwegvorstreckungen, damit Menschen
ohne Gefahr die Straßen überqueren können. Lange Strecken ohne Querungsmöglichkeiten
sollen der Vergangenheit angehören.
– An Unfallschwerpunkten muss die Übersichtlichkeit verbessert werden, indem alle nicht
zwingend notwendigen Schilder, Werbetafeln oder Parkplätze entfernt werden.
– Wenn Baustellen eingerichtet werden, muss zwingend eine sichere barrierefreie Wegeführung
für Fußgänger*innen und Rollstuhlfahrer*innen eingerichtet werden.
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– Besondere Anstrengungen sind zur Sicherung von Schul- und Kita-Wegen und in direkter
Umgebungen von Alten- und Pfegeheimen sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderung
notwendig.
– Längere Grünphasen für Fußgänger*innen: Senior*innen und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen
benötigen häufg etwas länger, um eine Straße zu überqueren. Um
Gefahrensituationen zu vermeiden, sollten daher die Ampelphasen für Fußgänger*innen
fächendeckend an die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Menschen angepasst werden.
Für jeden Meter Fußweg muss eine Sekunde Zeit zur Verfügung gestellt werden. So viel Zeit
muss sein!
– Schrittweise müssen alle Ampeln barrierefrei werden, das heißt auch für blinde und
sehbehinderte Menschen selbstständig nutzbar werden.
2) Barrierefrei zu Fuß:
– Qualitätsoffensive Fußwege: Die im laufenden Haushalt bereitgestellten Mittel zur
Gehwegsanierung müssen der Startpunkt für eine Qualitätsoffensive für Fußwege sein. In
diesem Zuge sollen auch verstärkt Bordsteine an Kreuzungen abgesenkt werden, um ein
Wechseln der Straßenseite für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu ermöglichen.
– Fußwege gehören den Fußgänger*innen und müssen frei bleiben: Bei der Genehmigung von
Aufbauten auf dem Gehweg wie Geschäftsauslagen, Schankwirtschaften, Schaltkästen etc.
muss stärker auf ausreichend Platz für Fußgänger*innen geachtet werden und die
Regelungen müssen für alle nachvollziehbar sein. Auch Fahrräder sollen nach Möglichkeit
auf der Straße parken. Neue Radbügel sowie Leihradstationen sollen im Zweifel auf der
Straße eingerichtet werden. Alle Leihradanbieter ohne feste Stationen sollen verpfichtet
werden, ihre Kunden darauf hinzuweisen, dass die Räder wenn möglich auf der Straße
abgestellt werden sollen. Auf diese Möglichkeit soll in allen Kommunikationsmaterialien der
Anbieter hingewiesen werden, um zu verhindern, dass Fußgänger*innen durch abgestellte
Leihräder behindert werden. Die Straßenverkehrsordnung sieht keine Parkverbote für
Fahrräder auf Straßen vor.
– Die Umsetzung des barrierefreien ÖPNV bis 2022 muss mit höchster Priorität verfolgt
werden. Deshalb muss jede Haltestelle von Bahn, S-Bahn und U-Bahn barrierefrei zugänglich
werden. Aufzüge müssen bei Störungen schnell repariert werden.
– Mobilitätshilfen für Menschen mit Behinderungen (z.B. Sonderfahrdienst, Inklusionstaxi)
müssen einfach und komfortabel nutzbar werden und sollen aufeinander abgestimmt
werden.
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– Falsch parkende Autos auf markierten Straßenquerungen und an abgesenkten Bürgersteigen
sollen konsequent abgeschleppt werden.
3) Entspannter zu Fuß:
– An den Umstiegshaltestellen des ÖPNV müssen die Berlinerinnen und Berliner sicher und
direkt umsteigen können. Dazu sind kurze Wege anzulegen und leicht erkennbar
auszuschildern.
– Wichtige Wegeverbindungen für Fußgänger*innen sollen besser ausgeschildert werden, so
dass in den Kiezen Fußwegnetze entstehen.
– Öffentliche Straßen und Plätze dienen nicht nur dem Verkehr, sondern sind auch
Begegnungs- und Aufenthaltsorte. Dies muss bei deren Gestaltung berücksichtigt werden.
