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Mein Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik (Abschlussbericht 2018)

Auf dem Bild ist ein junger Mann von hinten zu sehen, der auf der Besuchertribüne des Plenarsaals im Berliner Abgeordnetenhaus steht. Foto: Grüne Fraktion Berlin

Vor inzwischen fast einem Jahr habe ich mein Freiwilliges Soziales Jahr in der Grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus angefangen und kann jetzt auf ein spannendes und lehrreiches Jahr voller neuer Erfahrungen zurückblicken.

Das Abgeordnetenhaus ist der „Landtag“ von Berlin, also das Berliner Landesparlament. Hier wird über alle wichtigen landespolitischen Themen debattiert und entschieden. Die wichtigsten Aufgaben des Parlamentes sind die Gesetzgebung, die Kontrolle der Regierung und die Aufstellung des Landeshaushalts.

2016 wurden die Grünen mit 15,2% der Wähler*innenstimmen ins AGH (Abkürzung für Abgeordnetenhaus) gewählt und erhielten damit 27 Sitze. Nach sehr langen Koalitionsverhandlungen kam die Koalition mit Linken und SPD zu Stande. Berlin wird also inzwischen seit fast zwei Jahren rot-rot-grün regiert, drei Senatsverwaltungen (Justiz, Umwelt & Wirtschaft) sind grün-geführt.

Neben den 27 Abgeordneten (auch MdA – steht für Mitglied des Abgeordnetenhauses) sind in der Fraktion noch zahlreiche andere Menschen beschäftigt: die Fachreferent*innen, die Geschäftsführung sowie die Mitarbeiter*innen im Vorstandsbereich, in der Pressestelle, der IT-Stelle und der Geschäftsstelle. Außerdem hat jede*r MdA noch ein bis zwei persönliche Mitarbeiter*innen.

Der Alltag in der Fraktion ist von diversen Sitzungen geprägt: In der Regel donnerstags alle zwei Wochen findet die Plenarsitzung statt; hinzu kommen Fachausschüsse, die wöchentliche Fraktionssitzung (FraSi), Koalitionsrunden, Arbeitskreissitzungen (AK), Ausschussvorbesprechungen und viele weitere. Auch Treffen mit verschiedenen Lobbyist*innen, Initiativen und Bürger*innen gehören zum Alltag der MdA.

Das FSJ war in mehrere ca. dreimonatige Stationen gegliedert, was es mir ermöglichte, ein besonders großes Themen- und Aufgabenspektrum kennenzulernen. Das war einerseits abwechslungsreich und sorgte dafür, dass die Arbeit nicht langweilig wurde, aber auch herausfordernd, da ich mich immer wieder in neue Themen einarbeiten musste.

Die Stationen im FSJ-P

Angefangen habe ich bei Marianne Burkert-Eulitz, Sprecherin für Bildung und Familie. Allerdings gestalteten sich die drei Monate eher so, dass ich eng mit dem Referenten für Bildung, Jugend und Familie zusammengearbeitet habe, da ich auch mit ihm in einem Büro saß. Am Anfang meines FSJ standen auch die Haushaltsberatungen im AGH für den Doppelhaushalt 2018/19 an, was für mich seeeehr hohe Summen in seeeehr langen und vielen Excel-Tabellen zusammenstellen bedeutete. Aber neben einigen Tabellen habe ich auch viel inhaltlich gearbeitet, Plenar- und Ausschusssitzungen angeschaut, parlamentarische Anfragen verfasst und zum Thema Qualitätsstandards in Ganztagsschulen recherchiert.

Nach diesen drei Monaten voller neuer Eindrücke, in denen ich erst einmal angekommen bin und neben den Bildungsthemen auch sehr viel über die Fraktion und das Parlament allgemein gelernt habe, ging es weiter zu Katrin Schmidberger, der mieten und wohnungspolitischen Sprecherin – ein Themenkomplex, von dem ich sehr wenig Ahnung hatte, der aber gerade in Berlin extrem wichtig und spannend ist. Bei ihr habe ich vor allem mit ihren beiden persönlichen Mitarbeitern zusammengearbeitet, sie oft in Sitzungen begleitet und eine längere Recherche zu Gewerbemieter*innenschutz für sie angefertigt. Hier habe ich mich auch ein bisschen mit Hasskommentaren im Internet beschäftigt.

Danach war ich für zwei Monate bei der Fraktionsvorsitzenden Antje Kapek, was dann nochmal ein ganz anderer Bereich war, da sie als Vorsitzende deutlich mehr Termine hat als andere Abgeordnete und sie auch medial mehr im Fokus steht. Auch dort war ihre persönliche Mitarbeiterin meine wichtigste Ansprechpartnerin. Für Antje Kapek habe ich eine Fahrradtour zum Thema Verkehrssicherheit mitorganisiert, ihr zugearbeitet und sie ab und zu zu Terminen begleitet.

