Mein Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik (Abschlussbericht 2021)
Als ich im vergangenen September das erste Mal das Berliner Parlamentsgebäude in der Nähe des Potsdamer Platzes, gegenüber des Gropiusbaus betreten habe, hätte ich aufgeregter nicht sein können.
Das Abgeordnetenhaus (AGH) ist das Berliner Landesparlament. Hier sitzen rund 160 Abgeordnete und geben (meistens) ihr Bestes, die Interessen der 3,6 Millionen Berliner*innen zu vertreten. Mein FSJ-P bestreite ich nun seit fast einem Jahr in einer der sechs Fraktionen – der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen. 27 Abgeordnete (davon 17 Frauen und 10 Männer) arbeiten hier gemeinsam mit rund 30 Fraktionsmitarbeitenden seit Beginn der Legislaturperiode jeden Tag im Herzen der Demokratie Berlins.
Dass dieses beeindruckende und für Berlin so wichtige Haus mein Arbeitsplatz für die nächsten zwölf Monate sein sollte, war für mich gerade zu Anfang jeden Tag aufs Neue schwer zu glauben. Jetzt, nach 11 Monaten in der Fraktion, ist es, trotz Corona, fast wie ein zweites Zuhause geworden. Gleich zu Beginn habe ich gemerkt, dass ich an keiner Stelle „nur der FSJ-ler“ war. In keinem Gespräch war man sich zu schade, nochmal nach meiner Meinung, nach meiner Sicht auf die Dinge, zu fragen. Schon sehr früh traute Mensch mir eigene Aufgaben und Projekte zu. Neben der Beantwortung von Bürger*innen-Anfragen, Terminvorbereitungen und -begleitungen (z.B. für Social Media ) habe ich beispielsweise den Bildungspolitischen Weihnachtsempfang im Corona-Jahr digital als Gaming-Event mitorganisiert.
Für die Fraktion bin ich nicht der erste FSJ-Pler. Wie bei all meinen Vorgänger*innen ist mein Jahr in vier „Stationen“ á drei Monate eingeteilt. Davon sind drei in den Büros von Abgeordneten, die letzte in der Pressestelle der Fraktion. Begonnen habe ich mein FSJ im Büro von Stefanie Remlinger. Sie ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Berufliche Bildung und Haushaltspolitik. Da ich selbst vor meinem FSJ über mehrere Jahre in meiner Schule, im Bezirk Pankow und zum Schluss auch im Landeschüler*innen-Ausschuss von Berlin Bildungspolitik aktiv gestaltet habe, war die Station bei ihr ein hervorragender Einstieg in mein Jahr.
Als Fraktionsmitarbeiter nehme ich aber auch jede Woche an der Fraktionssitzung teil. Und auch die monatlichen Mitarbeiter*innen-Runden stehen regelmäßig auf dem Programm. Neben den Stationen bei den Abgeordneten arbeite ich immer wieder auch in anderen Teilen der Fraktion. Im Januar konnte ich z.B. bei der Klimakonferenz der Fraktion mit der Stadtgesellschaft dabei sein. Erst vor kurzem habe ich anlässlich des Fraktionsjubiläums eine Videoreihe über das Abgeordnetenhaus und die Fraktion gedreht (Hier kann man sich die Videos anschauen). Es mangelt hier also nicht an Abwechslung bei meinen Aufgaben.
Anfang Dezember, Corona hatte Berlin fest im Griff und die Fraktion war in großen Teilen im Home-Office, begann meine zweite Station bei Georg Kössler. Er ist Sprecher der Fraktion für Klima- und Umweltschutz, Eine-Welt-Politik und Clubkultur. Neben Terminvorbereitungen und -planungen konnte ich bei Georg vor allem in der Social-Media-Arbeit mitwirken. Unter anderem habe ich zusammen mit seiner Studentischen Mitarbeiterin ein Digitales Praktikum von Georg in der Fraktion der Grünen im Europaparlament begleitet, also Texte geschrieben sowie Grafiken für Posts und seine Website erstellt.
Im Januar konnte ich dann bei der digitalen Klimakonferenz der Fraktion mithelfen. Aus einem Studio in Kreuzberg hat die Fraktion für einen Tag Diskussionen mit verschiedensten Leuten aus der Stadtgesellschaft und Gästen aus der ganzen Weltgeführt. Das war mal was ganz anderes als der Alltag im AGH.