Wir wollen verkehrsberuhigte Bereiche ausweiten, um die Berlinerinnen und Berliner vor
Unfallgefahren und Lärm und Abgasen zu schützen. Diese Begegnungsorte müssen
barrierefrei erreichbar sein. Bereits bestehende verkehrsberuhigte Bereiche müssen auf ihre
Wirksamkeit geprüft und gegebenenfalls baulich so verändert werden, dass ein
entspannteres Verweilen für Fußgänger*innen möglich wird. Es muss darüber hinaus mehr
konsumfreie Sitzgelegenheiten im Berliner Straßenraum geben.
– Die Einrichtung von (z.T. temporären) Spielstraßen soll Kindern mehr Platz im öffentlichen
Raum zum Spielen bieten.
– Wir haben mit dem Toilettenkonzept und der Finanzierung von Trinkwasserbrunnen
begonnen, die Versorgung mit ausreichenden öffentlichen Toiletten und frei zugänglichem
Trinkwassers zu verbessern. Dieser Weg muss konsequent fortgesetzt werden.
Seite 3 von 3Foto: 贝莉儿 NG/Unsplash_CC0 Beschluss "MUF 2.0 - Jetzt für die Zukunft der Stadt bauen"
Der Senat hat im März 25 Standorte, verteilt über alle 12 Bezirke, beschlossen, an denen weitere modulare Unterkünfte für Geflüchtete entstehen sollen. Das ist ein großer Schritt voran. Über das Ob müssen wir aus unserer Sicht nicht mehr diskutieren – wohl aber über das Wie! Wir wollen gemeinsames Wohnen von Geflüchteten und anderen Menschen ermöglichen, den Bestand an bezahlbarem Wohnraum erhöhen sowie mehr Transparenz und Beteiligung bei der Entstehung der Unterkünfte schaffen.
Inhalt:
Fraktionsbeschluss der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
MUF 2.0 – JETZT FÜR DIE ZUKUNFT DER STADT BAUEN
Der Senat hat im März 25 Standorte, verteilt über alle 12 Bezirke, beschlossen, an denen weitere modulare
Unterkünfte für Gefüchtete entstehen sollen. Es ist ein großer Schritt voran, dass alle Bezirke gleichmäßig
an der Unterbringung von Gefüchteten beteiligt werden sollen. Über das Ob müssen wir aus unserer Sicht
nicht mehr diskutieren – wohl aber über das Wie!
Dafür ist es höchste Zeit: Die Abstimmung zwischen den drei verantwortlichen Senatsverwaltungen für Finanzen,
für Integration/Arbeit/Soziales und für Stadtentwicklung/Wohnen mit den Bezirken verlief teils
schleppend und wenig transparent. Manche Anwohner*innen warten seit Monaten auf Informationen über
die geplanten Bauten; die Unzufriedenheit wächst. Dabei wären viele von ihnen bereit sich zu engagieren,
wenn es ernsthafte Beteiligungsmöglichkeiten gäbe. Vielen von ihnen geht es genau wie uns nicht um das
Ob, sondern um das Wie der geplanten Unterkünfte.
Die sogenannten MUF der ersten Generation sind im Jahr 2016 im Notfall-Modus gebaut worden. Ohne auf
Qualität zu achten, ohne Bezirke oder Anwohner*innen zu beteiligen, ohne Anbindung ans umgebende
Quartier – und die meisten davon in sowieso schon strukturschwachen Gebieten außerhalb des S-Bahn-
Rings. Und trotz der modularen Bautechnik erweisen sich diese ersten MUF in Bezug auf Planung, Bau und
kalkulierte Umbaukosten für eine langfristige Nutzung als sehr teuer. Das darf sich nicht wiederholen. Es
kommen zwar derzeit bei weitem nicht mehr so viele Asylsuchende neu in die Stadt, die Stadt wächst aber
weiter, die Bedürfnisse ihrer Bewohner*innen verändern sich, und es ist längst noch nicht gelungen, für genügend
bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Deshalb müssen wir die Chance nutzen, für die Zukunft Berlins
zu bauen!
25 neue MUF bedeuten, dass sich 25 ganz verschiedene Quartiere vergrößern oder sich um die MUF herum
entwickeln werden – und zwar so, dass die MUF einen Mehrwert für die Nachbarschaft haben und diese
bereichern. Es darf bei den neuen Standorten nicht nur um den Aufbau von Kapazitäten gehen. Sie müssen
vor allem Integration ermöglichen.
