Grüne Europawochen: Der Kampf gegen Kohle kennt keine Grenzen
Der Brexit macht in diesen Tagen wieder deutlich wie uns Nationalismus und Europafeindlichkeit in eine große Unsicherheit stürzen. Auch in Italien werden die Rechten mit ihren europafeindlichen Positionen lauter. Wir Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus verstehen uns als Gegenpol dazu. Aus diesem Grund rufen wir im April und Mai unsere grünen Europawochen ins Leben. Unter dem Motto “Wir für Europa” zeigen wir Landespolitiker*innen Flagge für eine klar proeuropäische Haltung. Stefan Taschner zeigt am Beispiel von Tschechien, dass der Kampf gegen Kohle länderübergreifend ist und stellt die Frage: Wettet hier jemand erfolgreich gegen die Energiewende?
Egal ob in Italien, England, Deutschland oder Ungarn – die Prager Energieholding EPH kauft im Akkord Gas- und Kohlekraftwerke auf, die andere loswerden wollen. Die Strategie ist dabei überall die Gleiche: Günstig zuschlagen und schnellstmöglich Geld abschöpfen. Im Hinterkopf ist dabei immer die Hoffnung, dass Entschädigungen fällig werden könnten, falls Regierungen das Kohlegeschäft vorzeitig beenden; also ein Super-Bonus für das private Konto, aber nichts für das Gemeinwohl.
Nach den jüngsten Ergebnissen der Kohlekommission stellt sich folglich die Frage: Wettet hier jemand erfolgreich gegen die Energiewende?
Die LEAG, ein deutscher Ableger im EPH-Konzern-Geflecht, hat 2016 das Braunkohlegeschäft von Vattenfall in der Lausitz übernommen. Seitdem hat sich in Sachen Strukturwandel gar nichts getan. Der Klimawandel und die Gefährdung des Trinkwassers durch erhöhte Sulfatwerte werden von der Chefetage in der LEAG einfach ausgesessen. An Versprechungen wie Rückstellungen, die für die Kosten der Rekultivierung eingestellt und so die Tagebauwunden behandelt werden können, glaubt niemand aus der Anti-Kohlebewegung. Weder in Deutschland noch im Ausland. Nur die rot-rote Regierung in Brandenburg steht felsenfest hinter der profitorientierten Heuschrecke. Das undurchsichtige EPH-Firmengeflecht tauchte auch in den sogenannten Panama Papers auf. Jene Papiere, die vermuten lassen, dass Steuerzahler*innen mal wieder für die Interessen von Einzelnen aufkommen müssen.
Bereits vor dem lukrativen Vattenfall-Deal hatte die EPH 2009 und 2011 die Kohlegruben des drittgrößten deutschen Braunkohleförderers Mibrag im mitteldeutschen Revier gekauft. Mit dem Einstieg in die deutsche Braunkohlesparte wurde der tschechische Energiekonzern über Nacht zum größten Energieversorger Mitteleuropas. Der EPH-Haupteigentümer Daniel Křetínskýs wird als Spekulant sowie ausgefuchster Stratege beschrieben. So umfasst sein Firmenimperium neben der Energiesparte noch einen Fußballclub und eine Boulevardzeitung. Kurzum – er mischt überall mit.
Die Regierung in Tschechien hat den Einstieg in den Kohle-Ausstieg eindeutig verschlafen. Noch immer steht sie zur Kohle und unterstützt die eingesessenen, mächtigen Kohlebarone, die mit Stromexporten ins Ausland Unmengen von Geld scheffeln. Erst 2015 wurde das „Aufschlussverbot“ für neue Tagebaue gekippt. So ist es dem größten tschechische Energiekonzern ČEZ möglich seine Pläne zur Tagebauerweiterung im Tagebau Bílina in die Tat umzusetzen. In der Politik sowie der öffentlichen Debatte fehlt es an ernstzunehmenden Klimaschutzbekenntnissen und damit einhergehenden Bemühungen! Eine echte Energiewende lässt noch auf sich warten. Laut Planungen soll die Kohlenutzung in Tschechien erst 2055 enden. Das ist eindeutig zu spät, um das weltweite Klima zu retten!
Kohleausstieg ist Handarbeit
Damit skrupellose Investoren, versteckt in ihren verschachtelten Firmengeflechten, nicht unbehelligt Schalten und Walten können, braucht es Gegenbewegungen! Erfreulicherweise gibt es die Fridays for Future-Proteste auch in Tschechien. Jeden Freitag gehen Tausende von Schüler*innen weltweit auf die Straßen, um den Erwachsenen und herrschenden Staatsköpfen zu zeigen, dass sie mit der Klimaschutzarbeit nicht einverstanden sind. Die Schüler*innen bekommen ein Fleißbienchen – für den Rest heißt es nachsitzen und Klimaschutz-Aufgaben richtig machen.
Aber nicht nur die Jüngsten setzen in Tschechien Zeichen gegen Kohleabbau und Verstromung. In der nordböhmischen Kohle-Abbauregion rund um die Industriestadt Most wehren sich die Einwohner*innen gegen die Abbaggerung ihrer Häuser und Gärten. Sie fordern zurecht den Erhalt ihrer Dörfer und ein Ende der Landschaftsverschwendung. Dabei fällt eine Stadt besonders auf: Es ist Horní Jiřetín. Regiert von einem Bürgermeister der grünen Partei hat sich dort in den letzten 20 Jahren deutlicher Widerstand gegen die Tagebau-Erweiterung geregt.
Dieses Jahr findet in der Region zum dritten Mal das tschechische „Kilmakemp“, ein klassisches Kohle-Gegengewicht, statt. Organisiert werden die Camps von der Gruppe „limity jsme my“, übersetzt: „Wir sind das Limit“. Vom 27 Juni bis 9. Juli versammeln sich Aktivist*innen, um neben Workshops und Vorträgen auch an Aktionen wie Baggerbesetzungen teilzunehmen. Im letzten Jahr gelang es mehreren Klimaschützer*innen einen Bagger im Tagebau Bílina zu besetzen. Daraufhin musste der Tagebaubetrieb vorübergehend eingestellt werden.