Zum Ende des FSJ habe ich dann noch für vier Monate in der Pressestelle gearbeitet, wo ich ganz viele unterschiedliche Aufgaben hatte: News verschicken, twittern und facebooken, eine neue Bilddatenbank erstellen, Ideen für Give-Aways und ein Kochbuch sammeln, Hashtags ausdenken, fotografieren….Bestimmt habe ich noch etwas vergessen, aber eigentlich war fast alles mal dabei.

Hier war es angenehm, dass alle anderen in der Pressestelle auch in Vollzeit arbeiten und ich so immer einen Ansprechpartner hatte.

Atmosphäre in der Fraktion

Insgesamt herrscht eine manchmal hektische, bisweilen chaotische, aber sehr angenehme Atmosphäre in der Fraktion: alle waren immer nett und offen für Fragen. Auch die Tatsache, dass sich bei den Grünen ausnahmslos alle duzen, war für mich angenehm, weil es so eher keine Hierarchisierung gibt und es einem leicht gemacht wird, sich einzugewöhnen bzw. einzuarbeiten. Die regelmäßigen gemeinsamen Mittagessen mit den anderen Mitarbeiter*innen waren auch gut für das Klima und gerade anfangs sehr hilfreich, um alle kennenzulernen. Das Essen in der Kantine des Finanzministerium, wo viele der Mitarbeiter*innen essen gehen – war konstant in Ordnung, aber für FSJler*innen recht teuer.

Ansonsten waren die jährlich stattfinde Mitarbeiter*innenfahrt und die Sommerklausur als krönender Abschluss meines FSJ definitiv Highlights.

Allgemein fand ich es sehr bereichernd, während des FSJ so ein breites Themen- und Aufgabenspektrum kennenzulernen und denke auch, dass das ein Alleinstellungsmerkmal der Fraktion als Einsatzstelle ist. Ein weiterer Pluspunkt: Die Fraktion hat während des Jahres die Kosten für ein Ticket der BVG übernommen. So kommt man gut und kostenlos zur Arbeit und auch danach in Berlin herum.

Was sollte man mitbringen, um ein FSJ-P in der Fraktion zu machen?

Auf jeden Fall ein großes Interesse an Politik – im Besonderen natürlich Berliner Politik – und parlamentarischen Prozessen mitbringen. Man sollte schon wissen, was ein Parlament und seine Aufgaben sind, aber weitreichende Vorkenntnisse und -erfahrungen sind nicht nötig. Man lernt und versteht sehr schnell, wie vieles funktioniert, wenn man da ist. Es ist gut und wichtig, sich auch außerhalb der Arbeit für Berliner Politik zu interessieren und die Berichterstattung in der Presse ein bisschen zu verfolgen.

Außerdem sollte man kein Problem mit längeren Sitzungen und der eigenen Konzentration dabei haben, um die Zusammenhänge zu verstehen.

Eine generelle Identifikation mit grüner Politik ist natürlich sinnvoll, aber das ist wahrscheinlich jedem klar. Zudem ist eine generelle Offenheit oder vielleicht auch Extrovertiertheit im Zweifelsfall bei jeder Arbeit hilfreich, aber auch ich als schüchternerer Mensch wurde ich sehr gut aufgenommen.

Des Weiteren sollte man die Fähigkeit zur Selbstorganisation und zum strukturierten Arbeiten mitbringen oder sich spätestens bei der Arbeit aneignen. Es ist nicht so, dass einem immr genau erklärt wird, was genau wann getan werden sollte. Die Arbeit teilt man sich komplett eigenverantwortlich ein – eine Freiheit, mit der aber auch eine gewisses Maß an Verantwortung einhergeht.

Insgesamt kann ich jedem das FSJ-P in der Grünen AGH-Fraktion nur empfehlen. Es ist wahnsinnig spannend, ein Stück Berliner Landespolitik so hautnah mitzubekommen. Ich habe sehr viel über die Arbeit im Parlament gelernt und nehme auch sonst unfassbar viel mit. Durch die unterschiedlichen Stationen kam auch nie nur ansatzweise die Gefahr auf, dass es langweilig werden könnte.

Mit den tollen selbst vorbereiteten Seminaren der ijgd ist das FSJ-Politik in jedem Fall ein super Gesamtpaket für junge, politikinteressierte Menschen, um viele neue Erfahrungen zu sammeln und sich weiterzuentwickeln.

Lucie Boisserée, FSJ-Politik in der Grünen-Fraktion 2017/18

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