Integration gelingt am besten, wenn Geflüctete mit anderen Mensücen zusammen wocnen. Wir wollen
gemeinsames Wocnen von Anfang an ermögliücen. Im Studentendorf Schlachtensee beispielsweise gibt es
bereits gute Erfahrungen mit einer gemeinsamen Unterbringung von Gefüchteten und Studierenden. Solche
Konzepte wollen wir auch an den neuen Standorten ermöglichen. Generell sind flr Integration mehrere
kleinere Standorte besser geeignet als große Gebäude mit 500 und mecr Bewocner*innen. Außerdem
können bei Wohnungs-Neubauprojekten Kontingente für Gefüchtete und andere Gruppen mit besonderen
Bedarfen vereinbart werden.
Das sogenannte Flüchtlingsbaurecht nach §246 BauGB macht auch Grundstücke z.B. in Randlagen nutzbar,
auf denen eine reguläre Wohnbebauung heute unzulässig wäre. Zugleich verlangt es, dass die Wohnungen
zumindest in den ersten drei Jahren nur an Gefüchtete vergeben werden. In der Regel sollte auf dieses
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Sonderbaureüct verziüctet werden. Das würde auch den Übergang zu einer Nutzung als normales Mietshaus
ermöglichen. Die langfristige Nutzung muss von Anfang an mitgedacht werden.
Die MUF selbst sollen Angebote maücen, die auüc durüc die Naücbarsücaft genutzt werden können. Mit
den neuen Bewohner*innen wächst aber auch der Bedarf an sozialer Infrastruktur im Quartier: Kitas, Schulplätze,
Grünfächen, Jugendtreffs, Verkehrsanbindung. Wir wollen die Bezirke stärken, damit die soziale Infrastruktur
mit der Stadt wachsen kann. Priorität caben dabei die struktursücwaücen Gebiete außercalb
des S-Bacn-Rings.
Um die Anwocner*innen zu beteiligen, brauüct es mecr Transparenz, verbindliüce Anspreücpartner*innen
und feeible Planungsprozesse. Wir wollen gemeinwohlorientierte Träger ins Boot holen, damit vor Ort
möglichst feeibel geplant und gebaut werden kann. Wir wollen ökologisch bauen und seriell, mit Bauteilen
aus nachwachsenden Rohstoffen und Holzmodulen. Die sind nicht nur nachhaltiger und feeibler als
Stahlbetonteile; sie können auch von Berliner Handwerksbetrieben verbaut werden – eine wichtige Maßnahme
zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Berliner Baubranche insgesamt.
Wohnformen der Zukunft ermöglichen
Die neuen Unterkünfte sind als Gemeinschaftsunterkünfte der Stufe 3 geplant. Sie sollen vor allem Wohnungen
enthalten, also keine Schlafsäle oder Gemeinschafts-Duschräume. Im Kern handelt es sich um einfache
Apartmenthäuser mit wenig Sicherheitsdienst, wenig Sozialarbeit und Betreuung – aber auch wenig
Gemeinschaftsräumen.
Die fehlenden Gemeinschaftsräume sind ein Manko. Raum ist knapp in Berlin, viele Menschen leben allein
oder zu zweit. Viele sind neu zugezogen und haben (noch) keine Familie gegründet. Andere sind alt geworden,
ihre Kinder sind ausgezogen. Sie schätzen Privatsphäre, aber wollen auch nicht einsam leben. Für all
diese Bedürfnisse braucht es neue Wohnformen. Eine dieser neuen Formen heißt Clusterwohnungen, im
Projekt Spreefeld bereits verwirklicht: ein Gebäude mit kleineren Wohnungen inklusive Bad und Kochnische,
dazu gemeinschaftlich nutzbare Küchen oder Räume zum Feiern. Die MUF 2.0. wären für solche innovativen
Ideen gut geeignet. Dafür braucht es allerdings Gemeinschaftsräume, die nach bisheriger Planung
nur an wenigen Standorten vorgesehen sind. – Dabei könnten Gemeinsücaftsräume im Erdgesücoß auüc
flr die Naücbarsücaft geöffnet und feeibel genutzt werden: als Kieztreff, flr Naüccilfe, als Seniorenüafe.
