Grüne Europawochen: Luxemburg – Kleines Land mit großen Europäern
Der Brexit macht in diesen Tagen wieder deutlich wie uns Nationalismus und Europafeindlichkeit in eine große Unsicherheit stürzen. Auch in Italien werden die Rechten mit ihren europafeindlichen Positionen lauter. Wir Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus verstehen uns als Gegenpol dazu. Aus diesem Grund rufen wir im April und Mai unsere grünen Europawochen ins Leben. Unter dem Motto “Wir für Europa” zeigen wir Landespolitiker*innen Flagge für eine klar proeuropäische Haltung. Marianne Burkert-Eulitz berichtet, was ihre Arbeitsmappe ihr täglich über Luxenburg erzählt – ein kleines Land mit großen Europäern.
Eine große schwarze Schreibmappe begleitet mich seit einiger Zeit auf meinen beruflichen Wegen. Darin fein säuberlich: eine Seite für den aktuellen Arbeitsprozess, auf der anderen eine Ablage – ein Archiv für Bearbeitetes, für Gedanken, für Kontakte in Form von Visitenkarten. Zwischen den beiden Seiten der Platz für das Arbeitsgerät – einen soliden, der Mappe von Gewicht entsprechenden Holzkugelschreiber. Diese Mappe ist mein Laptop in analog: man kann schreiben, archivieren und sortieren. Wertbeständig und schwer von Gewicht. So wie der Ort, an dem sie zu mir stieß. Ein Ort – schwer an Bedeutung und Verdienst für die EU: der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.
Luxemburg als das zweit-kleinste Land der EU schon längst zu einem Knotenpunkt im Zentrum Europas und zu einer der EU-Hauptstädte herangewachsen. Die Regierung hat seit den Gründungszeiten der EU die Bedeutung des Stadtstaats für Europa anerkannt und sich konsequent um einen Ausbau der Infrastruktur und um optimale Arbeitsbedingungen für die EU-Bediensteten bemüht.
Mit der kleinen Gemeinde Schengen, gelegen im Dreiländer-Eck Deutschland-Frankreich-Luxemburg erhielt das Land weltweit Bekanntheit. Schengen wurde zum Synonym für einen Raum ohne Grenzkontrollen. An der Mosel, vor den Schengener Ufern, unterzeichneten fünf Mitgliedsstaaten das Schengener Übereinkommen. Dieses sieht den Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen der EU und die Einführung des freien Personen- und Warenverkehrs vor. Das Abkommen gilt seit 1995 als ein Meilenstein im europäischen Prozess. Und wohl auch um diesen Meilenstein zu untermauern, findet man am Moselufer in Schengen ein Stück Berliner Mauer. Der Fall der Berliner Mauer und das Schengener Abkommen – zwei bedeutsame Prozesse für Europa, für die ganze Welt, schenkten sie doch jedem einzelnen Menschen in Europa und weltweit mehr Freiheiten und persönliche Entfaltungsmöglichkeiten.
Luxemburg ist auch die Heimat von Jean-Claude Juncker, dem Präsidenten der Europäischen Kommission und einem der größten Vermittler zwischen den Ländern. Mit seinem Weg der „friedlichen Debatte“ ist es ihm gelungen, die Idee von Europa weiterzutragen, und Europa nach Osten hin zu erweitern. Krisenfest zeigt er sich, denn europäischen Krisen, so Juncker sind immer ein Stück Weg zu weiteren Integration Europas. Seine zuweilen ungewöhnlichen öffentliche Auftritte bewegen die Gemüter. Aber in der Botschaft dahinter bleibt er sich stets treu: „Verändern heißt immer verbessern.“
Und der Europäische Gerichtshof, mit seinem Sitz in Luxemburg – eine beeindruckend komplexe Institution zur Ausübung der Rechtsprechung, offen für die juristischen Anliegen aller europäischen Bürger*innen. Mit 60 Prozent Frauenanteil unter der Beamtenschaft ein Vorbild für die europaweite Gleichstellungsdebatte. Und dank 24 Verfahrenssprachen und 74 Simultandolmetscher*innen immer um bestmöglichstes Verständnis und Verbreitung der Rechtsprechung in allen Amtssprachen bemüht.
Diese Arbeitsmappe des europäischen Gerichtshofes trage ich stets mit mir, sie soll mich täglich an die Werte, für die Europa steht, erinnern: Freiheit, Gleichberechtigung und Toleranz. Und an ein kleines Land, das ich selbst einmal bereiste, und das mich beeindruckte – mit seiner Größe und im Kleinen.