Mein FSJ-Politik in der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Abschlussbericht 2023)
Mein FSJ begann und endet mit einem Empfang – der Unterschied: Während ich am ersten „nur“ teilnahm, organisierte ich den zweiten mit. So schließt sich der Kreis. Dieses Beispiel zeigt ganz gut, was ich in diesem FSJ vor allem gemacht habe: ganz viel gelernt.
Doch beginnen wir von vorne: Nachdem ich beim Sommerempfang 2022 schon alle Gesichter der Abgeordneten und Mitarbeitenden einmal sehen konnte, begann meine erste Station (das FSJ ist aufgeteilt in drei Stationen à vier Monate) bei der Abgeordneten Catrin Wahlen. Sie ist Sprecherin für Inklusion und Senior*innen. Zwei Themenfelder, mit denen ich mich bis dahin kaum oder gar nicht beschäftigt hatte. Das stellte jedoch kein Problem dar, im Gegenteil: Es machte die Arbeit viel spannender und es gab viel zu lernen. Nicht nur inhaltlich: Ich durfte Catrin Wahlen zu Terminen mit Initiativen begleiten und an Ausschuss- und Plenarsitzungen teilnehmen. Auch die wöchentliche Fraktionssitzung, in der alle Abgeordneten zusammenkommen, gehörte fest in meinen Rhythmus.
Inhaltlich beschäftigte ich mich vor allem mit Inklusion und insbesondere den Werkstätten für Menschen mit Behinderung. In diesem Themenfeld gibt es nämlich eine Debatte darüber, ob sie Menschen mit Behinderung wirklich helfen oder deren Eingliederung in die Gesellschaft eher stoppen. Daher habe ich recherchiert, wie diese Werkstätten überhaupt finanziert werden und wie die Meinung dazu in anderen Bundesländern ist. Im Zuge dessen hat sich Catrin Wahlen auch mit einer Bundestags- und einer Europaabgeordneten getroffen. Dort dabei sein zu können, war echt cool. Doch auch aus anderen Ländern konnte ich Politikerinnen treffen, zum Beispiel eine Nationalratsabgeordnete, die aus Österreich zu Besuch war.
Diese intensive inhaltliche Zeit erlitt am 16. November einen ersten Riss: Der Berliner Verfassungsgerichtshof erklärte die Wahlen für das Berliner Abgeordnetenhaus 2021 für ungültig – eine Entscheidung, die ich sogar live im Gerichtssaal erleben durfte, weil ich den Justiziar der Fraktion begleitete. Während nun also auch der Wahlkampf vorbereitet wurde und die Weihnachtspause langsam immer näher rückte, gab es noch zwei große Events, die anstanden:
Am 3. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen, fand das Berliner Behindertenparlament statt, zum ersten Mal im Berliner Abgeordnetenhaus. Als zuständige Abgeordnete begleitete Catrin das natürlich und so hatte ich die Möglichkeit, an diesem Tag mitzuhelfen und ganz viele neue Einblicke zu gewinnen.
Das zweite große Event war eine Podiumsdiskussion zur Frage, ob das Ankommen (un)möglich für behinderte Flüchtlinge aus der Ukraine ist. Bei dieser Veranstaltung konnte ich mich dann schon sehr in die Organisation einbringen und habe gemerkt, an was man alles denken muss bei der Planung einer Veranstaltung.
Wegen des Wahlkampfes in den ersten anderthalb Monaten des neuen Jahres wurde mein Stationen-Plan etwas umgeworfen und ich arbeitete erst einmal in der Geschäftsstelle der Fraktion mit. Hier konnte ich miterleben, wie all die ganzen organisatorischen Aufgaben, die eher im Hintergrund zu erledigen sind, gehandhabt werden. Da die Geschäftsstelle meist auch erster Anlaufpunkt für alle mit Fragen ist, konnte ich selbst nochmal ganz viele neue Gesichter, aber auch Tipps und Tricks in Erfahrung bringen: Wusstest du zum Beispiel, was der Unterschied zwischen einem Rollenschneider und einem Hebelschneider ist? Ich kenne ihn jetzt.
Dann kam der Wahltag und nicht nur in der Berliner Politik änderte sich einiges, sondern auch bei mir: die nächste Station stand an, diesmal bei Klara Schedlich, einer der jüngsten Abgeordneten Deutschlands. Ihre Themen sind Jugendpolitik, berufliche Bildung und Sportpolitik.