25 MUFs sind ein großes stadtentwiüklungspolitisüces Vorcaben. Wir wollen die Ccanüe nutzen, dabei Ideen
flr die Zukunft dieser Stadt zu entwiükeln.
Gemeinsam Wohnen von Anfang an
Perspektivisüc sollen die geplanten Unterklnfte den Bestand an bezaclbaren Wocnungen in Berlin ercöcen.
Allerdings ist gemeinsames Wohnen unterschiedlicher Bedarfsgruppen von Anfang an überhaupt erst
ab einer Größenordnung von mehr als 500 Plätzen angedacht. Ein solches gemeinsames Wohnen ist aber
zentral für gelingende Integration. Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten und Wege:
Studierende und Gefüchtete beispielsweise haben in vielerlei Hinsicht ähnliche Bedarfe; sie sind neu in
der Stadt, brauchen kleine Wohnungen und die zunächst nur für wenige Jahre, viele sind allein nach Berlin
gekommen und freuen sich daher über Gemeinschaftsräume oder Angebote für gemeinsame Aktivitäten.
Mit der Berlinovo gibt es in Berlin einen Anbieter, der mit solchen Wohnformen schon Erfahrungen gesammelt
hat. Auch eine gemeinsame Unterbringung von wohnungslosen Frauen mit Kindern und gefüchteten
Frauen mit ihren Kindern ist denkbar. Voraussetzung ist, dass die Gruppen eine ähnliche Lebenssituation
bzw. Bedarfe haben.
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Wo das möglich ist, unterstützen wir zudem mehrere kleine Standorte anstelle der bislang geplanten großen.
Solche dezentralen, kleineren Standorte sind zwar für einen Generalunternehmer oder die großen
Wohnungsbauunternehmen aufwendiger in der Umsetzung. Sie nehmen aber den Druck von den geplanten
großen Standorten, die dann von Anfang an als gemischte Wohnprojekte entwickelt werden könnten. Daflr
unterstltzen wir auüc den strategisücen Ankauf von Fläücen. Außerdem erwarten wir, dass der Bund uns
geeignete Liegensücaften aus seinem Berliner Immobilienvermögen flr solüce Zweüke zur Verflgung
stellt.
Wir begrüßen es, dass der Bezirk Mitte und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg solche alternativen Wege
beschreiten wollen: Mitte will an insgesamt 6 Standorten jeweils Kapazitäten für maeimal 250 Personen
aufbauen. An den beiden vom Senat beschlossenen Standorten sollen dafür zusätzlich weitere Wohnungen
für den normalen Mietwohnungsmarkt entstehen. Friedrichshain-Kreuzberg will ebenfalls an bis zu sieben
statt nur an den beiden bislang festgesetzten Standorten bauen. Auch andere Bezirke unterstützen wir dabei,
besser integrierte Wohnangebote für Gefüchtete zu entwickeln, ohne dabei die Kapazitäten abzusenken.
Das Land Berlin sollte aber auch andere Möglichkeiten nutzen, um gemeinsames Wohnen zu verwirklichen:
Mit den städtisücen Wocnungsgesellsücaften können Kontingente flr Gruppen mit besonderen Bedarfen
flr alle Neubauten festgesetzt werden. Nachverdichtung ist dabei auch durch MUF-Anbauten an bestehende
Gebäude möglich. Zusätzlich schlagen wir vor, dass in Bebauungsplänen von den Festsetzungsmöglichkeiten
nach §9 BauGB Gebrauch gemacht wird. So könnten auch bei privaten Bauträgern bestimmte Flächen
für Gefüchtete und andere Gruppen mit besonderen sozialen Bedarfen reserviert werden. Diese Regelung
kann in einem städtebaulichen Vertrag mit dem Investor umgesetzt werden.
Auch im Bestand wollen wir gemeinsames Wohnen realisieren und ungenutzte Potentiale erschließen. Viele
Menschen leben allein in Wohnungen oder Häusern, die zu groß für sie sind. Wir wollen in einem Modellprojekt
„Wohungsteilen“ Umbauten bzw. Umnutzungen bestehender Immobilien und Wohnungen fördern,
die zusätzlichen Wohnraum für Gefüchtete und andere schaffen. Neben der zweckgebundenen Förderung
braucht es entsprechende Beratung und Begleitung.
