Plenarrede von Silke Gebel zur Aktuellen Stunde „Hunderttausende beim Klimastreik: Berlin setzt ein deutliches Zeichen für mehr Klimaschutz“
(Es gilt das gesprochene Wort)
Anrede,
Es gibt diese Momente, wo die Leute massenhaft auf die Straße gehen, um ihre Regierungen wach zu rütteln. Das sind historische Momente die sich in unsere Erinnerung einbrennen. Das war in den frühen 1980ern bei den Friedensdemos so, das war 1989 bei der Demo am Alexanderplatz im Vorfeld des Mauerfalls so, das war für meine Generation 2003 bei der großen Irakdemo so und das wird auch bei der Klimademo am vergangenen Freitag so sein.
Und ich bin mir sicher: Noch in vielen Jahren werden wir zurückblicken auf den September 2019 und sagen: Das waren historische Proteste als weltweit Millionen Menschen auf die Straße gingen und gesagt haben “Bitte liebe Regierungen, rettet diesen, rettet unseren Planeten!” Die entscheidende Frage wird dann sein: Haben wir als letzte Politikergeneration, die die Klimakatastophe noch stoppen könnte, den Mut aufgebracht diese große Verantwortung anzunehmen? Es liegt jetzt an uns, diese Verantwortung endlich anzunehmen!
Anrede,
Denn die Veränderungen, die durch die Klimakatastrophe kommen, sind enorm. Der Klimanotstand ist da. Besonders deutlich wird das beim Berliner Wald. Was ein doppeltes Problem ist. Denn wir brauchen ihn nicht nur zur Erholung, wir brauchen ihn auch als CO2 Senke. Deshalb haben wir seit Beginn dieser Legislatur mehr Mittel für die Bäume bereitgestellt als jede Vorgängerregierung. Und wir werden auch in diesem Haushalt noch stärker die Strukturen ertüchtigen – bei den Grünflächenämtern ebenso wie bei den Berliner Forsten.
Aber die bittere Wahrheit ist: Viele Bäume sind für immer verloren. Die Ursachen für das Baumsterben liegen eben nicht im Wald, sie liegen auch nicht bei den Grünflächenämtern oder den Forsten, sie liegen in den CO2 Emissionen der vergangenen Jahrzehnte und daran, dass Klimaschutz kein Thema war. Es zeigt wie fatal ein zu spätes Handeln ist!
Anrede,
Und genau aus diesem Grund macht mich das Klimapaket der Großen Koalition so wütend. Es ignoriert die ausgestreckte Hand der Bevölkerung die sagen “Wir wollen mehr Klimaschutz, und zwar jetzt !”. Stattdessen wird die Verantwortung auf die nächste Regierung und auf zukünftige Generationen geschoben. Das ist nicht nur mutlos, das ist verantwortungslos!
Dies möchte ich an drei Beispiele festmachen:
1. Der CO2-Preis :Fast alle von uns werden einen Klimafußabdruck haben, für den mehr als eine Welt benötigt würde. Das ist so, weil klimaschädliches Handeln bequem ist-weil CO2 keinen Preis hat! Aus dem gleichen Grund werden auch viel zu wenig Häuser klimaneutral. Deshalb sagen alle Experten, wie wichtig es ist CO2 einen Preis zu geben, der eine echte Lenkungswirkung hat, und reden von mindestens 40-50 Euro die Tonne. Die 10 Euro, mit denen die Groko um die Ecke kommt, sind lachhaft, wenn es nicht so ernst wäre! In der Zeitung liest man ja, dass Angela Merkel sich hier mehr gewünscht hätte, da kann ich nur Richtung Kanzlerinnenamt rufen: Seien Sie mutig, seien Sie vernünftig, übernehmen Sie Verantwortung und bessern Sie hier nach. Wir in Berlin brauchen diesen nationalen Ordnungsrahmen!
2. Die gleiche Mutlosigkeit und Unvernunft zeigt sich im Verkehrsbereich. Es liegt doch auf der Hand! Wir müssen uns als Autoland Deutschland erneuern und die Mobilitätswende einleiten. Weil es das Klima schützt, weil es die Luft in unseren Städten sauberer macht und weil es der Wirtschaft Planungssicherheit gibt und damit Arbeitsplätze erhält. Stattdessen wird der Spritpreis um 3 Cent erhöht. Was absurd ist, denn oft ist die Preisschwankung an der Tankstelle im Laufe eines Tages größer! Aber als ob das nicht schon mutlos genug wäre, gleicht die GroKo das direkt aus, indem sie für alle (!) Fortbewegungsmittel, also auch spritfressende SUV, die Pendlerpauschale um 5 Cent erhöht. Null Lenkungswirkung für Klimafreundliche Mobilität. Dabei müssen wir jeden Cent in den ÖPNV stecken, in den Ausbau und die Attraktivität – was machen wir hier in Berlin – und das ist die Verkehrswende, die wir brauchen.