Ab März, also quasi zur Halbzeit meines Jahres, wechselte ich erneut die Station, diesmal zu Bettina Jarasch. Im Abgeordnetenhaus ist sie Sprecherin der Fraktion für Religionspolitik, Flucht und Migration. Gleichzeitig ist sie seit November 2019 offiziell die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die kommende Wahl zum Abgeordnetenhaus im September. Zwar habe ich hauptsächlich in ihrem Büro im Abgeordnetenhaus gearbeitet und dort für sie Termine vorbereitet, an den Teamsitzungen teilgenommen und Bürger*innen-Anfragen beantwortet. Letzteres ist auf jeden Fall eine Erfahrung, die man mal gemacht haben sollte … 😉
Ich konnte Bettina Jarasch aber auch immer wieder auf Terminen in der Stadt, bei Initiativen oder Demonstrationen begleiten. Oft habe ich dabei fotografiert und die Bilder dann für ihre Social-Media-Kanäle mit Texten versehen. Solche Termine, z.B. mit dem Rabbiner der Chabat-Gemeinde in Charlottenburg oder mit Vertreter*innen der Gewerkschaften am 1. Mai, oder später auf dem Forschungscampus Buch waren einfach wahnsinnig spannend und bereichernd für mich. Bettina hat mich dann zum Ende meiner Zeit bei ihr gefragt, ob ich sie nicht nach Ende meines FSJ weiterhin auf Terminen fotografisch begleiten will – dann aber für sie als Spitzenkandidatin. Ab August werde ich also als offizieller Wahlkampffotograf mit Bettina durch Berlin touren. Ich bin wahnsinnig gespannt drauf!
Seit Anfang Juni arbeite ich jetzt in meiner letzten Station des FSJ – der Pressestelle. Hier gehen alle Presseanfragen von Journalist*innen ein und werden bearbeitet, von hier aus werden die Social-Media-Kanäle der Fraktion bespielt und Veranstaltungen mit der Stadtöffentlichkeit geplant und organisiert. Ich kann bei allem ein wenig mithelfen und mir wird immer relativ viel Wahlfreiheit gelassen bei den Aufgaben. Am meisten begeistern kann ich mich immer wieder für das Erstellen von Social Media-Grafiken und auch das fotografieren wird immer mehr zu meiner Passion. Jetzt, wo langsam wieder Präsenzveranstaltungen möglich werden, ist das auch gleich viel interessanter, so mit Menschen auf den Bildern und so ;). Ich kann mir auf jeden Fall gut vorstellen, später einmal im Bereich Kommunikation zu arbeiten.
Neben der Arbeit in der Fraktion gehören zum FSJ-P, wie bei jedem FSJ, so genannte Bildungstage beim Träger, den ijgd. Die finden ca. alle zwei Monate statt und werden in großen Teilen von uns Freiwilligen organisiert und gestaltet. In der Seminargruppe sind Freiwillige aus verschiedensten Einsatzstellen in Politik und Zivilgesellschaft. Die Diskussionen in der Gruppe sind dementsprechend aufgrund unterschiedlichster Ansichten immer wieder sehr spannend und bereichernd. Leider mussten fast alle bisherigen Seminare online stattfinden. Trotzdem habe ich in der Gruppe Kontakte und Freundschaften geknüpft, von denen ich hoffe, dass sie auch noch lange nach meinem FSJ bestehen. Jetzt hoffen wir alle, dass unser letztes Seminar Ende Juni in Präsenz stattfinden kann!
Jetzt ist mein Jahr hier fast zu Ende. Pünktlich dazu haben wir vor ein paar Tagen auch mein letztes Video der Erklärreihe veröffentlicht. Das erste Video ist bis jetzt immer noch der meistgeklickte Beitrag, den die Fraktion je veröffentlicht hat. Das ist schon ziemlich cool! Aber damit gebe ich mich nicht zufrieden. Ich bin sehr happy, denn ab Oktober werde ich – nach einem kurzen Wahlkampf-Abstecher – wieder zurück an Bord der Fraktion sein. Diesmal als Studentischer Mitarbeiter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit! Der Abschied von meinen supercoolen Kolleg*innen wird also nicht allzu schwer und ich freue mich echt auf das, was kommt!
Nach der Schule, statt Studium oder Ausbildung, erst mal zu arbeiten war – gerade im Home-Studier-Jahr 2020/21 – genau die richtige Entscheidung. Denn auch wenn der Alltag im Parlament manchmal ganz schön fordernd und Home-Office nicht immer unglaublich aufregend ist, so habe ich in diesem Jahr unglaublich viel Neues gelernt und spannende Einblicke hinter die Kulissen von „der Politik“ bekommen. Ich kann also allen wärmstens ans Herz legen, sich hier zu bewerben!
Vincent Villwock, FSJ-P in der Grünen-Fraktion 2020/2021