MUF ins Quartier öffnen – Die Nachbarschaft bereichern
Wenn Integration gelingen soll, müssen auch die Quartiere um die Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge
mit städtebaulichen und sozialen Qualitäten gestaltet oder neu geplant werden. Wir benötigen qualitätsvolle
Frei- und Grünfächen, Spielplätze, soziale und kulturelle Infrastruktur, eine barrierefreie Gestaltung,
Geschäfte, Restaurants und Cafés, so dass ein zusätzlicher Nutzen und praktischer Mehrwert auch für die
Nachbarschaft entsteht. Gebäude flr Geflüctete können auüc soziale Funktionen im Quartier lbernecmen,
bspw. indem sie lber Gemeinsücaftsräume oder Cafés verflgen, die auüc als Naücbarsücaftstreffpunkt oder
flr Feste genutzt werden können.
Bislang ist soziale Infrastruktur nur in wenigen Fällen in den MUF selbst geplant. Der Bezirk Charlottenburg-
Wilmersdorf hat erreicht, dass die Flüchtlingsunterkunft in der Quedlinburger Straße ein Nachbarschaftszentrum
ins Erdgeschoss und eine öffentliche Kita aufs Dach bekommt. Das öffnet das Gebäude fürs
umgebende Quartier und schafft Mehrwert für die Anwohner*innen, ohne zusätzliche Fläche zu verbrauchen.
Auch in einem MUF in der Paul-Schwenk-Straße in Marzahn-Hellersdorf soll ein öffentlich zugängliches
Begegnungscafé entstehen, das zugleich Arbeitsmöglichkeiten für Gefüchtete schafft. Das dürfen
aber keine Ausnahmen bleiben. Die Integration sozialer Infrastruktur wollen wir in die Leistungskataloge
flr die Beauftragung eines Generalunternecmers aufnecmen und mit weiteren Bauträgern verbindliüc vereinbaren.
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Wo immer es nach Einschätzung der Polizei möglich ist, möchten wir von Anfang an auf eine Abgrenzung
der Unterkünfte durch Zäune, bauliche Barrieren und Wachschutz verzichten. Nur so kann eine Integration
ins jeweilige Quartier gelingen – und darüber hinaus die immensen Personalkosten für Sicherungsmaßnahmen
gesenkt werden.
Bezirkliche Infrastruktur ausbauen – Priorität Außenbezirke
Das Planungsrecht liegt bei den Bezirken, selbst wenn §246 BauGB die Errichtung von Unterkünften für Gefüchtete
auch auf Flächen ermöglicht, für die es noch kein Baurecht gibt. Die Planungshoheit der Bezirke
wollen wir insgesamt stärken. Wo möglich, sollte auf die Anwendung des §246 verzichtet werden. Derzeit
erarbeiten die Bezirke Soziale Infrastrukturkonzepte (SIKO). Hier müssen die neuen MUF und die Bedarfe
ihrer Bewohner*innen mitgedacht werden. Entscheidend ist, dass die neuen Standorte an die umgebenden
Quartiere gut angebunden werden, dass es Kita- und Schulplätze in der Umgebung gibt, dass Kinder gemeinsam
mit anderen auf Spielplätzen spielen oder sich in einer Jugendeinrichtung treffen können, dass es
Einkaufsmöglichkeiten gibt, dass Bus, Tram oder S-Bahn regelmäßig fahren oder ggf. eine neue Haltestelle
eingerichtet wird. Auüc die Mögliückeit flr ergänzende Wocnnutzungen flr Geflüctete und weitere Bedarfsgruppen
an bestecenden oder geplanten Infrastrukturstandorten sollte im Racmen der SIKO-Erarbeitung
geprlft werden.
In den Außenbezirken gibt es aber auch Standorte in Randlagen, die zunächst nur mit Sonderbaurecht realisiert
werden können und die an kein lebendiges Quartier angrenzen. Für sie braucht es besondere Konzepte;
insbesondere die langfristige und nachhaltige Nutzung dieser Standorte ist von Anfang an mitzudenken.