Hier habe ich bemerkt wie ähnlich die Anliegen von jungen Menschen denen von Senior*innen doch oft sind. Überschattet wurde das alles jedoch von etwas ganz anderem: nach sechs Jahren Regierung wechselte die Fraktion in die Opposition: ich konnte jetzt also nicht nur Regierungsarbeit, sondern auch „Oppo-Arbeit“ erfahren.
Und dieser Wechsel fiel auch zusammen mit dem letzten großen Ereignis in meiner Station bei Klara: Am 27. April wurde nicht nur Kai Wegner zum Regierenden Bürgermeister gewählt, nein auch der Girls’ Day fand statt, bei dessen Durchführung ich mithelfen konnte.
Ab Mai wechselte ich dann in die letzte Station, die bei allen gleich ist: die Pressestelle. Hier geht es zwar auch um Inhalte, aber vor allem um die Vermarktung dieser. Das geschieht vor allem auf zwei Wegen: über die Presse und über Social Media. Gerade bei letzterem habe ich gelernt, Sharepics und anderen Content für die Social-Media-Kanäle der Fraktion herzustellen. Dieser Prozess – von der Idee über die Umsetzung bis hin zum Ergebnis, das in die ganze Welt hinausgeht – hat richtig viel Spaß gemacht. Doch nicht nur im Kleinen, sondern auch im Großen konnte ich viel über Kommunikation im Allgemeinen lernen. Das Tolle dabei war, dass es fast jeden Tag andere Themen waren, die im Fokus standen und ich so querbeet aus ganz vielen Bereichen einiges mitnehmen konnte.
Doch nicht nur Presse- und Social-Media-Arbeit ist Aufgabe der Pressestelle, sondern auch die Öffentlichkeitsarbeit, das heißt unter anderem, Veranstaltungen zu organisieren. So konnte ich zusammen mit der studentischen Mitarbeiterin eine große Veranstaltung fast zu zweit planen: was es da alles zu beachten gibt!
In diese Zeit fiel auch die große Fraktionsklausur: Alle Abgeordneten und Mitarbeiter*innen der Fraktion fahren zusammen ein Wochenende weg. Neben kleinen Workshops, in denen wir alle miteinander Ideen ausgetauscht haben, und einer großen Podiumsdiskussion, konnten hier alle abseits des ganzen Arbeitsalltags quatschen und Zeit miteinander verbringen.
Dort und überall hat sich gezeigt, was ich während meines FSJs ganz besonders geschätzt habe: Ich war immer auf Augenhöhe. Ich war nicht nur „der FSJler“, sondern ich wurde sowohl von allen Abgeordneten als auch den Mitarbeitenden immer eingebunden und nach meiner Meinung gefragt bzw. hatte die Möglichkeit, diese zu äußern. Gleichzeitig gab es aber auch eine gute Balance zwischen der Verantwortung, also den Aufgaben, die mir gegeben wurden, und der Arbeitslast. Ich wurde weder mit unerfüllbaren noch mit völlig banalen Aufgaben überschüttet. Nicht nur deswegen, sondern auch wegen der Arbeitsatmosphäre hat es eigentlich immer Spaß gemacht, ins Büro zu kommen (auch wenn Homeoffice möglich ist).
Die Arbeit ist aber nicht der einzige Ort, um viele Leute kennenzulernen, sondern auch auf die Seminarfahrten des Trägers ijgd. Alle FSJ-P-ler*innen fahren während des Jahres fünf Mal gemeinsam weg, um sich mit einem bestimmten Thema (z.B. Feminismus, Ost-West-Unterschiede) zu beschäftigen. Dadurch konnte ich auch ganz viele Gleichaltrige kennenlernen, die eine ähnliche Erfahrung machen, aber gleichzeitig ganz viele unterschiedliche Perspektiven mitbringen.
Alles in allem kann ich daher nur sagen, dass ich unglaublich froh bin, das FSJ bei der Grünen Fraktion Berlin gemacht zu haben und insbesondere eines getan zu haben: Viele Erfahrungen gesammelt und viele Dinge gelernt zu haben, von denen ich weiß, dass sie im Leben noch nützlich sein werden.
Jetzt gleich geht es dann los zum letzten Empfang. Und damit schließt sich der Kreis endgültig.
Paul Widdra, FSJ-P in der Grünen-Fraktion 2022/2023