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Auf einen Kaffee mit… Antje Kapek

Es sind zwei Kaffee Tassen zu sehen Foto: Nathan Dumlao/Unsplash_CC0

Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende, über ihren eigenen schwierigen Bildungsweg, erstes selbstverdientes Geld und das Leben als öffentliche Person

Bei dem Wahlkampfformat „Phrasenfrei“ 2013 hast du angemerkt, dass du als Kind nicht so viel Chancen auf Bildung hattest. Kannst du das konkretisieren?

Im Gegensatz zu Kindern von Akademikern haben meine Eltern keinen Hochschulabschluss. Meine Mutter ist gelernte Friseurin und mein Vater ist gelernter Krankenpfleger. Zudem haben meine Eltern ein wildes Leben als Reisende und Hausbesetzer geführt. Das waren nicht unbedingt die optimalsten Voraussetzungen dafür, sich auf die Schule zu konzentrieren. Ich habe es aber geschafft selbst an die Uni zu gehen, was bis heute ja leider noch keine Selbstverständlichkeit ist. Geholfen haben mir dabei viele  Menschen, die mich auf meinem Weg begleitet haben. Deren Einsatz war und ist auch für mich Motivation mich heute als Politikerin auch eine für Kinder und Jugendliche zu engagieren. Gerade Kinder mit weniger guten Startbedingungen brauchen ein Wohn- und Lernumfeld, das es ihnen ermöglicht ihre Potentiale zu entfalten und zu nutzen.

Was hast du mit deinem ersten selbstverdienten Geld gemacht?

Mit 15 Jahren habe ich bei dem Umbau eines Baumarktes in Freiburg geholfen. Von diesem Geld bin ich dann mit einer Freundin nach Kreta gefahren. Ich habe aber sowieso früh mit Nebenjobs angefangen. Schon während der Schulzeit hab ich außerhalb des Elternhauses gelebt und musste mir so meinen Unterhalt selbst finanzieren. Gekauft habe ich mir davon das Nötigste und keine tollen Dinge.

Wie kommst du damit klar, dein Gesicht fast täglich in Zeitungen oder im Fernsehen zu sehen?

So oft nehme ich mich selbst gar nicht wahr. Wenn ich meinen Namen in der Zeitung lese, geht es mir vor allem darum, ob die Botschaft, die ich vermitteln wollte, auch angekommen ist und im richtigen Kontext dargestellt wird. Zudem komme ich aufgrund von Abendterminen oft nicht zum fernsehen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm. Ich weiß ja, was ich gesagt habe. Und mit Karikaturen hatte ich bisher Glück. Über die meisten konnte ich selbst lachen. Als Person des öffentlichen Lebens muss man auch eine gewisse Selbstironie besitzen.

Du bist eine Verfechterin von Bürgerbeteiligung in der Politik. Wo siehst du hier die größten Chancen?

Die Grünen stehen insgesamt für mehr Bürgerbeteiligung. Die Mitbestimmung der Bevölkerung führt nämlich zu repräsentativeren Ergebnissen und damit einhergehend zu mehr Akzeptanz. Dabei geht es um die Frage, wie sich die Bürger mit ihrer Stadt und Politik identifizieren. Wenn alles nur von oben herab entschieden wird, werden die Bürger schneller gleichgültig gegenüber Politik. Die erfolgreichsten Projekte sind die, in denen sich viele Leute wiederfinden. Auch das Verantwortungsbewusstsein steigt mit der Beteiligung. Wenn Anwohner von Grünflächen über einzelne Bäume mitbestimmen können, fühlen sie sich eher in der Pflicht, diese zu erhalten und auch mal in einem trockenen Sommer selbst mit der Gießkanne zu kommen. Das betrifft dann auch die Sauberkeit von Spielplätzen.

Welche stadtentwicklungspolitischen Themen sind zurzeit deine Schwerpunkte?

Zurzeit gibt es für mich drei Hauptthemen. Erstens geht es um die Frage, was mit dem Tempelhofer Feld passiert. Dieser Ort ist eine Projektionsfläche ganz verschiedener Probleme und Chancen dieser Stadt. Die Frage ist, wie wir mit solchen Flächen umgehen und wie Entwicklungen vollzogen werden. Was sich für Tempelhof klärt, könnte Strahlkraft auf andere Freiflächen haben. Zweitens geht es in nächsten Zeit um die historische Mitte Berlins. Da passiert wahnsinnig viel, allerdings wird nur in Salamitaktik ein Grundstück nach dem anderen bebaut. Eine Planung aus einem Guss gibt es nicht. Das ist fatal, denn schließlich geht es hier um das historische Erbe und damit die Geburtswiege unserer Stadt. Darum brauchen wir eine berlinweite Diskussion darüber, in welche Richtung sich die historische Mitte Berlins entwickeln soll. Dafür muss zunächst geklärt werden, welche Funktionen sie langfristig erfüllen soll. Die historische Mitte ist vor allem ein Aufenthaltsort, an dem es viele Touristen, Stadtführungen und Demonstrationen gibt. Diesen lebendigen Ort muss man mit den historischen Spuren verbinden. Ich habe da schon schon einige Ideen. Drittens beschäftige ich mich mit dem Stadtentwicklungskonzept 2030. Dieses wird gerade in Workshops entwickelt. Es zeigt, dass der Senat keine Ahnung hat, in welche Richtung sich die Stadt entwickeln soll. Zwar wächst die Wirtschaft, aber zugleich steigt auch die Armut. Die Infrastruktur, egal ob Straßen oder Schulen, bröckelt vor sich hin. Der größte Pull-Faktor für Berlin liegt in den räumlichen und geistigen Freiräumen. Dieses Potenzial ist enorm und muss zu einer Gesamtvision für Berlin gebündelt werden. Der Senat versagt dabei. Wir könnten das besser.

Das Interview führte Marc Siepe.

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