Gerade in strukturschwachen Gebieten jenseits des S-Bahn-Rings sind 2015/2016 sehr schnell Unterkünfte
für Gefüchtete errichtet worden, ohne die soziale und verkehrliche Infrastruktur entsprechend
auszubauen. Hier gibt es einen dringenden Naüccolbedarf. Wir wollen die daflr nötigen fnanziellen Mittel
unter optimaler Nutzung vorcandener Förderinstrumente im näücsten Doppelcauscalt verankern. Das
süculden wir den Bewocner*innen der Unterklnfte und icren Naücbar*innen.
Mehr Transparenz und Beteiligung schaffen
Viele Anwohner*innen warten seit Monaten auf Informationen über die geplanten Unterkünfte. Die Unzufriedenheit
wächst, dabei wären viele von ihnen bereit, sich auch zu engagieren, wenn es mehr Transparenz
und Beteiligung gäbe.
Wir brauücen eine Transparenzdatenbank, wo lber die geplanten Projekte und icren jeweiligen Stand informiert
wird, und feste, jederzeit auskunftsfäcige Anspreücpartner*innen in Politik und Verwaltung, die
flr Fragen zu den Projekten zur Verflgung stecen. An den künftigen Standorten braucht es frühzeitige und
thematisch klare, verbindliche Planungsprozesse, an denen sich Anwohner*innen und Ehrenamtliche beteiligen
können. Um die Verbindlichkeit solcher Prozesse zu gewährleisten, müssen Bezirk, das Land Berlin
über das Landesamt für Flüchtlinge und die jeweiligen Bauträger und Betreiber an diesen Prozessen beteiligt
sein.
Auch die zukünftigen Bewohner*innen sollten möglichst frühzeitig am Planungsprozess beteiligt werden.
Das schafft Netzwerke und Identifkation. Wie viele gute Ideen entstehen können, wenn Gefüchtete ihre
eigene Unterkunft nach ihren Bedürfnissen ausgestalten, zeigt das Modellprojekt des Malteser Hilfsdiensts
in einer Unterbringung am Rathaus Neukölln in Kooperation mit Refugee Open City. Für eine solche Einbeziehung
der Bewohner*innen sollen die Erfahrungen mit dem Integrationsmanagement BENN (Berlin entwickelt
neue Nachbarschaften) evaluiert werden. Insbesondere Gemeinschaftsräume, die auch für die
Nachbarschaft offen sind, können künftige Bewohner*innen und Nachbar*innen gemeinsam ausgestalten.
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Nachhaltig bauen – gemeinwohlorientierte Träger einbeziehen
Flr partizipative und naüccaltige Planungs- und Bauprozesse sind gemeinnltzige private Bauträger gut
geeignet. Das zeigt das Bauprojekt der Evangelischen Friedhofsstiftung Jerusalem V in Neukölln. Dort entstehen
Wohnungen für Gefüchtete und andere Gruppen, die ökologisch und energetisch anspruchsvoll gebaut
sind, so dass die Warmmieten langfristig bezahlbar bleiben. Die zuständigen Senatsverwaltungen setzen
bislang ausschließlich auf die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sowie auf einen Generalunternehmer,
der im Auftrag des LAF nach Muster bauen soll. Wir setzen hier auf eine größere Vielfalt der
Bauträger, um gegenseitig von guten Erfahrungen zu lernen.
Die neuen MUF-Standorte sind ein gewaltiges städtebauliches Investitionsprojekt. Wir wollen, dass die
neuen Gebäude auüc ökologisücen und naüccaltigen Standards genlgen, und setzen descalb auf mecr modularen,
konstruktiven Holzbau sowie generell auf Bauteile aus naücwaücsenden Rocstoffen.
Holzmodulbauten bieten im Vergleich zu Betonmodulbauten einige Vorteile. Sie können in wenigen Monaten
erstellt werden, sind kostengünstig, bestehen aus regional verfügbaren, nachwachsenden Rohstoffen
und bieten einen hohen Wohnkomfort. Derzeit ist das Baugewerbe in Berlin völlig überlastet, es ist schwer,
Auftragnehmer für öffentliche Aufträge zu fnden. Entsprechende Prototypen und Bauformen für Holzmodulbauten,
die sich andernorts bereits vielfach bewährt haben, sind für die meisten Zimmer- und Schreinerbetriebe
und Holzbauunternehmen realisierbar. Diese Prototypen und Bauformen können dann an die
Standorte angepasst und durch Berliner Handwerksbetriebe realisiert werden.
