Podiumsdiskussion: Verbot von Konversionstherapien
Es ist unfassbar, dass in Deutschland sogenannte Konversionstherapien zur vermeintlichen „Behandlung“ und „Heilung“ von LSBTIQ* noch immer nicht verboten sind. Der Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bis zum Jahresende ein gesetzliches Verbot sogenannter Konversionstherapien durchsetzen, müssen jetzt Taten folgen.
Die queerpolitischen Sprecher*innen von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, Anja Kofbinger und Sebastian Walter, luden zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Verbot von Konversionstherapien“ mit anschließender Vorführung des Films “Der verlorene Sohn” (USA 2018) in das Xenon-Kino in Schöneberg ein. Auf dem Podium saßen Dirk Behrendt, Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Stephanie Kuhnen, Journalistin und Autorin, Mari Günther, Vorstand im Bundesverband Trans*, und Jerzy Szczesny, Referent für Antidiskriminierungs- und Gesellschaftspolitik bei der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Dirk Behrendt stellte heraus, dass mit dem gesetzlichen Verbot von sogenannten Konversionstherapien eine Signalwirkung erzielt werden könne. Damit würde auch die offene Werbung für diese Angebote untersagt. Gleichzeitig betonte er, dass ein reines Verbot von Konversionstherapien nicht ausreiche, sondern mit einem Maßnahmenkatalog zur öffentlichen Aufklärung und Sensibilisierung sowie zur Unterstützung Betroffener einhergehen müsse. Bereits am 17. Mai 2019, am diesjährigen IDAHOBIT (dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi- und Transfeindlichkeit), ist der Bundesrat einem Antrag der Länder Berlin, Hessen und unter anderem Bremen gefolgt, der die Bundesregierung auffordert, die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot von sogenannten Konversionstherapien zu schaffen. Die Entschließung des Bundesrates gebe der Initiative von Gesundheitsminister Spahn einerseits Rückenwind, erhöhe anderseits aber auch den Erwartungsdruck, so Behrendt. Spahn müsse jetzt liefern. Das Land Berlin würde nicht locker lassen und gegebenenfalls das Thema erneut im Bundesrat aufrufen, wenn bis Ende des Jahres kein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorliege.
Stephanie Kuhnen berichtete von ihrer Teilnahme an der von Spahn einberufenen Expert*innenkommission. Gleichzeitig stellte sie noch einmal heraus, dass die sogenannten Konversionstherapien eng mit der patriarchalen Gesellschaft verbunden seien und explizit misogyne, antifeministische und antidemokratische Ideologiekonstrukte bzw. Vorgehensweisen aufzeigen würden.
Mari Günther legte dar, dass Anbieter*innen sogenannter Konversionstherapien nicht nur Schwule und Lesben im Visier hätten sondern auch Trans* und Inter*. Die angewandten Methoden seien vielfältig und würden neben Psychotherapie auch gezielte Manipulation oder Entzug des sozialen Umfeldes sowie von Hormongaben in der Pubertät beinhalten.
Jerzy Szczesny verwies darauf, dass die grüne Bundestagsfraktion bereits 2013 einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht hatte, in dem sie die Ahndung von Therapien mit dem Ziel der Änderung der sexuellen Orientierung bei Minderjährigen forderte. Damals konnten keine Mehrheit erzielt werden. Anfang 2019 hat die Fraktion einen erneuten Versuch gestartet und sehr konkrete Vorschläge vorgelegt: einen Gesetzentwurf zum Verbot solcher gefährlichen und schädlichen Pseudotherapien und einen ausführlichen Antrag mit zahlreichen Maßnahmen zur Aufklärung und zur Unterstützung Betroffener.
Aus dem Publikum kamen weitere Fragen auf: u. a. ob es Pläne für ein EU-weites Verbot oder Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Kirchen gebe, die diese Scharlatanerie unterstützen. Sowohl Dirk Behrendt als auch Jerzy Szczesny wiesen darauf hin, dass Strafrecht eine nationale Kompetenz sei, aber dass Deutschland immerhin die Vermittlung ins Ausland unter Strafe stellen könne. Mit den Kirchen wurden bisher unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Die Mehrzahl der evangelischen Landeskirchen hätten sich in der von Gesundheitsminister Spahn einberufenen Kommission relativ positiv gegenüber dem Verbot von Konversionstherapien geäußert. Die katholische Kirche hingegen habe bisher zurückhaltend reagiert. Mari Günther betonte, dass eine innerkirchliche Diskussion nötig sei. Auch in der Wissenschaft sei eine Debatte enorm wichtig, denn viele Berufsgruppen würden ihre Lehre auf überholten Theorien und Auffassungen aufbauen.
Wir bedanken uns bei allen Podiumsteilnehmer*innen und dem Publikum für diese gute Diskussion.