Was tun gegen den Fachkräftemangel der Berliner Wirtschaft?
Stefanie Remlinger, Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Sprecherin für Berufliche Bildung, lädt herzlich ein zur Stadtgesprächsreihe Berufliche Bildung.
Berlin wächst und die regionale Wirtschaft meldet eine Wachstumssteigerung nach der anderen. Gleichzeitig machen Unternehmensverbände und Kammern auf den dramatisch steigenden Fachkräftemangel aufmerksam. Inzwischen kann jede zehnte offene Stelle nicht besetzt werden. Rund 121.000 Fachkräfte fehlen, davon mehr als zwei Drittel im nichtakademischen Bereich. Im Gegensatz dazu entscheiden sich aber weniger als ein Drittel der Berliner Schülerinnen und Schüler für eine betriebliche Ausbildung. Zu viele glauben, allein mit einem Studium eine gute Berufswahl treffen zu können.
Jede und jeder wird gebraucht
Dabei ist der enorme Bedarf der Wirtschaft an qualifizierten Kräften eine große Chance für die Jugendlichen: Jede und jeder wird gebraucht! Warum wird diese Chance nicht genutzt? Woran liegt es, dass Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt so weit auseinanderliegen? Was können wir tun, um die Relevanz der beruflichen Ausbildung zu erhöhen ohne die Berechtigung einer akademischen Ausbildung zu schmälern? Diesen Fragen wollen wir uns in einer vierteiligen Stadtgesprächsreihe widmen.
Wie kann gute Berufs- und Studienorientierung in der Schule gelingen? Mit rund 330 anerkannten Ausbildungsberufen und 18.000 verschiedenen Studiengängen stellt schon die Vielzahl der Möglichkeiten eine Herausforderung dar. Gleichzeitig dauert der Übergang von Schule in ein Studium oder eine Ausbildung in Berlin zu lange und zu viele gehen auf dem Weg verloren. Hier müssen wir uns fragen, wie anschlussfähig sind die Abschlüsse der verschiedenen Schulformen? Und schließlich: welche Chancen und Risiken birgt eine Akademisierung der Ausbildung und wie steigern wir die Attraktivität der Berufsausbildung?
Teil 1: Wie gelingt gute Berufsorientierung?
Stadtgespräch am Mittwoch, den 03.04.2019 um 17:00 Uhr
Berliner Schulen bieten eine Vielzahl an unterschiedlichen Angeboten zur Berufs- und Studienorientierung (BSO). Über das Landeskonzept bindet der Senat in einem mehrstufigen Modell Unternehmen und Hochschulen ein. Zusätzlich können sich Schülerinnen und Schüler bei der Jugendberufsagentur umfassend beraten lassen oder sich bei Messen und dem Girls‘- und Boys‘Day informieren. Und trotzdem gelingt es vielen Jugendlichen nicht, diese Angebote für sich sinnvoll zu nutzen. Viele haben unklare Vorstellungen über ihren zukünftigen Beruf und zu viele wählen ein Studium ohne eindeutige Berufsperspektive.
Wir wollen diskutieren, welche Merkmale gute Berufsorientierung erfüllen muss. Wie gut funktionieren die beratenden BSO-Teams der Schulen, was sind ihre Erfahrungen und was fehlt, um ihre Arbeit erfolgreicher zu gestalten? Wie unterscheidet sich Berufsorientierung an Integrierten Sekundarschulen und an Gymnasien? Wie kann der Praxisbezug gesteigert werden? Wie stärken wir die interkulturellen Kompetenzen in der Berufsorientierung?
Teil 2: Wie anschlussfähig sind unsere Abschlüsse?
Stadtgespräch am Mittwoch, den 08.05.2019 um 17:00 Uhr
Beim Übergang von der Schule zum Beruf steht Berlin nicht gut da. Mehr als jeder Zehnte zwischen 15 und 20 Jahren ist ohne Ausbildung oder Arbeit. Im Bundesdurchschnitt sind es lediglich 3 Prozent. Zunehmend wird von der Wirtschaft die Qualität der Schulabschlüsse in Frage gestellt. Betriebe beklagen die geringe Bewerberzahl für Ausbildungsberufe und die mangelnde Ausbildungsreife der Jugendlichen. Neigung, Motivation und Leistungsbereitschaft stehen oft in einem Missverhältnis zu den Anforderungen der Arbeitswelt.
Wie schaffen wir es, Bildungsstandards für unsere Abschlüsse zu definieren und den schleichenden Entwertungsprozess zu stoppen? Wie funktionieren die Anschlüsse unserer Abschlüsse, was können wir tun, um Übergangsprozesse zu erleichtern und das Verweilen im Übergangssystem zu verkürzen? Wie können wir Motivation und Kompetenzen der Jugendlichen in den Abschlüssen besser gerecht werden? Und wie können Arbeitgeber frühzeitig und effektiv in die schulische Berufsberatung miteinbezogen werden?
Teil 3: Welche Chancen und Risiken birgt die Akademisierung der Ausbildung?
Stadtgepräch am Mittwoch, den 14.08.2019 um 17:00 Uhr
Anders als noch vor einigen Jahren beginnt heute ein überwiegender Teil eines Altersjahrgangs ein Studium. Der Anteil derer, die mit einer dualen beruflichen Ausbildung starten, geht zurück. In den letzten zehn Jahren um immerhin 20 Prozent. Von „Akademisierungswahn“ ist die Rede. Die Wirtschaft beschwört einen doppelt so hohen Bedarf an nichtakademischen Fachkräften. Gleichzeitig ist jedoch davon auszugehen, dass durch Digitalisierung und Strukturwandel der Trend zu hochqualifizierten Jobs anhält.
Wie können wir den Trend zunehmender Akademisierung unserer Gesellschaft und die positiven Erfahrungen der betrieblichen Ausbildung, für die unser Bildungssystem weltweit geschätzt wird, in Einklang bringen, statt sie gegeneinander auszuspielen? Wie erreichen wir eine Stärkung unseres dualen Ausbildungssystems? Wie können die Aufstiegs- und Qualifizierungschancen verbessert werden? Wie begeistern wir mehr Schüler*innen für eine betriebliche Ausbildung oder ein duales Studium?
Teil 4: Wie steigern wir die Attraktivität der Berufsausbildung?
Stadtgespräch am Mittwoch, den 11.09.2019 um 17:00 Uhr
Vergangenes Jahr meldete die Berliner Wirtschaft ein neues Rekordhoch von 5722 unbesetzten Lehrstellen in der Stadt. Ein Anstieg zum Vorjahr um 25 Prozent. Gleichzeitig stieg auch die Zahl der abgelehnten Bewerber auf 6773 Jugendliche. Ungenügende Kenntnis der Ausbildungsberufe sowie ein Mangel an Ausbildungsreife und Flexibilität lauten die Vorwürfe. Unverkennbar besteht aber auch ein starkes Missverhältnis zwischen den Erwartungen der Jugendlichen und der Attraktivität von Ausbildungsberufen bei Bezahlung, Arbeitszeiten und Aufstiegsmöglichkeiten.
Wie können die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen im Lehrberuf verbessert werden? Welche Branchen brauchen besondere Unterstützung? Ein Drittel der Lehrverträge wird in Berlin vor Ausbildungsende wieder aufgelöst, wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken? Wie können Unternehmen und Betriebe in der Aus- und Weiterbildung unterstützt werden?