Das Argument, Stahlbeton sei nötig wegen der Stabilität der Gebäude, trägt nicht: die Howoge baut bereits
fünfgeschossig in Holzbauweise. Wir haben Mittel im Haushalt eingestellt für den Aufbau eines Beratungsangebots
für Holzbauten für Gefüchtete nach dem Vorbild von NRW. Das gilt es jetzt zu nutzen.
Langfristige Nutzung mitdenken – Fließende Übergänge ermöglichen
Die Vertragslaufzeiten für die neuen MUF sind fünf Jahre, mit zweimaliger Verlängerungsoption um je drei
Jahre. Bislang ist völlig offen, wie ein fießender Übergang von der ausschließlichen Nutzung durch Gefüchtete
zu einer Nutzung durch verschiedene Gruppen bzw. durch Mieter*innen gelingen soll. Das gilt
insbesondere für alle Projekte, in denen kein gemeinsames Wohnen von Anfang an ermöglicht wird. Langfristige
und nachhaltige Nutzungskonzepte müssen von Anfang an mitgedacht werden, wenn der Übergang
gelingen soll. Wir wollen den Umzug von Gefüchteten in die MUFs und später von dort in regulären Wohnraum
von den Kindern und ihren Schulwegen aus planen und dabei mit den Wohnungsbaugesellschaften,
Genossenschaften und Privaten kooperieren. Es brauüct außerdem Klarceit darlber, wie der Übergang von
Unterbringungseinriüctungen in Mietscäuser funktioniert, damit aus den Bewocner*innen Mieter*innen
werden.
In den städtischen Randlagen, wo zunächst nur mit Sonderbaurecht Wohnraum geschaffen werden kann,
ist die Frage der späteren Nutzung besonders dringlich. Die hier zu entwickelnden Nutzungskonzepte müssen
auch Alternativen zur Nutzung als reines Wohngebäude beinhalten. Auch die Nachnutzung der vielen
Container, die als provisorische Tempohomes genutzt wurden und es teilweise noch werden, wollen wir
angehen und schlagen dafür einen Ideenwettbewerb vor.
5Foto: Samuel Zeller/Unsplash_CC0 Positionspapier "eSport ist Sport!"
eSport beschreibt das kompetitive Spielen von Videospielen am Cpmputer, Konsolen oder anderen Geräten. Schon seit einiger Zeit wird um die Anerkennung des eSport als Sportart gekämpft. Wir wollen die gesellschaftlichen Potenziale im digitalen Sport eröffnen und nutzen und setzten uns dafür ein, dass die sporltichen Aspekte anerkannt werden und eSport endlich als Sportart klassifiziert wird.
Foto: Victoria Kure-Wu/Unsplash_CC0 Beschluss "Bibliotheken in Berlin stärken"
Bibliotheken sind ein zentraler Bestandteil der Kultur- und Bildungslandschaft in Berlin. Was fehlt ist eine landesweit abgestimmte Strategie für alle Bibliotheken. Wir brauchen dringend einen neuen Bibliotheksentwicklungsplan.
Foto: Jonathan Weiss/Unsplash_CC0 Beschluss "Familiennachzug: Das Land Berlin muss seinen Beitrag leisten"
Familien gehören zusammen, Kinder gehören zu ihren Eltern. Die Sorge um die Familie, die im Kriegsgebiet zurückgeblieben ist, treibt Gefüchtete um und hindert sie daran, sich hier zu integrieren. Am Freitag wurde im Bundesrat die Chance vertan, die Aussetzung des Familiennachzugs zu beenden. Die Enthaltung Berlins widerspricht dem, was Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag vereinbart hat. Umso mehr steht Berlin jetzt in der Pficht, alle landesrechtlichen Möglichkeiten und alle Spielräume auszuschöpfen.
Foto: Medi2go/Pixabay_CC0 Resolution "Bündnisgrüne streiten für Freiheit statt Angst"
Berlin ist die Stadt der Freiheit und diese Freiheit macht Berlin so einzigartig. Genau deshalb werden wir diese Freiheit verteidigen. Denn wir wollen, dass sich auch weiterhin Jede und Jeder in unserer Stadt frei und furchtlos bewegen kann und keine Angst davor haben muss, anders zu sein. Daher erteilen wir dem Wettbewerb nach immer schärferen Maßnahmen zur Herstellung von Sicherheit eine Absage.
