Mein Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik (Abschlussbericht 2020)
Zwischen Anhalter Bahnhof und Potsdamer Platz, gegenüber vom Gropius Bau, befindet sich das Haus des ehemaligen Preußischen Landtags. Heutzutage ist es der Sitz des Abgeordnetenhauses (AGH), der Landtag von Berlin.
Momentan regiert hier eine rot-rot-grüne Mehrheit.
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist mit 27 Abgeordneten eine der drei Regierungsfraktionen. Durch die Koalitionsbeteiligung haben sie einen Regierungsauftrag. Neben den Abgeordneten sitzen in der vierten und fünften Etage auch zahlreiche Referent*innen und persönliche Mitarbeiter*innen, die dafür sorgen, dass eine parlamentarische Arbeit überhaupt erst möglich ist.
Jedes Jahr wird neben all diesen Mitarbeiter*innen jedoch auch ein*e FSJPler*in eingestellt, um für ein Jahr ein vollwertiges Mitglied der Fraktion zu sein. Sie* oder er bekommt dann für jeweils drei Monate die Möglichkeit einen Einblick in die Arbeit einer Abgeordneten zu bekommen. Dabei wird versucht die Fachabgeordneten auf die Interessen der jeweiligen FSJPler*in abzustimmen. Alle drei Monate wird dann die Abgeordnete und damit auch der Themenschwerpunkt gewechselt. Wie bei jedem FSJ gibt es zusätzlich Bildungstage, die vom Träger ijgd organisiert und durchgeführt werden. Auch hierbei dreht sich viel um Politik, besonders weil man mit anderen Freiwilligen zusammenkommt, die in unterschiedlichsten politischen Organisationen arbeiten.
Mein freiwilliges Jahr begann bei Daniela Billig, Sprecherin für Stadteinwicklung. Daniela konnte ich in zahlreiche Arbeitskreise (AKs) und Ausschüsse begleiten. Da sie sogar Vorsitzende des AK 1 ist, gehörte es auch zu meinen Aufgaben, die ein oder andere Sitzung zu protokollieren. Außerdem wurde zu dem Zeitpunkt der Mietendeckel in Berlin verhandelt, sodass ich viel Zeit damit verbracht habe, Bürger*innen Anfragen zu diesem Thema zu beantworten.
Ein*e Politiker*in bekommt jedoch auch täglich meist ziemlich viel Post und Terminanfragen, die sie allein nur schwer bewältigen kann. Hier habe ich daher besonders ihre persönliche Mitarbeiterin unterstützt und ihr beim Verwalten der ganzen Termine geholfen.
Als Fraktionsmitarbeiterin nehme ich aber auch jede Woche an der Fraktionssitzung teil. Und auch die monatlichen Mitarbeiter*innen Runden stehen regelmäßig auf dem Programm.
In meiner ersten Woche habe ich den Tag der offenen Tür im Abgeordnetenhaus mit der Fraktion begleitet. Darüber hinaus habe ich im weiteren Verlauf bei jeder Station bei der Vorbereitung verschiedenster Veranstaltungen geholfen. Diese bieten erfahrungsgemäß eine gute Gelegenheit, um mit verschiedensten Akteur*innen und Expert*innen ins Gespräch zu kommen.
Anfang Dezember waren dann meine ersten drei Monate vorbei und ich wechselte zu Bettina Jarasch, Sprecherin für Migration und Flucht, sowie Religion. Mit dem Wechsel fand nicht nur ein Wechsel der Themenschwerpunkte statt, ich lernte auch viele neue Mitarbeiter*innen und Abgeordnete kenne, da ich nun auch an anderen Arbeitskreisen teilnehmen konnte.
Da Bettina sehr intensiv den Kontakt zu allen möglichen Akteur*innen sucht, durfte ich auf viele Termine außerhalb des Abgeordnetenhauses mit. Ich war zum Beispiel bei der Eröffnung der neuen Einwanderungsbehörde. Aber auch zu Terminen im Wahlkreis oder bei ihrer Bürger*innen Sprechstunde konnte ich Bettina begleiten.
Ende Februar wechselte ich erneut die Station, diesmal zu Silke Gebel, Fraktionsvorsitzende. Bei ihr sollte ich Anfangs auch mit auf Termine kommen – aber Mitte März erreichte die COVID-19 Pandemie Berlin.
Da die Parlamentarische Arbeit in einer Demokratie zu jeder Zeit gewährleistet werden muss, wurden wir alle recht schnell ins Homeoffice geschickt. Sitzungen fanden ab da online statt und auch ins AGH durften nur noch wenige Menschen.
Leider wurde durch Corona auch mein FSJ komplett durcheinander geworfen. Der Girls Day, den ich eigentlich vorbereitet hatte, viel aus sowie jegliche Veranstaltungen, die sonst immer in den Aufgabenbereich der FSJler fallen, wie bspw. das Sommerfest.
Mitte April wechselte ich dann frühzeitig zur Pressestelle. Von hier wird die Öffentlichkeits- und Pressearbeit geleistet. Durch Corona und die Verschiebung jeglicher Arbeit ins Internet gab es nun mehr zu tun als ohne hin schon.
Hier konnte ich beim Schreiben von Pressemitteilung helfen, sowie bei der Vorbereitung von Online Veranstaltungen unterstützen. Außerdem begann ich mit der Planung des Sommerfestes 2021. Da die Fraktion im kommenden Jahr 40-jähriges Jubiläum feiert, gab es hierfür eine Menge Recherchearbeiten über die Geschichte der Grünen Fraktion Berlin.
Jetzt ist mein Jahr langsam zu Ende und auch wenn Corona mein FSJ komplett auf den Kopf gestellt hat, war es doch eine wirklich schöne Zeit. Nicht nur weil ich jetzt weiß, wie aus einem Antrag ein Gesetz entsteht, sondern besonders, weil ich mich zu jeder Zeit gut aufgehoben gefühlt habe – auch wenn die Kolleg*innen manchmal nicht direkt am Schreibtisch nebenan sitzen.
Nach der Schule erst zu arbeiten statt direkt zu Studieren oder eine Ausbildung zu beginnen, hat sich rückblickend als sehr gute Entscheidung herausgestellt. Denn auch wenn der Alltag in der Politik manchmal anstrengend und mühsam ist, gab es doch ziemlich viel zu erleben und entdecken. Oder wusstest du, dass jeden Dienstag ab 15 Uhr der 4.Stock im AGH plötzlich wie leer gefegt ist, da bis zu 70 Menschen in einer Sitzung sind, um Regierungsarbeit zu gewährleisten?
Marlene Jahn, FSJ-P in der Grünen-Fraktion 2019/2020