3. Und genau so eine Mutlosigkeit legt die Bundesregierung bei der Agrarpolitik an den Tag. Weder an den zu hohen Tierzahlen noch am zu geringen Ökolandbau wird irgendwas geändert. Und das ist fatal. Wir mögen vielleicht als Berlin keine nennenswerten Agrarflächen haben. Aber wir konsumieren Unmengen von Lebensmitteln! Und wir leiden darunter, dass es in Brandenburg so wenig Ökolandwirtschaft gibt, denn wir würden uns gerne regionaler und nachhaltiger versorgen. Deshalb haben wir als Koalition gesagt unsere Gemeinschaftsverpflegung muss gesünder und ökologischer werden. Beim Schulessen beispielsweise soll es mindestens 50% Bio sein. Für die Kinder und für den Klimaschutz!
Anrede,
Bei aller Kritik: Es stimmt ja, für die Große Koalition war es ein großer Schritt hin zu überhaupt diesem Paketchen. Und Was ich wirklich gut finde (und ich finde darüber sollten wir auch in Berlin nachdenken) ist, dass es feste CO2-Einsparungsziele für alle klimarelevanten Ressorts gibt. Ich bin sehr neugierig , wenn zum Beispiel Bundesverkehrsminister Scheuer – oh Wunder – seine Einsparziele im Verkehr nicht erreicht und dann innerhalb von drei Monaten effektivere Klimaschutzvorschläge machen muss. Ich kann nur sagen, lieber Andy Scheuer, die Blaupause für die Verkehrswende ist in Berlin, kopieren Sie ruhig.
Anrede,
Kommen wir also zu Berlin: Und auch wenn das Paket der Großen Koalition mehr Gegenwind als Rückenwind für uns in Berlin ist, lassen wir uns hier nicht von unserem Kurs abbringen Klimahauptstadt zu sein.
Anrede,
Das sage ich auch ganz explizit in die Richtung der Opposition: Sie entziehen sich dem Klimakonsens und versuchen sogar hier im Haus den Klimaschutz zurückzufahren. Ihre Änderungen im Haushalt haben bei den Klimaschutzmaßnahmen und bei der Energiewende angesetzt. Kann man machen, macht Trump auch. Aber Sie zeigen damit eindeutig: Klimaschutz ist ihnen vollkommen egal und von Energiewende haben sie immer noch keine Ahnung. Das lassen wir Ihnen aber nicht durchgehen!
Anrede,
Denn wir sehen die historische Verantwortung und wir nehmen sie als Koalition an. Wir nehmen die Anliegen der nächsten Generation ernst. Denn fridays for future richtet sich auch an uns alle hier im Abgeordnetenhaus und im Senat. Unser Anspruch ist, dass Berlin Klimahauptstadt ist. Deshalb haben wir schon einiges in Bewegung gesetzt:
Wir haben als erstes Bundesland ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und die Braunkohlekraftwerke vom Netz genommen.
Wir haben als erstes Bundesland einen Weg aufgezeigt wie wir bis spätestens 2030 aus der Steinkohle aussteigen.
Wir haben als erstes Bundesland ein Mobilitätsgesetz verabschiedet welches dem klimaschonenden ÖPNV immer Vorrang vor dem Autoverkehr einräumt.
Wir haben die Solaroffensive gestartet und das Ziel 25 % der Dächer mit Solar auszustatten. Wir haben schon ein Austauschprogramm für Ölheizungen gehabt, als die Bundesregierung noch dachte, Klimaschutz geht vorbei.
Aber all das reicht nicht. Deshalb ist auch der verschleppte CO2-Preis so fatal: Es braucht neben all dem Fördern auch ein Fordern. Das merken wir insbesondere bei der Wärmewende. Der Gebäudesektor ist unsere klimapolitische Achillesferse. Hier wird am meisten CO2 in die Luft gepustet und es passiert kaum was. Damit sich das ändert brauchen wir ein Berliner Erneuerbare Wärme-Gesetz. Und damit das bezahlbar bleibt, müssen wir den Missbrauch von Modernisierung beseitigen und attraktive Förderprogramme anbieten. Denn Klimaschutz muss sozial sein.
Wir müssen uns aber auch immer fragen, müssen wir nicht noch eine Schippe obendrauf legen bei all den Maßnahmen, die wir für ein klimagerechtes Berlin in Gang bringen. Reicht das, was wir machen. Die Wissenschaft sagt, wir müssen 2035 klimaneutral sein um die Erderhitzung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Deshalb haben wir gemeinsam als rot-rot-grün Geld für eine Studie in den Haushalt gestellt, die berechnen soll, welche Maßnahmen Berlin ergreifen muss, um noch schneller CO2 zu sparen.
Und dann müssen wir über dieses Ergebnis hier und mit der Stadt reden. Das werden keine einfachen Diskussionen. Wir müssen uns alle miteinander die Frage stellen, wie wollen wir heute und zukünftig leben. Wollen wir uns die Umstände von der Klimakrise diktieren lassen oder wollen wir selbstbestimmt die Herausforderungen anpacken. Ich werbe schon heute dass Klimaschutz der Standard wird. Dass auf jedem Dach eine Solaranlage und ein Gründach ist. Dass neue Stadtquartiere klimaneutral sind. Dass Bus, Bahn und Elektroantrieb den fossilen Verbrennungsmotor ablösen. Berlin muss aus jeder Pore atmen: Wir sind mutig und wir sind vernünftig. Wir sind alle Klimaretter*innen!