Foto: Stefan-Stancik/Unsplash_CC0 Beschluss "Digital für alle - eine Digitale Agenda für Berlin"
In den letzten zehn Jahren sind viele Bereiche unseres Lebens digitalgestützter und damit oftmals auch bequemer geworden: Wir nutzen Carsharing per Smartphone, erledigen Online-Banking und unseren Haushalt per Sprachassistenten. Auch unsere Arbeitswelt ist eine andere geworden. Berlin ist als urbaner Raum, in dem sich Digitalisierung verdichtet und dynamisiert, ein zentraler Ort unserer Gesellschaft, in dem Antworten auf diese Fragen gefunden werden können - und sollten!
Foto: freestocks.org/Unsplash_CC0 Beschluss "Gut versorgt – Rund um die Geburt"
Eine gute Versorgung rund um die Geburt hilft werdenden Eltern beim Start in ein gutes Familienleben und leistet einen bedeutenden Beitrag zur Frauen- und Familiengesundheit sowie zum Kinderschutz. Einen besonders wertvollen Beitrag leisten die Hebammen und Entbindungspfleger. Wir fordern Verbesserungen der Hebammenversorgung.
Grafik: Grüne Fraktion Berlin Beschluss "Grüne Verkehrspolitik für einen effizienten Wirtschaftsverkehr"
Weil vielen Unternehmen und Handwerkern durch Stau, schlechte Straßen und Parkplatzsuche wichtige Zeit verloren geht, wollen die Grünen den Wirtschaftsverkehr in Berlin modernisieren und beschleunigen – und entsprechende Konzepte mit dem Mobilitätsgesetz erstmals gesetzlich verankern.
Grafik: Grüne Fraktion Berlin Beschluss "Moderne Mobilität für Berlin"
Es ist Zeit für eine neue Verkehrspolitik. Wir wollen den Straßenraum in der Hauptstadt effizienter nutzen, damit die Berlinerinnen und Berliner in Zukunft schneller, sauberer und sicher ans Ziel kommen.
Foto: betexion/Pixabay_CC0 Beschluss "Solidarisch sein - TXL in Rente schicken!"
Der Flughafen Tegel hat viele kleine und große Geschichten geschrieben. Jetzt ist es Zeit, dass wir 300.000 Berliner und Berlinerinnen vom Fluglärm befreien und Platz für Neues schaffen. Lassen Sie uns gemeinsam in Tegel Zukunft schreiben.
Foto: Chris Slupski/Unsplash_CC0 Beschluss "Demokratie stärken für eine offene Gesellschaft"
Viele in der Stadt haben viele gute Ideen, die wir nutzen sollten, um Berlin noch lebenswerter zu machen. Wir wollen die Berlinerinnen und Berliner zwischen den Wahlen stärker an politischen Entscheidungen beteiligen und damit Politikverdrossenheit und Populismus bekämpfen.
Foto: Patrick-Wittke/Unsplash_CC0 9-Punkte-Plan für Tierschutz in Berlin
Mit einem 9-Punkte-Plan für Tierschutz wollen wir die Hauptstadt zum Vorreiter in Sachen Tierwohl und Artenschutz machen. Einen entsprechenden Maßnahmenplan haben wir auf unsere Frühjahrsklausur beschlossen.
Foto: karlherl/Pixabay_CC0 Beschluss "Grüne Wohnungspolitik für ganz Berlin – Gemeinwohl statt Mietenspekulation"
Mit einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit, weiteren Milieuschutzgebieten und vielen anderen Einzelmaßnahmen sollen Mieterinnen und Mieter in Berlin vor steigenden Mieten und Verdrängung besser geschützt werden.
Foto: Camilla Bundgaard/Unsplash_CC0 Beschluss über die Veröffentlichung von Einkünften der MdA
Über die jetzt schon existierenden Anzeige- bzw. Veröffentlichungsverpflichtungen hinaus sollen nunmehr sowohl Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit als auch folgende Tätigkeiten veröffentlicht werden.