Auf einen Kaffee mit… Nicole Ludwig
Nicole Ludwig über politische Quereinsteiger, Slow-Fashion und die Berliner Start-Up-Szene
20. Januar 2014
Du kommst eigentlich aus der freien Wirtschaft. Politisch könnte man dich demnach als Quereinsteigerin bezeichnen. Wie kam es dazu?
Ich habe immer gedacht, dass ich mit meiner Energie und meinem Talent Menschen zu überzeugen etwas Sinnvolles machen sollte. Ich habe bereits zwei Firmen gegründet und wollte mich damals schon darüber hinaus engagieren. Dabei habe ich schon immer an Politik und die Grünen gedacht. Mein Vater war der erste, der in Berlin Elektronik-Recycling gemacht hat. Er hatte ein Fernsehgeschäft und hat den Reichen mehr Geld abgenommen als den Armen und seine eigene Politik gemacht. Dadurch wurde auch ich politisiert. Irgendwann sagten sehr gute Freunde zu mir „Nicole, Du musst in die Politik gehen“. Es ist nun genau zehn Jahre her, dass ich bei den Grünen eintrat. Zu Beginn war ich erschlagen von dieser neuen Welt. All diese Ehrenamtlichen und Vereine, die ich kennenlernte, machten mir ein ganz schlechtes Gewissen. Ich begann, mich auf Bezirksebene zu engagieren und konnte erste Projekte durchführen. So konnte ich z.B. in meinem Kochsalon grüne Veranstaltungen durchführen. Aus dem Hobby Politik wurde spätestens seit der Abgeordnetenhauswahl dann mein Hauptberuf.
Kann man daraus schließen, dass jeder einmal in der Politik landen kann oder ist dein Fall außergewöhnlich?
Bei mir hat es einfach gepasst. Bei anderen Parteien wäre es vielleicht schwieriger gewesen aber auch dort gibt es Beispiele für Quereinsteiger – wie Senator Nussbaum, der aus dem Nichts ein Senatorenamt übernahm. Ich würde mir aber wünschen, dass es mehr QuereinsteigerInnen gibt, weil wir meiner Meinung nach zu viele BerufspolitikerInnen haben. Aus der Wirtschaft kommend, hat man eine andere Sichtweise auf Arbeitsweisen und den Umgang miteinander im Team, was positiven Einfluss auf die Arbeit als Politikerin mit sich bringt.
Aufgrund deines Engagement im Rahmen der Fashion Week 2013 habe ich gelernt, dass ich anscheinend ein Vertreter der Slow-Fashion-Bewegung bin. Kannst du erklären, worum es sich dabei handelt und warum du die Idee unterstützt?
Slow-Fashion kann analog zur bereits bekannteren Slow-Food-Bewegung gesehen werden. Dabei geht es darum, gute, langlebige Produkte zu kaufen, Kaputtes zu reparieren und aus alter Kleidung neue zu machen. Jeden Tag erhält die Berliner Stadtmission zwei Tonnen an Altkleidung. Der Umsatz hat sich in den letzten Jahren verzehnfacht. Mich hat fasziniert, wie aus alten Kleidungsstücken neue entstehen. Ich kenne dieses sogenannte „Upcycling“ erst seit Kurzem und bin von den kreativen Berliner Designern begeistert. Daneben gibt es noch die Green-Fashion-Szene, die auf die ökologische und soziale Standards Wert legt. Diese Kleidung ist zwar meist teurer als die verbreiteten Billigprodukte der großen Ketten, aber dafür ist die Wertschätzung eine ganz andere. Die Kollektionen überdauern über längere Zeit, was die Nachhaltigkeit fördert. Damit bleibt die Wertschöpfung länger in Berlin.
Hast du einen Tipp, wie privat daheim Kleidung recycelt werden kann?
Da gibt es viele Wege. Mit Stoffresten kann man beispielsweise seine Jeans aufpeppen. Ich habe einen sechsjährigen Sohn, der sich auf Kniehöhe ständig seine Hosen aufreißt. Ich benutze dann die Polster meiner BHs als Knieschoner. Er fällt jetzt weicher und ich rette dadurch seine Jeans.
Mit deiner Expertise aus der freien Wirtschaft unterstützt du auch junge Start-Ups in Berlin. Welche Projekte liegen dir besonders am Herzen?
Es ist schwer einzelne rauszupicken, weil Die Entwicklungen in Berlin unheimlich vielfältig, groß und toll sind. Ich unterstütze gerne kleine und mittlere Unternehmen. Wenn das Start-Up bereits große Investoren hat, kann ich nicht mehr viel helfen. Das läuft dann gut oder die Idee scheint sich nicht durchsetzen zu können. Ich unterstütze gerne Jungunternehmer, die noch nicht so gut vernetzt sind. Ich kann Kontakte vermitteln und über verschiedene Fördermöglichkeiten informieren.
Bietet Berlin die besten Bedingungen für Gründer in Deutschland?
Ja, das kann man schon sagen, obwohl München lange Zeit mit im Rennen war. In Deutschland ist die Finanzierung aber noch sehr ausbaufähig. Die Beträge im Venture Capital Bereich sind lächerlich im Gegensatz zu Tel Aviv, London, vom Silicon Valley ganz zu schweigen. Die Start-Up Kultur ist da noch nicht so weit. Wenn man hier scheitert, ist man gescheitert. Eigentlich sollten Fehler zum Geschäft gehören. Die Unterstützung etablierter Unternehmen ist einfach zu zögerlich. Hier könnte der Senat in Berlin Gründer mehr unterstützen, indem er ihnen Aufträge erteilt und somit Starthilfe gibt. Hier könnten staatliche Einrichtungen mit gutem Beispiel vorangehen.
Das Interview führte Marc Siepe.