„Wir sind jung. Wir sind stark.“ – Veranstaltungsbericht
Am 2. November 2015 lud die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus in das Kino Moviemento zum Film „Wir sind jung. Wir sind stark.“ mit anschließender Diskussion ein. Der Film erzählt von den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen Ende August 1992, die in Brandanschlägen auf die zentrale Aufnahmeeinrichtung und das Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter im so genannten Sonnenblumenhaus gipfelten. Dabei begleitet der Film sowohl vietnamesische BewohnerInnen des Wohnheims als auch eine Gruppe Jugendlicher, die maßgeblich an den Ausschreitungen beteiligt waren.
Die sich anschließende Diskussion bereicherte Dr. Wolfgang Richter, damaliger Ausländerbeauftragte der Stadt Rostock, immer wieder mit Schilderungen seiner eigenen Eindrücke aus dieser Nacht, die er selber im Sonnenblumenhaus erlebte.
Clara Herrmann (MdA) wollte von ihm und auch dem weiteren Gast, Sebastian Wehrhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR), wissen, ob wir mit Blick auf die gestiegenen Zahlen von Geflüchteten ähnliche Zustände zu befürchten haben oder unsere Politik und Gesellschaft mittlerweile besser aufgestellt sei.
Beide waren sich einig, dass der Trend rassistischer und rechter Übergriffe im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik besorgniserregend sei. Zumal die Gewalt grenzenloser werde: Wurden zunächst nur geplante Unterkünfte für geflüchtete Menschen attackiert, schrecke man mittlerweile auch nicht vor Anschläge auf bewohnte Einrichtungen zurück. Dr. Wolfgang Richter fügte auch hinzu, dass es heute glücklicherweise eine viel stärkere Zivilgesellschaft gebe, die eine Eskalation wie damals in Rostock-Lichtenhagen unwahrscheinlicher machen würde.
Problematisch seien die zunehmend rechtspopulistischen Äußerungen aus der gesellschaftlichen Mitte, die immer mehr das klare Bild von Rechts und Links verwässern und damit die Verbreitung und Akzeptanz rechter Einstellungen stärken. Es sei daher umso wichtiger, sowohl in alltäglichen Gesprächen als auch im politischen Raum ganz klar Stellung zu beziehen gegen Rassismus, um Vorurteilen keinen Raum zu lassen.
Das Publikum diskutierte kontrovers, inwieweit die Täter im zuvor gesehenen Film als zu „normal“ und gerade nicht als eindeutig Rechtsextreme dargestellt wurden. Wolfgang Richter wies darauf hin, dass damals insgesamt eine aufgeheizte Stimmung herrschte, die sich nach und nach hochwiegelte und dann in den Übergriffen entlud. Hierbei seien gerade nicht ausschließlich klassisch Rechtsextreme die treibende Kraft gewesen.
Mahnende Worte richtete Sebastian Wehrhahn noch direkt an die Politikerinnen und Politiker: Diese dürften nicht eine Politik des Ausnahmezustands herbeiführen, um so bestimmte politische Maßnahmen durchzusetzen.